@book{Scheutz2023, title = {Wolfgang Amadeus Mozart Leben und Werk}, author = {Wolfgang Fingernagel Hannes Scheutz}, year = {2023}, date = {2023-09-09}, urldate = {2023-09-09}, abstract = {FINGERNAGEL, Wolfgang; SCHEUTZ, Hannes: „Wolfgang Amadeus Mozart. Leben und Werk“, Salzburg 2005 Manche Biografien denkt man zu kennen und wenn man sie dann liest, erfährt man doch wieder Neues. So erging es mir beim Buch über Wolfgang Amadeus Mozart. Es ist sehr anschaulich geschrieben und leicht lesbar. Es beginnt mit der Kindheit in Salzburg, ein Kapitel, in dem die Eltern und Großeltern beschrieben sind. Der Vater war eine sehr einflussreiche Person für Wolfgang Amadeus Mozart. Sein großer Lehrmeister und Förderer. Wir Österreicher nennen Mozart immer einen Österreicher und wir sind stolz auf ihn. Aber was ist ein Österreicher? Als Mozart in Salzburg geboren wurde, gehörte die Stadt nicht zu Österreich. Ist er deswegen ein Deutscher? Gerne tauschen wir Hitler gegen Beethoven. Ersteren würden wir lieber als Deutschen bezeichnen und zweiteren als Österreicher. Was auch immer: Mozart war ein Genie und ein großartiger Komponist und Musiker. Schon als Kind fuhr sein Vater mit ihm zu Konzerten. Er spielte vor Herrscherhäusern und in Konzertsälen. Die auf Seite 23 abgebildete Landkarte zeigt die große Reisetätigkeit. Mozart kam im Süden bis Neapel, im Westen bis England und Paris und auch hoch in den Norden Europas. Die beiden Autoren erklären auch sehr gut die Musikszene der damaligen Zeit. Konzertante Konzerte fanden in Privathäusern statt. Konzertsäle, wie heute, gab es noch nicht. Alles konzentrierte sich auf Opern, mit denen ein Komponist reüssieren konnte. So auch Mozart. Der junge Mozart liebte Aloysia Weber, aber sie gab ihm einen Korb, weshalb er die Schwester Constanze heiratete. Gegen den Willen des Vaters und nicht als Ersatz, wie man in dieser Biografie erfährt. Es war eine große Liebe und Mozart trennte sich bei Reisen nur ungern von ihr. Schon nach kurzer Zeit schrieb er Briefe, in denen er seine Liebe bezeugte. Von den sechs Kindern, die er mit seiner Frau hatte, überlebten nur zwei das Säuglingsalter. Sie selbst wurde 80 Jahre alt und sorgte für den Erhalt des Ruhms gemeinsam mit ihrem zweiten Ehemann. Mozart nabelte sich von Salzburg ab und zog nach Wien, obwohl er in Wien nicht seine größten Erfolge feierte. Wien war eben am Gebiet der Musik ein schweres Pflaster. So ging es ihm auch finanziell nicht sehr gut. In zehn Jahren übersiedelte er 14 Mal. Immer, weil die Finanzen nicht reichten. Obwohl er rasch wieder viel verdiente, war das Geld bald wieder weg und er musste Freunde um Aushilfe bitten. Warum das so war, darüber konnten auch die beiden Buchautoren keine Antwort finden. Letztlich verstarb Mozart verarmt in jungen Jahren. Nach einem kurzen Leben, in dem sehr viel produziert wurde. Das Buch hat eine sehr gute Werksübersicht der Orchesterwerke, der Kirchenmusik und Beschreibung der Opern. Im Umschlag findet man am Ende noch eine CD, mit der man sich viele zitierte Werke auch anhören kann. }, keywords = {klassische Musik, Mozart, Musik}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Katherina2023, title = {Fremdlinge}, author = {Anna Katherina LAGGNER}, year = {2023}, date = {2023-09-08}, urldate = {2023-09-08}, abstract = {LAGGNER, Anna Katherina: „Fremdlinge“, Salzburg Wien 2023 Die Autorin kommt aus einem anderen Metier: sie ist Filmkritikerin und arbeitet im Hörfunk. „Fremdlinge“ ist ihr Erstlingswerk. Dabei geht es um die Selbsterfahrung schwanger zu sein. Sie hat bereits ein Kind und ist mit Zwillingen schwanger. Mit ihrem Mann stellt sie sich die Frage: „Soll ich abtreiben oder die Kinder bekommen?“ In einer Tagebuchform bringt sie ihre Überlegungen zu Buche. Die Kapitel benennt sie nach den Schwangerschaftswochen, denen sie den jeweiligen Tag dazustellt: SSW 2+2 meint „der zweite Tag in der zweiten Schwangerschaftswoche“. Die international übliche Abkürzung SS für Schwangerschaft findet sie unpassend. Vieles hat die Autorin recherchiert. So erfährt man etwa, dass „In der DDR … Mehrlingsschwangere vor dem angenommenen Geburtstermin drei Monate im Krankenhaus verbringen (mussten) sonst wären sie vor Gericht gekommen.“ (Seite 71) Bei Hausgeburten – so wird berichtet – muss man die Nachbarn informieren, damit diese nicht häusliche Gewalt vermuten. Die schwangere Frau erzählt auch von ihren Erfahrungen mit Yoga für Schwangere. Sonst bleibt ihr aber viel Zeit zum Nachdenken. Mit nur einem Kind konnte sie noch viele Reisen machen. Ob das auch mit Zwillingen möglich sein wird, daran zweifelt sie. „Ganz werden die Zweifel nie aufhören, ob es klug ist, Kinder zu bekommen.“ (Seite 160) Mehrmals besucht sie und ihr Mann ein Krankenhaus, wo sie viele Stunden in Wartezimmern verbringen und wieder entlassen werden. Letztlich empfiehlt man ihnen zu Hause Sex zu haben, damit die Wehen einsetzen. Neben der Strukturierung in Schwangerschaftsmonate und Tage ist das Buch in drei Teile (Trimester) geteilt. Im dritten kommt es zur Geburt, die aber nicht direkt angesprochen wird. Man erlebt als Leser noch mit, wie sie ins Krankenhaus kommt und wie es da zu Verzögerungen kommt. Dass sich die Schwangerschaft dem Ende nähert, merkt sie bei Yoga-Übungen, die sie nicht mehr ausführen kann. Sie fährt aber mit dem Fahrrad ins Krankenhaus, wo man sie dann behält. Sie wollte noch das Rad heimbringen, aber der Arzt war dagegen. Für welche Zielgruppe wurde das Buch geschrieben? Für Frauen und Männer, die in einer Situation sind, wo sie sich entscheiden wollen, ob sie eine frühe Schwangerschaft abtreiben oder die Kinder bekommen wollen. Das Buch ist und bleibt eine Tagebuch einer zweifelnden schwangeren Frau. „Was ich hier schreibe, sind banale Protokolle.“ (Seite 87) }, keywords = {Kinder, Schwangerschaft, Sex}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HENISCH2023, title = {Nichts als Himmel}, author = {Peter HENISCH}, year = {2023}, date = {2023-09-02}, urldate = {2023-09-02}, abstract = {HENISCH, Peter: „Nichts als Himmel“, Salzburg Wien 2023 Zum 80. Geburtstag von Peter Henisch erschien dieses Buch. Es hat – wie jenes zu seinem 70er – einen Italienbezug. Der Protagonist Spielmann hat sein Leben grundlegend verändert. Er, der Lehrer, hat mit 55 Jahren seinen Job gekündigt. Seine Kollegen erscheint das als falsche Entscheidung. Zusätzlich hat er eine Scheidung hinter sich und lebt nun während der Corona Pandemie isoliert in einer kleinen Wiener Wohnung. Er braucht psychologische Unterstützung. Daraus entwickelt sich eine Beziehung zur behandelnden Psychotherapeutin und deren Mann. Sie haben eine Wohnung in der Toskana. Nachdem sie selbst viel Arbeit haben und keinen Urlaub machen können, geben sie ihm den Schlüssel, damit er dort einige Zeit wohnen kann. Italien ist für Peter Henisch ja kein unbekanntes Land. Schon sein Buch „Mortimer und Miss Molly“ handelte hier. Er lebt wie ein Einsiedler in der Wohnung der Wiener Freunde. Beschäftigt sich mit sich selbst. Mit Lesen und fotografieren. Trotzdem treten mehrere Personen in sein Leben. Zu Beginn ein Italiener, der ihn mit dem Wohnungsbesitzer verwechselte. Er führte ihn in die Dorfgemeinschaft ein und lud ihn auch zu sich ein. Dann ein etwas verschrobener Intellektueller, der ihm die Gärten des Ortes erklärte. Auch eine Frau trat in sein Leben. Schon bei der Ankunft half sie ihm das komplizierte Schloss der Haustür aufzusperren. Mit einer Schale Kirschen aus ihrem Garten besuchte sie ihn dann und daraus entwickelte sich eine Beziehung. Henisch setzt sich auch mit aktuellen Problemen auseinander. So auch die Migration von Afrikanern in Italien. Er bringt solch globalen Probleme sehr anschaulich anhand von Beispielen, anhand von Personen. So etwa steht plötzlich ein afrikanischer Migrant in der Nacht mit vorgehaltener Pistole auf seiner Terrasse. Er verlangt etwas zum Trinken und zum Essen. Spielmann versorgt ihn. Da er von der Polizei verfolgt wird, versteckt er ihn. Sie leben längere Zeit zusammen. Als dann die deutsche Frau, mit der er in San Vito eine Beziehung begonnen hatte, wieder zurückkommt, stellt sich heraus, dass sie den Migranten kennt. Sie hat einmal in einem Dorf gearbeitet, wo der Bürgermeister den Migranten leerstehende Häuser zur Verfügung gestellt hat. Letztlich wurde er aber rechtlich verfolgt und auch verurteilt, obwohl er sich nicht persönlich bereichert hat, sondern den Unterstandslosen geholfen hat. Da der Afrikaner nicht auf Dauer in der Wohnung versteckt werden kann, entschließt sich die Freundin ihn nach Deutschland mitzunehmen. Sie wird ihn beim Passieren der Grenze zu Österreich und zu Deutschland im Kofferraum verstecken. Ob dieser „Transport“ gut gegangen ist bleibt im Buch offen. Die neue Vorgangsweise der italienischen Regierung gegen Migranten wird auch anschaulich berichtet: Spielmann trifft in Siena auf eine Wahlversammlung von Frau Meloni und deren Agitation gegen Afrikaner. Den Buchtitel bekam das Buch durch die Situation, dass der Protagonist Spielmann in seinem Einsamkeit in der italienischen Wohnung der Freunde viel fotografierte und hier vor allem den Himmel. „Himmel mit aufgehender Sonne. Himmel mit untergehender Sonne. Himmel mit Wolken. Wolkenloser Himmel. Himmel mit zunehmendem Mond. Himmel mit abnehmenden Mond. Himmel mit Sternen. Himmel ohne Sterne. Himmel mit hellgrauen Streifen. Himmel mit dunkelgrauen Streifen. Ein Himmel völlig vom Wind verwischt. Wolken am unteren Rand des Bildes wie heftig strömendes Wasser.“ (Seite 227) }, keywords = {Italien, Migration}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{GRUBER2023b, title = {Die Dauer der Liebe}, author = {Sabine GRUBER}, year = {2023}, date = {2023-08-29}, urldate = {2023-08-29}, abstract = {GRUBER, Sabine: „Die Dauer der Liebe“, München 2023 Schreibt eine Schriftstellerin oder ein Schriftsteller über ein Ereignis, das persönlich emotional betroffen gemacht hatte, so wird auch der geschriebene Text anders und mit stärkerem Tiefgang als ein erzählter Roman über einen anderen Menschen. Zu so einer Kategorie gehört der Roman „Die Dauer der Liebe“. Er nennt sich zwar „Roman“, ist aber Wolfgang Fetz gewidmet, der 2022 verstarb. Dieses Ableben und die entstandene Lücke bei der Lebensgefährtin ist Thema des Buchs. Das Paar war nicht verheiratet. Sie war bei der Familie ihres Lebensgefährten – vor allem bei dessen Mutter – nicht akzeptiert und nicht geliebt. Als er plötzlich an einem Herzinfarkt auf einer Autobahnraststätte unerwartet stirbt, wendet sich die Familie gegen sie. Sie besitzt keine Rechte, es gibt kein Testament und die Familie nimmt alles Verfügbare an sich. Auch Dinge, die eindeutig ihr gehören. Ihr bleiben keine Erinnerungsstücke. Noch vor dem Begräbnis stiehlt der Bruder des Verstorbenen aus dem Auto Unterlagen. Dass ihr Nichts zusteht kommentiert er so: „Selbst schuld, dass ihr nicht verheiratet ward. Rechtssystem sei Rechtssystem.“ (Seite 98) Scheinheilig besucht er sie in Wien und fotografiert heimlich alles in der Wohnung, um nachher darauf Anspruch zu erheben. Beim Besuch im gemeinsam erwirtschafteten Sommerhaus packt er dann gleich direkt Sachen ein und hinterlässt ein leeres Haus. Er wartet den Bescheid des Nortars gar nicht ab und bemächtigt sich schon vorher. Freunde entdecken, wie der Bruder auf einer Internetplattform Dinge des Verstorbenen anbietet. Unwissend oft zu viel zu niedrigem Preis und auch Dinge, die eindeutig ihr gehören. Selbst das Auto will die Familie haben, obwohl sowohl die Mutter als auch der Bruder gar keinen Führerschein besitzen. Als sich aber dann herausstellt, dass die Überstellung von Wien nach Innsbruck mehr kostet, als das alte Auto wert ist, verzichten sie. Oft denkt sie, dass es besser wäre, wenn beide sterben. Der Verstorbene leidet nicht mehr, aber die Zurückgebliebene. Ihr Freund sagte einmal „Laß uns zusammen tot sein, wenn wir schon nicht zusammen sterben können.“ (Seite 38) Alle Stadien der trauernden Frau werden beschrieben. Wie sie nach letzten Erinnerungen sucht; das Leintuch nach Haaren von ihm absucht. Sie saugt die Wohnung nicht, um nicht allerletzte „Erinnerungsstücke“ zu entsorgen. Sie trinkt zu viel. Sie durchsucht alle seine Unterlagen. Sie geht einem Verdacht nach, dass er eine Freundin gehabt haben könnte; dass er vielleicht ein Kind hat. Sie macht die Vergangenheit zu ihrer Gegenwart. Parallel dazu muss sie alles Administrative erledigen. Telefon abmelden. Auto ummelden. Freunde und Kunden vom Ableben verständigen. Selbst dem Finanzamt, das eine Einkommens- und Umsatzsteuererklärung verlangt muss sie mitteilen, dass der Steuerzahler nicht mehr lebt. Sie liest Literatur, die über Witwen und deren Verhalten berichten. Die Witwe versucht – auf Anraten einer Freundin – über eine Partnervermittlung zu einem neuen Freund und zu neuen Gedanken zu kommen. Sie will aber wirkliche Liebe und kann den verstorbenen Freund nicht aus dem Kopf und dem Herzen bekommen. Kein „Anbieter“ kann den Verstorbenen ersetzen. Auch stellt sie bald fest, dass viele Männer solche Plattformen wie ein Bordell benützen. Es ist eine Geschichte, wie sie in vielen Familien vorkommt. Wenn es ums Erben geht, werden aus Verwandten und Freunden Gegner. Diese Familie steht nur stellvertretend. Die vielen langatmigen Passagen zeigen aber auch auf, dass das Buch primär von der Autorin für die Autorin, eine trauernde Frau, geschrieben ist. }, keywords = {Liebe, Sterben, Trauer}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{LEVI2023, title = {Christus kam bis Eboli}, author = {Carlo LEVI}, year = {2023}, date = {2023-08-24}, urldate = {2023-08-24}, abstract = {Um dem österreichischen Lesepublikum den italienischen Dichter und Maler Carlo Levi näher zu bringen, könnte man ihn mit Peter Rosegger vergleichen. Zwar lebte der Österreicher früher als Levi, dafür ist die geschilderte Landschaft und deren Bewohner in der Zeit weiter nachhinkend. Schon der Titel des Buches „Christus kam nur bis Eboli“ drückt das schon aus. Es geht hier nicht um einen theologischen Ausdruck, sondern vielmehr will man sagen, dass nicht einmal Jesus in diese entlegene Gegend in Süditalien - südöstlich von Neapel - gekommen war. Die Bewohner fühlen sich unterentwickelt und schlecht behandelt. Alles, was in der Hauptstadt in Rom entschieden wird, hat für sie keine Bedeutung. Sie mühen sich auf ihren kargen Böden der hügeligen Landschaft ab, um überleben zu können. Sie sagen von sich selbst „Wir sind keine Menschen, keine Christen, wir sind Tiere, denn Christus kam nur bis Eboli, aber nicht weiter, nicht zu uns.“ Viele von ihnen sind wegen eines besseren Lebens nach Amerika ausgewandert. Nach dem Börsenkrach im Jahr 1929 kamen die meisten von ihnen wieder zurück. Mit ihren Ersparnissen aus Amerika kauften sie Grund und Boden und waren wieder arm, weil alles zu wenig fruchtbar war. Diese Aufzeichnungen entstanden in einem zweijährigen Aufenthalt des Arztes Carlo Levi, der als Gegner des Faschismus vom Regime in die Verbannung, in diese abgeschiedene Gegend geschickt wurde. Er durfte die Grenze des Bergdorfs nicht verlassen, musste sich täglich beim Dorfpolizisten melden und wurde laufend beobachtet. Als Arzt half er den speziell unter Malaria leidenden armen Bauern. Die beiden ortsansässigen Ärzte, die über geringe medizinische Kenntnisse verfügten, wurden eifersüchtig und zeigten Levi an. Von der Polizei wurde ihm die ärztliche Tätigkeit verboten. Die Bauern kamen aber weiter zu ihm. Anfangs unbemerkt in der Nacht. Als dann der Bürgermeister selbst für seine Tochter Hilfe brauchte, half Levi nur unter der Auflage, auch den Bauern helfen zu dürfen. Aus Angst vor der faschistischen Obrigkeit konnte der Bürgermeister das nicht erlauben, aber er tolerierte es. Daneben geht Levi seiner künstlerischen Neigungen als Maler nach und dokumentiert die Landschaft und ihre Einwohner auf Leinwand. Als ein neuer Pfarrer ins Dorf kommt und ein Harmonium anschafft, stellt er sich sogar als Musiker zur Verfügung und begleitet die Sonntagsmesse mit Musik. Die Bauern sind begeistert und verehren ihn. Als ihm die medizinische Tätigkeit verboten wurde, kam es zu Protesten. 1935 kam der Arzt und Maler Levi in diese Gegend. Zwei Jahre blieb er. Als Italien im Krieg in Afrika Adis Abeba besiegte, wurden viele Verbannte frei gelassen. So auch Levi. 1945 wurden diese seine Aufzeichnungen als Buch auf grauem Ersatzpapier, wie es in den Nachkriegsjahren nur möglich war, gedruckt. 18 Jahre später erschien es 1963 wieder. „Christus kam nur bis Eboli“ gibt es in über 40 Sprachen. In seinem Buch definierte Levi genau, warum es Differenzen zwischen Nord- und Süditalien gibt: • „Es handelt sich vor allem um das Nebeneinanderbestehen von zwei vollkommen verschiedenen Kulturen, von denen keine imstande ist, sich der anderen anzugleichen. Land und Stadt, vorchristlich und christliche Kultur stehen einander gegenüber.“ (Seite 265) • Das zweite Problem ist das wirtschaftliche. „Es ist das Elendsproblem. „Dieses Land ist allmählich verarmt; die Wälder sind abgeholzt, die Flüsse zu Wildbächen geworden, der Viehbestand ist zurückgegangen, … und überall herrscht die Malaria.“ (Seite 265) • Und dann ist es das soziale Problem. Großgrundbesitzer verfügen über die armen Bauern, die selbst kein Land oder ein, zum Überleben zu kleines Land haben. Der Autor wagt sogar, die heute noch zutreffende Prognose: „unter jedem Zeichen würde Italien immer in zwei feindliche Teile gespalten bleiben.“ (Seite 264) }, keywords = {Italien}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Franzobel2023d, title = {Die Eroberung Amerikas}, author = {Franzobel}, year = {2023}, date = {2023-08-08}, urldate = {2023-08-08}, abstract = {FRANZOBEL: „Die Eroberung Amerikas“, München 2022 Es ist zwar ein anderes Thema als das letzte Buch „Das Floss der Medusa“, aber es ist ähnlich aufgebaut. Ging es beim Buch „Medusa“ um das Segelboot, das kenterte, so ist es im Amerika-Eroberungs-Buch eine Segelregatta die Florida erobern will. Das beschrieben Leben am Schiff ähnelt sehr dem anderen Buch und auch deren Charaktere. Das Überleben der Expedition an Land wird ähnlich grausig beschrieben, wie das der Gekenterten der Medusa. Franzobel versucht dem Leser die damalige Situation zu erklären und sie in Relation zu unserem 21. Jahrhundert zu bringen. Wenn er etwa Personen beschreibt, so meint er, der oder die schaut aus wie dieser oder jener Schauspieler unserer Zeit. Einzelne Personen der Eroberer werden mit ihren Vorgeschichten beschrieben. Viele Teilnehmer der Expedition hatten schon Abenteuer hinter sich gebracht und im Rahmen des Buches werden deren Lebensläufe erzählt. Ein junger Bursche, der von zu Hause weggelaufen ist und sich nicht mehr zurück traute heuerte auf einem Handelsschiff an, das dann von Piraten erobert wurde und er als Sklave in Afrika verkauft wird. Er flieht und wird auf diesem spanischen Schiff aufgenommen. Die Expedition landet in Kuba. Die Frau des Leiters Ferdinand Desoto bleibt auf Kuba als Gouverneurin dieser spanischen Kolonie zurück, während ihr Mann mit einer großen Schar von Soldaten und Mitstreitern nach Florida aufbricht, um dort nach Goldvorkommen zu suchen. Sie landen in einer Bucht und brechen ins Landesinnere auf. Sie führen Pferde, Schweine, ja sogar eine Glocke für einen Kirchenneubau mit sich. Auch Missionare sind unter den Eroberern. Ihre Aufgabe ist es, die Indianer zum katholischen Glauben zu bekehren. Es kommt zu vielen Kämpfen mit Einheimischen. Viele Menschen werden getötet, aber auch die Erobererschar wird immer kleiner. Die Gruppe trifft auf Dörfer, die wie aus einem Fabelwesen von Franzobel beschrieben werden: Dörfer mit nur Tauben. Dörfer mit nur blinden Menschen. Orte, in denen die Frauen regieren und den Männern nur untergeordnete Rollen zugewiesen sind. In der Stadt Baubillo kommen sie in einen Hinterhalt der Indianer. Es kommt zu sagenhaften Verlusten. Gegenseitig werden Behausungen abgebrannt. So auch die Zelte der Eroberer. Darin verbrennen auch die letzten Schätze – Perlen – die sie erbeutet hatten. Eigentlich hatten sie alles verloren und sollten umkehren, aber ihr Heerführer will nicht mit leeren Händen heimkommen und lässt weitermarschieren. Die Soldaten plündern und töten. Die Einwohnerzahl der Indianer wird aber auch durch mitgeführte Krankheiten dezimiert. Es heißt, dass die Spanier eine biologische Waffe mit sich führten, „von deren Existenz und Gefährlichkeit sie gar nichts wussten, etwa, dass Milzbrand, Brucellose, Leptospirose, Trichinose, Tuberkulose und noch so einige Chosen verbreiteten, Schneisen in die Wachstumskurve der Indianer schlug, ganze Stämme ausradierte – kein in Labors gezüchteter Virus, sondern die beweglichen Fleischkammern brachten den Tod. Schweine! Das Borstenvieh richtete unter den Einheimischen hundertmal mehr Schaden an als alle Spanier und Engländer zusammen. Diese Tiere waren für Krankheitserreger wie Reisebusse. Bereits ein paar Übertragungen an Rehe oder Rebhühner reichten, ganze Landstriche zu verseuchen.“ (Seite 363) Die Kämpfe hinterließen leere Einheimischendörfer. Die Waffen der Eroberer waren den Verteidigungseinrichtungen der Indianer überlegen. Aber auch die Eroberer erleiden Verluste. Viele sterben. Die Pferde, Schweine, Ziegen etc werden weniger. Der Mut zum Kämpfen nimmt ab. Einzelne Teilnehmer versuchen allein zurückzufinden, scheitern aber und wären fast verhungert. Zunehmend muss auch ihr Anführer feststellen, dass diese Expedition erfolglos ist. Aus Kummer stirbt er und wird den Fluten des Mississippi, den sie erreichten übergeben. Die Mannschaft will zurück in ihre Heimat. Sie werden laufend von den Indianern angegriffen. Das Lager wird angezündet. Als sie Schiffe bauen, um so zum Meer zu kommen, werden diese von den Indios verbrannt. Ihre Kleidung wirkt immer mehr wie die der Indianer. Sie haben ihre europäische Kleidung verloren und kleiden sich jetzt in Fellen. So ziehen sie weiter. Kommen wieder zum Fluss zurück. Bauen wieder Schiffe. Ein Hochwasser treibt sie auf einen Berg, der wie eine Insel im übergelaufenen Strom stehen bleibt. Fast wären sie verhungert. Nach mehreren Wochen geht das Wasser zurück und sie können mit ihren Schiffen aufbrechen. Vier Jahre waren sie seit ihrer Ankunft in Florida im Land herumgeirrt. Jetzt wollten sie heim. Am Weg werden sie von Indianerstämmen angegriffen. Aus Booten werden sie beschossen. Der Kampf geht über mehrere Wochen. Viele sterben wieder, aber sie schaffen es bis zum Meer. Auf einer Insel erholt sich der übrig gebliebene Rest und in dieser friedlichen Situation werden wieder Indianer gesichtet. Schnell brechen sie auf und erreichen Kuba. Dort gibt es keine Gouverneurin mehr. Sie war den Anforderungen und den Aufständen der Sklaven nicht gewachsen und wurde abberufen. Die einzelnen Überlebenden versuchen ihr Glück. Manche kehren nach Spanien zurück. Alles blieb eine Tristesse. „Was hatte die Expedition gebracht? Vierhundert tote Männer, zweihundertfünfzig tote Pferde, auch die mitgebrachten Kühe waren tot, die meisten Hühner, Ziegen, ebenso Hunde, viele Schweine …“ (Seite 498) „Eine Reise ging zu Ende, die als eine der erfolglosesten in die Geschichte eingehen sollte.“ (Seite 529) Vieles ist sehr überzeichnend geschildert. Vieles ist erfunden. Der Autor selbst sagt in seiner Danksagung „Natürlich handelt es sich hier um einen Roman, manchmal habe ich geflunkert, und einiges ist erfunden, aber grundsätzlich wollte ich die Geschichte möglichst wahrhaftig erzählen.“ (Seite 542) ABER der Text zeigt das brutale Vorgehen der Europäer bei der Eroberung Amerikas. Parallel zu dieser „Eroberungsgeschichte“ wird von einem Anwalt erzählt, der im Namen der Indianer eine Klage gegen den Staat Amerikas einbringt, weil die Weißen das Land der Indigenen erobert und enteignet haben. Der Prozess dauerte genauso lange wie vor einem halben Jahrtausend die Expedition: 4 ½ Jahre. Hier schlägt die Dichtung zu Buche. Der klagende Anwalt bekommt Recht. Die USA müssen das Land den Indianern zurückgegeben. Sollte dies nicht der Fall sein, wäre eine Zahlung von sechshundert Billionen Dollar fällig. Da dieser Betrag von der Volkswirtschaft nicht aufgebracht werden kann, bot das Gericht folgende Lösung an: „Die USA verpflichtet sich für die nächsten vier Dekaden, den aktuell bei sechshundertfünfzig Milliarden Dollar liegenden Etat der Militärausgaben ausschließlich für Umwelt- und Sozialprogramme zu verwenden, um das seit fünfhundert Jahren kaputtgemachte Land wieder in Ordnung zu bringen.