Abstract
VOGT, Werner: „Leben beschreiben. Über Biografien und Autobiografien“, Zürich 2019
Der Autor beleuchtet die verschiedenen Arten von Biografien. Das Leben sei ein Unikat und solle festgehalten werden. Nicht nur von berühmten Menschen, sondern jede Lebensgeschichte sei erhaltenswert. Einerseits sei das Schreiben von Biografien eine Tradition, andererseits aber auch in Eitelkeit begründet. Für den Leser erzeugt es Neugier. Jeder Biografierte will seriös dargestellt werden. Solange die Geschichte von Lebenden oder über Lebende geschrieben wird ist sie oft geschönt und lässt negative Seiten aus. Dichtung und Wahrheit liegen eng beisammen. Andererseits wird das Leben von Verstorbenen oft auch verklärt wiedergegeben. Autobiografien dagegen sind oft einer psychologischen Therapie entsprungen. Sie würden nach einer Seelenheilung völlig anders aussehen. Prominente machen mit Autobiografien oft enormes Kapital. So etwa die Gattin des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Obama. Sie erhielt alleine für das Schreiben ihrer Biografie einen Vorschuss von 65 Millionen Dollar. Für eine Lesung aus ihrem Buch bekommt sie bis zu 800.000 Dollar.
Der Autor bringt dann 5 exemplarische Lebensgeschichten:
• Julius Caesar (100-44v.Chr.)
Er steht als Beispiel, dass er als Einzelperson verherrlicht wird, so als hätte er keine Menschen um sich gehabt, die ihn zu seinem Ruhm brachten. Er war ein wichtiger Feldherr prägte „die Historie des Römischen Reiches nachhaltig… Caesars Name wurde nach seinem Tod zur Funktionsbezeichnung der römischen Herrscher und lebt im Wort ‚Kaiser‘ oder ‚Zar‘ noch jahrhundertelang weiter, obwohl das Römische Reich schon längst zusammengebrochen ist.“ (Seite 32) Er bewegte in seinen 56 Lebensjahren mehr als andere Politiker und Feldherren. Schon als 25-jähriger schlug er seine erste Schlacht gegen Piraten in Griechenland, die ihn vorher festgenommen hatten. Neben seinen militärischen Erfolgen (auch vielen Niederlagen) war er ein überzeugender und glaubwürdig wirkender Mensch. Er machte nicht nur Geschichte, er schrieb auch über Geschichte und konnte so seine eigene Biografie mit beeinflussen.
• Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
„Unter Johann Wolfgang Goethes Freunden zirkulierte der Witz, der Dichter sei in einem früheren Leben kein Geringerer als der römische Diktator und Imperator Julius Caesar gewesen.“ (Seite 38) Aber selbst heute – zwei Jahrhunderte später - wirkt er noch als moderner Mensch. Er war ein Leistungsverweigerer. Er verwehrte sich gegen eine traditionelle Berufslaufbahn und blieb ein Alternativer. Von ihm stammt auch die Formulierung „Dichtung und Wahrheit“, die gerade bei Biografien Anwendung findet. Er war ein Frauenheld. Speziell nach seiner Italienreise war er aufgeschlossener. Noch heute sind 14.000 Liebesbriefe an verschiedene Frauen, die er verehrte vorhanden. 1788 begegnet er einer 23-jährigen Fabriksarbeiterin. Er nimmt sie als Hausgehilfin auf und es wird eine 18-jährige wilde Ehe, bis er sie auch ehelicht und als legitime Ehefrau aufnimmt und sie gesellschaftlich zur „Frau Geheimrat“ macht. Die Gesellschaft reagiert auch darauf. Johanna Schopenhauer formulierte es so: „Ich denke, wenn Goethe ihr seinen Namen gibt, können wir ihr wohl eine Tasse Tee geben.“ (Seite 42) Goethe war ein genialer Dichter und gerade bei ihm kann man nicht unterscheiden zwischen seinem Leben und seinem Werk.
• Winston Churchill (1874-1965)
Er war eine Sturzgeburt und gehörte nicht dem Hochadel an, was es ihm erlaubte 1940 Premierminister zu werden. Er war ein Familienmensch (Familie mit 5 Kindern) und der Autor nennt es, er sei „wie ein Kranich“. Churchill prägte nicht nur die Geschichte seines Landes, sonders auch die Europas. Er war ein schlechter Schüler und seine Leistungen reichten nicht für ein Universitätsstudium. So ging er zur Armee, deren Aufnahme er erst im dritten Anlauf schaffte. In mehreren Kriegen – wie im Kubaaufstand und den Burenkriegen - war er aktiv. Letzterer verschaffte ihm Ruhm, weil es ihm gelang aus der Kriegsgefangenschaft zu fliehen.
