Du sagst es

Connie PALMEN: Du sagst es. 2020.

Abstract

PALMEN, Connie: „Du sagst es“, Zürich 2016
Die niederländische Schriftstellerin Connie Palmen gibt dem bereits verstorbenen englischen Dichter Ted Hughes mit diesem Roman eine Stimme. Teilweise ist es auch eine Rechtfertigung darüber, dass sich seine amerikanische Frau Sylvia Plath das Leben genommen hatte. Von der Thematik also ein einfach gestrickter Roman: eine Rechtfertigung eines schuldbewussten Mannes. Schriftstellerisch aber großartig. In dieser Hinsicht eines der besten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe.
In jungen Jahren lernen sich die beiden – Sylvia Plath und Ted Hughes – kennen. Sie Amerikanerin, für ein Auslandsstipendium in England weilend, lernt ihren Mann kennen, der schriftstellerisch schon am Weg der Anerkennung ist. Sie als Studentin hatte auch schon viel publiziert, der große Erfolg blieb aber noch aus. Nach relativ kurzer Zeit des Kennens heiraten sie heimlich und weihen die Eltern und Freunde erst später ein. Als Künstler führen sie ein nomadisches Leben; verbringen Jahre in Amerika und dann wieder in England. Immer wieder siedeln sie um. Ihr sorgloses Leben wurde mehr konservativ, als das erste Kind – eine Tochter zur Welt kam. Trotzdem blieb die interne Konkurrenz der beiden um Publizität ringenden Künstler. Die intensive Liebe verband sie aber. Sie waren sich nahe. „… alles was sie sah und fühlte, genauso erfuhr, als sähe und fühlte es selbst. Ihr Schmerz war mein Schmerz, ihre Ängste waren meine Ängste, nur reagierte ich anders darauf.“ (Seite 157) Obwohl er nur wenige Jahre älter war, sah sie ihn ihm einen Vaterersatz. Ihr Vater war ein Familientyrann und starb früh. Zur Mutter hatte sie eine nicht so gute Beziehung und schreckte nicht davor zurück dies auch in ihren Büchern zu beschreiben. Hass und Liebe lagen in der Ehe von Hughs und Plath eng beisammen. Als er wohlgelaunt nach einem erfolgreichen Interview von BBC heimkam war die Eingangstür blockiert. Die eifersüchtige Frau hatte all seine Manuskripte zerrissen. Die Ehe wird – trotz des zweiten Kindes – immer getrübter und letztlich trennten sie sich einmal auf Zeit, um zu sich selbst zu finden. Er meinte, „dass sie ein geniales poetisches Selbst befreit hatte, ungehört, neu, originell, schockierend. Die Glasglocke war gelüpft, der gefolterte Panikvogel konnte singen und ich konnte mich von dem Zwang losmachen, Vater und Gott in einem sein zu müssen.“ (Seite 233) Die als Pause gedachte Trennung entfernte aber mehr. Hughes hatte in London eine Freundin, die für ihn aber nur ein ihn anziehendes Sexobjekt war.