“ (Seite 539) Das 543 Seiten starke Buch zu lesen erfordert einiges an Anstrengung. Franzobel gesteht im Nachwort, dass der Lektor vieles verhindert hat. „Ohne sein beherztes Eingreifen wäre das Buch bestimmt doppelt so dick geworden.“ (Seite 543) }, keywords = {Amerika, Eroberung, Indianer, Kuba, Spanien}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SEETHALER2023, title = {Das Café ohne Namen}, author = {Robert SEETHALER}, year = {2023}, date = {2023-07-27}, urldate = {2023-07-27}, abstract = {SEETHALER, Robert: „Das Café ohne Namen“, Berlin 2023 Seethaler entführt seine Leser in die 1960er Jahre in Wien. Das noch im Zweiten Weltkrieg geborene Waisenkind Robert Simon wächst in einem Waisenhaus auf. Nach Schulabschluss lebt er von Gelegenheitsarbeiten auf einem Wiener Markt. Als er dann ein eigenes Zimmer bei einer Witwe gemietet hat, beschließt er sich selbstständig zu machen und mietet ein aufgelassenes Gasthaus, in dem er ein Café eröffnet. Da er keinen guten Namen fand, blieb es ein „Café ohne Namen“. Gegenüber ist ein Markt, der ihm Kunden ins Lokal spült. Seethaler beschreibt die Stammkunden. Unterschiedliche Menschen. Er ist ein guter Beobachter und man folgt ihm als Leser gerne. Das Geschäft läuft gut – auch wenn er nicht reich wird - und er stellt eine Mitarbeiterin ein. Sie heiratet einen Ringkämpfer vom Heumarkt. Es ist keine einfache Ehe. Nach zehn Jahren Kaffeehausbetrieb kommt es zu Veränderungen. Seine Zimmervermieterin, die Witwe wird dement. Sie geht oft aus und er muss sie suchen. Der Besitzer des Hauses, in dem das Café untergebracht ist, hat sich verschuldet und verkauft das Haus an eine Immobilienfirma, die es abreißen und durch einen Neubau ersetzen wird. Robert muss sein Geschäft schließen. Er organisiert ein Abschiedsfest, das bis in die Morgenstunden dauert. Die Erzählung dreht sich ins Negative. Eine Stammkundin wird zu Grabe getragen. Eine Freundin besucht sie Am Grab. Ihre Gedanken will ich hier wiedergeben, weil sie die Schönheit der Dichtung zeigen: „Am liebsten sind mir die Margeriten. Die Margerite ist eine bescheidene Blume. Sie geht mit ihrer Schönheit nicht hausieren wie die Rose oder die Hyazinthe. Ich hab einen kleinen Strauß mitgebracht, in einem Glaserl aus Glas. Das hätte ihr bestimmt gefallen. Es ist dann alles schnell gegangen. Sie hat nicht gewollt, dass jemand spricht an ihrem Grab. Vor dem Tod gibt es keine Worte, hat sie einmal gesagt. Das finde ich nicht. An meinem Begräbnis soll geredet werden. Am besten auch gesungen. Ich wünsche mir ein Lied zum Abschied, auch wenn ich es dann selbst nicht mehr hören kann. Lieder bleiben länger als Grabsteine.“ (Seite 262) Das Ende des Cafés kommt näher. Robert ist nicht traurig. „Zu seiner eigenen Verwunderung spürt er keine Traurigkeit.“ (Seite 270) Am letzten Tag sieht er, dass in den zehn Jahren auch der Raum alt geworden war. Abgenützt. So wie er selbst sich müde fühlt und ihm ein Ruhetag nicht mehr reichen würde. Im letzten Kapitel besucht er seine Zimmervermieterin, die jetzt in einem Altersheim wohnt. Sie spricht nicht mehr. Trotzdem erzählt er ihr Dinge vom ehemaligen Café, so als würde es noch bestehen. Er besucht sie jeden Samstag, bringt ihr Schokolade und frische Wäsche. Seethaler ist ein sehr guter Menschenbeobachter. Man hat am Ende des Buchs das Gefühl, selbst Gast in diesem Café gewesen zu sein. Ein Kritiker nannte den Autor einen „Augenblicksschriftsteller“. Ja, das stimmt. Er lässt keine Sekunde unbeobachtet. }, keywords = {Kaffeehaus, Nachkriegszeit, Wien}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SAUTNER2023c, title = {Fremdes Land}, author = {Thomas SAUTNER}, year = {2023}, date = {2023-07-23}, abstract = {SAUTNER, Thomas: „Fremdes Land“, Berlin 2011 Jack, der Hauptproponent des Romans, stellt seinen Wecker nach dem Einschlafen, dass er nach einer halben Stunde wieder läutet. Er macht das, weil man vor dem Aufwachen wirre und schöne Träume hat. Er ist „Traumsüchtig“ und macht diesen Vorgang in einer Nacht mehrmals. So wie andere Rauschgift konsumieren, gibt er sich seinen Träumen hin. Er ist ein aufstrebender junger Mann, der Assistent eines Parteivorsitzenden. Durch den Rücktritt des Präsidenten von der regierenden Partei gewinnt seine Partei die Wahl. Sein Chef wird Präsident und er sein Stabschef. Er wollte Kabinettschef werden, doch er wurde vor die Tatsache gestellt, dass das die Funktion eines Beamten – in diesem Fall einer Beamtin, einer Gräfin – ist. Die Beamten sind es, die die Kontinuität bestimmen. Eigentlich ist den neu gewählten Politikern nicht viel Freiraum geblieben. Sie sind von den Beamten abhängig. In diesem Sinne ist es gar kein Science-Fiction Roman, denn in dieser Beziehung ist auch unsere heutige Staatsgewalt so. Mir fällt die Aussage eines pensionierten Sektionschefs ein, der sagte „Ich habe immer dasselbe getan. Ich habe mehreren Ministern gedient. Sie kamen von verschiedenen Parteien. Einer kündigte an, dass er mich kündigen werde. Als er merkte, dass er mich braucht, wurden wir zu Freunden und ich habe weitergearbeitet wie zuvor.“ Der Staat, den der Schriftsteller Sautner hier beschreibt, ist ein sehr überwachter. Eigentlich eine Kopie des heutigen Chinas. Viele Kameras, Kontrollen, Security und andere Überwachungseinrichtungen. Gutes – was immer die Regierung unter „gut“ verstand wurde belohnt und bei „schlechten“ Taten bekam der betroffene Staatsbürger Negativpunkte, die sein Leben einschränkte. Der letzte Bankomat wird abmontiert. Niemand verwendete mehr Bargeld und wer es wollte, musste es mit einem Antrag in einer Zentralbank beheben. Jack kommt aus einer ländlichen Gegend, wo die Kontrolle noch nicht flächendeckend ist. Seine Schwester ist das Gegenteil von ihm. Er versucht der Vorzugsschüler zu sein und war es auch: hat in kürzester Zeit studiert, einen Job bekommen, keine Freundin oder Frau. Alle Energie widmete er seinem Beruf, wo er Karriere machte. Seine Schwester dagegen ist eine Studienabbrecherin und wechselte oft den Job. Arbeiten, bei denen sie wenig verdiente. Letztlich landete sie in einer Altenbetreuung. Bei den Eltern am Land kommen sie wieder zusammen und haben sich eigentlich wenig zu sagen; zu verschieden sind sie geworden. Eines wurde ihm bei dieser Diskussion aber bewusst, dass er seine Funktion nicht – wie geschworen – für das Wohl des Volkes tat, sondern für seine eigene Karriere. Die ohnehin schon stark technisierte Welt wird unter der neuen politischen Führung weiter intensiviert. Treibender Faktor dabei ist die Wirtschaft. Der Staat ist eigentlich bankrott und braucht für Vorhaben die boomende Wirtschaft und die stellt Forderungen. So wird die Implantierung von Chips eingeführt, mit denen man nicht nur weiß wer wo ist, sondern auch feststellen kann was er / sie denkt. (Ein Science-Fiction Ansatz des Buchs). Der Industrievertreter erklärt dem Präsidenten „stellen sie sich vor, der Staat würde neben den Gedanken-Chips auch die Mind-Changer einsetzen. Welche Möglichkeiten sich auftun würden. … Man könnte die Menschen in ihrer Gesamtheit erhöhen, sie von ihren dunklen Gedanken völlig und für immer befreien sowie ihnen ermöglichen, zu bedingungslos sozialen, gutherzigen Wesen zu werden. … Man könnte die Welt verbessern.“ (Seite 143) Der Industrievertreter geht noch einen Schritt weiter und meint, dass es Unverantwortlich sei Wahlen zuzulassen, weil ohnehin niemand eine eigene Meinung habe. Man solle nur die Opposition wählen lassen. Also alle, die wählen gehen, sind Opposition; alle anderen stimmen der Arbeit der Regierung zu. Die Stimmung im Volk wurde mit Meinungsbefragungen durchgeführt. Die Kabinettschefin sagt aus ihrer Erfahrung heraus, dass jede Volksbefragung im Sinne der Regierung ausging. Man holte sich negative und positive Zusagen, die aber immer im Sinne der Politik waren. Durch die Formulierung der Fragen steuerte man auf das gewünschte Ergebnis zu. Dann kommt ein gewagter Teil: der Ausbruch eines Vulkans im Westen Amerikas wird prognostiziert. Der Vulkan würde die Hälfte Amerikas vernichten und die Hierarchie der Erde würde sich zu Gunsten Chinas, Russlands und der arabischen Welt ändern. Auch Europa würde wieder an Bedeutung gewinnen. Es gäbe schlagartig weniger Menschen auf der Erde und die Anstrengungen der Klimaerwärmung würden hinfällig. Die Aschewolke des Vulkans würde auch die Sonneneinstrahlung reduzieren und die Temperaturen würden fallen. Der Romanschreiber kommt wieder zu Wort, als sich herausstellt, dass die Schwester für eine oppositionelle Organisation arbeitet, verhaftet und zum Tod verurteilt wird. Jack versucht sie zu überzeugen und ein positives Geständnis abzulegen, um so nicht getötet zu werden. Man würde ihr einen Chip einpflanzen, der ihre Haltung verändern würde. Sie lehnt es ab. Jack besucht den Vater, damit er mit ihm zur Schwester fährt und sie zur Implantierung überredet. Das Gegenteil passiert. Der Vater deklariert sich selbst als Oppositioneller. Jack verzweifelt und zweifelt an sich selbst. Da er den Gedankenlesenden Chip schon implantiert hat, stellt das System fest, dass er gefährlich wird und man arrestiert ihn ebenfalls. Parallel dazu wird auch der Vater inhaftiert. Man las die Gehirne der Betroffenen aus. Im Gefängnis treffen die Geschwister nochmals zusammen. Ein alternativ denkender Arzt hatte der Schwester heimlich eine Injektion gegeben, die ihre Meinung änderte und sie nun bereit ist den Chip einpflanzen zu lassen. Es ist Silvester, das Jahresende, als die Geschwister zusammenkommen. Der Bruder fragt die Schwester „`Hast du einen Neujahrswunsch, Gwendolyn?´ Seine Schwester kniff vergnügt die Augen zusammen, spitzte nachdenklich die Lippen. `Eigentlich´ sagt sie nach einer kleinen Weile und lächelt befreit, `bin ich wunschlos glücklich. Einfach wunschlos glücklich! Und du Jack? Was wünschst du dir von der Zukunft?´“ (letzte Seite des Buchs: 250) Der Romanschreiber lässt den Ausgang offen. }, keywords = {Politik, Science Fiction, Überwachung, Überwachungsstaat}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{FRANZOBEL2023b, title = {Das Floss der Medusa}, author = {FRANZOBEL}, year = {2023}, date = {2023-07-18}, urldate = {2023-07-18}, abstract = {FRANZOBEL: „Das Floss der Medusa“, München 2019 Ich habe selten so ein grausiges Buch gelesen, wie dieses. ABER, es ist großartig geschrieben. Eigentlich eine einfache Handlung, die man in wenigen Sätzen beschreiben könnte: Anfang des 19. Jahrhunderts fährt ein Schiff von Frankreich nach Afrika. Die Reisenden erwarten sich von ihrem Ziel Senegal ein neues und schöneres Leben. Der Kapitän wurde auf Grund seines politischen Engagements bestellt und hat keine Erfahrung. Das Schiff läuft mitten im Meer auf eine Sandbank auf. Es hat zu wenige Rettungsboote. Die „Privilegierten“ beanspruchen das. Von den 400 Passagieren blieben 150 am Unglücksboot zurück. Sie bauten sich ein Floss. Es sollte von den Ruderbooten gezogen werden. Um schneller voranzukommen, löste ein Offizier das Abschleppseil und das Floss trieb steuerungslos im Meer. 13 Tage ohne Essen und Trinken. Menschliche Umgangsformen und Gesetze wurden in dieser Notfallssituation ausgeblendet. Jeder kämpfte ums Überleben. Es gab ein gegenseitiges Abschlachten und letztlich aßen die letzten das Fleisch der Verstorbenen. Nur jeder Zehnte überlebte. Die Rettungsbootinsassen kamen an ihr Ziel und erzählten von ihren Geschehnissen positiv. Das Floss wurde verschwiegen. Aber auch die wurden gefunden und kamen geschunden am Ziel an. Sie wurden wenig beachtet. Der Schiffsarzt, der das informelle Kommando am Floss hatte, schrieb alles auf. Es wurde veröffentlicht. Der zuständige Marineminister degradierte ihn darauf. Letztendlich setzte sich die Wahrheit durch und der unfähige Kapitän wurde verurteilt. Franzobel versteht es aber alle Situation sehr detailgenau zu beschreiben, als wäre er selbst dabei gewesen und als hätte er vor 150 Jahren gelebt und beschreibt die Geschichte auf 600 Seiten. Als die Entscheidung fiel, das Schiff zu verlassen und mit den Rettungsbooten Land zu erreichen begann ein Kampf um die Plätze und jene, die mitkamen wollten noch viele Dinge mitnehme. „Sie hatten, einem niedrigen Instinkt folgend, damit begonnen, ihre Habseligkeiten an Deck zu bringen. Überall wurden Taschen, Bündel und Kisten abgestellt.“ (Seite 295) Der neue Gouverneur von Senegal wollte sogar eine Guillotine mitnehmen. Die Menschen klammerten sich an ihr Gepäck, das aber letztlich zurückbleiben musste. Der Fokus des Buchs lag bei den Passagieren am Floss. Sie schlachteten sich gegenseitig ab, um zu überleben. Als es voll besetzt war, stand den Menschen das Wasser bis zu den Knien. Erst mit weniger Gewicht und dem Sterben von Mitreisenden, die ins Wasser geworfen wurden, kamen sie auch ins Trockene. Die Auseinandersetzungen waren sehr brutal und ich will hier keine Details widergeben. Sie wären für Jugendliche und schwache Nerven nicht zumutbar. Es gab nichts zu essen. Der eigene Urin wurde getrunken. Sterbende filetiert. Sogar die Eiterwimmerl eines Matrosen wurden aufgedrückt und gegessen. Dabei handelte es sich bei den Leichenfressern um ganz normale Menschen aus den verschiedensten Berufsgruppen und verschiedenen Religionen. Als sie nur mehr 15 waren, stellten sie sich die Frage, ob sie die Stärksten seien. Auch wenn viele gerettet wurden, waren sie andere Menschen. Einige verdrängten die Geschehnisse, andere wurden verrückt. }, keywords = {19. Jahrhundert, Afrika, Schiffbruch}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{vonSCHIRACH2023, title = {Die Würde ist antastbar}, author = {Ferdinand von SCHIRACH}, year = {2023}, date = {2023-07-09}, urldate = {2023-07-09}, abstract = {SCHIRACH, Ferdinand von: „Die Würde ist antastbar“, München 2017 Das deutsche Grundgesetz beginnt mit dem Satz „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Das heißt ein Menschenleben kann man nicht gegen ein anderes einsetzen. Obwohl die derzeitigen Regierungen dieses Grundgesetz aufweichen. Der amerikanische Präsident Obama freute sich, als einer der Terroristen erschossen wurde. Vier Seemänner kamen in Seenot. Um zu überleben, töteten sie den jüngsten unter ihnen und aßen ihn auf. So überlebten sie. Von einem englischen Gericht wurden sie dafür zum Tod verurteilt, wobei der Richter eine Begnadigung empfahl. Nach sechs Wochen kamen sie frei. Kant sagte, der Mensch könne sich seine eigenen moralischen Gesetze geben. Er sei Subjekt und nicht wie die Tiere ein Objekt. Kinder und Behinderte zählte er nicht zu den vernünftigen Menschen. Sie waren nur Objekte. 1985 unterschied der Rechtswissenschaftler Günther Jakobs zwischen Feindstrafrecht und Bürgerstrafrecht. Alle Menschen, die die Gesellschaft verlassen sollen Feinde sein. Sie schaden der Gesellschaft. Im Kapitel „Weil wir nicht anders können“ zeigt der Autor auf, dass repräsentative Demokratien viele Nachteile haben und kompliziert sind. Randgruppen und Minderheiten bekommen ein starkes Stimmrecht und Aufmerksamkeit. Sie wollen, dass nicht Repräsentanten der Gesellschaft bestimmen, sondern immer alle Menschen. Das findet Schirach nicht umsetzbar. Würde man die Menschen fragen, ob Schokolade gratis sein soll, würde die Mehrheit das verlangen. Meinungsbefragungen zeigen dies ebenfalls. Nicht durchführbare Dinge bekommen eine Mehrheit bei diesen „Abstimmungen“. So könnte eine Gesellschaft nicht geführt werden. Mit „Du bist, wer du bist“ rechtfertigt er sich für seinen Großvater, der ein überzeugter Nazi war und nach dem Krieg lange im Gefängnis saß. In seiner Schulklasse saßen die Nachkommen von Juden, Nazis und Widerstandskämpfern nebeneinander. Die Buben waren aber einer Ansicht. Sie konnten nichts für ihre Vorfahren. Im Essay über das Rauchen und dessen Verbot („Reine Menschen, reine Luft“) zeigt der Autor als Jurist die Nachteile von gesetzlichen Einschränkungen auf. Auch Volksentscheide hält er nicht für sinnvoll: „Ich mag Volksentscheide nicht, sie scheinen unserer Demokratie fremd. Es gibt keine Schwarmintelligenz bei politischen Einzelabstimmungen, jedenfalls hat es sie früher nie gegeben. Und die neuen Nichtrauchergesetze offenbaren ein Fehlverständnis von Demokratie: Es geht eben nicht nur darum, dass gemacht wird, was die Mehrheit sagt – es geht auch um Nischen für die Minderheiten.“ (Seite 92) Im Kapitel „Vergessene Gummistiefel“ geht es um Sicherungsverwahrung und das Recht Menschen wegzusperren, ohne sie verurteilt zu haben. Der Europäische Gerichtshof hat 2009 dagegen gestimmt. Es darf keine Strafe ohne Gesetze geben. Schon in seinem Buch „Das Geständnis“ befasste er sich mit dem Thema des erzwungenen Geständnisses durch Folter. In einem Essay führt er wieder aus, dass festgehaltene Personen weder seelisch noch körperlich misshandelt werden dürfen. Für Polizisten, die das trotzdem tun verlangt er eine mehrjährige Gefängnisstrafe, Entlassung aus dem Dienst und Streichung der Pension. Im Buch wird ein Beispiel gezeigt, indem der Täter zwar die Tat begangen hat, aber das Geständnis durch Folter erzwungen wurde und daher ungültig sei. In einem eigenen Kapitel wird dem iPad eine Lobeshymne gewidmet und dass er die Zukunft des Lesens sein wird. Und am Ende erzählt Schirach von seiner Jugend in einem Klosterinternat. Es ist ein Buch mit Kurzgeschichten, Essays. Verlage publizieren von berühmt gewordenen Dichtern auch literarische „Abfallprodukte“. Aber auch die geben Einblick in die Arbeitsweise und Denkweise des Dichters. So auch dieses Buch. Manches ist nicht so besonders gut, aber anderes sticht wieder durch Brillanz hervor. So das Essay „Verfahren als Strafe“. Darin geht es um die Öffentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaften. Es war für mich die beste Geschichte des Buchs. Eigentlich hätte ich sie in dieser, meiner Rezension gleich zu Beginn erwähnen sollen, aber auch der Schluss eines Manuskripts wird so interessiert gelesen, wie der Beginn. Es ist auch ein aktuelles Thema, weil heute oft Personen, gegen die erst ein Verdacht besteht und ein Verfahren eingeleitet wird in den Medien vorverurteilend berichtet wird. Manchmal erfahren die Beschuldigten erst aus den Medien, dass gegen sie ein gerichtliches Verfahren eingeleitet wurde. Schirach meint „Das Verhältnis von Justiz und Presse hat sich verändert. Früher sah man immer nur einen ordentlichen Polizisten und einen älteren Staatsanwalt mit Goldbrille im Fernsehen, beide sagten mit todernstem Gesicht „Weiträumig absperren und lückenlos aufklären“. Das war beruhigend. Heute meinen die Strafverfolger, sie müssen medial präsent sein.“ (Seite 84) Im Strafrecht gibt es nur eine Partei und die ist der Strafverteidiger. Die Staatsanwaltschaft dagegen muss objektiv sein, ausgleichend und gerecht wie ein Gericht. „Sie ist unparteiisch, sie ermittelt für und gegen den Beschuldigten, nichts anderes ist ihr gesetzlicher Auftrag. Früher wurde sie sogar die „objektivste Behörde der Welt“ genannt.“ (Seite 85) Für das Gesetz ist der Angeklagte unschuldig, bis er rechtskräftig verurteilt ist. Durch frühzeitige Veröffentlichungen werden die Beschuldigten heute oft an den Pranger gestellt. Schon im Mittelalter hat man Menschen an den Pranger gestellt und die Öffentlichkeit konnte sie beschimpfen und bespucken, ABER sie wurden NACH einer Verurteilung geprangert. Heute braucht man oft kein Urteil mehr: eine Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft stellt den Beschuldigten an den Pranger der Öffentlichkeit. Dass die Staatsanwaltschaft neutral agieren muss, ist heute oft in Vergessenheit geraten. Verteidiger und Staatsanwaltschaft stehen sich als Gegner gegenüber. Schirach schließt dieses Essay mit der Erkenntnis, dass „Staatsanwälte und Richter in der Öffentlichkeit nichts zu suchen haben.“ (Seite 88) Allein dieses Essay ist es wert, das vorliegende Buch zu lesen. }, keywords = {Gerichtbarkeit, Recht}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{PLUHAR2023, title = {Gitti}, author = {Erika PLUHAR}, year = {2023}, date = {2023-07-07}, urldate = {2023-07-07}, abstract = {PLUHAR, Erika: „Gitti“, Salzburg Wien 2023 Es ist dies ein sehr persönlicher Roman von Erika Pluhar. Ihre eigene Familiengeschichte. Die Hauptfigur ist ihre ältere Schwester Brigitte – von der Familie Gitti genannt. Die Eltern wohnen in Wien. Der Vater bekommt in Brasilien einen Job bei einer Mineralölfirma und man übersiedelt. Gitti wuchs in Rio de Janeiro auf. Der Vater war ein überzeugter Nationalsozialist. Er musste aus Wien weg, weil diese Partei noch verboten war. Als Adolf Hitler die Regierung in Deutschland übernimmt, kehrt die Familie Pluhar nach Europa, nach München zurück. Erst als Österreich annektiert wird, kehrt die Familie wieder heim nach Wien. Sie wohnen in einer Villa in Döbling. Der Vater bekommt einen angesehenen Job in der Partei. Letztlich wird er Assistent des deutschen Gouverneurs in Lemberg. Die Familie übersiedelt nach Polen. Gitti geht in Lemberg in die Schule. Erika ist auf der Welt und die ältere Schwester nimmt sich ihrer an. Der Krieg zieht ins Land. Der Vater meldet sich als Soldat und die Mutter mit den beiden Mädchen kommt nach Wien zurück, wo die dritte Tochter geboren wird. Gitti nimmt eine wichtige Rolle in der Familie ein. Mit ihren zehn Jahren agiert sie wie eine Erwachsene. Wien wird bombardiert. Oft muss die Familie in den Luftschutzkeller. „Meist sah sie dann die Mutter, beim Schein einer Lampe und völlig angekleidet, nur im Lehnstuhl schlafen. Vorausschauend hatte Anna dafür gesorgt, dass Brigitte und Erika ebenfalls keinen Schlafanzug trugen, sondern angekleidet blieben, und dass der Säugling reisefertig gewickelt war.“ (Seite 64) Alles für den Luftschutzkeller war fertig gepackt. Mehrmals wurden sie in der Nacht aus dem Schlaf gerissen und mussten rasch Unterschlupf suchen. Letztlich werden Familien mit Kindern auf Land gebracht, wo sie vor Luftangriffen sicherer sind. Anna Pluhar mit ihren drei Kindern – das jüngste hatte der Vater noch nicht gesehen – zieht in ein Dorf in Oberösterreich. Es ist eine abenteuerliche Reise. Mit Betteln bringt Anna ihre Kinder durch. Als der Krieg aus ist, kehrt sie nach Wien zurück und wohnt bei ihrer Schwester, wo sie seitens des Schwagers nicht sehr willkommen ist. Sie haben nur zwei Zimmer und letztlich entscheidet man, dass Gitti bei der Großmutter wohnt und von dort zur Schule geht. Gittis Cousine ist älter und geht in dieselbe Schule. Sie lernt mit Gitti und bringt sie so bis zur vierten Klasse. Eine Matura kam wegen der Lernerfolge aber nicht in Frage. Erika Pluhar, die als Kleinkind noch eine Nebenrolle in diesem Roman spielt, beschreibt aber als Schriftstellerin sehr gut den Schmerz des jungen Mädchens Gitti, als sie von ihrer Familie getrennt wird. „Das Herz tat Brigitte weh, als wäre es ein körperlicher Schmerz …“ (Seite 159) Inzwischen ist der Vater heimgekehrt und bringt sich zu Beginn mit Hilfsarbeiten durch. Als er „entnazifiziert“ wird, bekommt er einen angeseheneren Job in Linz, der seiner Ausbildung entspricht. Die Familie kann sich eine eigene Wohnung am Stadtrand Wiens leisten. Gitti aber bleibt bei ihrer Oma. Sie geht inzwischen in eine Modeschule. Ein Lehrer nähert sich ihr. Er ist zwar um vieles älter – Gitti ist erst 16 – und es kommt zur geheimen Liebe. Letztlich heiraten die beiden. Er ist ein anerkannter Experte und bekommt einen Job beim Modeschöpfer Adelmüller. Das junge Paar wohnt in einer Wohngemeinschaft mit einem Fotografen. Ihr Mann interessiert sich für Fotografie. Letztlich wechselt er den Beruf und wird Fotograf. Die beiden übersiedeln nach New York, wo er eine Assistentenstelle bei einem angesehensten Modefotograf bekommt. Am Ende verrät die Autorin, woher sie ihre Informationen zu diesem Roman nahm: als ihre große Schwester Gitti nach Amerika ging, versprachen sich die Schwestern regelmäßig zu schreiben und zu berichten. „Weißt du was wir machen? Du wirst mir regelmäßig Briefe schreiben! Alles was dir zustößt, was immer du erfährst. Wie eine Art Tagebuch, ja? Und ich werde dir immer antworten.