Abstract
FLASAR, Milena Michiko: „Oben Erde, unten Himmel“, Berlin 2023
Frau Flasar las im Rahmen des Literaturfestivals „Literatur & Wein“ im Stift Göttweig aus diesem, ihrem neuen Buch. Es handelt - so wie die vorangegangenen Romane – in Japan. Die Hauptperson ist eine junge Frau, die sehr auf sich zurückgezogen lebt. Das Studium hatte sie abgebrochen, weil sie keinen Anschluss und keine Freundschaften der Universitätscommunity fand. Da sie allein in der Stadt wohnte musste sie für ihren Unterhalt sorgen und nahm verschiedene Aushilfsarbeiten an. Sie lebt allein mit einem Hamster. Als Kellnerin war sie nicht ausreichend Kundenorientiert und wurde gekündigt. Der Chef sagte zu ihr „Um es auf den Punkt zu bringen, Sie sollten sich einen Job suchen, bei dem Sie so wenig wie möglich mit Menschen zu tun haben.“ (Seite 34) Sie suchte also nach einem Job, bei dem sie wenig oder keinen Kontakt zu anderen Menschen hat und bewarb sich bei einem Reinigungsunternehmen. Das entpuppte sich als Firma, die Wohnungen von einsam verstorbenen Menschen (man nennt sie Kodokushi) räumte. Hier erfährt man, dass viele Einsame ein Auto mieten und in diesem ihrer Einsamkeit nachkommen. Man stellte dies fest, nachdem viele Auto lange vermietet waren, aber keine gefahrenen Kilometer auswiesen.
Sie bekam den Zuschlag. Die Arbeit war schwierig und der Geruch, der lange unentdeckten Leichen hielt sich lange am Körper. Der Vorgang der Wohnungsräumung wurde sehr pietätvoll durchgeführt. Das Räumungsteam klopft an die Wohnungstür und bittet um Einlass, obwohl der Mensch dahinter tot ist. Dann sprechen sie mit ihm, als würde er leben. „Wir sind gekommen, um dir beim Aufräumen zu helfen. Bitte erschrick nicht. Ich weiß, es ist unangenehm, fremde Menschen an sein Zeug ranzulassen, aber ich verspreche dir, wir werden deine Privatsphäre respektieren …“ (Seite 226) Die leere und gereinigte Wohnung wurde dann an die Angehörigen übergeben. Dazu stellte das Team einen kleinen Hausaltar auf und übergab eine Box mit Erinnerungsstücken.
Der Chef war sehr kommunikativ, was nicht ihrer Natur entsprach. So organisierte er ein Kirschblütenfest, an dem sie sich nicht sehr gern beteiligte. Der Chef, Herr Sakai, war ein guter Vorgesetzter und kümmerte sich um seine Mitarbeiter. Suzu, die junge Frau, die in der Ichform diese Geschichte erzählt, wird durch ihn animiert, aus ihrer Einsamkeit geholt und sie bekommt Anschluss mit den alten Nachbarn im Haus, in dem sie wohnt und dem Kollegen Takada. Dieser wohnt in einer einfachen Kabine allein. Als er nicht zur Arbeit kommt, schickt der Chef Suzu zu ihm. Sie findet ihn schwer krank. Kurz entschlossen übersiedelt sie ihn in ihre Wohnung und pflegt ihn gesund.
Die einsame Frau bekam Anschluss und suchte auch den Kontakt zu ihren Eltern wieder. Nach 1 ½ Jahren besucht sie sie. Sie ist auch standfest und erzählt von ihrem Job, den sie liebt. Die Eltern hätten es lieber gesehen, wenn sie studiert, geheiratet und Kinder hätte. Aber sie akzeptieren es.
Der Chef öffnet sich ebenfalls und erzählt seine Lebensgeschichte. Er leidet an einem starken Husten und als er endlich zu einem Arzt geht konstatiert dieser nur mehr eine kurze Lebenszeit. Herr Sakai versucht die Nachfolge der Firma zu regeln und die vier Mitarbeiter erledigen die Arbeit ohne ihn. Als er ins Spital kommt, besuchen sie ihn regelmäßig. Hier zeigt sich, welch kommunikativer Mensch er ist. Viele Leute besuchten ihn: seine Frisörin, die Vermieterin, der Wirt, der Briefträger; nur seine Exfrau und seine Kinder kamen nicht. Seine Nachlassverwaltung übertrug er seinem Arbeitsteam. So wie sie die Wohnungen von einsam verstorbenen Menschen räumten und reinigten sollte es auch bei ihm sein. Als das Team ehrfürchtig die Wohnung von Herrn Sakai betritt erleben sie eine Überraschung. Er, der ein Messi, ein Sammler war, hat die Wohnung noch vor seinem Tod räumen, reinigen und renovieren lassen. Er wollte nichts von seinem Team und bat sie, für ihn zu beten. Suzu sinniert: „Wie der eigene Tod war auch der eines anderen nicht vorstellbar. Wohin ging einer? Und wo war er jetzt? War er in der Luft, die ich einatmete? Herr Sakai und seine Sakaihaftigkeit konnte sich nicht einfach aufgelöst haben. Partikel von ihm und von dem, was ihn ausgemacht hatte, mussten in der Atmosphäre sein, und wer weiß, dachte ich, ob sie nicht dadurch, dass ich sie einatmete, in mir weiterleben?“ (Seite 280)
Das Buch spielt im Zeitraum eines Jahres und die einzelnen Kapitel sind den Jahreszeiten zugeordnet. Man wird mit deutschen Worten, Texten in die japanische Welt entführt und da noch in einen, für viele unbekannten Bereich, dem Leben und Sterben von einsamen Menschen.
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