Du bist mir Kunst. Der Briefwechsel Alma Mahler – Walter Gropius 1910 bis 1914

ROTHKAMM, Annemarie JAEGGI Jörg (Hrsg.): Du bist mir Kunst. Der Briefwechsel Alma Mahler – Walter Gropius 1910 bis 1914. 2023.

Abstract

In mühevoller Arbeit haben die Herausgeber Annemarie Jaeggi und Jörg Rothkamm die Briefe des Liebes- und späteren Ehepaares Alma Mahler und Walter Gropius zusammengetragen, interpretiert und in Relation zum Leben der beiden gesetzt.
Kann / darf man über den Briefwechsel von Verstorbenen – noch dazu, wenn es sich um sehr persönliche Liebesbriefe handelt – eine Rezension schreiben? Ich denke nicht. Man muss überhaupt die Frage stellen, ob man diese intimen Dinge überhaupt an die Öffentlichkeit tragen darf. In diesem Fall haben die Nachfahren ihr OK dazu gegeben. Die Verstorbenen können es nicht mehr beeinspruchen. Ein Argument für die Publizierung kann es sein, dass es sich um einflussreiche und wichtige Persönlichkeiten handelt, die sehr wohl für die Öffentlichkeit von Interesse sind. Die Briefe selbst soll man nehmen, so wie sie sind. Die Bezugsetzung der Herausgeber zum jeweiligen Lebensabschnitt eröffnen neue Blickwinkel.
Aber nun zum Inhalt des Buches: was erwartet den Leser, die Leserin?
Es sind 950 Briefe, die Alma Mahler an ihren Geliebten Walter Gropius geschrieben hat. Für ihn hatten diese Briefe eine große Bedeutung. Mit seiner Geliebten diskutierte er seine Pläne, die Pläne eines aufstrebenden Architekten. Es ist zu einem Briefwechsel im Ping-Pong-Stil geworden. Jeder Brief wurde von der Gegenseite beantwortet und mit persönlichen Empfindungen erweitert. Leider sind jene von Gropius nicht mehr erhalten. Alma Mahler hat sie vernichtet. Gropius hat aber fast immer einen Entwurf geschrieben, bevor er ihn in Reinschrift abschickte. So sind die Antworten des Liebhabers der Nachwelt indirekt erhalten geblieben. Nicht alle, aber doch zirka 300 Entwürfe auf Notizblättern und kleineren Blättern. Beide sind später nach Amerika ausgewandert. Der eine an der Westküste der USA, sie an der Ostküste. Als Migranten konnten sie nur das Wichtigste mitnehmen und für Gropius waren die Briefe etwas sehr Wichtiges und er nahm sie nach Amerika mit.
Die ersten Briefe stammen aus dem Jahr 1910. Die Beiden hatten sich bei einem Kuraufenthalt kennengelernt. Alma war mit dem Komponisten und Direktor der Wiener Oper Gustav Mahler verheiratet. Alma, die selbst komponierte, musste mit der Heirat ihre musikalische Tätigkeit einstellen. Der angehende Ehegatte verlangte dies: entweder Heirat oder Komponieren. Sie unterwarf sich dem Diktat der Hochzeit und schenkte dem Maestro zwei Töchter, um die sie sich kümmerte. Gustav Mahler verstarb 1911. Zum Zeitpunkt des Kennenlernens von Gropius und Alma war er schon ein kränkelnder Mann. Gropius war 4 Jahre jünger als Alma und bot ihr ein neues Lebensgefühl. Die Liebe war auf beiden Seiten mit einem Tiefgang versehen, den Alma sensibler ausdrücken konnte als Gropius. Er mühte sich bei seinen Textierungen, weshalb er auch vorher einen Entwurf schrieb. Sie dagegen ließ die Feder laufen und schrieb frisch und frei, was sie empfand und was sie dachte.
Die Beziehung lebte über den Tod Gustav Mahlers hinaus. Sie überdauerte auch die Beziehung Alma Mahlers zu Oskar Kokoschka und den Ausbruch des Ersten Weltkriegs, zu dem sich Gropius als Freiwilliger meldete. 1915 heirateten sie. Ein Jahr später wurde die gemeinsame Tochter geboren. Sie lebten mit großer Distanz und entfremdeten sich, sodass es 1917 zu einer Trennung und 1920 zu einer Scheidung kam. Die gemeinsame Tochter motivierte sie aber zu einem weiteren Briefwechsel. Auch als diese 1935 starb, blieb der Briefwechsel bis 1964 weiter aufrecht. Das vorliegende Buch mit über einem Kilogramm und fast 800 Seiten fokussiert sich aber auf die Jahre 1910 bis 1914. Wie später erschienene Biografien und Autobiografien zeigten, lieferten diese nicht immer die reine Wahrheit. Briefe sind Zeitzeugnisse aus der Situation, aus dem jeweiligen Zeitfenster und weniger manipuliert.