“ (Seite 218) Mit Gesprächen mit der alten Schwester konnte Erika Pluhar noch weitere Informationen zu diesem Roman einholen. Die Zeit läuft und sie bringt es auf Papier. „Noch erkennt sie mich – wie lange noch, ist ungewiss. Ihr Name ist Brigitte. Für uns ist sie Gitti. Ich möchte ihre Kindheit und Jugend nacherzählen.“ (Seite 5) }, keywords = {Familiengeschichte, Nachkriegszeit, Zweiter Weltkrieg}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SCHOLL2023, title = {Die Füchsin spricht}, author = {Sabine SCHOLL}, year = {2023}, date = {2023-06-30}, urldate = {2023-06-30}, abstract = {SCHOLL, Sabine: „Die Füchsin spricht“; Zürich 2016 Ein Roman mit einer Vielzahl von Geschichten. Da ist ein junges ungarisches Paar, das bei der Grenzöffnung für DDR Urlauber nach Österreich flüchtete. Über Flüchtlingslager kamen sie nach Österreich, Nordamerika und letztlich nach Deutschland, wo sie einen alternativen Bio-Bauernhof betreiben. Sie sind befreundet mit den Hauptpersonen des Romans: einem deutschen Ehepaar mit einer Tochter. Der Mann bekam einen Lehrstuhl in Japan. Die Ehefrau durfte in Japan nicht arbeiten. Als Frau des Professors bekam sie aber eine Aufenthaltsgenehmigung und lebte mit der Tochter als Hausfrau und Mutter. Der Ehemann begann ein Verhältnis mit einer jungen Kollegin. Als diese ein Kind von ihm bekam, verlässt die Ehefrau mit Tochter Japan und kehrt nach Deutschland zurück. Sie bekommt einen Teilzeitjob an einer Universität und agiert als alleinerziehende Mutter. Sie hat Probleme mit der Tochter und wirft diese im Zuge eines Streits aus der Wohnung. Der Vater hat inzwischen eine junge Familie und wurde zum Hausmann. Nach dem Atomreaktorunfall zieht die junge Familie aufs Land und er versucht selbst Gemüse zu ziehen. Der Atomunfall beunruhigt ihn und fuhrt zu einem Zwist mit der jungen Ehefrau, die den Aussagen der japanischen Regierung vertraut. Er hingegen holt internationale Informationen zum Atomreaktorunfall ein. Die alternative Bauernfamilie ist ein Vermittler zwischen dem geschiedenen Ehepaar. Als die Frau ihren Job an der Universität verliert, wird sie aufgenommen, ebenso wie die Tochter, die nach dem Sinn des Lebens einer Aufgabe sucht. Der Vater schreibt aus Japan und kommt letztlich mit seinem Sohn zu Besuch. Am Bauernhof kommen sie alle zusammen. Wie sich das gestaltet liegt aber außerhalb des Romans. Das Buch ist in fünf Abschnitte gegliedert. Ein Teil besteht aus eMails, in denen sich die beiden Männer – der Biobauer und der in Japan lebende Professor – austauschen. Thematisch ist es ein negatives Buch. Die Autorin (ident mit der Hauptfrau des Romans) schreibt ihre Probleme nieder. Probleme, die sie mit der eigenen Familie, mit der Universität und ihrem Umfeld hat. Sexuelle Beziehungen werden ausführlich geschildert. Eine psychologische Abhandlung, bei der der Leser, die Leserin den psychiatrischen Gegenpol bilden muss. }, keywords = {Deutschland, Ehebeziehung, Japan, Kindererziehung, Universitätsbetrieb}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SAUTNER2023b, title = {großmutters haus}, author = {Thomas SAUTNER}, year = {2023}, date = {2023-06-19}, urldate = {2023-06-19}, abstract = {SAUTNER, Thomas: „großmutters haus“, Berlin 2021 Sie dachte, Großmutter sei verstorben. Die Familie verheimlichte alle Details. Wo sie wohnte, wo sie begraben sei. Sie, Malina, war schon früh aus der einsamen Gegend ihrer Eltern im Norden des Landes weggezogen und hat in der Stadt ihr Zuhause aufgeschlagen. Ein einfacher Job in einer Bibliothek und einen verheirateten älteren Mann als Freund. Eines Tages brachte der Postbote ein Paket. Als sie es öffnete quollen viele Geldscheine heraus. Dazu ein Zettel: „Anbei ein paar Zetteln mit Nullen drauf. Nicht der Rede wert. Es grüßt dich deine Großmutter Kristyna.“ Den Poststempel konnte sie noch lesen und so fand sie bald nach Nachfragen im nächstliegenden Postamt, wo Großmutter wohnte. Sie verbrachte zwei Urlaubswochen bei ihr und ihr Leben veränderte sich. Die Großmutter züchtete Cannabis und produzierte Zigaretten mit Kräutern und Rauschgift. Sie ist eine sehr schräge Frau. Der Baron des nahegelegenen Schlosses ist einer ihrer Freunde. Nach zwei Wochen verlässt die Enkelin die Großmutter als veränderte Person. Eine sehr einfache Geschichte, die auch simple geschrieben ist. Nicht zu vergleichen mit dem Niveau des Sautner-Romans „fuchserde“. }, keywords = {Großmutter, Rauschgift, Rauschgifthandel}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{AMIR2023, title = {Gesellschaften im Umgang mit der Natur und anderen Außenseitern}, author = {Fahim AMIR, Anna Weidenholzer, Christoph W. Bauer, Stefan Gmündner, Birgit Birnbacher, Sabine Gruber}, editor = {ZEYRINGER Klaus}, year = {2023}, date = {2023-06-16}, urldate = {2023-06-16}, abstract = {ZEYRINGER, Klaus (Hg): „Gesellschaft im Umgang mit der Natur und anderen Außenseitern“, Wien 2020 Dieses Booklet ist im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Gesellschaften im Umgang mit der Natur und anderen Außenseitern“ entstanden. Neben dem Herausgeber, der das Vor- und Nachwort schrieb, kamen sechs namhafte SchriftstellerInnen zu Wort. Amir Fahim beschäftigt sich in seinem Aufsatz mit der Laborratte, und welchen Beitrag sie zur Forschung liefert. Er weist aber auch darauf hin, dass es in England und Frankreich um 1800 der Sport „Rat-Baiting“ sehr populär war. Man platzierte hunderte Ratten in einer Kampfgrube und schickte einen Terrier hinein, der die Ratten tötete. Ein Schiedsrichter maß die Zeit, bis die letzte Ratte tot war. Ein Wettkampf. Erst im 20. Jahrhundert wurde die Laborratte maßgeblich am Fortschritt in der Medizin herangezogen. Anna Waidenholzer erzählt von einer Tierbestattung, bei der die Tiere verbrannt und dann mit einer Urkunde und der Urne an die ehemaligen Besitzer ausgehändigt werden. Ein neues Geschäftsmodell. Parallel stellt sie gegenüber, wie ein junger Mann, der bei einem Verkehrsunfall zu tote kam, verbrannt und seine Asche von einem Schiff aus der Donau übergeben wurde. Christoph Bauer erzählt, wie es im alten römischen Reich zu Massenhinrichtungen von exotischen Tieren kam. Der jeweilige Herrscher spendete dem Volk Unmengen von Tieren. Im 80 nach Christus erbauten ersten Amphitheater wurden zur Eröffnung – die 100 Tage dauerte – 5000 Tiere geopfert. Darunter 600 Löwen, 150 Leoparden, 18 Elefanten und ein Nashorn. Zum Gaudium des Publikums mussten sich die Tiere gegenseitig zerfleischen. Zur Beschaffung der Tiere entstand eine eigene Industrie, die sie in den Ursprungsländern fangen ließ und nach Rom oder andere römische Städte brachte. Daneben wurden die Besucher mit köstlichen Speisen verköstigt. Riesige Fischzuchtanlagen entstanden und teilweise wurden mit den Tieren auch Menschen geopfert. Oft nach einem genauen Drehbuch organisiert. Stefan Gmündner beschäftigt sich mit dem Schriftsteller Henry David Thoreau (1817-1862) und seinem Beitrag zum Erhalt der Natur. Selbst lebte er 1845 zwei Jahre, zwei Monate und zwei Tage in einer einfachen Hütte. Er hinterließ ein 7000 Seiten starkes Tagebuch, in dem es etwa heißt „Es bedarf nur einiger Strohhalme in der Sonne, eines kleinen hingeworfenen Wortes oder eines, das lange schweigend in einem Buch geschlummert hat. Wenn das Himmelreich beginnt und die Toten auferstehen, wird keine Trompete blasen. Vielleicht wird der Südwind wehen.“ (Seite 50) Birgit Birnbacher schildert das Leben einer alleinstehenden Witwe, die auf 22 Quadratmeter Miete wohnt. Sabine Gruber wiederum berichtet von einer Person, die angegurtet in einem Pflegebett liegt. „Menschen, die sich sattessen und gesund sind, vergessen ihren Magen, habe ich einmal gehört. Meine Zehen erinnern das Gehen und werden über den Bewegungsverlust verrückt. Die kleinen Muskeln pulsieren.“ (Seite 65) }, keywords = {Natur, Randgruppen, Umwelt}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{FRISCHMUTH2023, title = {Herbst in der Nussschale}, author = {Barbara FRISCHMUTH and Julian SCHUTTING}, year = {2023}, date = {2023-06-14}, urldate = {2023-06-15}, abstract = {FRISCHMUTH, Barbara; SCHUTTING, Julian: „Herbst in der Nussschale“, Wien 2019 Eine kleine Broschüre, die nach dem Literaturfestival „Literatur & Wein“ 2019 entstanden ist. Zu Wort kamen die beiden österreichischen Dichter Barbara Frischmuth und Julian Schutting. Schutting schrieb über Nüsse und Wein. Zuerst entführt er in die längste Kellergasse Österreichs nach Pillichsdorf zu einem typischen Kellergassenfest. In der zweiten Geschichte geht es um eine Winterreise, die Wilhelm Müller nachempfunden ist. Die ursprünglichen „Müller Gedichte“ – 24 an der Zahl – wurden von Franz Schubert 1827 vertont. In der dritten Geschichte von Schutting beschreibt er sein Arbeitszimmer, auf dem er ein Glas Wein mit Nüssen stehen hat. Barbara Frischmuth ist mit einer Geschichte vertreten: „Herbst in Worten“. Konkret geht es um den Herbst des Jahres 1918, in dem es lange nicht Winter werden wollte. Die späte Wärme verleitete sie, ihren Garten nicht rechtzeitig zu versorgen, bis der erste Schnee fiel. Blumen begannen wegen des unerwarteten Sonnenscheins im Herbst zu blühen und lockten Bienen und andere Insekten an. Der Herbst hatte – so nennt sie es – „einen außerordentlichen Nachschlag“ gegeben. Am Schluss zitiert sie den persischen Dichter Omar Khayyam (1048-1136): Eh dich die Sorgen ganz erschlagen haben, Sollst du am rosenfarbnen Wein dich laben; Du bist ja auch kein Gold, das man verscharrt, Um es dann später wieder auszugraben. }, keywords = {Herbst, Literaturforum Göttweig, Nüsse, Wein}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{GRUBER2023, title = {Zu Ende gebaut ist nie}, author = {Sabine GRUBER}, year = {2023}, date = {2023-06-13}, urldate = {2023-06-13}, abstract = {GRUBER, Sabine: „Zu Ende gebaut ist nie“, Innsbruck Wien 2014 14 Gedichte sind in dieser Broschüre vereint. Gedichte kann man nur schwer rezensieren. Man muss sie lesen und genießen. Es ist ein schönes Heft, das hier vorliegt. Dem Band gibt das Gedicht „Zu Ende gebaut ist nie“ den Namen. Dieses will ich stellvertretend wiedergeben: Zu Ende gebaut ist nie. Trugschluß, Daß mit dem Notausgang nach drüben Daß Atmen Sinn gewönne. Daß wir Ohne Aussicht hofften. Vor dem offenen Portal stoßen sie dich, drängen sich An deinen Körper, den du längst der Zeit verschenkt hast im Wiederwunsch Nach Fortbestand. Wie abgrundtief Die Augen finden, was sie suchen: Lichtloslicht, raureife Wärme, Du taumelst und gehst ein, Hinein in den ewigen Rohbau. }, keywords = {Gedichte}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Brandstetter2023, title = {So wahr ich Feuerbach heiße}, author = {Alois Brandstetter}, year = {2023}, date = {2023-06-11}, urldate = {2023-06-11}, abstract = {BRANDSTETTER, Alois: „So wahr ich Feuerbach heiße“, Salzburg Wien 1988 Ein doch schon älteres Buch von Brandstetter. Als er es schrieb war er schon 50 Jahre alt. Daraus leite ich seine Umständlichkeit und sein weites Ausschweifen beim Erzählen zurück. Im Grunde geht es um eine einfache Handlung: seine Familie hat ein neues Haus gebaut und nun wollen sie es mit Freunden einweihen. Beim Erstellen der Einladungsliste stellen sie fest, dass sie eigentlich keine Freunde haben. So suchen sie unter Bekannten und letztlich bleibt es bei einem Ehepaar. Herr Feuerbach rüstet sich für das geplante Gartenfest zum Grillen. Er kauft alle notwendigen Utensilien ein: Griller, Zangen, etc. Letztlich informiert er sogar die Feuerwehr davon, dass er in seinem Garten ein Grillfeuer machen werde. „Ich hatte mein jetziges Feuer auch der Feuerwehr gemeldet, wie es die Gemeindeordnung vorsieht. Ich wollte nicht riskieren, daß die Feuerwehr aus Übereifer wegen meines kleinen Feuerchens ausrückte.“ (Seite 56) Auf über 200 Seiten schweift der Autor vom Geschehen der geplanten Party ab. Letztlich hatte aber auch das einzig eingeladene Paar abgesagt. Eine eher fade Angelegenheit. Viel Wortspiel, wenig Inhalt. }, keywords = {Grillen, Party}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SAUTNER2023, title = {fuchserde}, author = {Thomas SAUTNER}, year = {2023}, date = {2023-06-10}, urldate = {2023-06-10}, abstract = {SAUTNER, Thomas: „fuchserde“, Berlin 2020 Ein herumziehendes Volk, die Jenischen sind der Mittelpunkt des Buches. Es ist einerseits eine historische Abhandlung und andererseits die romanhafte Beschreibung einer Familie dieses Volksstamms. Die Hauptperson darin ist Frida, eine außergewöhnliche Frau. Sie braucht lange, bis sie sich für einen Mann entschied, obwohl sie von vielen begehrt wurde. Sie suchte sich eine starke Persönlichkeit zur Ehe aus, obwohl „die Frauen bei den Jenischen in der Regel für alles sorgen: Kinder aufziehen, Wäsche flicken, hausieren gehen. Essenbesorgen und kochen. Der Mann war dennoch das Oberhaupt der Familie. Eine alte jenische Frau erzählte sinngemäß: „Nach außen haben die jenischen Frauen den Mann den Pascha spielen lassen, da war er wie Gott und hat sich auch so gefühlt. Die jenische Frau hat es verstanden, ihren Mann gut leben zu lassen. Im Haus aber haben die Frauen das Sagen gehabt.““ (Seite 52) Dieses fahrende Volk lebte von selbstgemachten Dingen wie Werkzeug, Kleidern, Webarbeiten. Sie boten beim Herumziehen den Bauern Dienstleistungen wie Messerschleifen, Töpfe flicken etc an. Die kalten Winter verbrachten sie in einer festen Behausung. Sie lebten in primitiver Situation. Oft hatten sie nicht genug zu essen. Als der Vater einen Fasan gefangen hatte, gab es Fleisch. Ein Teil wurde aufgehoben. Die Kinder aber wollten mehr. Da wurde das Fleischstück mit einer Schnur über dem Tisch aufgehängt. Die Kinder bekamen Brot und drückten es gegen das Fleisch, um so einen Geschmack vom Braten zu erhaschen. Speziell während der Weltwirtschaftskrise ging es der Landbevölkerung schlecht. „Sie bekamen eine Arbeitslosenunterstützung von fünf Schilling pro Woche. Ein Laib Brot kostete damals siebenundsechzig Groschen.“ (Seite 85) Zigeuner und „herumtreibendes“ Volk wie die Jenischen bekamen nichts. Die Jenischen hatten alle zum selben Zeitpunkt Geburtstag. „Wer von unseren Leuten dennoch den Winter überstand, der hatte Geburtstag.“ (Seite 86) Von Frühjahr bis Winter zogen sie herum. Sie lebten im kalten Waldviertel, von dem auch der Autor dieses Romans kommt. Luca suchte seinen Vater und findet einen Onkel in Italien, der einen Zirkus besitzt. Der schon alte Zirkusdirektor vermacht den Zirkus seinem Neffen Luca, der ihn erfolgreich führt. Bei den sommerlichen Reisen trafen die beiden „Stämme Jenische“ – der des Zirkus und der der Waldviertler – aufeinander und befreundeten sich. Zwei junge aus diesen verschiedenen Stämmen verliebten und verlobten sich. Dann brach die Herrschaft der Diktatoren herein. Der Zirkus verließ wegen Mussolini Italien und übersiedelte nach Österreich. Aber auch da herrschte bald Hitler. Viele der Jenischen wurden verhaftet, ermordet oder in ein Konzentrationslager gesteckt. Der Autor versteht es, sehr anschaulich das Leben in den Konzentrationslagern und Arbeitsheimen wiederzugeben. In der Familie des Zirkusdirektors kamen alle ums Leben. Nur ein Sohn, der Verlobte der Waldviertlerin, konnte fliehen. Auch die Flucht wird detailgenau geschildert. Ähnlich ging es bei den Waldviertlern zu. Auch hier wurde gemordet und verhaftet. Der Stammhalter Lois (er ist der Erzähler im Buch) hatte vorgesorgt und einen Tunnel aus seinem Haus hinausgegraben und so konnte die Familie flüchten. Sie lebten im Wald in einer Höhle. Ein reicher Bauer – nach der russischen Befreiung wurde er Bürgermeister – war ein guter Mensch und versorgte die Familie heimlich mit Nahrung. Als der Krieg aus war, kam der Verlobte aus Tirol. Sie bauten ihre niedergebrannten Häuser wieder auf und auch das neue Paar baute ein Heim. Auch der schon als tot vermutete kleine Bruder des Verlobten kam mit einer jungen Frau zu ihnen. Die Freude der Vereinigung war groß. Obwohl der Druck durch die Nationalsozialisten wegfiel, bestand weiterhin Angst und viele der Jenischen weigerten sich ihrer Zunft nachzukommen. Sie nahmen fixe Anstellungen an und wurden sesshaft. Ihren Kindern und Kindeskindern verheimlichten sie ihre Vergangenheit. Nur der Urgroßvater gab die Geschichte seines Stammes an den Jüngsten der Familie weiter. Diese Erzählungen sind der Inhalt dieses Buches, mit dem eine vergessene Zeit wieder auflebt. Ein sehr ausdrucksstarkes Buch. Ein Roman, der aus einer anderen Zeit stammt und trotzdem schafft es der Autor so zu erzählen, als hätte er mit diesen Leuten gelebt. Großartig! }, keywords = {Fahrendes Volk, Jenische, Konzentrationslager}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{STELZLE2023, title = {Spazierenschwimmen zwischen Rax und Semmering}, author = {Wilma PFEIFFER Walter STELZLE}, year = {2023}, date = {2023-06-03}, urldate = {2023-06-03}, abstract = {PFEIFFER Wilma; STELZLE Walter: „Spazierschwimmen zwischen Rax und Semmering – Kultur, Geschichten, Ausflüge“, Salzburg 2023 Der Titel „Spazierschwimmen“ ist dem „Mann ohne Eigenschaften“ von Robert Musil entnommen. Musil beschrieb aber den Wörthersee und hier geht es um Berge. Musil, so die Autoren des vorliegenden Buches, meinten, dass Musil mit „Schwimmen“ auch „Muse genießen“ verstand. Der Untertitel „Kultur – Geschichten – Ausflüge“ trifft wieder den Inhalt ganz, denn man wird in die Geschichte der Gegend eingeführt, aber auch „Gschichteln“ werden erzählt. Natürlich wird auch der Kultur Rechnung getragen und Anleitungen für Ausflüge gegeben. Nachdem erzählt wird, wie die Sommerfrische entstand, werden die Orte Reichenau, Prein an der Rax, Rax, Payerbach und Semmering vorgestellt. Um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert war diese Region die bedeutendste Sommerfrische der Habsburgermonarchie. Der „Motor“ dafür war die Südbahn, die die Städter aus Wien in die frische Luft der Alpen brachte. Villen und Hotels entstanden. Da hier aber vorwiegend Juden investierten, fiel die Gegend 1938 wegen der Judenverfolgung in einen Dornröschenschlaf, der in manchen Orten noch immer herrscht. In Reichenau kam es auch zu einem Wettstreit beim Bau von Villen zwischen dem Kaiserhaus und einer angesehenen und reichen jüdischen Familie. Zwar hatte der Kaiser 1867 die Gleichstellung der Juden veranlasst, aber gesellschaftlich waren sie das nicht in vollem Umfang. Sie mussten sich beweisen und Baron Rothschild tat dies mit dem Bau eines kleinen Schlosses, mit dem er den kaiserlichen Sitz in den Schatten stellte. Die Autoren nennen diesen Zwist den „Schlösserkrieg“. Gebaut wurden nicht nur Villen, auch das Fuhrwerksgewerbe nahm zu. Die Remise in Reichenau bot Platz für 35 Kutschen. 70 Pferde mussten untergebracht werden. Große Bedeutung haben heute noch die Reichenauer Sommerfestspiele, die wieder Besucher aus Wien und der Umgebung anlocken. Das Preiner Gscheid ist ein fast 1000 Meter hoher Paßübergang zwischen Niederösterreich und der Steiermark. Prein hat keinen bäuerlichen Background, sondern war ein Bergbaugebiet. Ende des 19. Jahrhunderts rentierte sich dieses Geschäft nicht mehr. Die Bergwerke und Schmelzöfen wurden stillgelegt. Ein geschäftstüchtiger Mann konvertierte die Anlagen in Hotels. Rax kam nicht nur wegen des nahen Bahnanschlusses zu Bedeutung, sondern durch den Seilbahnbau. 1926 nahm die Raxseilbahn als erste österreichische Seilschwebebahn ihren Betrieb auf und erlaubte den ungeübten Städtern einen problemlosen Aufstieg in die Berge. Bedingt durch die erbaute Seilbahn wurde 1926 auch die bestehende Materialeisenbahn für den Personentransport zugelassen. Die Rax wird wegen dreier Persönlichkeiten auch „Berg der Psychotherapie“ genannt. Sigmund Freud, Viktor Frankl und Alfred Adler urlaubten hier. Erwähnt wird von den Autoren auch der Bau der Wiener Hochquellenwasserleitung, der den Wienern frisches Trinkwasser aus den Bergen lieferte. Als Karl VI. bei einem Jagdausflug eine frische Quelle fand, ließ er einen ständigen Wassertransport mit Reitern einrichten, um in Wien frisches Quellwasser zu haben. Payerbach: In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Bahnhof Payerbach zu einem der meist frequentierten der Monarchie. 60 Fiaker erwarteten am Vorplatz die ankommenden Gäste. Auch der Kaiser nützte die Vorzüge der Eisenbahn und so fuhr er oft nur für einen Tag zum Jagen nach Payerbach. Payerbach positionierte sich mit Wintersport gegenüber den umliegenden Gemeinden und engagierte den Schipionier Mathias Zdarsky aus Lilienfeld. Während der Weltausstellung in Wien, flüchtete Kaiserin Sisi vor den vielen Repräsentationen nach Payerbach. Erwähnt wird auch das Haus des Mayonnaisefabrikanten Kuhnert, der sich vom Wiener Architekten Loos eine Villa bauen ließ. Leider lebte er nur zwei Jahre darin. Heute ist es ein beliebtes Restaurant, das im „The Hotel Book. Great Europe“ zu den nobelsten Fünfsternehotels gezählt wird. Und letztlich wird auch dem Semmering ein Kapitel gewidmet. 1842 hatte der Bau der Südbahn den Ort Gloggnitz erreicht. 1851 war Payerbach angeschlossen und drei Jahre später erreichten die Züge den Semmering. Zu verdanken ist dies dem Planer Carl von Ghega. 1848 wurde mit dem Bau begonnen, an dem bis zu 20.000 Arbeiter beschäftigt waren. 2.000 kamen auch ums Leben. Die meisten aber an Seuchen. Die Strecke von Gloggnitz nach Mürzzuschlag ist 42 Kilometer lang, führt durch 15 Tunnels und überquert 16 große und 118 kleine Brücken. Es ist ein Wunderwerk, das 1998 als UNESCO Weltkulturerbe aufgenommen wurde. Auch den Hotels am Semmering wird Platz gewidmet und so manche Schnurre der Hoteliers erzählt. Das Buch bringt die Region dem Leser näher und bietet neben reinen historischen Zahlen auch viele informelle Informationen. }, keywords = {Eisenbahn, Fremdenverkehr, Rax, Semmering}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Langenegger2023, title = {Was man jetzt noch tun kann}, author = {Lorenz Langenegger}, year = {2023}, date = {2023-05-29}, abstract = {LANGENEGGER, Lorenz: „Was man jetzt noch tun kann“, Wien 2022 Der Autor ist Schweizer und wohnt in Wien. In diesen Destinationen und einem geschäftlichen Einsatz in Tansania spielt auch der vorliegende Roman. Der Proponent Manuel ist Schweizer. Sein Vater ist ein Erfinder und besitzt eine Fabrik für spezielle Türschlösser. Manuel wohnt in Wien. Als er sich mit seiner Lebensgefährtin in Venedig auf Urlaub befindet, bekommt er die Nachricht, dass der Vater verstorben sei. Er fährt nach Zürich, die Freundin zurück nach Wien. Manuels Bruder ist Forscher und an den Geschäften des Vaters nicht interessiert. Er überlässt seine Anteile an der Firma seinem Bruder und dieser ist plötzlich Besitzer und Geschäftsführer der Fabrik. Auch bedeutet es eine Übersiedlung von Wien nach Zürich, was der Freundin nicht angenehm ist. Die Firma arbeitet mit alter Technologie und ist nicht mehr lebensfähig. Manuel muss die Firma schließen. Mehrere Tonnen von Schlössern liegen auf Lager. Er übersiedelt sie nach Auflösung der Firma und dem Verkauf des elterlichen Hauses nach Wien in eine kleine Wohnung, denn seine Freundin, bei der er vorher wohnte, hat ihn hinausgeschmissen. Letztlich gelingt es ihm die Schlösser einem Chinesen zu verkaufen, der sie in Afrika vermarktet. Dazu musste Manuel auch nach Tansania zur Vertragsunterzeichnung fliegen. Hier ist auch die alte Technologie der Schlösser noch gefragt. Ein sehr einfach „gestrickter“ Roman, der sich aber flüssig lesen lässt. Witzig ist eine Passage im Roman, in der der Proponent überlegt die Zeit umgekehrt laufen zu lassen. „Der Lauf der Zeit hatte seine Richtung geändert.“ (Seite 227) Das hatte umgekehrte Abfolgen wie etwa „Am Friedhof nahm der Pfarrer die Urne aus dem Grab.