Sylvias Hass gegen ihren Mann wurde immer aggressiver. Sie lebte zuerst alleine in ihrem Haus am Land und siedelte dann mit den Kindern nach London, wo auch ihr Mann wohnte. Sie begann wieder viel zu schreiben, ließ aber in vielen Geschichten und Gedichten ihren Hass gegenüber dem verlassenen Mann durchblicken. Sie wollte zwar eine Scheidung, reichte diese aber nie ein. Er hoffte immer noch auf ein Zusammenfinden. Als er eines Tages einen Abschiedsbrief erhielt eilte er umgehend zu ihrem Haus. Die Post war in der Zustellung schneller als sie beim Handeln. Sie zerriss den Brief. Der Selbstmord war vereitelt, aber im Februar 1963 bekam er den Anruf mit dem Satz „Deine Frau ist tot.“ (Seite 253) All die Freunde und Verwandten, die in London eintrafen nahm er nur wage wahr. Er kümmerte sich routiniert um die zwei Kinder und hielt die Nachricht des Todes der Mutter von ihnen fern. Am Grab bat er dann die Trauergäste ihn noch alleine zurück zu lassen. „Um dem Schmerz ein Ende zu machen, sang ich leise die letzte Strophe von ‚Waltzing Matilda‘ für meine Braut und bat sie um Vergebung für alles, was ich selbst falsch gemacht hatte.“ (Seite 266) Es war zwar Selbstmord, aber er kam nicht davon los, dass er Mitschuld habe. Viele gaben ihm auch die Schuld. Gerade in einer Zeit des aufkeimenden Feminismus fanden sich Frauen um ihn zum Mörder zu machen. Die innere Liebe und dieser Hass von außen wurde zu einer Zerreißprobe, der er mit der Aufarbeitung ihrer Texte und deren Veröffentlichung entgegentrat. Nach dem Tod kam er nicht los von ihr. Zwar heiratete er seine Freundin und bekam ein Kind von ihr, es war aber nicht mehr die Liebe wie mit Sylvia. Er bezeichnete sich als „Passant, der jeden Augenblick – ohne Erklärung oder Entschuldigung – entschwinden konnte, war in seiner Ungreifbarkeit der unzertrennliche Ehemann einer toten Geliebten.“ (Seite 273) Als sich diese zweite Frau auf dieselbe Art und Weise wie seine erste Frau – den Kopf in das Backrohr des aufgedrehten Gasherdes steckend – aus dem Leben schied, zerbrach er ein weiteres Stück. Schließlich heiratete er eine Bauerstochter, die keine Ambitionen mit Literatur, Depressionen und Todessehnsüchten hatte. Sie war „eine Frau, die die Kinder und mich rettete, und nicht ich sie.“ (Seite 274)
All sein restliches Leben versuchte er Sylvias Tod und diese gescheiterte Beziehung zu ergründen. „In den Jahren nach ihrem Tod und jetzt, da ich mit der Poesie das Loch abzudichten versuche, das ihr Selbstmord in mich geschlagen hat, in einem posthumen Dialog das Gespräch mit ihr führe, das wir nie mehr führen konnten, … kommt mir dieses Bild immer wieder, wie wir dort zum letzten Mal zusammen im karmesinroten Wohnzimmer am Feuer saßen und durch die Glut der Flammen sichtbar wurde, wie unsere Worte verflossen, zu einem Körper, einem Geist, einer sprachlichen Vermählung.“ (Seite 237/238) In seinen letzten 30 Jahren schrieb er Gedichte über Sylvia, die er aber privat hielt. Schon todkrank gab er sie zur Veröffentlichung frei. Diese 88 Gedichte aus „Birthday Letters“ waren auch ein wichtiger Leitfaden für die Autorin Connie Palmen für das vorliegende Buch.

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    In jungen Jahren lernen sich die beiden – Sylvia Plath und Ted Hughes – kennen. Sie Amerikanerin, für ein Auslandsstipendium in England weilend, lernt ihren Mann kennen, der schriftstellerisch schon am Weg der Anerkennung ist. Sie als Studentin hatte auch schon viel publiziert, der große Erfolg blieb aber noch aus. Nach relativ kurzer Zeit des Kennens heiraten sie heimlich und weihen die Eltern und Freunde erst später ein. Als Künstler führen sie ein nomadisches Leben; verbringen Jahre in Amerika und dann wieder in England. Immer wieder siedeln sie um. Ihr sorgloses Leben wurde mehr konservativ, als das erste Kind – eine Tochter zur Welt kam. Trotzdem blieb die interne Konkurrenz der beiden um Publizität ringenden Künstler. Die intensive Liebe verband sie aber. Sie waren sich nahe. „… alles was sie sah und fühlte, genauso erfuhr, als sähe und fühlte es selbst. Ihr Schmerz war mein Schmerz, ihre Ängste waren meine Ängste, nur reagierte ich anders darauf.“ (Seite 157) Obwohl er nur wenige Jahre älter war, sah sie ihn ihm einen Vaterersatz. Ihr Vater war ein Familientyrann und starb früh. Zur Mutter hatte sie eine nicht so gute Beziehung und schreckte nicht davor zurück dies auch in ihren Büchern zu beschreiben. Hass und Liebe lagen in der Ehe von Hughs und Plath eng beisammen. Als er wohlgelaunt nach einem erfolgreichen Interview von BBC heimkam war die Eingangstür blockiert. Die eifersüchtige Frau hatte all seine Manuskripte zerrissen. Die Ehe wird – trotz des zweiten Kindes – immer getrübter und letztlich trennten sie sich einmal auf Zeit, um zu sich selbst zu finden. Er meinte, „dass sie ein geniales poetisches Selbst befreit hatte, ungehört, neu, originell, schockierend. Die Glasglocke war gelüpft, der gefolterte Panikvogel konnte singen und ich konnte mich von dem Zwang losmachen, Vater und Gott in einem sein zu müssen.“ (Seite 233) Die als Pause gedachte Trennung entfernte aber mehr. Hughes hatte in London eine Freundin, die für ihn aber nur ein ihn anziehendes Sexobjekt war.
