Abstract
PLATH, Sylvia: „Die Glasglocke“, Frankfurt 1997
Aus der Serie der besten Literatur des Jahrhunderts. Ich hatte es unter den „noch nicht gelesenen Büchern“ abgelegt und nahm es in den Urlaub mit. Noch ein Geschenk von Franz Jantsch.
Ein überraschend gutes Buch. Die Autorin hat nur eines in ihrem Leben geschrieben und dann hat sie sich umgebracht. Das Buch nimmt Bezug auf ein Jahr ihres Lebens, das zehn Jahre vor dem Selbstmord war, aber bereits die Depressivität zeigte.
Ein Mädchen, das nach dem Highschool-Abschluss mit anderen ausgewählten Kandidatinnen von einer Zeitschrift für einige Wochen nach New York eingeladen wird, wo sie das Schreiben und Arbeiten in einer Redaktion kennen lernen.
Sie beschreibt diesen Aufenthalt und den Bezug zu den anderen Mädchen. Aber auch ihre Männerfreundschaften zeigt sie auf und analysiert sie.
Diese Frau hätte sicher noch vieles zur Literatur beigetragen, hätte sie sich nicht das Leben genommen.
„Dieser Feigenbaum stand auf einer grünen Wiese zwischen dem Haus eines jüdischen Mannes und einem Kloster, und regelmäßig trafen sich der jüdische Mann und eine schöne, dunkelhäutige Nonne unter dem Baum, um die reifen Feigen zu pflücken, bis sie eines Tages beobachteten, wie in einem Nest auf einem Ast des Baumes ein Junges aus einem Ei schlüpfte, und während sie zusahen, wie sich das Vöglein aus seinem Ei pickte, berührten sich ihre Handflächen, und danach kam die Nonne nicht mehr, um mit dem jüdischen Mann Feigen zu pflücken, statt dessen kam ein katholisches Küchenmädchen mit einem hässlichen Gesicht, und jedesmal wenn sie fertig waren, zählte dieses Mädchen die Feigen, die der Mann gepflückt hatte, nach. Um sicher zu gehen, dass er nicht mehr genommen hatte als sie, und der Mann wurde wütend.“ (Seite 60/61)
„Ich sah mich in der Gabel dieses Feigenbaumes sitzen und verhungern, bloß wel ich mich nicht entscheiden konnte, welche Feige ich nehmen sollte. Ich wollte sie alle, aber eine von ihnen nehmen bedeutete, alle anderen verlieren, und während ich dasaß, unfähig, mich zu entscheiden, begannen die Feigen zu schrumpfen und schwarz zu werden und plumpsten eine nach der anderen auf den Boden unter mir.“ (Seite 83)
„Ich sah die Jahre meines Lebens wie Telefonmasten, die sich, durch Drähte verbunden, in regelmäßigen Abständen an einer Straße entlang zogen. Ich zählte einen, zwei, drei … neunzehn Telefonmasten, dann hingen die Drähte ins Leere, und hinter dem neunzehnten konnte ich beim besten Willen keinen weiteren Mast mehr entdecken.“ (Seite 130/131)
„Misstrauisch drehte und wendete ich die Wörter wie runde, vom Meer geschliffene Kiesel, die womöglich plötzlich eine Kralle ausfuhren und sich in etwas ganz anderes verwandelten.“ (Seite 137/138)
(Korfu, 04.10.2008)
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