“ „Wie alle anderen Menschen wurde Helmut Keller Jahr für Jahr jünger, bis er eines Tages zurück in seine Mutter kroch, wo er langsam schrumpfte, bis nur mehr ein Zellhaufen übrig blieb, der sich schließlich in eine Eizelle und ein Spermium teilte.“ (Seite 228) }, keywords = {Erbe, Österreich, Schweiz, Tansania, Türschlösser}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{FLASAR2023, title = {Oben Erde, unten Himmel}, author = {FLASAR, Milena Michiko}, year = {2023}, date = {2023-05-19}, urldate = {2023-05-19}, abstract = {FLASAR, Milena Michiko: „Oben Erde, unten Himmel“, Berlin 2023 Frau Flasar las im Rahmen des Literaturfestivals „Literatur & Wein“ im Stift Göttweig aus diesem, ihrem neuen Buch. Es handelt - so wie die vorangegangenen Romane – in Japan. Die Hauptperson ist eine junge Frau, die sehr auf sich zurückgezogen lebt. Das Studium hatte sie abgebrochen, weil sie keinen Anschluss und keine Freundschaften der Universitätscommunity fand. Da sie allein in der Stadt wohnte musste sie für ihren Unterhalt sorgen und nahm verschiedene Aushilfsarbeiten an. Sie lebt allein mit einem Hamster. Als Kellnerin war sie nicht ausreichend Kundenorientiert und wurde gekündigt. Der Chef sagte zu ihr „Um es auf den Punkt zu bringen, Sie sollten sich einen Job suchen, bei dem Sie so wenig wie möglich mit Menschen zu tun haben.“ (Seite 34) Sie suchte also nach einem Job, bei dem sie wenig oder keinen Kontakt zu anderen Menschen hat und bewarb sich bei einem Reinigungsunternehmen. Das entpuppte sich als Firma, die Wohnungen von einsam verstorbenen Menschen (man nennt sie Kodokushi) räumte. Hier erfährt man, dass viele Einsame ein Auto mieten und in diesem ihrer Einsamkeit nachkommen. Man stellte dies fest, nachdem viele Auto lange vermietet waren, aber keine gefahrenen Kilometer auswiesen. Sie bekam den Zuschlag. Die Arbeit war schwierig und der Geruch, der lange unentdeckten Leichen hielt sich lange am Körper. Der Vorgang der Wohnungsräumung wurde sehr pietätvoll durchgeführt. Das Räumungsteam klopft an die Wohnungstür und bittet um Einlass, obwohl der Mensch dahinter tot ist. Dann sprechen sie mit ihm, als würde er leben. „Wir sind gekommen, um dir beim Aufräumen zu helfen. Bitte erschrick nicht. Ich weiß, es ist unangenehm, fremde Menschen an sein Zeug ranzulassen, aber ich verspreche dir, wir werden deine Privatsphäre respektieren …“ (Seite 226) Die leere und gereinigte Wohnung wurde dann an die Angehörigen übergeben. Dazu stellte das Team einen kleinen Hausaltar auf und übergab eine Box mit Erinnerungsstücken. Der Chef war sehr kommunikativ, was nicht ihrer Natur entsprach. So organisierte er ein Kirschblütenfest, an dem sie sich nicht sehr gern beteiligte. Der Chef, Herr Sakai, war ein guter Vorgesetzter und kümmerte sich um seine Mitarbeiter. Suzu, die junge Frau, die in der Ichform diese Geschichte erzählt, wird durch ihn animiert, aus ihrer Einsamkeit geholt und sie bekommt Anschluss mit den alten Nachbarn im Haus, in dem sie wohnt und dem Kollegen Takada. Dieser wohnt in einer einfachen Kabine allein. Als er nicht zur Arbeit kommt, schickt der Chef Suzu zu ihm. Sie findet ihn schwer krank. Kurz entschlossen übersiedelt sie ihn in ihre Wohnung und pflegt ihn gesund. Die einsame Frau bekam Anschluss und suchte auch den Kontakt zu ihren Eltern wieder. Nach 1 ½ Jahren besucht sie sie. Sie ist auch standfest und erzählt von ihrem Job, den sie liebt. Die Eltern hätten es lieber gesehen, wenn sie studiert, geheiratet und Kinder hätte. Aber sie akzeptieren es. Der Chef öffnet sich ebenfalls und erzählt seine Lebensgeschichte. Er leidet an einem starken Husten und als er endlich zu einem Arzt geht konstatiert dieser nur mehr eine kurze Lebenszeit. Herr Sakai versucht die Nachfolge der Firma zu regeln und die vier Mitarbeiter erledigen die Arbeit ohne ihn. Als er ins Spital kommt, besuchen sie ihn regelmäßig. Hier zeigt sich, welch kommunikativer Mensch er ist. Viele Leute besuchten ihn: seine Frisörin, die Vermieterin, der Wirt, der Briefträger; nur seine Exfrau und seine Kinder kamen nicht. Seine Nachlassverwaltung übertrug er seinem Arbeitsteam. So wie sie die Wohnungen von einsam verstorbenen Menschen räumten und reinigten sollte es auch bei ihm sein. Als das Team ehrfürchtig die Wohnung von Herrn Sakai betritt erleben sie eine Überraschung. Er, der ein Messi, ein Sammler war, hat die Wohnung noch vor seinem Tod räumen, reinigen und renovieren lassen. Er wollte nichts von seinem Team und bat sie, für ihn zu beten. Suzu sinniert: „Wie der eigene Tod war auch der eines anderen nicht vorstellbar. Wohin ging einer? Und wo war er jetzt? War er in der Luft, die ich einatmete? Herr Sakai und seine Sakaihaftigkeit konnte sich nicht einfach aufgelöst haben. Partikel von ihm und von dem, was ihn ausgemacht hatte, mussten in der Atmosphäre sein, und wer weiß, dachte ich, ob sie nicht dadurch, dass ich sie einatmete, in mir weiterleben?“ (Seite 280) Das Buch spielt im Zeitraum eines Jahres und die einzelnen Kapitel sind den Jahreszeiten zugeordnet. Man wird mit deutschen Worten, Texten in die japanische Welt entführt und da noch in einen, für viele unbekannten Bereich, dem Leben und Sterben von einsamen Menschen. }, keywords = {Einsame Menschen, Japan, Reinigung, Sterben, Tod}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HOLL2023, title = {Der letzte Christ}, author = {Adolf HOLL}, year = {2023}, date = {2023-05-13}, urldate = {2023-05-13}, abstract = {HOLL, Adolf: „Der letzte Christ“, Salzburg Wien 2023 Der immer kritische Theologe, Schriftsteller und Publizist Adolf Holl ist 2020 verstorben. Der Residenzverlag gab jetzt seine Biografie über Franz von Assisi, die 1971 erstmals erschienen ist neu heraus. Es ist mehr als eine Biografie. Es ist auch eine sehr gute Schilderung der Zeit und des Übergangs vom Mittelalter zur Neuzeit (wie es Holl definiert). Holl hat 33 Bücher geschrieben, die vorliegende Monografie ist mit ihren 400 Seiten das umfangreichste Buch. Die 44 Jahre des Franz von Assisi werden in einzelne Lebensabschnitte geteilt und immer ins Umfeld der Gesellschaft und historischen Ereignisse gestellt. So erfährt man von Holl, dass im Mittelalter nur 180 Tage im Jahr gearbeitet wurde; der Rest waren Feiertage. Eine Arbeitszeit, die man sich in unserer heutigen Zeit nicht mehr vorstellen kann. Die ersten 24 Jahre des Franz von Assisi sind eher ereignislos. Er stammte aus einer reichen Familie und führte ein ausschweifendes Leben. Bei einem Kampf der Stadt Assisi gegen die Nachbarstadt Perugia kommt er in Gefangenschaft, aus der ihn der Vater nach einiger Zeit freikaufen kann. Anschließend ändert sich sein Leben. Er macht eine Wallfahrt nach Rom und vereinsamt. Letztlich bricht er mit seiner Familie und zieht sich in ein Bettlerdasein zurück. Dabei restauriert er Kapellen und Kirchen der Umgebung und lebt von Almosen. Die Trennung von der Familie endet mit einem Eklat, bei dem er splitternackt in Assisi auftritt. Die Bevölkerung stuft ihn zu Beginn als Narren ein, respektiert und schätzt ihn aber zunehmend. Vor allem die niedrigeren Gesellschaftsschichten schätzen ihn. Später holt er sich eine Erlaubnis des Papstes, um predigen zu dürfen und so zieht er zehn Jahre durch die Lande. Er kommt aus Italien hinaus, predigt auch in Dalmatien, Spanien und kommt ins heilige Land. Sein erster und wichtigster Mitstreiter war Leo. Ihm verdankt die Nachwelt auch viele Aufzeichnungen. Die unteren Schichten der Gesellschaft sehnen sich nach Predigten und Aussagen von Franz. Er traf mit seinen Reden den Zeitgeist. „Auch in anderen europäischen Städten wurden ab dem elften Jahrhundert Revolten gegen die Geistlichkeit mit Erfolg durchgeführt“ (Seite 50) Seine Organisation – sie nennen sich „Minderbrüder“, weil sie allen Besitz ablehnen – waren nach Plan von Franz nie ein Orden mit Klöstern, sondern eine Genossenschaft von Gleichgesinnten. Er hat sich nie wie ein Abt benommen und hat seinen Mitbrüdern seine Lebenseinstellung vorgelebt, indem er auf alles verzichtete. Keinerlei Besitz. Nur eine Kutte, eine Schnur, die sie zusammenhielt und eine Unterhose. Sommers und Winters ging er ohne Schuhe. Er führte ein absolutes Verbot des Geldgebrauchs ein. „Das Geld als Sündenbock für den Verfall aller Werte.“ (Seite 135) Holl beschreibt die Beziehung von Franz zu Klara und nennt sie ein Liebespaar, ohne dass sie geschlechtliche Kontakte hatten. Klara stammte wie Franz aus einem reichen und angesehenen Haus. Sie gründete mit Unterstützung von Franz einen weiblichen Ableger der Gesellschaft. Franz hält bis zu seinem Tod Kontakt mit Klara und ist deren Berater. Seine Bruderschaft erhält durch einen kostenlosen Pacht von den Benediktinern ein Stammhaus unterhalb der Stadt Assisi. Die Anhängerschaft wächst jedes Jahr geht bald in die Tausende. Einmal pro Jahr treffen sie sich zu Pfingsten zu einer Versammlung. Die geografische Ausdehnung erfordert eine Organisation in fünf Regionen, die von Provinzialministern geleitet werden. Obwohl Franz eine strikte Organisation ablehnte, kam es doch zu Regelungen. Als Beispiele seien hier erwähnt: „Jeder Standesunterschied unter den Minderbrüdern, auch der zwischen Laien und geweihten Priestern, ist verpönt. Ein periodischer Wechsel zwischen Oberen und Untergebenen ist unbedingt erforderlich. Die Ämter im Orden sollen als Dienstleistung gelten, weshalb dafür auch die Namen minister (Diener), cusios (Beschützer), guardian (Wachhabender) eingeführt werden.“ (Seite 228) Vieles aus dem Leben des Heiligen ist nicht dokumentiert. Holl versucht es zu interpretieren und kommt so zum Schluss, dass sein Kontakt in Palästina mit den Kreuzrittern und deren Schlachten sehr einprägsam gewesen sein muss. Schmerzlich war für ihn auch, dass aus seinem Verein, seiner Genossenschaft eine Institution, ein Orden wurde. Er, der besitzlos leben wollte, musste Zugeständnisse zur Errichtung von Ordenshäusern machen. Auch übernahmen zunehmend akademische Mitbrüder das Sagen. In der Pfingstversammlung des Jahres 1221 gab er die Führung seiner Brüderschaft ab und meinte „Von jetzt an bin ich tot für euch.“ Die Amtskirche versuchte immer mehr Einfluss zu gewinnen. Seine Sorgen veränderten auch seinen Gesundheitszustand und so entstanden auch die Narben des Gekreuzigten. Holl versucht deren Entstehung wissenschaftlich zu begründen. Da er in immer schlechterem Gesundheitszustand seinen Wanderungen nicht mehr nachkommen konnte, zog er auf einem Esel reitend durch die Gegend. Man brachte ihn als Kranken in den Palast des Bischofs von Assisi. Als Franz die Nähe des Todes spürte, bat er, ihn ins Stammhaus am Fuss der Stadt zu bringen. Dies war sehr zum Unwillen der Stadt, denn Franz war zu diesem Zeitpunkt schon ein anerkannter „Heiliger“ und seine Leiche hätte einen Wert für die Stadt dargestellt. So verstarb er dort, wo er begonnen hatte: in der kleinen Kapelle, die er von eigener Hand renoviert hatte. Erst Jahre später baute man ihm eine ehrwürdige große Kirche in der Stadt. Als sein Leichnam überführt wurde, hat man ihn in einem geheimen Platz im Kirchenkomplex begraben. Ein Platz, der erst am Ende des 19. Jahrhundert entdeckt wurde. Zwei Jahre nach seinem Tod wurde Franz heiliggesprochen. Die Bruderschaft der Franziskaner spaltete sich später weiter auf. Die Besitzlosigkeit der Mitbrüder wurde durch externe „Nicht-Mitglieder“ umgangen. Holl versucht auch Ähnlichkeiten zwischen Franz von Assisi und Mao Tse-tung herzustellen. Wie Mao sorgte er sich, dass die Intellektuellen die manuelle Arbeit vernachlässigen könnten. Seine Abkehr von der bürgerlichen Klasse, aus der er kam, wird mit Karl Marx verglichen. Es werden aber auch Trends in der heutigen Gesellschaft registriert, wo Jugendliche in Industrieländern eine Abkehr von ihren bürgerlichen Familien anstreben. }, keywords = {Christentum, Franz, Franz von Assisi, Mönch}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{ROSEI2023b, title = {Von hier nach dort}, author = {Peter ROSEI}, year = {2023}, date = {2023-04-26}, urldate = {2023-04-26}, abstract = {ROSEI, Peter: „Von hier nach dort“, Salzburg Wien 2023 Das Buch erschien im Residenzverlag schon 1978. Es hat die Fahrt mit einem Rad zum Thema. Wer das letzte Buch von Peter Rosei („Das wunderbare Leben. Wahrheit und Dichtung“) gelesen hat, weiß, dass er damals in Salzburg gewohnt hat und einen Auftrag für ein Filmprojekt im Salzburgerland bekam. Da er für diesen Job eine Fahrmöglichkeit brauchte, aber keinen Führerschein und auch kein Auto besaß, kaufte er sich ein Moped und unternahm damit in der Folge lange Fahrten. Allein und mit seinem Freund fuhr er bis Venedig und Triest. Im vorliegenden Buch, das zu dieser Zeit entstand, werden die Orte aber nur anonym beschrieben. Er erzählt von Landschaften und Städten, durch die er kommt. Oft fuhr er in der Nacht und nahm erst wenn es hell wurde ein Zimmer zum Schlafen. Unaufgefordert setzte er sich bei einer Rast an einen Tisch mit jungen Menschen. Unaufgefordert begann er zu reden: „Ich bin unterwegs, sagte ich, ich fahre ans Meer.“ (Seite 47) und er animierte dann die jungen Leute ihre Geschichten zu erzählen und jeder folgte dem und erzählte seine Geschichte. Er ist allein unterwegs. Ein Einsamer. Da fragte er sich „Wem gehört ein Einsamer? Welches Ziel hat ein solcher?“ (Seite 48) Obwohl er sich kommunikativ zeigt, mit Menschen in Kontakt kommt und diese für den Leser beschreibt. „So einfach ist es manchmal, einen Menschen zu gewinnen.“ (Seite 54) Im zweiten Abschnitt des Buchs wohnt er in einer Stadt in einem „Hotel“ namens BAHIA. „Das Bahia ist eine Art von Miethaus in einer abgewohnten Gegend dieser Stadt. Ich habe ein Zimmer dort. Es ist ein billiges Zimmer, Bett, Stuhl, Tisch, Kasten, mehr brauche ich nicht. Selbst im Winter bin ich nur selten da. Bin ich da, schlafe ich.“ (Seite 61) Seine Mitbewohner sind alte Menschen und solche, die sich eine normale Wohnung nicht mehr leisten können. Hier trifft er auch auf seinen Freund, den er Perkins nennt. Sie kommen beim „Italiener“, einem Alteisenhändler zusammen. Mit ihm handeln sie auch mit Rauschgift. Der Proponent beschreibt, wie er den Stoff an die Kunden bringt. Letztlich haben sie viel Geld. Wie Dagobert Duck badet er im Geld: „Im Zimmer warf ich das Geld auf den Boden. Das andere Geld holte ich aus dem Kasten und warf es dazu. Ich wälzte mich in dem Geld, und weil ich es zu wenig spüren konnte, zog ich mich aus und wälzte mich und lachte.“ (Seite 101) Im dritten und letzten Abschnitt verreist er. Er ist reich und gibt das Geld auch aus, fährt Taxi ohne ein Ziel. Wohnt und isst gut. Fliegt weg. Landet in Fiumicino, ist also in Rom. Ein Horoskop beschreibt ihn: „Du bist eine so verdienstvolle Person, dass Erfolg dich hold sein muss; vergesse das Leid; denke nicht mehr an den Ungerechtigkeiten, die dugelitten hast und beseitige deine Zweifel, Weil die verdiente Glueckseiligkeit bald kommen wird.“ (Seite 118) Die Geschichte ist eine Reise von arm nach reich, vom Land ans Meer, von hier nach dort. Manche Textabschnitte werden im Buch wiederholt. Das stört nicht, sondern unterstreicht eine Situation. Die Erzählung ist ansprechend geschrieben. Schön, dass sie der Residenzverlag wieder neu aufgelegt hat. Oft sind die frühen Erzählungen von Dichtern sehr gut. Später schreiben sie dann oft für ihren Namen, Ruhm und den Marketingerfolg. In diesen Frühwerken kommt noch die wahre Begabung zum Vorschein }, keywords = {Einsamkeit, Rauschgifthandel, Reisen}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{ROSEI2023, title = {Das wunderbare Leben. Wahrheit und Dichtung}, author = {Peter ROSEI}, year = {2023}, date = {2023-04-24}, urldate = {2023-04-24}, abstract = {ROSEI, Peter: „Das wunderbare Leben. Wahrheit und Dichtung“, Salzburg Wien 2023 Es ist eine Biografie, in der der Dichter Rosei sehr viel aus seinem Leben preisgibt. Teilweise ist es sehr Intimes und Vertrauliches. Etwa, wie das Zusammenleben mit seiner Frau war, wie er ein Verhältnis mit einer Reitstallbesitzerin hatte. Schreibt man solche Dinge, nach dem Tod der Betroffenen, ist man frei. Aber Rosei holt Menschen aus seinem Leben auf die Bühne, die das noch lesen können. Es ist eine Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit. Das Verhältnis zu den Eltern, zum Vater und zur Mutter wird beschrieben. Wo und wie die Familie wohnte. Ersichtlich wird auch, dass er aus einfachen Verhältnissen kommt und es zu einem akademischen Abschluss und einem namhaften Dichter brachte. Als Student musste er fleißig sein, um das notwendige Stipendium zu bekommen. Bei der ersten Hochzeit kommen zwei Welten zusammen: die Frau aus einem gutbürgerlichen provinziellen Milieu und er aus einfachen Wiener Verhältnissen. Mit einem guten Job beim Maler Fuchs konnte er seine Lebensverhältnisse gut meistern. Das intensive Engagement in der Kunstszene entfernte ihn aber von der Frau. Sie ging ein Verhältnis ein, kam aber reumütig und schwanger zu ihm wieder zurück. „Nach der Geburt fand ich mich als Vater zu einem fremden Kind wieder.“ (Seite 65) Für den Laien auch interessant, dass er in Venedig lebte und überhaupt viel gereist ist. Salzburg blieb aber ein wichtiger Fokuspunkt im Leben. Ein Literaturkongress in Holland brachte ihm ein Verhältnis zu einer älteren und gut situierten Frau ein. Aber auch seine Männerfreundschaft zu anderen Dichtern werden angesprochen. Da er keinen Führerschein und kein Auto besaß und einen Filmauftrag im Salzburgischen bekam, kaufte er sich ein Moped, mit dem er mit einem Freund, bis Triest gefahren ist. Am Ende kommt er nochmals auf die Familie und die Eltern beziehungsweise Großeltern in Kärnten zurück. Kärnten, wo er viele Sommerferien als Kind und später als Student verbrachte. Er stellt sich auch selbst die Frage „Bin ich ein guter Mensch geworden?“ (Seite 194) und beantwortet sie so „Mit dem Begriff Sünde, der Vorstellung, etwas verbrochen zu haben, das sich nie wieder gutmachen lässt, damit kann ich nichts anfangen. Nein, ich bin kein Sünder. Ich habe mich bemüht.“ (Seite 195) Wenn man die Lebensgeschichte eines etwa gleich alten Schriftstellers liest, so sieht man vieles aus dem eigenen Leben. Viel Ähnlichkeit. Nun ja, dieselbe Umwelt. In diesem Fall auch viele Parallelen des jeweiligen Gesellschaftskreises. In der Zusammenfassung am Ende des Buches zeigt Rosei seine vorangegangenen Überlegungen zu diesem Buch auf. „Lange habe ich gezögert, über mein Leben etwas aufzuschreiben. Was langläufig unter Memoiren verstanden wird, kam mir abgeschmackt und lächerlich vor. … So einfach wollte ich es mir nicht machen. Mir schwebte etwas ganz anderes vor, mein Ziel war höhergesteckt.“ (Seite 250) Weiters überlegte er, sein Leben in einem Roman zu beschreiben, weil ja ohnehin in der Erinnerung vieles nicht mehr der Realität entspricht. Deshalb auch der Untertitel „Wahrheit und Dichtung“. Das vorliegende Ergebnis besteht aus Fragmenten und das Leben ist bei weitem nicht lückenlos dargestellt. Auch stilistisch stammen die einzelnen Kapiteln aus verschiedenen Zeiten und wirken nicht zusammengehörig. }, keywords = {Autobiografie, Biografie}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{vonBecker2023, title = {Transhumanismus Streitfrage}, author = {Stefan Lorenz SORGNER Philipp von Becker}, year = {2023}, date = {2023-04-16}, urldate = {2023-04-16}, abstract = {SORGNER, Stefan Lorenz; BECKER, Philipp von: „Transhumanismus“, Frankfurt 2023 Die Herausgeberin der „Streitfrage“ Lea Mara Eßer stellt im vorliegenden Buch die beiden Kontrahenten , den Philosophen Sorgner und den Publizisten Becker zum Thema „Transhumanismus“ gegenüber. Streitgespräch. An Streit mangelt es in der heutigen Zeit nicht. Menschen werden in verschiedene Lager eingeteilt, Kontrahenten stehen sich in Arenen gegenüber. Meinungsverschiedenheiten sind für Gesellschaften zwar wichtig und fruchtbar, aber sie verkommen heute oft zu einem Wettkampfspektakel. Das vorliegende Buch will dem entgegenwirken. Es geht hier nicht um Angriff und Verteidigung, sondern um die Darstellung zweier Standpunkte zu einem Thema, zum Transhumanismus. So wurden die beiden Buchbeiträge unabhängig voneinander verfasst. Keiner der beiden Autoren wusste, was der andere schreiben wird. Die Standpunkte stehen also als Standpunkte und bedurften keiner Verteidigung. Dies macht es dem Leser möglich klarere Positionen zu erkennen. Stefan Lorenz Sorgner, Philosophieprofessor an der John Cabot University in Rom, schrieb den PRO-Teil des Buches. Gleich in der Überschrift seines Artikels drückt er den positiven Zugang aus: „Transhumanismus bedeutet Freiheit“. In seiner Einleitung holt er weit aus und geht 14 Milliarden Jahre, bis zum Urknall, zurück. Die Erde formte sich vor 4,5 Milliarden Jahren und nach einer weiteren Milliarde Jahren entstand die Menschheit. Aus unbelebter Materie entstanden Lebewesen. Er zieht daher die Schlussfolgerung, dass auch auf Siliziumbasis Leben entstehen kann. Den Menschen per se machte erst die Sprache aus und mit ihr wurden wir Menschen „vernunftfähige Cyborgs“. Der Homo Sapiens besteht aus Materie und Unmaterialem. Transhumanismus als errungene Freiheit: Der Mensch ist ein Wesen, das sich ständig neu erfinden und modifizieren kann, was nicht nur für ihn selbst, sondern auch für die Gesellschaft eine Verbesserung bringt. Der Mensch ist demnach ein evolutionäres Wesen. Die Frage, ob es in 300.000 Jahren noch Menschen geben wird, beantwortet der Autor, „dass Menschen in 300.000 Jahren entweder ausgestorben sein oder sich weiterentwickelt haben werden. Mit dem Voranschreiten neuer technischer Möglichkeiten haben wir die Option, immer stärker in die Evolution einzugreifen.“ (Seite 16) Da der Mensch aus mehr nichtmenschlichen (39 Billionen) als menschlichen (30 Billionen) Zellen besteht, ist nicht auszuschließen, dass auch die digitale Welt immer stärker integriert wird. Das Smartphone als eine körperliche Integrität. Wir sind, so der Autor, „sich ständig in Veränderung befindliche Entitäten, die sowohl nicht-menschliche als auch menschliche Zellen umfassen. Wir sind in diesem Sinne hybride, sprachfähige und sich ständig in jedem Bezug verändernde Cyborgs mit der Fähigkeit, uns selbst upzugraden.“ (Seite 19) Morphologische Freiheit: Mit der morphologischen Freiheit des Transhumanismus hat der Mensch das Recht, sich ständig nach eigenen Vorstellungen umformen zu dürfen. Mit Neuroenhancement können wir Schlaf, Konzentration, innere Ruhe und Aufmerksamkeit beeinflussen. Schon heute hat jeder vierte Student in den USA auf derartige Substanzen Zugriff. Es sind nur temporäre Veränderungen, die man etwa mit LSD erzielt. Langfristiger gibt diese Freiheit auch das Recht, das eigene Geschlecht zu verändern. Erziehungsfreiheit: Sie bezieht sich primär auf die Beziehung zwischen Eltern und ihrem Nachwuchs. Dass unter Erziehung Lesen, Schreiben und Rechnen fällt ist eines. Die Erziehung zu einem „gelungenen Leben“ ist ein anderer Faktor, der auch mit Gesundheit zu tun hat. Der Transhumanismus bezieht hier Gentechnik mit ein, die eine verlängerte Gesundheitsspanne erlaubt. Reproduktionsfreiheit: Transhumanismus sieht es als Freiheit, dass Sexualität von Reproduktion getrennt wird. Das bedeutet eine Abkehr von der aristotelischen Tradition. Sex wird zur Unterhaltung und Reproduktion ist eine technische Angelegenheit. Schwangerschaft wird in Zukunft in einer externen Gebärmutter abgewickelt, was vieles in der Gesellschaft verändern wird. Frauen mit Frauen, mehrere Frauen mit einem Mann, Männer mit Männern – so können neue Familien organisiert sein. Dass auch Männer Kinder bekommen, ist ein Schritt in Richtung Geschlechtergerechtigkeit. Keine Freiheit ohne Gesundheit: Transhumanismus beschränkt sich nicht auf Abwesenheit von Zwang. Eine verlängerte Gesundheitsspanne fördert die personelle Lebensqualität. Leben um des Lebens willen ist keine notwendige Erfüllung. Im Bett liegend und keinen Aktivitäten nachgehen zu können oder gar in einem Krankenhaus an Maschinen angeschlossen zu sein ist keine lebenswerte Lebensverlängerung. Technische und medizintechnische Errungenschaften der letzten 200 Jahre, haben die Lebenserwartung verdoppelt und in Deutschland in den letzten 50 Jahren um 15 Jahre erhöht. In diesem Zusammenhang sind die Verwendung und der Zugriff auf persönliche Daten ausschlaggebend. Das unterscheidet Europa mit striktem Datenschutz von den USA und China grundlegend. Die rechtliche Verpflichtung Daten öffentlich zur Verfügung zu stellen, wird China einen wirtschaftlichen Erfolg bringen, wie ihn andere Regionen (Europa) nicht erreichen werden könne. Um Inzest auszuschließen, müssen etwa in Saudi-Arabien seit 2004 vor der Eheschließung Gentests der Behörde vorgelegt werden. Keine Freiheit ohne globale soziale Absicherung: Freiheit bedeutet auch eine gewisse soziale Absicherung. In den letzten 200 Jahren wurde die absolute Armutsrate radikal reduziert. Das basiert auf einem erweiterten Technikverständnis, wobei auch Bildung als Technik verstanden wird. Bildungspflicht unterscheidet sich von Schulpflicht. Bildungspflicht kann auch individuell, wie mit Homeschooling, erfüllt werden. Je höher der Bildungsstand eines Landes ist, umso niedriger ist die Fortpflanzungsrate. In Deutschland, Österreich oder Italien etwa unter 1,5. Die Vereinten Nationen veröffentlichten eine Studie, nach der der „12 Milliardste Mensch nie geboren werden wird, wenn Hygiene, Bildung und Zugang zur Krankenversorgung weiterhin so gefördert werden wie bisher. … Eine Förderung der Techniken erhöht die weltweite Lebensqualität, mit der wiederum ein Rückgang der Reproduktionsrate einher geht.