    Sylvias Hass gegen ihren Mann wurde immer aggressiver. Sie lebte zuerst alleine in ihrem Haus am Land und siedelte dann mit den Kindern nach London, wo auch ihr Mann wohnte. Sie begann wieder viel zu schreiben, ließ aber in vielen Geschichten und Gedichten ihren Hass gegenüber dem verlassenen Mann durchblicken. Sie wollte zwar eine Scheidung, reichte diese aber nie ein. Er hoffte immer noch auf ein Zusammenfinden. Als er eines Tages einen Abschiedsbrief erhielt eilte er umgehend zu ihrem Haus. Die Post war in der Zustellung schneller als sie beim Handeln. Sie zerriss den Brief. Der Selbstmord war vereitelt, aber im Februar 1963 bekam er den Anruf mit dem Satz „Deine Frau ist tot.“ (Seite 253) All die Freunde und Verwandten, die in London eintrafen nahm er nur wage wahr. Er kümmerte sich routiniert um die zwei Kinder und hielt die Nachricht des Todes der Mutter von ihnen fern. Am Grab bat er dann die Trauergäste ihn noch alleine zurück zu lassen. „Um dem Schmerz ein Ende zu machen, sang ich leise die letzte Strophe von ‚Waltzing Matilda‘ für meine Braut und bat sie um Vergebung für alles, was ich selbst falsch gemacht hatte.“ (Seite 266) Es war zwar Selbstmord, aber er kam nicht davon los, dass er Mitschuld habe. Viele gaben ihm auch die Schuld. Gerade in einer Zeit des aufkeimenden Feminismus fanden sich Frauen um ihn zum Mörder zu machen. Die innere Liebe und dieser Hass von außen wurde zu einer Zerreißprobe, der er mit der Aufarbeitung ihrer Texte und deren Veröffentlichung entgegentrat. Nach dem Tod kam er nicht los von ihr. Zwar heiratete er seine Freundin und bekam ein Kind von ihr, es war aber nicht mehr die Liebe wie mit Sylvia. Er bezeichnete sich als „Passant, der jeden Augenblick – ohne Erklärung oder Entschuldigung – entschwinden konnte, war in seiner Ungreifbarkeit der unzertrennliche Ehemann einer toten Geliebten.“ (Seite 273) Als sich diese zweite Frau auf dieselbe Art und Weise wie seine erste Frau – den Kopf in das Backrohr des aufgedrehten Gasherdes steckend – aus dem Leben schied, zerbrach er ein weiteres Stück. Schließlich heiratete er eine Bauerstochter, die keine Ambitionen mit Literatur, Depressionen und Todessehnsüchten hatte. Sie war „eine Frau, die die Kinder und mich rettete, und nicht ich sie.“ (Seite 274)
    All sein restliches Leben versuchte er Sylvias Tod und diese gescheiterte Beziehung zu ergründen. „In den Jahren nach ihrem Tod und jetzt, da ich mit der Poesie das Loch abzudichten versuche, das ihr Selbstmord in mich geschlagen hat, in einem posthumen Dialog das Gespräch mit ihr führe, das wir nie mehr führen konnten, … kommt mir dieses Bild immer wieder, wie wir dort zum letzten Mal zusammen im karmesinroten Wohnzimmer am Feuer saßen und durch die Glut der Flammen sichtbar wurde, wie unsere Worte verflossen, zu einem Körper, einem Geist, einer sprachlichen Vermählung.“ (Seite 237/238) In seinen letzten 30 Jahren schrieb er Gedichte über Sylvia, die er aber privat hielt. Schon todkrank gab er sie zur Veröffentlichung frei. Diese 88 Gedichte aus „Birthday Letters“ waren auch ein wichtiger Leitfaden für die Autorin Connie Palmen für das vorliegende Buch.
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