„Churchill packte in sein 90-jähriges Leben so viel wie zehn hart arbeitende Karrierepolitiker – und mehr: Im Telegrammstil sieht dies so aus:
- 60 Jahre Member of Parliament
- 8 verschiedene Ministerien zwischen 1905 und 1929
- 2 Perioden als Premierminister (1940-1945, 1951 – 1955)
- Ein umfangreicheres Oeuvre als William Shakespeare und Charles Dickens zusammen
- Literaturnobelpreis (1953)
- 600 Ölbilder als Hobbymaler“ (Seite 45)
Die Engländer nennen dies „larger than life“. Daneben hatte er immer Appetit, trank und rauchte viel.
• Jean Rudolf von Salis (1901-1996)
Eine nicht so bekannte Schweizer Persönlichkeit. Ein Adeliger der speziell während des Zweiten Weltkriegs journalistisch die Weltlage kommentierte und sich einen Namen machte.
• Marilyn Monroe (1926-1962)
Viele Menschen sind nach ihrem Tod nicht mehr präsent. Marilyn Monroe ist es nach kurzem Leben noch lange. 263 Bücher wurden über sie geschrieben. Noch heute offeriert Amazon 10.000 Produkte mit dem Namen Monroe. Sie stammte aus einfachen Verhältnissen. Ihre Kindheit war „ungewollt, ungeliebt, geschlagen, sexuell missbraucht, ins Waisenhaus abgeschoben – kurzum, Tristesse, wohin man schaut.“ (Seite 53). Als 16-jährige rettete sie sich in eine Ehe und wird zum Model und zur Schauspielerin. Ihre Marke war „Sexbombe“ verquickt mit vielen Männerverhältnissen und Ehen wie mit dem Schriftsteller Arthur Miller. Sie war ihrem erreichten Leben nicht gewachsen und beendete es selbst.
Jedes Leben hat einen Beginn und ein Ende. Später beurteilt man Lebensläufe anders. Julius Caesar wird im 21. Jahrhundert anders bewertet als vor 2000 Jahren. Immer stellt sich die Frage „Wieviel Wahrheit ist in einer Autobiografie“. Goethe nannte seine „Dichtung und Wahrheit“. Er nannte dies „das eigentlich Grundwahre“, was nicht auf Fakten beruhen musste.
„Eine Biografie „erweckt das Vergangene zum Leben, und dadurch kann sich zeigen, was daran Wahrheit ist.“ (Seite 57)
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Sie würden nach einer Seelenheilung völlig anders aussehen. Prominente machen mit Autobiografien oft enormes Kapital. So etwa die Gattin des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Obama. Sie erhielt alleine für das Schreiben ihrer Biografie einen Vorschuss von 65 Millionen Dollar. Für eine Lesung aus ihrem Buch bekommt sie bis zu 800.000 Dollar. Der Autor bringt dann 5 exemplarische Lebensgeschichten: • Julius Caesar (100-44v.Chr.) Er steht als Beispiel, dass er als Einzelperson verherrlicht wird, so als hätte er keine Menschen um sich gehabt, die ihn zu seinem Ruhm brachten. Er war ein wichtiger Feldherr prägte „die Historie des Römischen Reiches nachhaltig… Caesars Name wurde nach seinem Tod zur Funktionsbezeichnung der römischen Herrscher und lebt im Wort ‚Kaiser‘ oder ‚Zar‘ noch jahrhundertelang weiter, obwohl das Römische Reich schon längst zusammengebrochen ist.“ (Seite 32) Er bewegte in seinen 56 Lebensjahren mehr als andere Politiker und Feldherren. Schon als 25-jähriger schlug er seine erste Schlacht gegen Piraten in Griechenland, die ihn vorher festgenommen hatten. Neben seinen militärischen Erfolgen (auch vielen Niederlagen) war er ein überzeugender und glaubwürdig wirkender Mensch. Er machte nicht nur Geschichte, er schrieb auch über Geschichte und konnte so seine eigene Biografie mit beeinflussen. • Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) „Unter Johann Wolfgang Goethes Freunden zirkulierte der Witz, der Dichter sei in einem früheren Leben kein Geringerer als der römische Diktator und Imperator Julius Caesar gewesen.