“ (Seite 48) Das wiederum hat Auswirkungen auf den Klimawandel, weil weniger Menschen den Globus belasten. Conclusio: „Alle, die eine skeptische, eine naturalistische, eine diesseitige, eine nicht dualistische oder eine pluralistische Grundhaltung teilen, sollten sich dem Transhumanismus zuwenden. … Alle, die die sozial-liberale Version von Demokratie schätzen und für eine wunderbare Errungenschaft halten, die es auszubauen lohnt, sollten den Transhumanismus umarmen und sich daran beteiligen.“ (Seite 51) Ein wichtiges Ziel des Transhumanismus ist die Verlängerung der Gesundheitsspanne. Mit neuen Technologien kann der Klimawandel bekämpft werden. Der Autor schießt optimistisch und enthusiastisch mit „Ich kann die Realisierung unserer posthumanen Zukunft daher kaum erwarten.“ (Seite 54) Philipp von Becker ist Filmemacher, Autor und Publizist in Berlin. Mit der technischen Transformation des Menschen befasste er sich in seinem Buch „Der neue Glaube an die Unsterblichkeit. Transhumanismus, Biotechnik und digitaler Kapitalismus“. Er ist der Kontrahent zum Thema „Transhumanismus“, der Schreiber des CONTRA. Da es sich in diesem Buch nicht um eine Diskussion, einen Diskurs handelt, sondern in ein paralleles Schreiben der beiden Standpunkte des DAFÜR und DAGEGEN, kommt es im Kapitel des „Gegners“ zu einer Verteidigung des Bestehenden. Im Gegensatz dazu der Verfechter des PRO, der in die Zukunft schauen kann und nichts zu verteidigen hat. So wird wiederholt, dass der Transhumanismus, den von Natur aus defizitär geschaffenen Menschen mit Hilfe von Technologie anpassungsfähiger machen soll. Er soll optimiert, superintelligent die menschlichen Fähigkeiten steigern. Dies passiere – so Becker – auf einer reduktionistischen, szientistisch-technokratischen Sicht auf den Menschen und die Gesellschaft. Die Transformierung solle in drei Feldern passieren: - biotechnische Eingriffe - gentechnische Eingriffe - Verschmelzung von Mensch und Maschine (Implantate, Prothese, Computerschnittstellen) Der Eingriff ins Erbgut eines Menschen kann zwar zur Vermeidung vererbbarer Krankheiten führen, aber weiterreichende gentechnische Veränderungen werfen ethische, soziale und politische Fragen auf, die zu einer fundamentalen Veränderung des Menschseins führen würden. Den Menschen und die Welt vollständig zu berechnen, würde den Menschen zu einem reinen Instrument machen. Die derzeitige Vorgangsweise in China nimmt der Autor zum Beispiel und prognostiziert, dass dort Bürger und Soldaten genetisch aufgerüstet werden und so das Land in eine Weltführerschaft bringt. Wie ein Mensch ausgestattet ist, würde vor seiner Geburt definiert werden. Kinder könnten nachher gegen ihre Eltern prozessiere, weil sie bestimmte Vorkehrungen nicht getroffen haben. Politisch hätten in den letzten Jahrzehnten in vielen Ländern schon meritokratische und neoliberale Ideologien überhandgenommen. Ursache von Krankheit und Ungleichheit könne technisch behoben werden. Um möglichst viel im Leben zu erleben, stünde der Mensch unter einem Dauerstress. Er leide unter der Angst nicht genug Zeit für seine persönliche To Do Liste zur Verfügung zu haben. Facebook kann schon heute bei 300 Likes besser die politische Meinung einer Person vorhersagen als der Lebenspartner. Der Vorwurf, dass nicht der Mensch intelligenter wird, sondern die künstliche Intelligenz wird ins Treffen geführt. Algorithmen könnten den Wähler und den entscheidenden Konsumenten ersetzen. Der Rückgang der Religionen wird mit dem Aufkommen eines neuen Gottes, des Dataismus begründet. Da der Mensch maschinengesteuert nicht mehr gegen Verbote verstoßen kann, fühlt er sich von Gottes Gesetzen befreit. Die Frage „Wer entscheidet in einer Welt totaler Computerisierung?“ führt zu mehr Macht der Führenden, jener, die die Systeme und Algorithmen beherrschen und verwalten. Die digitale Diktatur Chinas wird als Blaupause für andere Länder gesehen. In einer maschinengesteuerten Welt würden die Menschen verlernen selbst zu denken, zu entscheiden und könnten nicht mehr selbst moralisch handeln. Dieses neue Format des Westend Verlags ist zu begrüßen. Es lässt zwei unterschiedliche Meinungen nebeneinanderstehen. Das erlaubt dem Leser und Interessierten des Themas ein besseres Abwägen der Vor- und Nachteile. }, keywords = {Bildung, Künstliche Intelligenz, Lebensqualität, Transhumanismus}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SCHUTTING2023, title = {Der Vater}, author = {Jutta SCHUTTING}, year = {2023}, date = {2023-04-11}, urldate = {2023-04-11}, abstract = {SCHUTTING, Jutta: „Der Vater“, Salzburg Wien 1980 Das Buch hat Frau Jutta Schutting geschrieben. Es ist im Jahr 1980 erschienen. Im Jahr 1989 ließ sich diese Frau in einen Mann operieren und hieß ab dann Julian Schutting. Da ich Julian persönlich kannte, war es ein komisches Lesegefühl, wie da die Tochter Jutta den Tod des Vaters und ihre Erlebnisse mit ihm beschreibt. In diesem Roman geht es ausschließlich um das Sterben beziehungsweise Begräbnis des Vaters. Eigentlich sind es nur drei Tage zwischen dem Sterben und dem Begräbnis und diese drei Tage sind der Zeitraum, auf den sich der Roman beziehungsweise die Beschreibung des väterlichen Begräbnisses beziehen. Der Vater war ein harter Mann. Ein Jäger, der wenig Emotionen zeigte. Sowohl gegenüber der Ehefrau wie vis a vis der drei Kinder hatte er wenig Gefühle. Mehr Einfühlung zeigte er seinen Hunden gegenüber. Er war vor dem Krieg geboren. Studierte zehn Jahre, um letztlich Tierarzt zu werden. Ein älterer Kollege protegierte ihn. So kam er zum Jägertum, obwohl schon im Internat im Benediktinerkloster Seitenstetten ihn ein Pater, der selbst Jäger war, zu diesem Hobby brachte. Als Ministrant musste er während der Messe nachschauen gehen, wie das Wetter war. Der Messe lesende Pater hatte unter seiner kirchlichen Kleidung schon das Jagdgewand an, um anschließend gleich mit Gewehr und Hund in den Wald zu gehen. Einerseits wird der Vater als ein Mann seiner Zeit beschrieben. Er war im Weltkrieg eingerückt und die Frau musste mit den Kindern zu Hause zurechtkommen. Dabei erwarb sie Selbstständigkeit. Als er dann vom Krieg heimkam und seinem Beruf als Tierarzt nachging, musste sie weiterhin die Fäden zusammenhalten. Sich um die Kinder und die Finanzen kümmern. Er verdiente zwar das Geld, konnte damit aber nicht umgehen. Oft musste sie ihn im Gasthaus holen, weil er in betrunkenem Zustand dem Wirt die Gäste verärgerte und vertrieb. Brachte die Tochter Wiesenblumen nach Hause, meinte er „na geh, jetzt den Bienen Nahrung wegnehmen.“ (Seite 58) In diesem Roman arbeitet die Tochter ihre Erinnerungen und Gemeinsamkeiten mit dem Vater auf. Auch Kindheitserinnerungen werden aus dem Gedächtnis zurückgeholt und verschriftlicht. Oft war er zu den Kindern grob und ungerecht, was ihm später leidtat und das Geschehene mit Orangen und Schokolade wieder gutmachen wollte. Er schlief gerne und lange, zum Frühstück trieb ihn aber der „Hendelneid“ aus dem Bett. Er wollte nicht weniger zum Essen bekommen als die Kinder. Im zweiten Abschnitt des Buches schlägt die Schriftstellerin zu und beschreibt Träume, die sie mit dem Vater hatte oder die sie für das Buch erfunden hatte. Was gewesen sein könnte, aber nicht war. Bevor die Erzählung zum eigentlichen Begräbnis kommt, wird mit dem Verstorbenen noch hart zu Gericht gegangen und viele negative Dinge aufgezählt, die der Vater hatte. Wie ein Epilog kommt am Schluss ein Kapitel, das da heißt „zwei jahre später“, in dem die Schriftstellerin von einer Lesung erzählt, zu der sie ins Benediktinerstift eingeladen wurde. In jenes Stift, in dem der Vater das Gymnasium besucht hatte und in dem er Ministrant war. Man erinnerte sich noch an den Vater und das machte sie stolz und daher verwendete sie diese Eindrücke für ein, das Buch abschließendes Kapitel. }, keywords = {Begräbnis, Tierarzt, Vater, Vater-Beziehung}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{KLAR2023b, title = {Wie im Wald}, author = {Elisabeth KLAR}, year = {2023}, date = {2023-04-09}, urldate = {2023-04-09}, abstract = {KLAR, Elisabeth: „Wie im Wald“, Sankt Pölten Salzburg Wien 2014 Die Familie hat drei Kinder – Karin, Grete und Peter. Sie nehmen ein Kind – Lisa – auf, die bei einer alleinerziehenden Mutter in sehr schlechten Verhältnissen lebte. Der Vater stirbt und Lisa wird verstört. Sie kommt in ein Heim. Sobald Karin 18 Jahre alt ist, zieht sie zu Hause aus. Nachdem auch die Mutter verstorben ist, lebt sie mit ihrem Freund Alexander im Elternhaus. Die beiden Geschwister sind ausgezogen. Der Bruder wohnt in Salzburg und die Schwester in England. Plötzlich beschließt Karin, Lisa aus dem Heim ins Haus zu holen. Lisa und Karin sind etwa gleich alt und sind in einer intensiven Geschwisterlichkeit miteinander aufgewachsen. Als die Geschwister erfahren, dass Karin Lisa ins Haus geholt hat, opponieren sie. Lisa ist verstört. Man sagt ihr nach, den Vater ermordet zu haben. Die Autorin verquickt aber Realität und Erfindung, Traum. Man kann nicht sagen, wie es wirklich war. Lange Strecken schwebt über dem Buch die Frage „Was ist mit Lisa und dem Vater passiert? Hat sie ihn ermordet? Oder hat er Selbstmord begangen?“ Selbst der Tod des Vaters wird über viele Seiten hinausgeschoben. Als Leser wird man in Unwissenheit gehalten. Karin versucht mit ihrer verstörten Stiefschwester leben zu können. Es ist schwierig. Lisa ist zwar inzwischen 26 Jahre alt, verhält sich aber wie ein Kleinkind. Macht in die Hose, spielt mit Puppen, muss gewaschen und gefüttert werden. Diese Arbeiten zerren an den Nerven von Karin. Sie ist Übersetzerin. Arbeitet zu Hause. Mit der Pflegearbeit kommt sie aber wenig zur eigenen Arbeit. Ihr Freund Alexander wird von Lisa abgelehnt. Er aber bemüht sich. Karin sieht darin eine Konkurrenz. Eine Konkurrenz, wie ihr Vater zur Freundschaft mit Lisa war. Das Verhältnis zum Freund verschlechtert sich, bis dieser auszieht und Karin allein mit Lisa zurücklässt. Das Leben wird dadurch nicht einfacher. Die Geschwister reden auf Klara ein, Lisa doch wieder in ein Heim zu geben. Sie bleibt stur, aber ihre Nerven eskalieren. Es kommt auch zum Streit und zu Raufereien mit Lisa. Sie fährt zum Friedhof und zerstört das Grab der Eltern. Als sie zurückkommt wartet Lisa schon auf sie. Wie es wirklich war, erfährt man aber an dieser Stelle nicht. Die Schriftstellerin malt mehrere Szenarien. Lis habe sich im Teich ertränkt. Sie habe den Vater nicht ermordet. Der Vater sei bei einer handwerklichen Tätigkeit zu Fall gekommen und gestorben. Später auch die Mutter. Offen bleibt: wie geht es mit Lisa und Klara weiter? Wird der Freund zurückkommen? Ausgezeichnet beschreibt Elisabeth Klar, wie schwierig es ist, ein Jugendtrauma wie dieser sexuelle Missbrauch des Ziehvaters verarbeitet werden kann. }, keywords = {Jugendtrauma, Vergewaltigung}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{GEIGER2023, title = {Das glückliche Geheimnis}, author = {Arno GEIGER}, year = {2023}, date = {2023-04-01}, urldate = {2023-04-01}, abstract = {GEIGER, Arno: „Das glückliche Geheimnis“, München 2023 Es ist ein sehr persönliches Buch des Dichters Arno Geiger. Er gibt darin das Geheimnis preis, dass er ein „Lumpensammler“ ist. Er sammelt keine Lumpen, sondern alte Bücher, Ansichtskarten und Briefe. Er stöbert in Papiercontainern und sucht hier weggeworfene Bücher, die er dann am Flohmarkt verkauft und Briefe, die ihm wieder Stoff und Anregungen für seine schriftstellerische Tätigkeit bieten. In jungen Jahren war dies eine wichtige Einnahmequelle. Mit seiner Freundin war er von Vorarlberg nach Wien gezogen, gemeinsam gingen sie verkaufen und erwirtschafteten oft das Mehrfach ihrer monatlichen Miete. Die Streifzüge zu den Papiercontainern machte er aber allein. Diese Arbeit – seine dunklen Geheimnisse – machen ihn glücklich und zufrieden. Sie strukturieren sein Leben und gaben dem Buch den Titel „das glückliche Geheimnis“. Das Buch schildert aber nicht nur das Doppelleben zwischen dem Sandler, der in Containern sucht und dem Schriftsteller, sondern gibt auch Einblick in sein persönliches Leben und seine Beziehungen. Den Freundinnen gibt er aber nur einen Buchstaben als Namen und anonymisiert sie so. Er stellt auch seine Freundinnen – Lebensabschnittspartnerinnen – vor: M. die erste aus den Jugendjahren, K. eine Ärztin und O. eine Beziehung, die im Rahmen eines Studienaufenthalts in Polen zustande kam. Die ersten beiden Beziehungen dauerten mehrere Jahre an. Die Trennung von K. wurde mehrmals ausgesprochen, aber der wahre Grund war, dass sie als Ärztin schon ihr Ziel erreicht hatte „Bei mir dauerten die Aufbaujahre an. Ich war weiterhin mit dem Durchbruch ins Leben beschäftigt. … Und obwohl es zwischen K. und mir grundsätzlich stimmte, warf uns diese Ungleichzeitigkeit aus der Bahn.“ (Seite 79) Letztlich machte er aber seiner Freundin einen Heiratsantrag. Sie, die selbstbewusste Frau, konnte damit nicht umgehen. Die Antwort kam zeitversetzt und sie heirateten allein mit den Trauzeugen. Geiger sah es so: „Für mich ist die Ehe mit K. keine Einschränkung, sondern eine Befreiung.“ (Seite 164) Gegen Ende des Buches kommt es zu einer besonderen Liebeserklärung, in dem er schreibt „K. und ich wurden von Jahr zu Jahr glücklicher. In mancher Hinsicht war es bedauerlich, wie geübt wir im Umgang mit Schicksalsschlägen geworden waren. Aber es war unser Leben. Der Beziehung schien es eher zu nutzen als zu schaden.“ (Seite 200) Arno Geiger – das erfährt man in diesem Buch – wollte von jungen Jahren an schon Schriftsteller werden. Die ersten Bücher wurden aber nicht erfolgreich. Um seinen Bestseller „Es geht uns gut“ auf den Markt zu bringen musste er mit dem Verlag kämpfen. Letztlich bekam er dafür den Deutschen Buchpreis und sein Leben änderte sich. Hundert Auftritte, Lesungen und Interviews hatte er zu absolvieren, aber wenn er nach Wien zurückkam, ging er seinem zweiten Beruf des „Altpapiersammelns“ nach. Es erstaunte ihn aber, dass er, der bekanntgewordene Buchpreisgewinner, auf der Straße in der Sammlerkluft nicht erkannt wurde. Aber das Stöbern in Papiercontainern und das Rumfahren wurde zum Teil seines Lebens. „Erfahrungen, die außerhalb meiner Reichweite lagen, wurden mir zugänglich. Die Runden eröffneten mir Einblick in Bezirke des menschlichen Lebens, denen ich sonst nicht so nahe gekommen wäre.“ (Seite 158) Der Erzähler pendelt in seinem Leben zwischen den Städten Wien und Wolfurt. Immer wieder besucht er seinen dementen Vater und fühlt mit ihm. Als aber dann auch seine Mutter mit 72 Jahren einen Schlaganfall erlitt und stark eingeschränkt war, traf ihn das sehr. Mit ihm fühlt man als Leser, wenn er die Situation zum Greifen nahe schildert. Es erschütterte ihn, wie er sah, dass seine Mutter, die Lehrerin, bei der auch er zur Schule gegangen ist, von der er lesen und schreien gelernt hatte, jetzt selbst nicht mehr schreiben konnte, nicht mehr alles Gelesene verstand. Der demente Vater hat einen größeren Wortschatz, als die belesene Mutter. ABER: sie war eine Kämpferin und das bewunderte er wieder. Dieser Abschnitt des Buches ist etwas depressiv. Es geht ums Sterben und ums Ende des Lebens. Ein Ende nahm schließlich auch sein „Stadtstreichertum“. Er beendet die Fahrten zu den Papiercontainern und wenn, dann nahm er nur mehr jene Bücher, die er zum Eigenbedarf brauchte. Auch der Verkauf am Flohmarkt wurde eingestellt. Ein neuer Lebensabschnitt begann. Trotzdem erschien es ihm wichtig, diese „Runden“ zu drehen. Jetzt aber mehr aus gesundheitsvorsorglichen Überlegungen. Auch die Anschaffung eines eBikes wurde (noch) abgelehnt. Er registriert anhand des Abfalls die Veränderungen der Gesellschaft. „Die Liebesromane wurden von Jahr zu Jahr weniger, die Kriminalromane von Jahr zu Jahr mehr.“ (Seite 189) Der gesellschaftliche Wind wurde rauer. Er blickt zurück und gibt auch preis, dass seine wertvollste Findung in den Containern eine Schrift aus dem Jahr 1519 war. Geiger kehrt in diesem Buch sein Inneres nach außen. Man lernt generell viel von anderen Menschen und wie hier kennt man auch das eine oder andere von sich selbst. Streckenweise ist es auch ein Rückblick auf das eigene Leben, wie man es von einem älteren Menschen erwarten würde. Selbst meint er „Mir ist klar, ein Buch über mich selbst das ist schwierig, schwieriger als ein Roman.“ (Seite 194) Den Lesern wünscht er, „dass alle, die das Buch lesen, darin etwas für sie Wichtiges finden.“ (Seite 226) }, keywords = {Autobiografie, Biografie}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SCHÖBERL2023, title = {Meer Morde. Kriminelle Geschichten im und am Wasser}, author = {Rotraud SCHÖBERL}, year = {2023}, date = {2023-03-26}, urldate = {2023-03-26}, abstract = {SCHÖBERL, Rotraud: „Meer Morde. Kriminelle Geschichten im und am Wasser“, Salzburg Wien 2023 Die Herausgeberin hat in diesem Buch 23 Kriminalgeschichten zusammengetragen. Es ist demnach auch ein „Kennenlern-Buch“, in dem man als Leser auf vielleicht noch unbekannte Autoren stoßen kann. Es ist eine sehr bunte Palette. Die Geschichten spielen in verschiedenen Zeiten und sind generell sehr unterschiedlich. Teilweise sehr skurril, wie bei Alex Beer, wo die falschen Menschen getötet werden. Manche Morde sind auch sehr ausgefallen, wie etwa schon bei der ersten Geschichte, wo der Mörder sein Opfer friedlich am Strand im Sand eingräbt und dann geht. Die aufkommende Flut tötet ihn. Manche Geschichten begannen gleich mit dem Mörder, bei anderen wurde man erst im Laufe des Lesens an den Täter herangeführt. In einem Fall ermordet die unzufriedene Ehefrau ihren Mann beim Drachensteigen mit der Drachenschnur. In einer anderen Geschichte bringt die Ehefrau ihren Mann beim Fotografieren auf einer Klippe zum Absturz. Bei einer italienischen Krimiautorin gibt es keinen Täter und keinen Ermordeten, sondern arme Bewohner Italiens wird eine Reise nach Amerika verkauft, die aber letztlich in Sizilien ausgesetzt werden. Spannend fand ich die Geschichte, bei der Austerndiebe gejagt werden. Dabei erfährt man, dass 160.000 Tonnen Austern im Wert von 600 Millionen Euro allein in Frankreich „geerntet“ werden. Ein anderer Autor erzählt, dass heute noch der Mord an einem ehemaligen Nazi straffrei ist. Grausam ist die Geschichte von Patricia Highsmith, in der eine Ratte ein Baby frisst. Manchmal sind es aber nicht Menschen, die für einen Mord in der Geschichte herhalten, sondern auch eine Qualle, die von einem fünfjährigen Buben umgebracht wird. Bei Claudia Rossbacher geht es um den Tod eines Saiblings im Grundlsee. Es ist ein „Schnupper-Krimi-Buch“, bei dem man Kontakt mit dem einen oder anderen Autor und seiner Schreibweise bekommt, um dann, auf den Geschmack und Gefallen gekommen, mehr von ihm oder ihr zu lesen. Autoren von der Russin Ljuba Arnautovica über Andreas Gruber, Petros Markaris, Thomas Raab und Eva Rossmann bis zum Wiener Musiker, Songwriter und Journalisten Peter Zirbs werden mit kurzen Geschichten vorgestellt. }, keywords = {Krimi, Kriminalgeschichten}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{KLEMM2023, title = {Einzeller}, author = {Gertraud KLEMM}, year = {2023}, date = {2023-03-18}, urldate = {2023-03-18}, abstract = {KLEMM, Gertraud: „Einzeller“, Wien 2023 Eigentlich hatte sie eine Trilogie zum Thema Feminismus geplant. Aber dann kam Corona und vieles wurde anders. So auch ihr Schreiben und das Ergebnis wurde kleiner: der vorliegende Roman „Einzeller“. Klemm unterscheidet zwischen „Netzfeminismus“ und „Alltagsfeminismus“. Diskussionen in sozialen Medien sind für sie abgehoben und nicht Realität. In diesem Buch versucht sie Situationen zu schildern, die am Alltag hängen. Sie nennt das „Gummistiefel-Feminismus“. Zu diesem Thema fühlt sie sich als zur „Brückengeneration“ gehörend berufen. Vorangegangene Generationen sind anders damit umgegangen als heutige. Sie, als 1971 geborene, stehe da zwischen diesen beiden Weltanschauungen. Es geht um eine Wohngemeinschaft – WG – von fünf unterschiedlichen Frauen. Geschrieben ist die Erzählung aus der Perspektive von zwei Personen: der 24-jährigen Lilly und der 60-jährigen Simone. Aus der Unterschiedlichkeit der Personen ergibt sich ein Spannungsfeld, das Einblick in die Szene der Feministinnen gibt. Irgendwie ist das Buch schon männerfeindlich. Und doch wieder nicht: die älteste der WG, Simone, hat einen Freund. Einen Minister den sie aus Jugendtagen kennt. Er stammt aus einer Bauernfamilie und hat sich innerhalb der Partei bis zum Minister hochgearbeitet. Sie trifft sich regelmäßig mit ihm in einer kleinen geheimen Wohnung. Sie haben Sex mitsammen, er ist aber auch ein Gesprächspartner und Ratgeber für sie. Er ist ein Konservativer und trotzdem schätzt sie ihn. Er hat eine Vorzeigefamilie und obwohl sie von der politischen Einstellung anders ist, tauschen sie sich aus und schätzen einander. Die Jüngste – Lilly – verlässt bald die WG und siedelt zu einer anderen WG. Ihre WG hat sich vertraglich für eine Talkshow verpflichtet. Es wird in ihrer Wohnung gefilmt. Simone ist die Älteste und der Profi unter ihnen. Sie organisiert viele Aktionen für die Freiheit der Frauen. Nicht alle goutieren das. Simone hat viele Feinde im Netz und bekommt viele Hasspostings. Im Zweiten Teil des Buches kippt die Szene. Lilly wird schwanger und geht eine normale Ehe ein, bei er es auch zu Zwist und Schlägerei mit dem Partner kommt. Sie bekommt das Baby und verlobt sich mit ihrem Freund, der eigentlich der beste Freund ihres Freundes war. Simone bekommt noch einen Preis als erfolgreiche und aktive Feministin. Viele beneiden sie dafür. Andere hassen sie noch mehr. Sie aber hat beschlossen auszusteigen und ein ruhiges Leben ohne feministisches Engagement zu beginnen. Sie besucht ihre Tochter in Berlin und kommt zur Preisverleihung nach Wien zurück, wo sie vorher noch ein exklusives Interview hat. Beim Verlassen des Studios wird sie von Unbekannten niedergeschlagen. Sie wird in Tiefschlaf versetzt, verstirbt aber. Das Begräbnis ist das Ende des Buchs. Der erste Teil ist extrem feministisch und man erfährt als Leser, wie diese Frauen ticken. Im zweiten Teil dann fast ein Happy End, das zwar mit dem Tod von Simone endet, aber doch eine Umkehr der zwei Hauptperson brachte. Neue Generationen übernehmen das Gebiet. }, keywords = {Feminismus, Frauen, Wohngemeinschaft}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @booklet{HALLER2023, title = {Die Welt Chinas}, author = {Günther HALLER}, editor = {Die Presse}, year = {2023}, date = {2023-03-12}, urldate = {2023-03-12}, abstract = {Die Presse (Hg): „Die Welt Chinas“, Wien 2022 In der Booklet-Reihe „Geschichte“ erschien der Band über China. Eine sehr systematisch aufbereitete und leicht lesbare Geschichte über China. Es werden alle Dynastien vorgestellt, wobei die erste, die Qin Dynastie, dem Land den Namen – China – gab und die vielen kleinen Fürstentümer friedlich vereinte. Es entstand das riesige Reich, das man mit jenen der Römer oder dem von Alexander dem Großen vergleichen kann. Der Kaiser Qin Shi Huangdi war Gott gleichgestellt. Der Name heißt „Erster Erhabener Gotteskaiser von Qin“. Daraus leitet sich auch ab, dass er nicht an ein Land gebunden ist, sondern weltweit als Gott Anspruch auf Ländereien besitzt. Er führte Gewichtsmaße, eine einheitliche Schrift ein und begann mit dem Bau der „chinesischen Mauer“, die eine Trennung zu den Nomaden – Barbaren – war. Die nachfolgende Han-Dynastie zentralisierte das Reich und teilte es in Provinzen ein, die mit einem ausgeklügelten Beamtensystem regiert wurden. Über die Seidenstraße entstand Handel mit der restlichen Welt. Viele Erfindungen, wie die des Papiers, stammen aus dieser Zeit. Immer wieder kam es zu Veränderungen, Streitereien und neue Herrscher versuchten eine Vereinigung. Erst 1912 wurde das Kaiserreich gestürzt. China war durch ausländische Kräfte geschwächt worden. Es kam zum Bürgerkrieg zwischen Nationalisten und Kommunisten und im Zweiten Weltkrieg zu Eingriffen der Japaner. Millionen Menschen starben in diesen Kriegen. Mao Zedong profitierte vom Bürgerkrieg und gründete die Volksrepublik China. Viele seiner Experimente hatten verheerende Auswirkungen. Er sagte etwa „Revolution ist keine Dinnerparty. Sie kann nicht elegant und sanft durchgeführt werden.