Abstract
MAHRER, Louis: „BORA, Erzählung - Mit einem historischen Kommentar von Robert Streibel“, Weitra 2017
Ich las das Buch zum dritten Mal. Zuerst als Schüler von Louis Mahrer, der mein Deutsch- und Französischlehrer war. Damals war es für uns Buben ein Abenteuerbuch. Später las ich es als schon erwachsener Familienvater und hatte einen anderen Zugang. Da war es schon Vergangenheitsbewältigung; ein für mich neuer Geschichtsabschnitt. Und jetzt – zum 100. Geburtstag des Autors - war es noch mehr beeindruckend als die ersten beiden Male. Die Erzählung hat einen hohen Wahrheitsgehalt, ist es doch schon zwei Jahre nach dem Krieg als Buch erschienen. Vieles noch im Krieg geschrieben. Gefährlich für ihn, wenn diese Manuskripte gefunden worden wären.
Alfred (Mahrer selbst) kommt als Soldat nach Jugoslawien, wo er als Funker arbeitet. Die Aufgabe ist das Abhören der feindlichen serbischen Untergrundkämpfer. Er freundet sich mit seinem Kollegen Gerhard an. Bald finden sie gleiche Interessen und unterstützen heimlich die Titotruppen in den Bergen. Sie riskieren dabei viel und der Freund musste letztlich dafür mit dem Leben büßen.
Viele Handlungen, die lange verschwiegen wurden, werden hier 1947 schon geschildert. „Abends erzählten ihre Offiziere von den Untaten der Kommunisten, des kroatischen Gesindels, das einen Pfarrer irgendwo zersägt, ein ganzes Nonnenkloster geschändet, alles Vieh fortgetrieben haben sollte. Den Weibern, so sagt man, schnitten sie die Brüste ab und machten Tabaksbeutel daraus und schickten sie nach Moskau als Geschenk für Stalin.“ (Seite 53) Es wird auch von zig-tausenden Hinrichtungen durch die deutschen Truppen berichtet, die ganze Dörfer ausgerottet haben.
Die Hauptperson Alfred ist nach Meinung der Tochter von Louis Mahrer sein Freund, der leider umgekommen ist. Er widmete ihm – so Evas Ansicht – so ein Denkmal. Seine eigenen Erfahrungen setzte er in die Gestalt des Freundes.
Als Schüler des Autors würde ich ihm – wenn man das System umkehrt – ein „ausgezeichnet“ geben.
Im zweiten Teil des Buches liefert Robert Streibl einen historischen Kommentar zum Buch. Er erhärtet die Annahme, dass das Buch sehr wahrheitsgetreu abgefasst ist: „Bereits zwei Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus 1945 erschien die Erzählung … Das Büchlein kam im Wachau-Verlag in Krems heraus. Dieser Verlag gehörte zum Faber-Verlag, der angesichts der Verstrickung der Familie Faber im Nationalsozialismus bis 1955 unter kommissarischer Verwaltung stand.“ (Seite 123) Demnach ist diese Erzählung keine erfundene Geschichte. Es wurde 1946/47 geschrieben und Mahrer stand noch unter den frischen Ereignissen seiner Kriegserfahrungen. Wahrheitsgetreu hat er seine Unterstützungen der Titotruppen als deutscher Funker berichtet, bei denen er mit einem Freund eng zusammen gearbeitet hatte. Dieser wurde aber überführt und hat durch eine Aussage ihn – Louis Mahrer – gerettet. Der Freund wurde erschossen und Mahrer litt unter dem Schuldbewusstsein überlebt zu haben. Das Buch Bora war daher ein Denkmal für den Freund.
In diesem kommentierenden Teil des Buches erfährt man auch, dass Mahrer eine literarische Karriere im Sinne hatte. Mehrere Gedichte wurden veröffentlicht, ein Theaterstück vom Wiener Volkstheater abgelehnt und unveröffentlichte Manuskripte gefunden. Statt eines Dichters wurde er ein sehr angesehener Lehrer. Er hat 3 Jahrzehnte lang junge Menschen geprägt. Ich habe das in einem Beitrag im Buch zum Ausdruck gebracht:
„Auch für Prof. Dr. Johann Günther war der Lehrer Mahrer „einer der wichtigsten Menschen, die mein Leben beeinflusst haben. Er war geachtet, verehrt und respektiert. Nie ein lautes Wort. Seine tiefe Stimme genügte um für Ruhe zu sorgen.“ In Französisch habe er zwar mit speziellen französischen Lehrbüchern unterrichtet, aber „das war einfach zu schwer für uns“. Aus der Sicht von Prof. Günther habe er etwas „fürs Leben gelernt“.
„Er erklärte uns den Hintergrund und die Geschichte des Vietnamkrieges. Zu Tagesthemen nahm er Stellung. Wir fragten ihn auch dazu. Teilweise vielleicht, um ihn vom Unterrichten in Deutsch oder Französisch abzuhalten, aber auch, weil wir von ihm verständlich aktuelle Themen erklärt bekamen.“ (Seite 173)
Daneben erfährt man auch Privates vom Lehrer Mahrer und seiner Familie. Im letzten Teil des Buches wurden Auszüge aus seinem Tagebuch abgedruckt, von denen ich zwei stellvertretend hier widergeben möchte:
„12.11.1943, Vrnjacka Banja
Der Riss, der zwischen den wissenden und dumpfen Menschen durch die Welt geht, ist tiefer als der zwischen Nationen, Rassen.“ (Site 198)
„18.12.1945
Suche nirgends sonst Gott zu finden als – überall. Aus allem, was du ansiehst, soll er treten und du sollst ihn mit zitternden Händen fassen und in dein Herz tun.“ (Seite 206)
Diese letzte Eintragung entstammt seinem Gedankengut, dass Katholizismus und Kommunismus Verwandtschaften haben.