“ (Seite 38) Aber selbst heute – zwei Jahrhunderte später - wirkt er noch als moderner Mensch. Er war ein Leistungsverweigerer. Er verwehrte sich gegen eine traditionelle Berufslaufbahn und blieb ein Alternativer. Von ihm stammt auch die Formulierung „Dichtung und Wahrheit“, die gerade bei Biografien Anwendung findet. Er war ein Frauenheld. Speziell nach seiner Italienreise war er aufgeschlossener. Noch heute sind 14.000 Liebesbriefe an verschiedene Frauen, die er verehrte vorhanden. 1788 begegnet er einer 23-jährigen Fabriksarbeiterin. Er nimmt sie als Hausgehilfin auf und es wird eine 18-jährige wilde Ehe, bis er sie auch ehelicht und als legitime Ehefrau aufnimmt und sie gesellschaftlich zur „Frau Geheimrat“ macht. Die Gesellschaft reagiert auch darauf. Johanna Schopenhauer formulierte es so: „Ich denke, wenn Goethe ihr seinen Namen gibt, können wir ihr wohl eine Tasse Tee geben.“ (Seite 42) Goethe war ein genialer Dichter und gerade bei ihm kann man nicht unterscheiden zwischen seinem Leben und seinem Werk. • Winston Churchill (1874-1965) Er war eine Sturzgeburt und gehörte nicht dem Hochadel an, was es ihm erlaubte 1940 Premierminister zu werden. Er war ein Familienmensch (Familie mit 5 Kindern) und der Autor nennt es, er sei „wie ein Kranich“. Churchill prägte nicht nur die Geschichte seines Landes, sonders auch die Europas. Er war ein schlechter Schüler und seine Leistungen reichten nicht für ein Universitätsstudium. So ging er zur Armee, deren Aufnahme er erst im dritten Anlauf schaffte. In mehreren Kriegen – wie im Kubaaufstand und den Burenkriegen - war er aktiv. Letzterer verschaffte ihm Ruhm, weil es ihm gelang aus der Kriegsgefangenschaft zu fliehen. „Churchill packte in sein 90-jähriges Leben so viel wie zehn hart arbeitende Karrierepolitiker – und mehr: Im Telegrammstil sieht dies so aus: - 60 Jahre Member of Parliament - 8 verschiedene Ministerien zwischen 1905 und 1929 - 2 Perioden als Premierminister (1940-1945, 1951 – 1955) - Ein umfangreicheres Oeuvre als William Shakespeare und Charles Dickens zusammen - Literaturnobelpreis (1953) - 600 Ölbilder als Hobbymaler“ (Seite 45) Die Engländer nennen dies „larger than life“. Daneben hatte er immer Appetit, trank und rauchte viel. • Jean Rudolf von Salis (1901-1996) Eine nicht so bekannte Schweizer Persönlichkeit. Ein Adeliger der speziell während des Zweiten Weltkriegs journalistisch die Weltlage kommentierte und sich einen Namen machte. • Marilyn Monroe (1926-1962) Viele Menschen sind nach ihrem Tod nicht mehr präsent. Marilyn Monroe ist es nach kurzem Leben noch lange. 263 Bücher wurden über sie geschrieben. Noch heute offeriert Amazon 10.000 Produkte mit dem Namen Monroe. Sie stammte aus einfachen Verhältnissen. Ihre Kindheit war „ungewollt, ungeliebt, geschlagen, sexuell missbraucht, ins Waisenhaus abgeschoben – kurzum, Tristesse, wohin man schaut.“ (Seite 53). Als 16-jährige rettete sie sich in eine Ehe und wird zum Model und zur Schauspielerin. Ihre Marke war „Sexbombe“ verquickt mit vielen Männerverhältnissen und Ehen wie mit dem Schriftsteller Arthur Miller. Sie war ihrem erreichten Leben nicht gewachsen und beendete es selbst. Jedes Leben hat einen Beginn und ein Ende. Später beurteilt man Lebensläufe anders. Julius Caesar wird im 21. Jahrhundert anders bewertet als vor 2000 Jahren. Immer stellt sich die Frage „Wieviel Wahrheit ist in einer Autobiografie“. Goethe nannte seine „Dichtung und Wahrheit“. Er nannte dies „das eigentlich Grundwahre“, was nicht auf Fakten beruhen musste. „Eine Biografie „erweckt das Vergangene zum Leben, und dadurch kann sich zeigen, was daran Wahrheit ist.“ (Seite 57) }, keywords = {Autobiografie, Biografie, Johann Wolfgang von Goethe, Julius Caesar. Winston Churchill, Marilyn Monroe, Rudolf von Salis}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} }