“ Im Kapitel „Der Ritt auf dem Tiger“ wird die Reform von Deng Xiaoping, die den Aufstieg des Landes zur heutigen Macht brachte, beschrieben. Außenpolitische Annäherungen folgten. Innenpolitisch kam es zum Konflikt mit Tibet, der noch heute anhält, obwohl allen Minderheiten viele Sonderrechte eingeräumt werden. So wird in diesem Booklet auch die Rolle Taiwans und Hongkongs abgehandelt. Der letzte Abschnitt befasst sich mit dem globalen Machtanspruch von Präsident Xi-Jinping. Auf etwa 100 Seiten wird so die Geschichte Chinas mit seinen Hintergründen dokumentiert. }, month = {03}, keywords = {China, Geschichte, Politik}, pubstate = {published}, tppubtype = {booklet} } @book{HÜLMBAUER2023, title = {Oft Manchmal Nie}, author = {Cornelia HÜLMBAUER}, year = {2023}, date = {2023-03-11}, urldate = {2023-03-11}, abstract = {HÜLMBAUER, Cornelia: „Oft Manchmal Nie“, Salzburg Wien 2023 Ein köstliches Buch. Vieles erinnert an die eigene Kindheit und Jugend. Wobei der Unterschied zwischen Stadt und Land zum Vorschein kommt. Am Land kam so manches später. Cornelia Hülmbauer beschreibt in ihrem Buch Momentaufnahmen aus ihrer Kindheit und Jugend am Land. Das Leben im Elternhaus. Einem Mechanikerbetrieb. Es sind Gedächtnisbilder, die aber die Realität sehr schön ausdrücken. Zeitzeugnisse für die Zukunft und nächste Generationen. Würde Peter Rosegger heute leben, würde er so schreiben wie Cornelia Hülmbauer. Auch er hätte, so wie sie, alle Wörter klein geschrieben. Es ist zu hoffen, dass es in Zukunft noch mehr von dieser Autorin zum Lesen geben wird. Die Erzählungen des Buches enden, als sie mit einem Studium begann. }, keywords = {Jugendgeschichten, Momentaufnahmen, Zeitzeugen}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{KLAR2023, title = {Es gibt uns}, author = {Elisabeth KLAR}, year = {2023}, date = {2023-03-10}, urldate = {2023-03-10}, abstract = {KLAR, Elisabeth: „Es gibt uns“, Salzburg Wien 2023 Es ist eine Theateraufführung in einem Schloss. Wie es so viele Festivals gibt. Dieses Buch ist aber nicht ein Theaterstück, sondern die Beschreibung einer Theateraufführung. Die Darsteller sind seltene Figuren. Es wird eine Welt beschrieben und gespielt, die aus tierischen und pflanzlichen Mischwesen besteht. Es geht hier viel um Schmerz, Leid, um Tumore und eine Seuche, aber trotzdem wird gefeiert und getanzt. „Komplexes Leben ist im Niedergang, schon seit langer Zeit. Der Schleim hingegen, ja der Schleim … der Schleim wird siegen, wo wir verlieren.“ Es ist ein Utopie Roman, der in der Stadt Anemos, einer apokalyptischen Stadt, die verstrahlt ist spielt. In ihr leben diese Mischwesen. Damit sie überleben können, brauchen sie die Leuchtqualle Oberon. Sie stellt sicher, dass die Wasserversorgung für die Stadt funktioniert. Titania organisierte große Feste. Bei so einem Fest stirbt Oberon bei einem Liebesspiel. Ein kleines Schleimtierchen – Müxerl – übernimmt seinen Job. Die Parole ist „Was du kaputt machst, musst du richten.“ Indirekt versucht Elisabeth Klar zu hinterfragen, welche Gesetze, welche Regeln eine Gesellschaft braucht, um widrige Umstände zu überstehen. }, keywords = {Apokalypse, Theateraufführung, Utopie}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @booklet{MÜNKLER2023, title = {Strategie ! Von der Kunst, mit Ungewissheit umzugehen}, author = {MÜNKLER, Herfried}, editor = {Vontobel Stiftung}, year = {2023}, date = {2023-03-07}, urldate = {2023-03-07}, abstract = {MÜNKLER, Herfried: „Strategie ! Von der Kunst, mit Ungewissheit umzugehen“, Zürich 2023 Regelmäßig lässt die Vontobel Stiftung in Zürich Wissenschaftler und Schriftsteller im Rahmen einer Schriftenreihe (Broschüren) zu Wort kommen. Im März 2023 zum Thema Strategie. Unter den derzeitigen Verhältnissen mit Russland wird zu Beginn gleich das Vorgehen Putins besprochen und dass es durch solche unvorhergesehenen Vorfällen – so auch COVID19 – zu keiner sicheren Zukunftsplanung kommen kann. „Die Planungseuphorie der 1960er und 1970er Jahre ist schon länger vorbei.“ (Seite 6) Der Autor erinnert auch daran, dass der Begriff „Strategie“ im Militärbereich entwickelt wurde und erst später in der Wirtschaft und Politik übernommen wurde. Im Zuge der politischen und gesellschaftlichen Resilienz sind Analysen von Bedrohungen nicht mehr ausreichend. Das Sicherheitssystem kann nicht an Experten ausgelagert werden. Strategie wird aus der Sicht verschiedener Kulturen und Zeiten beschrieben. Beginnend in der griechischen Klassik bei Homer und Thukydides, aus denen heraus Machiavelli und Clausewitz ihre Theorien abgeleitet haben. Beide waren eng mit dem Militär verbunden: Machiavelli war mit der Neuorganisation des Florentiner Militärwesens befasst und Clausewitz war sein ganzes Leben lang Soldat. In Asien dagegen entwickelten Zivilisten die Strategie weiter und auch in der heutigen Wirtschaft haben asiatische Unternehmen einen anderen, friedlicheren Zugang zum Begriff Strategie. Auf Staatsebene wird von der „Grand Strategy“ gesprochen. Das bedeutet, dass der Staat frei entscheiden kann. Diese kann sich militärisch mit einer Gebietserweiterung des eigenen Landes befassen oder sich als Friedensvermittler in anderen Ländern einmischen. Oft hat dieses „Einmischen“ aber das Ziel Einfluss zu bekommen. So hatte sich die Sowjetunion in Afghanistan, Großbritannien bei den Falkland Inseln und die USA im Irak engagieren. In den westlichen Demokratien hat aber die militärische Strategie an Bedeutung verloren. Man bedient sich mehr der wirtschaftlichen und ideologischen Macht. Humanitär motivierte militärische Interventionen haben in den letzten Jahrzehnten aber nie zum Erfolg geführt. Der Balkan, Syrien, Nordafrika, die Sahelzone sind alles gescheiterte Missionen. Aus dem westlichen Denken heraus, kam es zunehmend zu Wirtschaftssanktionen, bei denen die Politik sich weitgehend auf „symbolisches Handeln beschränkt, bei dem man eigene wirtschaftliche Nachteile in Kauf nimmt, ohne dass dem ein erkennbares Einwirken auf der anderen Seite gegenübersteht.“ (Seite 45) Die in der Zeit von 2014 bis 2021 verhängten Wirtschaftssanktionen gegen Russland hatten nichts bewirkt. Im Gegenteil: Russland wurde mehr und mehr in die Arme Chinas getrieben, was für den Westen längerfristig sehr viel bedrohlicher ist. Das Modell, des Friedenschaffens mit immer weniger Waffen ist kläglich gescheitert. Die Folge davon ist eine Rückkehr zu mehr Bedeutung militärischer Kräfte. }, month = {03}, keywords = {Militär, Politik, Strategie, Wirtschaft}, pubstate = {published}, tppubtype = {booklet} } @book{Franzobel2023, title = {Einsteins Hirn}, author = {Franzobel}, year = {2023}, date = {2023-03-05}, urldate = {2023-03-05}, abstract = {Franzobel: „Einsteins Hirn“, Wien 2023 Der Titel signalisiert Einstein, aber praktisch ist es eine Biografie des Pathologen Thomas Harvey. Einstein starb 1955 in einem kleinen Spital in New Jersey. Thomas Harvey führte auf Anweisung der Spitalsdirektion eine Obduktion durch. Dabei kam er auf die Idee, sich das Hirn des Wissenschaftlers zu behalten. Der Leichnam Einsteins wurde verbrannt und seine Asche von einer Verwandten an einem unbekannten Ort verstreut. Der ursprüngliche Ansatz des Pathologen war es, im Hirn Einsteins seine Genialität nachweisen zu können. Dazu fehlte ihm aber die Ausbildung. Über 40 Jahre ist dieses Hirn an seiner Seite, ohne dass es zu wissenschaftlichen Erkenntnissen kommt. Wie gesagt: das Buch ist eine Biografie des Pathologen Thoms Harvey, der wegen seines intensiven Bezugs zum Hirn, das mit ihm auch redete, mehrere gescheiterte Ehen hatte. Immer wieder war die Eifersucht zum Hirn der Scheidungsgrund. Harvey übersiedelte sehr oft in „Kleinstädte, die es nie in einen Reiseführer schafften, weil es dort nichts gab das eine Erwähnung lohnte, nichts, womit man Touristen locken konnte.“ (Seite 364) Immer wieder begann er mit einem neuen Job. Viele Aushilfsarbeiten übernahm er, bis er schließlich Landarzt in einer kleinen Gemeinde wurde. Aber auch hier ereilte ihn die Trennung von der Ehefrau. Letztlich verlor er auch seine Arztlizenz und musste als bald 80-jähriger als Hilfsarbeiter Geld. Geld, das er für Zahlungen an seine geschiedenen Frauen und Kinder brauchte. Verarmt lebte er am Schluss in einem stationären Wohnwagen. „Im Dauercampingplatz lebten Leute, denen die Armut bis zur Unterkante der Oberlippe stand: kinderreiche Einwanderer, Alkoholiker, Verrückte. Es gab dreizehnjährige Mütter, die sich für zwei Dollar prostituierten, mexikanische Crackdealer und greise Hippies. Für die meisten die letzte Station vor der Obdachlosigkeit.“ (Seite 500) Zum 41. Todestag Einsteins brachte er das Hirn in jenes kleine Krankenhaus in New Jersey, in dem Einstein verstorben war. Harvey war ein gläubiger Mensch und aktiver Quäker. Da er mit dem Hirn reden konnte, versuchte er Einstein zum Glauben zu bekehrten. Das Hirn lehnte aber Religionen ab, weil alles wissenschaftlich begründbar sei. Dieser Diskurs zieht sich im Hintergrund durch das ganze Buch. „Da das Universum vor dreizehn Komma irgendetwas Milliarden Jahren entstanden ist, stellt sich die Frage, wo war Gott davor? Wenn Gott ein Teil des Universums ist, ist auch er endlich. Oder ist er außerhalb?“ (Seite 431) Viele Fragen und Diskussionen, die zu keinem Ergebnis führen. Das Hirn wird mit verschiedensten Religionen konfrontiert. Es kommt aber zu keiner Annäherung. Das Ende der Kommunikation tritt erst ein, als eine Formel preisgegeben wird, die der Pathologe von einer Ex-Freundin Einsteins in Russland besorgt hatte. Dann entschied er sich, das Hirn wegzugeben, aber niemand wollte es. „Die Laboratorien waren mehr an Hirnen von kriminellen interessiert.“ (Seite 528) Der Roman mit über 500 Seiten hat viele Lesegenüsse zu bieten, etwa wenn Franzobel den Beruf des Pathologen beschreibt: „Pathologe ist wie Pianist in einem Bordell. Sie können noch so hervorragend spielen, es kommt trotzdem niemand wegen der Musik.“ (Seite 61) Oder wenn er die negativen Seiten des Fortschritts anhand des Menschen definiert und sagt „dass der Grund vieler Erkrankungen im aufrechten Gang begründet liegt. … Krampfadern, Hämorrhoiden, Sodbrennen, Meniskus, Hüftabnützung. Hätten unsere Vorfahren nicht entschieden, den Kopf höher zu tragen, wären uns viele Zivilisationskrankheiten erspart geblieben …“ (Seite 110) „Der Mensch ist eine Fehlkonstruktion – zu enger Gebärkanal, Haltungsschäden, schlechte Zähne. Selbst der ärgste Dilettant hätte das besser hinbekommen als Gott.“ (Seite 180) In den einzelnen Abschnitten wird immer wieder Bezug auf das Weltgeschehen genommen. Etwa der Ermordung Kennedys, das Ende der Beatles, Jimi Hendrix Tod und dass 1978 ein Pole Papst wurde und in Persien Muslime die Regierung übernahmen. Einsteins Leben ist in diesem Roman nur Hintergrundmusik. Durch den Kontakt des Pathologen mit Verwandten Einsteins und durch Gespräche mit dem Hirn werden nur einzelne Lebensabschnitte beschrieben. Als Autor ist Franzobel auch selbstkritisch, wenn er meint Theater ist „etwas für Leute, die zu faul zum Lesen sind, lauter Stoffe, die zu schlecht sind für Verfilmungen.“ (Seite 457) Thomas Harvey wurde 85 Jahre alt und verbrachte beinahe sein halbes Leben mit Hirn. Er hatte seine Ehen, seine Kinder, seine Freundschaften, alles dem Hirn untergeordnet. Der Dichter Franzobel widmete ihm mit diesem Buch ein Denkmal. }, keywords = {Amerika, Einstein, Pathologe}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SCHLICK2023, title = {Was meinem Leben echten Sinn gibt}, author = {Christoph SCHLICK}, year = {2023}, date = {2023-02-19}, urldate = {2023-02-19}, abstract = {SCHLICK, Christoph: „Was meinem Leben echten Sinn gibt. Die wichtigsten Lebensfragen klären“, München 2017 Zuerst einige Worte zum Autor: für den Familienbetrieb als Nachfolger in der Rechtsanwaltskanzlei vorgesehen ging er ins Kloster und war über 20 Jahre Benediktinermönch. Danach begann er ein neues Leben, heiratete und bekam ein Kind. Die Frau war zwar mit Zwillingen schwanger, aber eines starb, das andere war behindert. Nach einigen Jahren beging die Frau Selbstmord. Jahre später heiratete er wieder und ist heute als Unternehmensberater und Coach tätig. Mit so vielen negativen Lebenserfahrungen rechnet man nicht mit einem positiven Menschen. Ich erlebte ihn bei einem Vortrag und er war motivierend und strahlte Positives aus. Viele Menschen kommen erst am Ende ihres Lebens darauf, über ihr Sein nachzudenken. Das will der Autor mit seinem Buch verändern und den Leser, die Leserin anregen sich laufend mit dem Sinn des Lebens auseinanderzusetzen. Im Vorwort sagt er: „Ich möchte ihnen Orientierung auf ihrem Entwicklungsweg und Lösungen geben, und es tut gut, sie sich anzusehen.“ (Seite 14) Er nähert sich dem Leser über verschiedene Fragen: • Die Frage nach dem Sinn des Lebens und dem WOFÜR • Das Menschliche, was uns ausmacht • Um sinnvoll zu leben, soll man zuerst die Werte erkennen • Sehnsucht ist wichtig beim Finden des Sinns Der Autor zeigt dann fünf Lebenssinn-Beziehungen auf und versucht dann zu erklären, wie diese das eigene Leben stärken können. Die Veränderung im Leben erscheint ihm wichtig, dass der Mensch sich in jedem Alter auf Neues einlassen soll. Erst wenn man einen Sinn im Leben hat, findet man Mut und Lebensfreude. Christoph Schlick versucht hier einen Ratgeber in Form eines „psychologischen Kochbuchs“ zu geben, aus dem man die eine oder andere Anregung ins eigene Leben aufnehmen kann. }, keywords = {Lebenssinn, Psychologie, Theologie}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{RANSMAYR2023, title = {Der fliegende Berg}, author = {Christoph RANSMAYR}, year = {2023}, date = {2023-02-16}, urldate = {2023-02-16}, abstract = {RANSMAYR, Christoph: „Der fliegende Berg“, Frankfurt 2020 Ransmayr zeigt sich bei diesem Buch als Kenner Irlands, wo er lange Zeit lebte, und gleichzeitig bringt er seine Erfahrungen aus dem Himalaya ein. Er verbindet diese beiden Gebiete durch zwei junge irische Männer, Brüder, die als Jugendliche in den Klippen der irischen Küste kletterten. Ihre Interessen trennten sie: der eine wurde Seemann und der andere blieb sesshaft. Er errichtete das Farmhaus seiner Eltern und lebte als Landwirt auf einer irischen Insel. Den Bruder wollte er immer wieder zurückholen. Letztlich gelang es und sie planten eine gemeinsame Expedition in den Himalaya. Sie wollten einen Berg besteigen, der nach Recherchen ein noch nicht entdeckter ist. Da es sich um tibetisches Gebiet handelte, mussten sie eine offizielle Reise buchen, die sie später verließen und auf eigene Faust illegal zu „ihrem“ Berg aufbrachen. Zuerst mit einem fahrenden Händler auf einem Pickup und später wandernd mit Nomaden und deren Yakherde. Wochenlang waren sie unterwegs in Richtung höher gelegener Weidegründe. Von dort erst brachen sie allein und unerlaubt zu einem Gipfel – den Phur-Ri, den fliegenden Berg - auf. Die Nomaden rieten von dieser Besteigung ab. Berge seien etwas Heiliges. Berge, so erzählten sie, hätten „sich aus dem Funkenschwarm der Sterne gelöst und würden wie Lichtflöße durch die Himmelsnacht treiben, bis sie schließlich herabschweben auf die Ebenen einer Welt, die flach war.“ (Seite 138) Keiner dieser Berge, so die Erzählung, bleibe in der Welt der Menschen. Sie alle würden irgendwann wieder aufsteigen in den Himmel. Der jüngere Bruder hatte sich in die Erzählerin dieser Sage, einer Frau, einer Witwe der Nomaden verliebt und wollte gar nicht mehr auf den Berg. Er hatte sich mit seinem Bruder schon zerstritten. Dieser versuchte Alleingänge. Als er von so einer Besteigung nicht zurückkam, brach der Bruder – trotz Zwist – auf, um ihn zu suchen. Dabei stürzte er in eine Gletscherspalte und wäre fast selbst umgekommen. Letztlich bestiegen sie gemeinsam den ersehnten Gipfel. Das Wetter schlug um. Sie kamen in Schwierigkeiten, bei denen der ältere und erfahrenere Bruder starb. Verletzt überlebte der Erzähler, der erst beim Räumen des Bauernhofs in Irland vieles über seinen Bruder erfuhr. Selbst litt er unter dem Tod des Bruders und dachte „Ich habe meinen Bruder getötet.“ (Seite 342) Ransmayr entführt den Leser in eine ihm vielleicht unbekannte Welt. Eine Welt des Hochgebirges, des Himalaya. Einer Welt der Gefahren, die er sehr gut zu beschreiben versteht, sodass man glaubt selbst durch Eis und Schnee zu gehen. Auch ich bin zu Beginn dem Irrtum unterlegen, dass das Buch in Gedichtform geschrieben sei. Dem ist nicht so. Es ist ein freier Rhythmus. Die Texte sind frei von Versen. Es ist ein Flattersatz. Ransmayr nennt es einen „fliegenden Satz“, der aber angenehm zum Lesen ist. Ich fand sogar, dass die Sätze in diesem Format vornehmer wirkten als im traditionellen Satz. }, keywords = {Abenteuer, Bergsteiger, Himmalaja, Irland}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{KÖHLMEIER2023, title = {Frankie}, author = {Michael KÖHLMEIER}, year = {2023}, date = {2023-02-09}, urldate = {2023-02-09}, abstract = {KÖHLMEIER, Michael: „Frankie“, München 2023 Erstaunlich, wo Köhlmeier seine Themen für einen Roman immer herholt. Diesmal geht es in die Strafvollzugsanstalt Stein und nach Wien, wo Köhlmeier abwechselnd zu Vorarlberg wohnt. Der Titel „Frankie“ ist dem 14-jährigen Buben dieser Handlung gewidmet. Zur Hauptperson, beziehungsweise Aktion auslösenden Person wird aber der Großvater Frankies, der über 20 Jahre seines Lebens im Gefängnis saß. Frankie wohnt mit seiner Mutter zusammen. Sie haben ein gutes Zusammenleben. Nun tritt als Dritter der Opa in ihr Leben. Die Mutter will nicht, dass ihr Sohn mit dem „Verbrecher“ Opa Beziehungen hat. Opa wohnt nach Haftentlassung nur wenige Tage mit der Tochter und dem Enkel in deren Wohnung. Dann bekommt er eine eigene Wohnung zugewiesen. Frankie aber hält weiter Kontakt mit ihm. Obwohl er nicht weiß, „Wie Opa heißt. Nicht einmal seinen Vornamen kenne ich.“ (Seite 54) Das schriftstellerische Interesse Köhlmeiers flackert kurz auf, als Opa seinen Enkel fragt, ob er aus seinem Leben ein Buch schreiben kann. Der Neffe aber meint „Ich sei sicher gut im Rechtschreiben, er nämlich nicht. Nur die Idioten erzählen, was sie wirklich getan haben. Und nur die Vollidioten glauben, was man ihnen erzählt. So gesehen sei ich der Vollidiot in der Geschichte, die er mir aufgebunden hat.“ (Seite 75) Das Leben im Gefängnis sei ein sehr einfaches, so erklärt Opa das seinem Enkel: „Du brauchst nicht nachzudenken, wann und was es Essen gibt. Du brauchst nicht nachdenken, wo du schlafen sollst. Wann du arbeiten sollst. Wann du ins Freie sollst. Wann es ausnahmsweise Obst gibt. Wann es ausnahmsweise ein Glas Wein gibt. Über alles wird für dich nachgedacht. …. Erst die letzten zehn Jahre habe ich mir eigene Gedanken gemacht.“ (Seite 87) Opa führt Frankie indirekt ins Verbrecherleben ein, sodass dieser am Ende den eigenen Opa erschießt, aber nicht erwischt wird; womit ich die Pointe eines Krimis vorweggenommen habe. Aber es ist ja kein Krimi, sondern ein Roman. Letztlich führt er sogar seinen leiblichen Vater, zu dem die Mutter keinen Kontakt mehr hat, hinters Licht. Als Leser stellt man sich am Ende die Frage „Wird eine verbrecherische Veranlagung vererbt?“ }, keywords = {Gefängnis, Opa, Verbrecher}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Sempé2023, title = {Das Geheimnis des Fahrradhändlers}, author = {Jean-Jacques Sempé}, year = {2023}, date = {2023-02-03}, urldate = {2023-02-03}, abstract = {Sempé, Jean-Jacques: „Das Geheimnis des Fahrradhändlers“, übersetzt von Patrick Süskind; Zürich 2005 Es ist eine Geschichte, die von einem ortsbekannten Fahrradmechaniker handelt, der aber selbst nicht Radfahren kann. Nur weiß das Niemand. Trotzdem wird er berühmt. Sein Dorf wird durch ihn weltbekannt. Es ist eine einfache, aber nette Geschichte. Aber das wesentliche an diesem Buch sind die Zeichnungen von Sempé, weshalb man es kauft. Treffend auch die deutsche Übersetzung von Patrick Süskind. Das Buch ist ein „Schau- und Lesevergnügen“. }, keywords = {Fahrradhändler, Karikatur, Zeichnungen}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{KIM2023b, title = {Die Bilderspur}, author = {Anna KIM}, year = {2023}, date = {2023-02-02}, urldate = {2023-02-02}, abstract = {KIM, Anna: „Die Bilderspur“, Wien 2004 Das antiquarisch erworbene Buch trägt eine persönliche Widmung von Anna für ihre „liebsten Schwiegereltern“. Es ist das Erstlingswerk der Dichterin Anna Kim. Es ist ein nicht leicht lesbarer Schreibstil, aber man kann sich die angedachten Handlungen erarbeiten. So geht es im ersten Kapitel „Suchen“ um den Vater, der immer wieder abreist, der ein Fremder ist und der letztlich einen Schlaganfall bekommt. Er lebt noch drei Jahre. „Im dritten Jahr: Haut und Knochen mein Vater, nur noch Ohren und Hände, die leben. … Wäre sein Atem nicht an die Maschinen gebunden, würden wir sein Sterben vergessen.“ (Seite 30) Das zweite Kapitel heißt „Finden“ und im dritten – „Verlieren“ - geht es ums Abschiednehmen. Der Vater hat noch einen zweiten Schlafanfall. Inzwischen stirbt auch die Mutter. Sie kommt zu einem Abschiedsfest des Vaters, der sterben will. Bei diesem Buch ist der Inhalt unwichtig. Die abstrakte Textkonstruktion tritt in den Vordergrund. Macht das Lesen schwer. Manchmal ist Lesen so wie das Erledigen einer unangenehmen Arbeit. Mir ging es bei diesem Buch so. Ich kannte alle folgenden Bücher von Anna Kim und schätze sie. So wollte ich auch ihr Erstlingswerk kennenlernen. Es ist literarisch außergewöhnlich, aber schwer zum Lesen. }, keywords = {Fremder, Mutter, Sterben, Vater}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{BUSEK2023, title = {Österreich und der Balkan. Vom Umgang mit dem Pulverfaß Europas}, author = {Erhard BUSEK}, year = {2023}, date = {2023-02-01}, urldate = {2023-02-01}, abstract = {BUSEK, Erhard: „Österreich und der Balkan. Vom Umgang mit dem Pulverfaß Europas“, Wien 1999 Das Buch ist ja nicht das neueste. Noch dazu auf einem Gebiet, auf dem sich so viel verändert. Trotzdem war es lesenswert, da Erhard Busek die Situation sehr gut analysiert und Prognosen stellt, die heute – 25 Jahre später – noch gültig sind. Das Buch soll ein Handbuch für diesen Teil Europas sein. Bereits bei der Überschrift schlägt er vor, den Begriff „Balkan“ gegen „Südosteuropa“ zu ersetzen. Er selbst hat sich nach seinem Ausscheiden aus der österreichhischen Politik sehr stark für die Länder Südosteuropas eingesetzt. Das Engagement wurde aber unterschiedlich gesehen: „Die einen anerkennen meine Tätigkeit, die anderen sind froh, wenn es ein anderer tut, die dritten wieder glauben, dass es ganz gut ist, wenn es einzelne Menschen gibt, die sich engagieren. Nicht zu vergessen sind jene, die einem noch immer vorhalten, nichts besseres zu tun zu haben, als ich mit dem „Gesindel“ abzugeben.