Abstract
ERNAUX, Annie: „Die Jahre“, Berlin 2022
Die Autorin beschreibt rückblickend ihr Leben und dessen Veränderungen. Es ist aber ein Spiegelbild der Generation, die noch während des Zweiten Weltkriegs zur Welt kamen. Menschen, die all die Veränderungen in den Nachkriegsjahren, der folgenden Konsumgeneration und Wohlstands miterlebten. Es ist ein Spiegelbild der französischen Gesellschaft und ist doch nicht das Leben der Autorin, sondern gilt für diese Generation. Auch in anderen europäischen Ländern verlief die Veränderung ähnlich und man fühlt sich bei vielen Punkten persönlich angesprochen.
So wird noch von den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs, dem Wiederaufbau und der neuen Generation erzählt. Wie durch die Babypille das sexuelle Verhältnis sich änderte und Revolutionen, wie jene von 1968, die Gesellschaft anders machte. Auch die beschriebene Person wird anders als ihre Eltern und doch wieder in vielen Dingen konservativ: verheiratet, Kindererzieherin, Konsumorientiert.
Die eigenen Kinder wurden Erwachsene. Sie waren im Wohlstand aufgewachsen und taten sich schwer von zu Hause auszuziehen. Als sie geschieden war, überlegte sie erstmals ein Buch über die Jahre von 1940 (Geburt) bis 1985 (Scheidung und wieder Alleinsein) zu schreiben.
Als die Autorin sich der Gegenwart, den „Nullerjahren“ des 21. Jahrhunderts näherte, lief sie zu einem wahrlich literarischen Höhepunkt auf. Jetzt beschrieb sie die Zeit, in der sie gerade unmittelbar lebte und charakterisierte ihre Umgebung „nobelpreisträchtig“ genau und schön. Die Überflutung mit Information durch das Internet gibt aber kein Wissen wieder, das beim Leben hilft. Sie beklagt auch, dass zwar die Religion durch die Muslime zurück im Leben sei, aber der Rosenkranz, der Fisch am Freitag und Kirchenlieder der eigenen Religion verloren gingen. Als geschiedene Frau hat sie einen jungen Liebhaber, der ihr die Jugend nicht geben kann und ihr gleichzeitig ihr Alter nimmt.
Es ist keine Biografie der Autorin geworden, sondern ein Stück Zeitgeschichte, das sie anhand einer Person beschrieb. „In dem, was sie als unpersönliche Autobiografie begreift, gibt es kein „ich“, sondern ein „man“ oder „wir“. (Seite 253) Sie empfand es selbst als Lust jetzt im Alter über das Leben zu schreiben.
Ein großartiges Buch in nobelpreiswürdigem Niveau. Die Erzählung über einer Generation.
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