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Alfred (Mahrer selbst) kommt als Soldat nach Jugoslawien, wo er als Funker arbeitet. Die Aufgabe ist das Abhören der feindlichen serbischen Untergrundkämpfer. Er freundet sich mit seinem Kollegen Gerhard an. Bald finden sie gleiche Interessen und unterstützen heimlich die Titotruppen in den Bergen. Sie riskieren dabei viel und der Freund musste letztlich dafür mit dem Leben büßen. Viele Handlungen, die lange verschwiegen wurden, werden hier 1947 schon geschildert. „Abends erzählten ihre Offiziere von den Untaten der Kommunisten, des kroatischen Gesindels, das einen Pfarrer irgendwo zersägt, ein ganzes Nonnenkloster geschändet, alles Vieh fortgetrieben haben sollte. Den Weibern, so sagt man, schnitten sie die Brüste ab und machten Tabaksbeutel daraus und schickten sie nach Moskau als Geschenk für Stalin.“ (Seite 53) Es wird auch von zig-tausenden Hinrichtungen durch die deutschen Truppen berichtet, die ganze Dörfer ausgerottet haben. Die Hauptperson Alfred ist nach Meinung der Tochter von Louis Mahrer sein Freund, der leider umgekommen ist. Er widmete ihm – so Evas Ansicht – so ein Denkmal. Seine eigenen Erfahrungen setzte er in die Gestalt des Freundes. Als Schüler des Autors würde ich ihm – wenn man das System umkehrt – ein „ausgezeichnet“ geben. Im zweiten Teil des Buches liefert Robert Streibl einen historischen Kommentar zum Buch. Er erhärtet die Annahme, dass das Buch sehr wahrheitsgetreu abgefasst ist: „Bereits zwei Jahre nach der Befreiung vom Nationalsozialismus 1945 erschien die Erzählung … Das Büchlein kam im Wachau-Verlag in Krems heraus. Dieser Verlag gehörte zum Faber-Verlag, der angesichts der Verstrickung der Familie Faber im Nationalsozialismus bis 1955 unter kommissarischer Verwaltung stand.“ (Seite 123) Demnach ist diese Erzählung keine erfundene Geschichte. Es wurde 1946/47 geschrieben und Mahrer stand noch unter den frischen Ereignissen seiner Kriegserfahrungen. Wahrheitsgetreu hat er seine Unterstützungen der Titotruppen als deutscher Funker berichtet, bei denen er mit einem Freund eng zusammen gearbeitet hatte. Dieser wurde aber überführt und hat durch eine Aussage ihn – Louis Mahrer – gerettet. Der Freund wurde erschossen und Mahrer litt unter dem Schuldbewusstsein überlebt zu haben. Das Buch Bora war daher ein Denkmal für den Freund. In diesem kommentierenden Teil des Buches erfährt man auch, dass Mahrer eine literarische Karriere im Sinne hatte. Mehrere Gedichte wurden veröffentlicht, ein Theaterstück vom Wiener Volkstheater abgelehnt und unveröffentlichte Manuskripte gefunden. Statt eines Dichters wurde er ein sehr angesehener Lehrer. Er hat 3 Jahrzehnte lang junge Menschen geprägt. Ich habe das in einem Beitrag im Buch zum Ausdruck gebracht: „Auch für Prof. Dr. Johann Günther war der Lehrer Mahrer „einer der wichtigsten Menschen, die mein Leben beeinflusst haben. Er war geachtet, verehrt und respektiert. Nie ein lautes Wort. Seine tiefe Stimme genügte um für Ruhe zu sorgen.“ In Französisch habe er zwar mit speziellen französischen Lehrbüchern unterrichtet, aber „das war einfach zu schwer für uns“. Aus der Sicht von Prof. Günther habe er etwas „fürs Leben gelernt“. „Er erklärte uns den Hintergrund und die Geschichte des Vietnamkrieges. Zu Tagesthemen nahm er Stellung. Wir fragten ihn auch dazu. Teilweise vielleicht, um ihn vom Unterrichten in Deutsch oder Französisch abzuhalten, aber auch, weil wir von ihm verständlich aktuelle Themen erklärt bekamen.“ (Seite 173) Daneben erfährt man auch Privates vom Lehrer Mahrer und seiner Familie. Im letzten Teil des Buches wurden Auszüge aus seinem Tagebuch abgedruckt, von denen ich zwei stellvertretend hier widergeben möchte: „12.11.1943, Vrnjacka Banja Der Riss, der zwischen den wissenden und dumpfen Menschen durch die Welt geht, ist tiefer als der zwischen Nationen, Rassen.“ (Site 198) „18.12.1945 Suche nirgends sonst Gott zu finden als – überall. Aus allem, was du ansiehst, soll er treten und du sollst ihn mit zitternden Händen fassen und in dein Herz tun.“ (Seite 206) Diese letzte Eintragung entstammt seinem Gedankengut, dass Katholizismus und Kommunismus Verwandtschaften haben. }, keywords = {Serbien, Zweiter Weltkrieg}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} }