“ (Seite 23) Busek sieht es aber als eine Herausforderung sich für diesen Teil Europas einzusetzen. „Ich vertrete die Meinung, dass über kurz oder lang alle Staaten der EU angehören sollten.“ (Seite 47) Die Abhängigkeit der europäischen Staaten ist sehr hoch und daher muss man integrieren. Mehrere Hemmschuhe verhindern dies derzeit: die geschichtliche Vergangenheit, die Sprachenvielfalt und die Spannung zwischen den verschiedenen Kirchen. Viele internationale Interessen wirken auf diese Region ein: Europa, USA und Russland. Der Einfluss Russlands wird dabei nicht unterschätzt und Busek schrieb bereits 1999: „Der Traum, eine Supermacht zu sein, besteht zweifellos in vielen russischen Hirnen und Herzen.“ (Seite 54) Zur Verbesserung der Beziehung der europäischen Länder mit jenen Südosteuropas schlägt der Autor Kooperationen auf den Gebieten Kultur, Kunst und Bildung vor. Vor allem interntionale Austauschprogramme können das gegenseitige Verständnis verstärken. Aus der Geschichte abgeleitet weist er auch auf die Integration via Protektorat hin. Die Österreichisch-Ungarische Monarchie verwaltete provisorisch von 1878 bis 1908 Bosnien auf Basis eines Protektorats. Protektorats-Überlegungen könnten auch für das eine oder andere Land Südosteuropas angewandt werden. Leider fehlen für einen Integrationsprozess Strategien und Pläne. „Zu stark war die Meinung, es wäre Aufgabe der „Transformations“-Staaten, mit sich selbst zurecht zu kommen.“ (Seite 143) Damit wurde nationaler Egoismus verstärkt. Im Kapitel „Praktische Maßnahmen – Schritt um Schritt“ werden auch Vorschläge wie die Verbesserung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, Grenzerleichterungen, Aufbau einer Transportinfrastruktur und Bildungszusammenarbeit vorgeschlagen. Alles Ansätze, die noch heute – 25 Jahre später – ihre Gültigkeit haben. }, keywords = {Balkan, Geschichte, Politik, Südosteuropa}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{KIM2023, title = {Invasionen des Privaten}, author = {Anna KIM}, year = {2023}, date = {2023-01-30}, urldate = {2023-01-30}, abstract = {KIM, Anna: „Invasionen des Privaten“, Graz Wien 2011 Das Buch entstand während eines längeren Aufenthalts in Grönland, bei dem sie Kontakt mit Einheimischen – Grönländern und Dänen – hatte und diese in Bezug sie ihrer eigenen Identität bringt: die Koreanerin als Österreicherin. Grönland, ein Teil Dänemarks, mit weniger als 60.000 Einwohnern, von denen 15.000 in der Hauptstadt Nuuk leben. Kim versucht die Geschichte des Landes, von der Kolonialbesetzung bis hin zur Einbindung Dänemarks aufzuarbeiten. Sie halt auch Kontakte zu lokalen Menschen, um deren Geschichte und Empfindungen festzuhalten. Während ihres Grönlandaufenthalts wohnt sie sowohl in der Hauptstadt Nuuk, als auch am Land, zwei Flugstunden nördlich. Obwohl Grönland ein fast unbewohntes Land ist, wirkt die Hauptstadt „wie jede andere Stadt … frei von Natur.“ (Seite 10) Die Vergangenheit des Landes ist in seiner Architektur abgebildet: norwegische Bauten und dann, nach der Übernahme Dänemarks, dänischer Stil. Der Kolonialismus ging mit den Einheimischen sehr brutal um. „Luxus Waren“ wie Kaffee, Alkohol, Tee oder Gewürze wurden an Grönländer nicht verkauft. Sie wurden zweitklassig behandelt und man versuchte sie zu Beginn in ihrer Funktion, dem Jagen von Roben und Walen zu halten. Als dann im Zweiten Weltkrieg amerikanische Militärbasen errichtet wurden, siedelte man die Inuit um. Sie bekamen kleinere Jagdgebiete, in denen sie mit ihrer Kultur nicht mehr überleben konnten. Zehn Jahre lang hatte man grönländische Kinder für ein oder zwei Jahre nach Dänemark gebracht, um ihre Kultur anzugleichen. Die Kinder kamen heimatlos zurück. Hatten ihre eigene Sprache verlernt und dänisch gelernt. Eine Gesprächspartnerin, die auf so einem Dänemarkaufenthalt war, meinte: „Dänisch fließend zu sprechen bedeutet somit, besser zu sein als der (grönländische) Durchschnitt.“ (Seite 36) In den Schulen Grönland gibt es nur Bücher in dänischer Sprache. Für grönländische Bücher ist das Volumen zu klein. Auch die Schilderungen der Landschaft sind interessant: „Wir sind so wenige, dass wir uns innerhalb von Minuten aus den Augen verlieren, obwohl wir nicht gehen, sondern tapsen. Schließlich stehe ich allein in der Landschaft, die keine ist. Ich stehe in einem weißen, leeren Raum, ich bin umgeben von Stille, meine Beine sind eben erst geboren, und vielleicht denke ich, auch mein Körper, vielleicht bin ich gerade erst auf die Welt gekommen?“ (Seite 75) }, keywords = {Einsamkeit, Grönland, Inuit}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{ERNAUX2023d, title = {Der junge Mann}, author = {Annie ERNAUX}, year = {2023}, date = {2023-01-22}, urldate = {2023-01-22}, abstract = {ERNAUX, Annie: „Der junge Mann“; Berlin 2023 Als frisch gekürte Nobelpreisträgerin erwartet das Lesevolk neue Bücher von ihr. Ein Druck, den sie mit der Auffrischung einer alten Geschichte nachkam. Die heute 83-jährige erzählt eine Geschichte, die sie mit Mitte 50 mit einem jungen Liebhaber gehabt hatte. Eigentlich ließ sie sich in dieses Verhältnis mit einem jungen Mann, der jünger als ihre eigenen Kinder war ein, um neue Energie zum Schreiben eines Buches zu bekommen. Die Beziehung wurde intensiver, als sich der Liebhaber von seiner gleichaltrigen Freundin trennte. Er wohnte in Rouen und sie übersiedelte jedes Wochenende in seine Wohnung, wo sie hauptsächlich dem gemeinsamen Sex frönten. Sie hatte seinerzeit in Rouen studiert und konnte ihm vieles zeigen und dabei selbst wieder ihre eigenen Jugenderinnerungen auffrischen. Er war für sie „die verkörperte Vergangenheit. Mit ihm durchlief ich alle Alter des Lebens, alle Alter meines Lebens.“ (Seite 21) Die Art, wie der junge Mann lebte, erinnerte sie auch an die eigene Jugend. Sie kam aus einfachen Verhältnissen und änderte sich erst im Laufe des Lebens zu einem anderen Lebensstil. „Bei meinem Mann hatte ich mich als Proletin gefühlt, bei ihm war ich Bildungsbürgerin.“ (Seite 21) Der Liebhaber kam aus einfachen Verhältnissen und hatte wenig Geld. Er musste genau haushalten. Auch liebte er es nicht zu arbeiten und sie, die inzwischen erfolgreiche Schriftstellerin, finanzierte sein Leben. Sie machten viele Reisen. Es war eine sich ergänzende Partnerschaft: sie erlebte Sex, wie sie ihn in diesem Alter nicht mehr erwartete und er bekam ein finanziertes Dasein. „Man konnte unsere Beziehung als Zweckbeziehung sehen. Er bereitete mir Lust, und dank ihm erlebte ich Dinge, die noch einmal zu erleben ich nie geglaubt hätte. Dass ich ihn auf Reisen einlud und er sich meinetwegen keine Arbeit suchen musste, denn dann hätte er weniger Zeit für mich gehabt, erschien mir ein fairer Handel, ein gutes Geschäft, zumal ich diejenige war, die die Regeln bestimmte.“ (Seite 25) Bei öffentlichen Auftritten wurden sie von den Menschen „anstößiger als ein homosexuelles Paar“ betrachtet. Sie fand es unfair, dass man einen älteren Mann mit einer jungen Freundin gesellschaftlich akzeptierte, dies aber einer älteren Frau nicht zugestand. Sex war aber doch kein lebensfüllendes Programm und man redete über vergangene Erlebnisse, wobei die Vergangenheit der Frau vor jener des jungen Mannes lag. „Mir war, als würde ich ewig leben und zugleich tot sein.“ (Seite 29) Die Autorin begann die Beziehung, um einen Kick zum Schreiben eines Romans zu bekommen. Es war die Erzählung einer heimlichen Abtreibung. So wie sie das Ungeborene wegnehmen ließ, löste sie sich vom Liebhaber. „Als wollte ich ihn von mir lösen und abstoßen, so wie ich es gut dreißig Jahre zuvor mit dem Embryo getan hatte.“ (Seite 40) So schloss sich der Kreis: der Freund war weg, hatte seine Dienste getan und das neue Manuskript war fertig geschrieben. Die vorliegende Geschichte ist aber nur ein schmaler Band mit 40 Seiten, so wie viele der Bücher von Annie Ernaux. }, keywords = {Altersunterschied, Frankreich, Liebe}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Hell2023, title = {Auffahrt}, author = {Bodo Hell}, year = {2023}, date = {2023-01-19}, urldate = {2023-01-19}, abstract = {HELL, Bodo: „Auffahrt“, Graz Wien 2019 Es sind 27 Essays, bei denen sich der Autor primär mit Heiligen auseinandersetzt und diese in ein anderes Licht rückt, als es die offizielle Kirche macht. Gleich zu Beginn stellt er viele Interpretationsvarianten des Habsburgischen Spruchs für AEIOU vor. In Anlehnung an seinen Dichterkollegen Julian Schutting bezieht er sich auf die abgeschnittenen Brüste der heiligen Agatha. Die heilige Barbara leitet er sogar vom Begriff „Barbarin“ her. Drei heilige Christinas werden gegenübergestellt. Die Geschichte über die Christmette legt er in die Neuzeit und in den ersten Wiener Gemeindebezirk zur Stephanskirche. In Salzburg widmet er sich dem Nonnberg Kloster und beim heiligen Florian fällt ihm nur ein brandlegender Feuerwehrmann ein, der selbst Brände auslöst, um sie dann eifrig mitlöschen zu können. Eine Litanei, die jeweils aus einem Wort besteht, besetzt über zehn Seiten des Buches. Die wenigen Wienern bekannte Johanneskapelle am stark befahrenen Gürtel bekommt ebenso einen Platz in einem Essay wie alle Marienfeiertage eines Jahres. Am Ende der teilweise skurrilen Erzählungen, kehrt er wieder nach Wien zur Virgil Kapelle am Stephansplatz zurück und endet mit einer „Wetterheiligenlitanei für den Almsommer“. Der in Salzburg geborene Dichter lebt in Wien und betreibt im Sommer eine Almwirtschaft am Dachstein. Diese entspricht auch der Themenwahl dieses Buches. Warum ich mir dieses Buch einmal gekauft hatte, kann ich nicht mehr nachvollziehen. Ich lege aber fast nie ein Buch ungelesen weg. Manchmal – so wie in diesem Fall – muss ich eben mehrmals beginnen. }, keywords = {Essays, Heilige}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Reinhold2023, title = {Oskar Kokoschka und Österreich}, author = {Bernadette Reinhold}, year = {2023}, date = {2023-01-18}, urldate = {2023-01-18}, abstract = {REINHOLD, Bernadette: „Oskar Kokoschka und Österreich“, Wien 2023 Viele Biografien wurden über Kokoschka schon geschrieben. Allein das Literaturverzeichnis dieses Buches zitiert auf über 20 Seiten in kleiner Schrift Werke über den Künstler Kokoschka. Und doch gelang es der Autorin Bernadette Reinhold eine andere Art von Biografie zu schreiben, die sich von allem bisherigen unterscheidet. Sie legt einerseits den Schwerpunkt auf das Verhältnis Kokoschkas zu Österreich und andererseits kündigt sie ihren Stil im Untertitel mit „Facetten einer politischen Biografie“ an. Es wurde also nicht eine weitere Biografie, sondern eine andere. Natürlich gehen die Fakten des Lebens nicht verloren und das Geburtsjahr bleibt 1886, genauso wie der Geburtsort Pöchlarn, aber es werden Verhältnis zwischen dem Maler und anderen Personen und Städten hergestellt. Vor allem das zwiespältige Verhältnis zu Österreich, wo er im Ständestadt ein Vorzeigekünstler war, der verehrt wurde und auf den man stolz war, aber dann mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten zuerst nach Prag ging und dann britischer Staatsbürger wurde. Wobei die Autorin festhält, dass die Übersiedlung nach Prag keine Flucht war, sondern eine Abkehr zu Wien. Aus politischen Gründen hätte er 1934 Wien nicht verlassen müssen. Es waren vielmehr wirtschaftliche Gründe. Prag war eine reichere Stadt als Wien und bot dem Künstler einen besseren Absatzmarkt für seine Werke. „Persönlich und politisch enttäuscht wandte er sich von Österreich ab und legte vielfältig sein Bekenntnis zur Tschechoslowakei ab.“ (Seite 97) Hitler hatte in Deutschland bereits die Macht ergriffen und Kokoschkas Bilder wurden 1937 und 1938 in München in der Ausstellung „Entartete Kunst-Schau“ gezeigt, die von zwei Millionen Menschen besucht wurde. Nach seiner Flucht aus Prag ließ er sich in London nieder und engagierte sich für humanitäre Projekte. Kokoschka war als tschechischer Staatsbürger nach England gekommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor er seine tschechische Staatsbürgerschaft, bekam aber die britische. Er hatte gute Beziehungen zu den Sowjets und dies war der Grund, ihn aus der Tschechoslowakei „hinauszuschmeißen“. Als am 8. Mai 1945 der Krieg aus war, konnte er es noch nicht glauben und hatte Sorgen um seine zurückgebliebene Schwester mit ihrem Mann. Erst 1947 betrat er wieder österreichischen Boden. Hier stand er bald wieder im Fokus des öffentlichen Interesses, wenngleich er nicht von allen anerkannt wurde. Lange brauchte es, bis es wieder eine Ausstellung von ihm in seiner Heimat gab. Viele internationale Ausstellungen folgten, die erste in Österreich fand aber nicht in Wien, sondern in Linz statt, obwohl ihn in Wien der kommunistische Stadtrat Matejka unterstützte. Schon 1946 drängte er seine Mitpolitiker dazu Kokoschka auszuzeichnen, aber es dauerte noch 15 Jahre, bis es dazu kam. Eine Ehrenbürgerschaft erreichte keine Mehrheit und so schlug man ihm einen Ehrenring vor, den er mit dem Grund ablegte, prinzipiell keine Ringe zu tragen. In Wien bekam er auch keine Professur, wie es ihm eigentlich zustand. Dafür engagierte sich Salzburg, wo er die „Schule des Sehens“ gründete. Dies war auch der Hauptgrund meines Interesses an diesem Buch. Meine Cousine, eine aufstrebende Künstlerin, war Studentin von Kokoschka in Salzburg und ich besitze noch Aquarelle aus dieser Zeit. Aufträge bekam er in Österreich zu Beginn wenige. Es wurden immer noch Künstler aus der Nationalsozialistischen Zeit bevorzugt, wie etwa bei der Ausführung des Vorhangs in der renovierten Oper. Von ihm wollte man ein Bild von der Eröffnungsfeier, dem er aber nicht in diesem Sinne nachkam. Er schuf eine Außenansicht der neu renovierten Oper. Erst in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts kam es zu mehreren Ehrungen. Die größte Ausstellung seiner Werke fand erst 1958 in Wien im Künstlerhaus statt. 1955 bezeichnete ihn der damalige Unterrichtsminister Drimmel als den „bedeutendsten lebenden österreichischen Künstler“. (Seite 289) Auch Thomas Bernhard würdigt ihn, wenn er sagte „Heute kostet selbst ein schwaches Klimtkitschgemälde mehrere Millionen Pfund, sagte Reger, das ist widerwärtig. Schiele ist nicht ein Kitsch, aber ein ganz großer Maler ist Schiele natürlich auch nicht. In der Qualität Schieles hat es in diesem Jahrhundert mehrere österreichische Maler gegeben, aber außer Kokoschka keinen einzigen wirklich bedeutenden, sozusagen wirklich großen.“ (Seite 297) Letztlich war es Kreisky, der ihn zu sich in seine private Wohnung einlud, ihn hier als Wohnsitz anmeldete und ihm die österreichische Staatsbürgerschaft verlieh. Nach einer österreichischen, einer tschechischen und britischen war er wieder Österreicher geworden. }, keywords = {Biografie, Kokoschka, Österreich}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{KURKOW2023, title = {Samson und Nadjeschda}, author = {Andrej KURKOW}, year = {2023}, date = {2023-01-14}, urldate = {2023-01-14}, abstract = {KURKOW, Andrej: „Samson und Nadjeschka”, Zürich 2022 Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Fall des Zarenreiches sah die Ukraine eine Chance zur Selbstständigkeit, die aber 2018 durch die Besetzung der Rotarmisten (Russen und Chinesen) wieder ins russische Reich, der Sowjetunion eingegliedert wurde. In diese Zeit fällt die Geschichte des neuen Romans von Andrej Kurkow „Samson und Nadjeschda“. Anhand dieser beiden jungen Personen erzählt Kurkow die Situation in Kiew. Samsons Mutter und Schwester waren schon früh verstorben. Er wuchs mit dem Vater auf. Bei einem Überfall wurde der Vater getötet und ihm, dem Sohn Samson ein Ohr abgeschlagen. Allein brachte er sich durch Leben und nahm letztlich einen Job in der neu geformten sowjetischen Polizei an. Er hatte ein technisches Studium und war daher den kriminalistischen Anforderungen nicht gewachsen. Sein verständnisvolle Chef sah darüber hinweg. Seine Tätigkeit wurde im Buch in eine Art Kriminalroman gegossen. Er verfolgt eine Bande und kann letztlich deren Vergehen aufklären, wenngleich der Umgang mit Kriminellen brutaler vor sich ging als in Friedenszeiten. Es gab viele Tote. Parallel dazu verkuppelt ihn seine Hausmeisterin mit einer jungen Frau, die auch in seine große Wohnung einzog. Kurkow hatte dieses Buch noch vor dem Krieg mit Russland geschrieben. Das Thema und die kriegerischen Auseinandersetzungen passen aber in die heutige Zeit, wenngleich der Waffeneinsatz 1919 ein anderer war als heute im 21. Jahrhundert. Kurkow ist in Sankt Petersburg geboren und spricht russisch. All seine Bücher schreibt er in russischer Sprache, die seine Muttersprache ist. Gleichzeitig setzt er sich auch für den Rechtsstaat „Ukraine“ ein. Zum derzeitigen Krieg in der Ukraine meint er: „Putin zerstöre „nicht nur die Ukraine, sondern auch Russland und die russische Sprache.“ Ähnlich motiviert habe der 1961 geborene Autor selbst „einst das Deutsche als Fremdsprache verweigert, weil die Nazis seinen Großvater ermordet hatten.“ }, keywords = {Kiew, Rotarmisten, UdSSR, Ukraine}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{DROUVE2023, title = {Jakobsweg per Rad}, author = {Andreas DROUVE}, year = {2023}, date = {2023-01-12}, urldate = {2023-01-12}, abstract = {DROUVE, Andreas: „Jakobsweg per Rad”, Neuenhagen 2008 Es gibt viele Bücher über das Wandern am Jakobsweg. Von meiner Schwester bekam ich jetzt – nachdem ich am Knie operiert wurde und wandern nicht mehr so einfach sein wird – ein Buch, wie man mit dem Fahrrad den Jakobsweg bewältigt. Der Autor ist ein Insider und hat längere Zeit in Spanien gewohnt. So gibt er im „Vorspann“ einen Überblick über „Land und Leute“ und „Das Reisen“. Der Kern des Buches beschäftigt sich aber mit den Regionen, durch die die Reise führt und für den Radfahrer gibt es Vorschläge für Tagesetappen. Es sind 18 Etappen, also 18 Rad Tage. Aus meiner persönlichen Erfahrung beim Fahren von Langstrecken kann ich aber sagen, dass man das auch in 9 Tagen ohne großen Stress fahren kann. Aber vielleicht sollte doch mehr Mystik und Entspannung in eine Strecke, wie die des Pilgerwegs gelegt werden. Wenn man auch den Weg zurück mit dem Rad zurücklegen will, wird im Buch eine Strecke entlang der Küste im Norden vorgeschlagen. }, keywords = {Jakobsweg, Radfahrt, Spanien}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @mastersthesis{ERNAUX2023c, title = {Die Scham}, author = {Annie ERNAUX }, year = {2023}, date = {2023-01-06}, urldate = {2023-01-06}, abstract = {ERNAUX, Annie: „Scham“, Berlin 2022 Das Buch wurde 1995 geschrieben. Seine Erzählung ging ins Jahr 1952 zurück, als der Vater die Mutter mit einem Beil töten wollte. Es war ein Sonntag. Die Tochter (=Erzählerin) war in der Messe. Als sie heimkam stritten die Eltern. Sie zog sich zurück und hörte die Mutter aus der Vorratskammer schreien, wo sie der Vater hielt und eine Hacke in der Hand hatte. Er tötete sie aber nicht. Das Erlebnis blieb aber im Kopf des damals zwölfjährigen Mädchens. 43 Jahre später verarbeitete sie es in diesem vorliegenden Buch. Sie lebte als Kind lange in der Angst, dass sich diese Szene wiederholen könnte. Wie in allen Büchern, die ich von dieser Autorin bisher gelesen habe, nimmt sie Bezug auf Fotos aus der Vergangenheit und Erinnerungen aus dem eigenen Leben. So auch in dieser Erzählung. Diesmal steigt sie aber sofort in das Geschehnis, den eigentlichen Schluss ein und beginnt mit der geplanten Tat des Vaters. So, als würde man einen Kriminalroman mit der Preisgabe des Mörders beginnen und dann erst den Hergang aufrollen. Das, 1996 geschriebene Buch bezieht sich ausschließlich auf das Jahr 1952, in dem das beschriebene Mädchen zwölf Jahre alt war. Damit es die Tochter einmal besser haben würde, schickten die Eltern sie auf eine katholische Privatschule. Alles war auf Religion ausgerichtet. Die Wissensvermittlung war zweitrangig. Als Mädchen erschien ihr dies selbstverständlich. Erst beim Schreiben dieses Buches konnte sie die Situation besser einstufen. Die streng gläubige Mutter hatte unmittelbar nach dem Krieg eine Pilgerreise nach Lourdes gemacht; aus Dankbarkeit, dass sie ihre Familie heil über die Kriegsjahre gebracht hatte. Den nicht gläubigen Vater schickte sie mit der Tochter 1952 auf eine Busreise nach Lourdes. Das war die erste Reise, die sie aus ihrem engeren Umkreis hinausführte. Die Mitreisenden waren fast ausschließlich aus gesellschaftlich besser gestellten Kreisen. Die Beiden fühlten sich nicht sehr wohl. Natürlich war auch Scham dabei, die sie damals aber noch nicht so bezeichnete. Scham erfuhr sie erstmals bewusst, als sie von einem Schulausflug spätabends heimkam. Die Lehrerin begleitete sie wegen der späten Stunde nach Hause und die Mutter öffnete im Nachthemd. Die Mutter verwendete das Nachthemd auch zum Reinigen nach einem Toilettenbesuch, was dieses ekelig und schmutzig machte. Die Tochter schämte sich für die Mutter und lief schnell ins Haus. Von nun an war vieles mit Scham besetzt: das Pissoir am Hof, das Schlafzimmer gemeinsam mit den Eltern, betrunkene Gäste der Kneipe, Geldsorgen der Eltern und deren Arbeitervergangenheit. }, keywords = {1952, Frankreich, Mädchen}, pubstate = {published}, tppubtype = {mastersthesis} } @book{ERNAUX2023, title = {Die Jahre}, author = {Annie ERNAUX}, year = {2023}, date = {2023-01-04}, abstract = {ERNAUX, Annie: „Die Jahre“, Berlin 2022 Die Autorin beschreibt rückblickend ihr Leben und dessen Veränderungen. Es ist aber ein Spiegelbild der Generation, die noch während des Zweiten Weltkriegs zur Welt kamen. Menschen, die all die Veränderungen in den Nachkriegsjahren, der folgenden Konsumgeneration und Wohlstands miterlebten. Es ist ein Spiegelbild der französischen Gesellschaft und ist doch nicht das Leben der Autorin, sondern gilt für diese Generation. Auch in anderen europäischen Ländern verlief die Veränderung ähnlich und man fühlt sich bei vielen Punkten persönlich angesprochen. So wird noch von den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs, dem Wiederaufbau und der neuen Generation erzählt. Wie durch die Babypille das sexuelle Verhältnis sich änderte und Revolutionen, wie jene von 1968, die Gesellschaft anders machte. Auch die beschriebene Person wird anders als ihre Eltern und doch wieder in vielen Dingen konservativ: verheiratet, Kindererzieherin, Konsumorientiert. Die eigenen Kinder wurden Erwachsene. Sie waren im Wohlstand aufgewachsen und taten sich schwer von zu Hause auszuziehen. Als sie geschieden war, überlegte sie erstmals ein Buch über die Jahre von 1940 (Geburt) bis 1985 (Scheidung und wieder Alleinsein) zu schreiben. Als die Autorin sich der Gegenwart, den „Nullerjahren“ des 21. Jahrhunderts näherte, lief sie zu einem wahrlich literarischen Höhepunkt auf. Jetzt beschrieb sie die Zeit, in der sie gerade unmittelbar lebte und charakterisierte ihre Umgebung „nobelpreisträchtig“ genau und schön. Die Überflutung mit Information durch das Internet gibt aber kein Wissen wieder, das beim Leben hilft. Sie beklagt auch, dass zwar die Religion durch die Muslime zurück im Leben sei, aber der Rosenkranz, der Fisch am Freitag und Kirchenlieder der eigenen Religion verloren gingen. Als geschiedene Frau hat sie einen jungen Liebhaber, der ihr die Jugend nicht geben kann und ihr gleichzeitig ihr Alter nimmt. Es ist keine Biografie der Autorin geworden, sondern ein Stück Zeitgeschichte, das sie anhand einer Person beschrieb. „In dem, was sie als unpersönliche Autobiografie begreift, gibt es kein „ich“, sondern ein „man“ oder „wir“. (Seite 253) Sie empfand es selbst als Lust jetzt im Alter über das Leben zu schreiben. Ein großartiges Buch in nobelpreiswürdigem Niveau. Die Erzählung über einer Generation. }, keywords = {Frankreich, Nachkriegsgeneration, Nobelpreis}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{ERNAUX2023b, title = {Die Jahre}, author = {Annie ERNAUX}, year = {2023}, date = {2023-01-04}, urldate = {2023-01-04}, abstract = {ERNAUX, Annie: „Die Jahre“, Berlin 2022 Die Autorin beschreibt rückblickend ihr Leben und dessen Veränderungen. Es ist aber ein Spiegelbild der Generation, die noch während des Zweiten Weltkriegs zur Welt kamen. Menschen, die all die Veränderungen in den Nachkriegsjahren, der folgenden Konsumgeneration und Wohlstands miterlebten. Es ist ein Spiegelbild der französischen Gesellschaft und ist doch nicht das Leben der Autorin, sondern gilt für diese Generation. Auch in anderen europäischen Ländern verlief die Veränderung ähnlich und man fühlt sich bei vielen Punkten persönlich angesprochen. So wird noch von den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs, dem Wiederaufbau und der neuen Generation erzählt. Wie durch die Babypille das sexuelle Verhältnis sich änderte und Revolutionen, wie jene von 1968, die Gesellschaft anders machte. Auch die beschriebene Person wird anders als ihre Eltern und doch wieder in vielen Dingen konservativ: verheiratet, Kindererzieherin, Konsumorientiert. Die eigenen Kinder wurden Erwachsene. Sie waren im Wohlstand aufgewachsen und taten sich schwer von zu Hause auszuziehen. Als sie geschieden war, überlegte sie erstmals ein Buch über die Jahre von 1940 (Geburt) bis 1985 (Scheidung und wieder Alleinsein) zu schreiben. Als die Autorin sich der Gegenwart, den „Nullerjahren“ des 21. Jahrhunderts näherte, lief sie zu einem wahrlich literarischen Höhepunkt auf. Jetzt beschrieb sie die Zeit, in der sie gerade unmittelbar lebte und charakterisierte ihre Umgebung „nobelpreisträchtig“ genau und schön. Die Überflutung mit Information durch das Internet gibt aber kein Wissen wieder, das beim Leben hilft. Sie beklagt auch, dass zwar die Religion durch die Muslime zurück im Leben sei, aber der Rosenkranz, der Fisch am Freitag und Kirchenlieder der eigenen Religion verloren gingen. Als geschiedene Frau hat sie einen jungen Liebhaber, der ihr die Jugend nicht geben kann und ihr gleichzeitig ihr Alter nimmt. Es ist keine Biografie der Autorin geworden, sondern ein Stück Zeitgeschichte, das sie anhand einer Person beschrieb. „In dem, was sie als unpersönliche Autobiografie begreift, gibt es kein „ich“, sondern ein „man“ oder „wir“. (Seite 253) Sie empfand es selbst als Lust jetzt im Alter über das Leben zu schreiben. Ein großartiges Buch in nobelpreiswürdigem Niveau. 