Das Café ohne Namen

Robert SEETHALER: Das Café ohne Namen. 2023.

Abstract

SEETHALER, Robert: „Das Café ohne Namen“, Berlin 2023
Seethaler entführt seine Leser in die 1960er Jahre in Wien. Das noch im Zweiten Weltkrieg geborene Waisenkind Robert Simon wächst in einem Waisenhaus auf. Nach Schulabschluss lebt er von Gelegenheitsarbeiten auf einem Wiener Markt. Als er dann ein eigenes Zimmer bei einer Witwe gemietet hat, beschließt er sich selbstständig zu machen und mietet ein aufgelassenes Gasthaus, in dem er ein Café eröffnet. Da er keinen guten Namen fand, blieb es ein „Café ohne Namen“. Gegenüber ist ein Markt, der ihm Kunden ins Lokal spült. Seethaler beschreibt die Stammkunden. Unterschiedliche Menschen. Er ist ein guter Beobachter und man folgt ihm als Leser gerne. Das Geschäft läuft gut – auch wenn er nicht reich wird - und er stellt eine Mitarbeiterin ein. Sie heiratet einen Ringkämpfer vom Heumarkt. Es ist keine einfache Ehe.
Nach zehn Jahren Kaffeehausbetrieb kommt es zu Veränderungen. Seine Zimmervermieterin, die Witwe wird dement. Sie geht oft aus und er muss sie suchen. Der Besitzer des Hauses, in dem das Café untergebracht ist, hat sich verschuldet und verkauft das Haus an eine Immobilienfirma, die es abreißen und durch einen Neubau ersetzen wird. Robert muss sein Geschäft schließen. Er organisiert ein Abschiedsfest, das bis in die Morgenstunden dauert.
Die Erzählung dreht sich ins Negative. Eine Stammkundin wird zu Grabe getragen. Eine Freundin besucht sie Am Grab. Ihre Gedanken will ich hier wiedergeben, weil sie die Schönheit der Dichtung zeigen: „Am liebsten sind mir die Margeriten. Die Margerite ist eine bescheidene Blume. Sie geht mit ihrer Schönheit nicht hausieren wie die Rose oder die Hyazinthe. Ich hab einen kleinen Strauß mitgebracht, in einem Glaserl aus Glas. Das hätte ihr bestimmt gefallen. Es ist dann alles schnell gegangen. Sie hat nicht gewollt, dass jemand spricht an ihrem Grab. Vor dem Tod gibt es keine Worte, hat sie einmal gesagt. Das finde ich nicht. An meinem Begräbnis soll geredet werden. Am besten auch gesungen. Ich wünsche mir ein Lied zum Abschied, auch wenn ich es dann selbst nicht mehr hören kann. Lieder bleiben länger als Grabsteine.“ (Seite 262)
Das Ende des Cafés kommt näher. Robert ist nicht traurig. „Zu seiner eigenen Verwunderung spürt er keine Traurigkeit.“ (Seite 270) Am letzten Tag sieht er, dass in den zehn Jahren auch der Raum alt geworden war. Abgenützt. So wie er selbst sich müde fühlt und ihm ein Ruhetag nicht mehr reichen würde.
Im letzten Kapitel besucht er seine Zimmervermieterin, die jetzt in einem Altersheim wohnt. Sie spricht nicht mehr. Trotzdem erzählt er ihr Dinge vom ehemaligen Café, so als würde es noch bestehen. Er besucht sie jeden Samstag, bringt ihr Schokolade und frische Wäsche.
Seethaler ist ein sehr guter Menschenbeobachter. Man hat am Ende des Buchs das Gefühl, selbst Gast in diesem Café gewesen zu sein. Ein Kritiker nannte den Autor einen „Augenblicksschriftsteller“. Ja, das stimmt. Er lässt keine Sekunde unbeobachtet.

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    Nach zehn Jahren Kaffeehausbetrieb kommt es zu Veränderungen. Seine Zimmervermieterin, die Witwe wird dement. Sie geht oft aus und er muss sie suchen. Der Besitzer des Hauses, in dem das Café untergebracht ist, hat sich verschuldet und verkauft das Haus an eine Immobilienfirma, die es abreißen und durch einen Neubau ersetzen wird. Robert muss sein Geschäft schließen. Er organisiert ein Abschiedsfest, das bis in die Morgenstunden dauert.
    Die Erzählung dreht sich ins Negative. Eine Stammkundin wird zu Grabe getragen. Eine Freundin besucht sie Am Grab. Ihre Gedanken will ich hier wiedergeben, weil sie die Schönheit der Dichtung zeigen: „Am liebsten sind mir die Margeriten. Die Margerite ist eine bescheidene Blume. Sie geht mit ihrer Schönheit nicht hausieren wie die Rose oder die Hyazinthe. Ich hab einen kleinen Strauß mitgebracht, in einem Glaserl aus Glas. Das hätte ihr bestimmt gefallen. Es ist dann alles schnell gegangen. Sie hat nicht gewollt, dass jemand spricht an ihrem Grab. Vor dem Tod gibt es keine Worte, hat sie einmal gesagt. Das finde ich nicht. An meinem Begräbnis soll geredet werden. Am besten auch gesungen. Ich wünsche mir ein Lied zum Abschied, auch wenn ich es dann selbst nicht mehr hören kann. Lieder bleiben länger als Grabsteine.“ (Seite 262)
    Das Ende des Cafés kommt näher. Robert ist nicht traurig. „Zu seiner eigenen Verwunderung spürt er keine Traurigkeit.“ (Seite 270) Am letzten Tag sieht er, dass in den zehn Jahren auch der Raum alt geworden war. Abgenützt. So wie er selbst sich müde fühlt und ihm ein Ruhetag nicht mehr reichen würde.
    Im letzten Kapitel besucht er seine Zimmervermieterin, die jetzt in einem Altersheim wohnt. Sie spricht nicht mehr. Trotzdem erzählt er ihr Dinge vom ehemaligen Café, so als würde es noch bestehen. Er besucht sie jeden Samstag, bringt ihr Schokolade und frische Wäsche.
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