    BibTeX (Download)

    @mastersthesis{ROTHKAMM2023,
    title = {Du bist mir Kunst. Der Briefwechsel Alma Mahler – Walter Gropius 1910 bis 1914},
    editor = {Annemarie JAEGGI
    Jörg ROTHKAMM},
    year  = {2023},
    date = {2023-11-17},
    urldate = {2023-11-17},
    abstract = {In mühevoller Arbeit haben die Herausgeber Annemarie Jaeggi und Jörg Rothkamm die Briefe des Liebes- und späteren Ehepaares Alma Mahler und Walter Gropius zusammengetragen, interpretiert und in Relation zum Leben der beiden gesetzt.
    Kann / darf man über den Briefwechsel von Verstorbenen – noch dazu, wenn es sich um sehr persönliche Liebesbriefe handelt – eine Rezension schreiben? Ich denke nicht. Man muss überhaupt die Frage stellen, ob man diese intimen Dinge überhaupt an die Öffentlichkeit tragen darf. In diesem Fall haben die Nachfahren ihr OK dazu gegeben. Die Verstorbenen können es nicht mehr beeinspruchen. Ein Argument für die Publizierung kann es sein, dass es sich um einflussreiche und wichtige Persönlichkeiten handelt, die sehr wohl für die Öffentlichkeit von Interesse sind. Die Briefe selbst soll man nehmen, so wie sie sind. Die Bezugsetzung der Herausgeber zum jeweiligen Lebensabschnitt eröffnen neue Blickwinkel.
    Aber nun zum Inhalt des Buches: was erwartet den Leser, die Leserin?
    Es sind 950 Briefe, die Alma Mahler an ihren Geliebten Walter Gropius geschrieben hat. Für ihn hatten diese Briefe eine große Bedeutung. Mit seiner Geliebten diskutierte er seine Pläne, die Pläne eines aufstrebenden Architekten. Es ist zu einem Briefwechsel im Ping-Pong-Stil geworden. Jeder Brief wurde von der Gegenseite beantwortet und mit persönlichen Empfindungen erweitert. Leider sind jene von Gropius nicht mehr erhalten. Alma Mahler hat sie vernichtet. Gropius hat aber fast immer einen Entwurf geschrieben, bevor er ihn in Reinschrift abschickte. So sind die Antworten des Liebhabers der Nachwelt indirekt erhalten geblieben. Nicht alle, aber doch zirka 300 Entwürfe auf Notizblättern und kleineren Blättern. Beide sind später nach Amerika ausgewandert. Der eine an der Westküste der USA, sie an der Ostküste. Als Migranten konnten sie nur das Wichtigste mitnehmen und für Gropius waren die Briefe etwas sehr Wichtiges und er nahm sie nach Amerika mit.
    Die ersten Briefe stammen aus dem Jahr 1910. Die Beiden hatten sich bei einem Kuraufenthalt kennengelernt. Alma war mit dem Komponisten und Direktor der Wiener Oper Gustav Mahler verheiratet. Alma, die selbst komponierte, musste mit der Heirat ihre musikalische Tätigkeit einstellen. Der angehende Ehegatte verlangte dies: entweder Heirat oder Komponieren. Sie unterwarf sich dem Diktat der Hochzeit und schenkte dem Maestro zwei Töchter, um die sie sich kümmerte. Gustav Mahler verstarb 1911. Zum Zeitpunkt des Kennenlernens von Gropius und Alma war er schon ein kränkelnder Mann. Gropius war 4 Jahre jünger als Alma und bot ihr ein neues Lebensgefühl. Die Liebe war auf beiden Seiten mit einem Tiefgang versehen, den Alma sensibler ausdrücken konnte als Gropius. Er mühte sich bei seinen Textierungen, weshalb er auch vorher einen Entwurf schrieb. Sie dagegen ließ die Feder laufen und schrieb frisch und frei, was sie empfand und was sie dachte.
    Die Beziehung lebte über den Tod Gustav Mahlers hinaus. Sie überdauerte auch die Beziehung Alma Mahlers zu Oskar Kokoschka und den Ausbruch des Ersten Weltkriegs, zu dem sich Gropius als Freiwilliger meldete. 1915 heirateten sie. Ein Jahr später wurde die gemeinsame Tochter geboren. Sie lebten mit großer Distanz und entfremdeten sich, sodass es 1917 zu einer Trennung und 1920 zu einer Scheidung kam. Die gemeinsame Tochter motivierte sie aber zu einem weiteren Briefwechsel. Auch als diese 1935 starb, blieb der Briefwechsel bis 1964 weiter aufrecht. Das vorliegende Buch mit über einem Kilogramm und fast 800 Seiten fokussiert sich aber auf die Jahre 1910 bis 1914. Wie später erschienene Biografien und Autobiografien zeigten, lieferten diese nicht immer die reine Wahrheit. Briefe sind Zeitzeugnisse aus der Situation, aus dem jeweiligen Zeitfenster und weniger manipuliert.
    },
    keywords = {Architektur, Briefwechsel, Liebesbriefe, Musik},
    pubstate = {published},
    tppubtype = {mastersthesis}
    }