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So etwa der Pressesprecher des albanischen Premierministers, dessen Eltern einflussreiche Menschen in der Zeit der Diktatur Enver Hoxhas waren. Als diese Diktatur zu Ende ging begingen sie Selbstmord und der Bub wurde zum Waisen. In einem Kinderheim ist er dann aufgewachsen. Er war nur mit Buben zusammen, worauf er seine fehlende Erfahrung mit Frauen zurückführt. Homosexuell wurde er aber nicht. Nachdem das neue Regime zu Ende ging tauchte seine Tante auf und holte ihn aus dem Kinderheim. Sie erzog ihn, dass er auch zu einem Hochschulabschluss kam, aber Liebe oder Mütterlichkeit konnte sie ihm nicht bieten. So erfährt man auch von der Kindheit eines EU-Beamten, der in der Frühzeit der Solidarnosc im Untergrund aktiv war. Sein bester Freund aus dieser Zeit wurde Premierminister und verwarf alle Jugendtugenden. Enttäuscht musste der engagierte EU-Beamte das zur Kenntnis nehmen. Eigentlich wollte er sich revanchieren und den ehemaligen Freund bloßstellen. Diese detaillierten Beschreibungen waren dem Autor wichtig, wie er selbst sagte: „Der Erzähler aber zeigte nicht die Oberfläche, sondern setzte das Wesen ins Bild, hält nicht nur den Moment fest, sondern lasse ihn fließen, vom Grund zur Wirkung. Erst der Anspruch des Beschreibens habe das Unbeschreibliche zur Welt gebracht, während wir alles erzählen können, letztlich auch das Unbeschreibliche.“ (Seite 388) Der Helm des albanischen Führers Skanderbeg ist ein Faktor, der sich durch den ganzen Roman zieht. Er wird aus dem Wiener Museum gestohlen. Der albanische Premierminister ließ sich unabhängig vom Kunstraub eine Kopie erstellen, die er sich aufsetzen wollte und sich so zum Oberhaupt aller Albaner zu machen. Auch jenen, die im Kosovo, in Nordmazedonien und Montenegro leben. Da Albaniens Aufnahme in die EU von Frankreich beeinsprucht wurde, will er sein kleines (unbedeutendes) Land größer machen, indem er „Großalbanien“ ins Spiel bringt. Der Premierminister meinte „Mit diesem Helm betteln wir nicht mehr um den Beitritt in die Europäische Union, sondern überlegen kühl und sachlich, ob wir die EU in ein geeintes Albanien eintreten lassen.“ (Seite 317) Der Höhepunkt des Romans findet dann auf einem neuen Kreuzfahrtschiff, das Albanien in Betrieb nahm, statt. Es hatte den Namen SS Skanderbeg, nach dem Nationalheiligen Albaniens. Menasse klärt aber auch auf, dass es im Zweiten Weltkrieg in Albanien eine eigene SS-Einheit mit dem Namen Skanderbeg gab. „Im Kampf gegen die Jugoslawische Volksbefreiungsarmee, die Tito-Partisanen, war die Skanderbeg-Division nicht sehr erfolgreich.“ (Seite 171) Der Stapellauf des Schiffs fand zum Nationalfeiertag Albaniens statt. Eingeladen wurden auch Vertreter aus den Nachbarländern und aus der EU. Man hielt am Schiff eine Konferenz über die Integration der Balkanländer in die EU ab, obwohl einige Wochen später eine solche in Polen geplant war. Da Polen gegen eine EU-Erweiterung ist, hat man diese Konferenz vorgezogen, um positive Stimmung zu erzeugen. Die Jungfernfahrt fand also mit allen Spitzenpolitikern der Europäischen Union statt. Bis dahin fand ich es als sehr gutes Buch und wollte es schon Freunden zum Lesen empfehlen. Aber ab Seite 600 ändert es sich. Dann wird es chaotisch, abgehoben und irreal. Auch der Schreibstil ändert sich und wirkt wie ein Stakkato von kurzen Sätzen. Bei einem Kriminalroman nimmt man in der Beschreibung den Schluss nicht vorweg und so will ich es auch hier halten. Die Situation am Schiff eskaliert zu einer unvorstellbaren Form. Meiner Meinung leidet das Buch darunter. 50 Seiten machen die vorangegangenen 600 schlecht. Aber Menasse wollte mit diesem Stilwechsel und überhöhter Beschreibung die Situation der Europäischen Union kritisch beleuchten. Ein großartiges Buch, in dem man die letzten 50 Seiten akzeptieren muss. }, keywords = {Albanien, Europäische Union, Politik}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @booklet{BUCHINGER2022, title = {Gozzoburg Krems - Fragen und Antworten}, author = {Günther BUCHINGER}, editor = {Kulturamt der Stadt Krems}, year = {2022}, date = {2022-12-07}, urldate = {2022-12-07}, abstract = {Kulturamt der Stadt Krems (Hg): „Gozzoburg Krems“, Krems 2021 Die mittelalterliche Stadt Krems hatte am Hohen Markt einen Palast, den der damalige Stadtrichter Gozzo errichten ließ. In der Vergangenheit nahm man an, dass es sich um eine Burg handelt. Als solche wurde auch ein erstes Gebäude von den Kuenringern erbaut. Gozzo ließ aber alles umbauen und erweitern und schuf einen ansehnlichen Palast. Das vom heutigen Besitzer – der Stadtgemeinde Krems – herausgegebene Buch ist mit Fragen und deren Antworten aufgebaut. Die Titel der einzelnen Kapitel sind Fragen, die dann in der Folge von Experten beantwortet werden. Ein interessanter und unüblicher Aufbau eines Kunstführers. Der angesehene Bürger Gozzo war zum Großteil seines Lebens als Stadtrichter aktiv. Nach seinem Tod übernahm den Palast sein Sohn. Später ging er in den Besitz der Habsburger über. Im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Kaiser Friedrich III und dem ungarischen König Matthias Corvinus wurde auch Krems belagert. Die Stadt verteidigte sich tapfer und bekam als Dank viele Rechte, wie die Einhebung von Steuern. Unter Kaiser Maximilian I. kam es zu einer Teilung der Anlage. Im östlichen Teil war eine lutherische Schule untergebracht, die bald verboten wurde. Den anderen Teil erwarb der Stadtrichter. Im 17. Jahrhundert wurde die Stadt Besitzer. In einem Teil war bis ins 19. Jahrhundert – mit vielen Umbauten – eine Bierbrauerei eingerichtet. In einem anderen Teil eine Fleischerei. Vieles wurde im 19. Jahrhundert zerstört, als das Gebäude in privaten Besitz kam und zu einem Wohnhaus umgebaut wurde. So wurde etwa in der Kapelle eine Zwischendecke eingezogen, um zwei Wohngeschosse zu gewinnen. Die Wandmalereien der Kapelle wurden dabei zerstört. Erst in den 50er Jahren des 20. Jahrhundert begann man mit der Renovierung, die bis in die 60er Jahre dauerte. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurden die beiden Gebäudekomplexe wieder zusammengeführt und einer Generalsanierung unterzogen. Heute beherbergt die Gozzoburg neben einem Gasthaus das Bundesdenkmalamt für Niederösterreich und einen Teil der Fachhochschule IMC Krems. }, month = {12}, keywords = {Gozzoburg, Krems an der Donau, Palastbau}, pubstate = {published}, tppubtype = {booklet} } @book{ERNAUX2022b, title = {Der Platz}, author = {Annie ERNAUX}, year = {2022}, date = {2022-12-05}, urldate = {2022-12-05}, abstract = {ERNAUX, Annie: „Der Platz“, Berlin 2022 Die Nobelpreisträgerin erzählt in diesem Buch vom Leben ihrer Großeltern und Eltern. Ein Leben, wie es auch in Österreich oder einem anderen Land sein hätte können. So gesehen war die Welt schon früher global. Es beginnt mit dem Tod des Vaters. Wie er stirbt, welchen Eindruck der Gestorbene auf die Autorin machte und wie er dann für das Begräbnis gewaschen und gekleidet wird. Verwandte reisen an und bald geht das Alltagsleben weiter und die Mutter steht allein im eigenen Geschäft. Annie Ernaux ist als Arbeiterkind aufgewachsen und durfte – weil die Eltern wollten, dass es dem Kind einmal besser gehe – studieren. Der Vater verstand das nicht mehr. Mit autobiografischen Romanen und Erzählungen wurde sie berühmt und bekam letztlich 2022 den Nobelpreis. Der vorliegende Roman „Der Platz“ war der erste, der ausschließlich aus ihrem eigenen Leben handelte. Sie wollte einen Roman über ihren Vater schreiben und nahm sich des Themas sehr vorsichtig an. „Ich schreibe langsam. Bei dem Versuch, die bedeutsamen Etappen eines Lebens freizulegen, das Zusammenspiel aus Gegebenheiten und Entscheidungen, habe ich den Eindruck, dass mir die Einzigartigkeit meines Vaters mehr und mehr abhandenkommt.“ (Seite 37/38) Die Beschreibung des Vaters beginnt aus der Sicht des Kindes und wie sie sich selbst dann aus dem Milieu der Eltern wegentwickelte und so den Vater aus einem anderen Blickwinkel sah. Mit dem Tod des Vaters beginnt das Buch und mit dem Begräbnis endet es. Dazwischen ist sein Leben direkt und indirekt beschrieben. Der Titel „Der Platz“ bezieht sich nicht auf eine physische Stelle, sondern auf die Position, die der Vater in seinem Leben einnahm. Respekt vor den Intellektuellen und Reichen. „Oberste Regel: Dem kritischen Blick der anderen zuvorkommen, durch Höflichkeit, durch die Abwesenheit einer eigenen Meinung, für ein feines Gespür der Launen der anderen, die einen treffen könnten.“ (Seite 51) Er war gegenüber neumodischen Dingen skeptisch und verstand nicht, warum man ständig „sicher nicht“ sagte und „warum man zwei Wörter kombinierte, die einander widersprachen.“ (Seite 53) Auch wenn eine Geschichte wie diese autobiografisch, also aus dem Leben der Autorin geschrieben ist, kann man als Leser viel Allgemeines und vielleicht sogar selbst Erlebtes herauslesen. }, keywords = {Arbeitermilieu, Frankreich, Nobelpreisträgerin}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @booklet{Kohlenberger2022, title = {Die Couragierten. Über die transformative Kraft der Zivilgesellschft}, author = {Judith Kohlenberger}, editor = {GlobArt}, year = {2022}, date = {2022-12-01}, urldate = {2022-12-01}, abstract = {KOHLENBERGER, Judith: „Die Couragierten. Über die transformative Kraft der Zivilgesellschaft“, Wien 2022 Der Herausgeber dieser kleinen Broschüre ist GlobArt. Wikipedia definiert GlobArt als „eine Denkfabrik in Wien. Der Verein befasst sich mit Zukunftsthemen. Prominenten Künstlern und Philosophen wird eine Plattform geboten, um mit Referenten aus Wissenschaft und Wirtschaft in einen Diskurs zu treten und gesellschaftsrelevante Themen zu diskutieren.“ Selbst nennt sich GlobArt nicht „Denkfabrik“. Sie sind es einfach. Sie brauchen sich nicht den Namen „Denkfabrik“ zu geben. Viel verbindet mich mit GlobArt. Schon vor seiner Gründung kontaktierte mich der damalige Abt von Geras an der Donau-Universität und lud mich zu einem Austausch ein. Lange Jahre war ich dann im Vorstand. Die letzten Jahre habe ich den Kontakt verloren, die Generalsekretärin und Freundin Heide Dobner, informiert mich aber regelmäßig und so bekam ich diese Broschüre. Sie zeigt wieder das Vordenkertum des Vereins. Die Autorin Judith Kohlenberger ist Migrationsforscherin an der Wirtschafts-Universität Wien. Sie beleuchtet sehr anschaulich wie wichtig die Zivilgesellschaft und mutige Menschen sind. Untermauert mit guter Literatur wendet sie sich dem Thema mit einem persönlichen Geständnis zu: „Ich bin einer der ängstlichen Menschen, die ich kenne. Ich habe Angst vor Krankheiten (sehr gemütlich während einer Pandemie), vor langen Reisen, vor bösen Menschen, vor Schmerzen und Trägheit, vor schlaflosen Nächten, vor Einsamkeit, vorm Zahnarzt und seinen Gerätschaften, vor Übergewicht, Pickel und Haarausfall, vor Nachtfaltern, die sich in Innenräumen verirren und nicht mehr hinausfinden, vor dem Versagen und Scheitern, vor dem Tod geliebter Menschen.“ (Seite 9/10) Unsere Leistungsgesellschaft ist aber nicht dafür angelegt, dass man seine Ängste artikuliert und kommuniziert. In Zeiten mit Krieg, Teuerung, Seuchen und Flucht, trauen sich die Menschen aber doch mehr zu ihren Ängsten zu stehen. Trotz allem sehen Millionen von Menschen eine Zukunft und fordern Veränderung. Es sind die Couragierten, die sich öffentlich engagieren. Sie sind nicht Teil der Machtträger und trotzdem haben sie als Angehörige der Zivilgesellschaft Einfluss. Aus der Geschichte lernend kann man feststellen, dass nur friedliche Proteste Erfolg haben. Digitale Medien verändern die Gesellschaft sowohl zum Guten als auch zum Schlechten. Sie erzeugen aber auch eine größere Distanz zum Nächsten. Die letzten Jahre der Corona-Pandemie haben die Risse in der Gesellschaft verstärkt zum Vorschein gebracht. „Couragiertsein“ ist das Gegenteil von Furchtlosigkeit. Couragierte agieren, weil sie sich fürchten. GlobArt und die Autorin zeigen damit die heute in Gang gesetzte Zeitenwende für die Zivilgesellschaft mit Platz für Neuem auf. }, month = {12}, keywords = {Couragierte, Zivilgesellschaft}, pubstate = {published}, tppubtype = {booklet} } @book{HESSE2022, title = {Narziss und Goldmund}, author = {Hermann HESSE}, year = {2022}, date = {2022-11-29}, urldate = {2022-11-29}, abstract = {HESSE, Hermann: „Narziss und Goldmund“, Baden Baden 1989 Manchmal gibt es einen Anlass, ein schon vor langer Zeit gelesenes Buch wieder aus dem Regal zu nehmen und erneut zu lesen. Mit anderem Zugang, anders als vor einigen Jahrzehnten. Der Anlass für das Wiederlesen des Buches „Narziss und Goldmund“ war eine ausgezeichnete Verfilmung dieses Romans. Obwohl ein Film nicht vergleichbar mit einem Buch ist. Ein Film ist eben anders als ein Buch. Aber die Idee dahinter ist dieselbe. Da ist der junge zielstrebige Kleriker und Mönch Narziss, der schon als Schüler zum Lehrer wird. Dann tritt ein junger Mann ins Kloster ein. Der Vater bringt ihn, weil ihm seine Ehefrau, die Mutter des Knaben abhandengekommen ist. Sie hat Schuld auf sich geladen und der Vater denkt, dass diese Schuld getilgt werden kann, wenn der Sohn Mönch wird. Das Leben dieser beiden jungen Männer - Narziss und Goldmund - kreuzt sich, Sie werden Freunde, obwohl sie grundverschieden waren. Narziss hat die Gabe Menschen sehr gut analysieren zu können. So erkennt er das Andersartige in Goldmund, akzeptiert und schätzt es. Mit seinen analytischen Kenntnissen bringt er ihn vom Weg, selbst Mönch zu werden ab. Die Freundschaft, die nur eine temporäre war, ging zu Ende und beide gingen ihre eigenen Wege. Narziss jenen des Intellektuellen, des Klostermenschen und Goldmund zog es in die Welt hinaus. Mit vielen Frauen schläft er. Er ist vogelfrei. Im Winter kommt er zu einem Ritter, der seine Schreibkunst schätzt und ihn zum Niederschreiben seines Lebens engagiert. Er hat zwei Töchter. In eine verliebt er sich. Die zweite erfährt von diesem Verhältnis und die Geliebte informiert den Vater, der Goldmund vertreibt. Er ist wieder allein unterwegs. Es ist Winter. Die Geliebte hatte ihm einen Reiter mit wärmender Jacke und einem Goldstück nachgeschickt. Er machte Bekanntschaft mit einem Wanderprediger, der sich mit fatalen Tricks durchs Leben schlug. In einer Nacht wollte dieser ihn bestehlen. In der Verteidigung töte er ihn. Schuld auf sich geladen lief er wirr durch die Gegend. In einem Dorf fand man ihn bewusstlos. Eine Frau, mit der er auch geschlafen hatte, brachte ihn in einem Stall in Sicherheit und päppelte ihn wieder auf. In seinen Wanderjahren traf er auf verschiedenste Menschen. Zwei Mal begleitete ihn ein Mann. Den ersten – er wollte ihn bestehlen – erdrosselte er und schlug so Schuld auf sich. Die Pest war ausgebrochen. Ganze Städte waren ausgestorben. Häuser standen leer. Menschen lagen, ohne begraben zu werden und verwesten. Einerseits gab es viel zum Stehlen. Kühe standen ungemolken auf der Wiese, weil alle Mitglieder des Bauern verstorben waren. Mit einem Mädchen und einem Pilger bezog er im Wald eine Hütte. Sie bauten sich ein Zuhause auf. Ein Mann vergewaltigte seine Liebschaft. Er hörte ihre Hilferufe und brachte den Mann um. Sein zweiter Mord. Letztlich erkrankte die Geliebte an der Pest. Als sie gestorben war, zündete er die Hütte mit ihrem Leichnam an und begab sich wieder auf Wanderschaft. Diesmal war das Ziel sein ehemaliger Meister. Am Weg wieder viele leere Ort. Die Pest hat viele Menschenleben gekostet. Enttäuscht musste er, am Ziel angekommen, feststellen, dass sein Meister verstorben war. Die Tochter hatte Pest. Er pflegte sie. Er starb und die Tochter überlebte. Unfreundlich wurde er abgewiesen. Die Werkstatt war geschlossen. In der Stadt erkannte ihn aber die Tochter seines ehemaligen Zimmervermieters. Enttäuscht suche er eine Kirche auf und wollte beichten, aber alle Priester waren verstorben oder abgezogen und geflüchtet. So kniete er vor einem leeren Beichtstuhl bekannte seine Schuld. In dieser Formulierung sieht man auch die Größe des Dichters Hermann Hesse. Ein alter Text, der noch heute seine Wirkung hat: „Ich komme aus der Welt zurück und bin ein schlechter und unnützer Mensch geworden, ich habe meine jungen Jahre vertan wie ein Verschwender, wenig ist übriggeblieben. Ich habe getötet, ich habe gestohlen, ich habe gehurt, ich bin müßig gegangen und habe anderen das Brot weggegessen. Lieber Gott, warum hast du uns so geschaffen, warum führst du uns solche Wege? Sind wir nicht deine Kinder? Ist nicht dein Sohn für uns gestorben? Gibt es nicht Heilige und Engel uns zu leiten? Oder sind das alles hübsche erfundene Geschichten, die man den Kindern erzählt und über die die Pfaffen selber lachen? Ich bin irr an dir geworden, Gottvater, du hast die Welt übel geschaffen, schlecht hältst du sie in Ordnung. Ich habe Häuser und Gassen voll von Toten liegen sehen, ich habe gesehen, wie die Reichen sich in ihren Häusern verschanzt haben oder geflohen sind und wie die Armen ihre Brüder unbegraben haben liegenlassen, wie sie einer dem anderen verdächtigt und die Juden wie Vieh totgeschlagen haben. Ich habe so viele Unschuldige leiden und untergehen sehen und so viel Böse im Wohlleben schwimmen. Hast du uns denn ganz vergessen und verlassen, ist dir deine Schöpfung ganz entleidet, willst du uns alle zugrunde gehen lassen?“ (Seite 303) }, keywords = {Freundschaft, Theologie, Wissenschaft}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{STREERUWITZ2022, title = {Partygirl}, author = {Marlene STREERUWITZ}, year = {2022}, date = {2022-11-21}, urldate = {2022-11-21}, abstract = {STREERUWITZ, Marlene: „Partygirl“, Frankfurt 2011 Mehrmals habe ich dieses Buch zur Hand genommen, um mit dem Lesen zu beginnen. Immer wieder habe ich es wieder weggelegt. Es war schwierig der Erzählung zu folgen. Ein eigenartiger Schreibstil. Manche Sätze bestehen nur aus zwei Wörtern. Alles wirkt beim Lesen sehr abgehackt. Sehr detailgenau werden Eindrücke und Erlebnisse erzählt. Letztlich habe ich es aber doch geschafft. Die Hauptfigur des Romans ist Madeline. Ihr Leben wird auf einer umgekehrten Zeitachse erzählt. Das Buch beginnt in Chicago im Jahr 2000. Madeline arbeitet in einem Kleiderreinigungsgeschäft. Dann springt die Erzählung zurück ins Jahr 1997, wo sich Madeline mit Freunden in Havanna befindet, um dann 1994 aus Berlin zu berichten. 1989 ist Madeline in Santa Barbara in Kalifornien unterwegs. Durch intensives in die Sonne Schauen verliert sie kurzfristig ihr Sehvermögen. Die Freunde sind besorgt und versuchen sie wieder zu heilen. 1984 ist sie in Kreta. Sie wollte einige Wochen ausspannen und Urlaub machen, wurde aber mit der machoistischen Gepflogenheit der Männer konfrontiert. Es kam zu einer Vergewaltigung. Das Kapitel aus dem Jahr 1981 spielt in Arezzo im Ferienhaus eines Freundes. Sie ist die einzige Frau und muss sich mit dem fremden Verhalten der Männer zurechtfinden. Es ist eine Männergruppe aus Wien, die aus besseren Kreisen stammt und die sich im Urlaub in Italien ausgelassen geben. Es geht dann auf der Zeitachse weiter zurück ins Jahr 1976. Die Geschichte spielt in Wien. Das Nachtleben in verschiedenen Bars. Männer versuchen sie zu verführen. Sie flieht aus einem Auto und fährt mit dem Taxi heim. Und dann dreht die Autorin die Zeit nochmals zurück. Auf das Jahr 1973. Es spielt wieder in Wien. Madeline hat eine Wohnung mit ihrem Bruder in Wien im Zentrum. Sie ist von ihren Eltern weggezogen. Hat sich selbstständig gemacht. „Dass sie unbekannt war. Und sie hat sich das gewünscht. Weg von Baden. Weg aus diesem vertratschten Kaff.“ (Seite 229) Es ist die Zeit der Ölkrise. Energie war teuer. Die Wohnung schlecht geheizt. Sie hat eine Therapeutin. „Die verschrieb Emanzipation wir Schnupfentropfen. Wollte einen in die Emanzipation loswerden.“ (Seite 235) Warum sie eine Therapie bekam, konnte man als Leser nicht feststellen, weil die Geschichte ja gegen die Zeit läuft. 1968 geht auf eine Periode in Baden zurück. Es spielt im Elternhaus, einer alten Villa. Die Mutter von Madeline ist schwer krank. Ein Arzt, der Onkel, behandelt sie. Er will die Tochter, die ihre Mutter pflegt auf andere Gedanken bringen und fährt mit ihr in einen Nachtklub. Der Onkel meinte „Sie müsse aus dem Haus. Wahrscheinlich sei sie seit Wochen nicht aus dem Haus gewesen.“ (Seite 269) Madelines Bruder Rick sei bei Grabungen in Kleinasien, und so fiele die Betreuung der Mutter ihr zu. Der Onkel wollte im Restaurant mit ihr anbandeln. Sie bestand darauf heimgeführt zu werden. Der Mutter könnte etwas passieren. Als sie zum Haus kommen, sind alle Fenster beleuchtet, in jedem Raum das Licht aufgedreht. In der Küche findet sie einen Zettel: der Bruder war unangekündigt hier und habe alle Lichter aufgedreht. Im nächsten Kapitel – es ist das Jahr 1965 – ist Madeline als junge Frau auf einem Sprachkurs in der italienischen Stadt Perugia. Ihr Bruder war auch da. Sie vereinbarten ein Treffen, aber er kam nicht. Ein Freund des Bruders holte sie ab. Im angegebenen Treffpunkt ist der Bruder nicht. Sie fahren weiter. Auch dort nicht. Ein anderer Freund übernimmt sie. Sie kommt in eine andere Gesellschaft. Eine Frau aus der Runde bringt sie in ein Zimmer, wo ein Mann mit einer Hure Geschlechtsverkehr hat. Die junge Frau Madeline flüchtet. Die Erzählung geht weiter zurück ins Jahr 1960 und wieder nach Wien. Madeline besucht ihre Tante Lilly in Wien. Ihre Monatsregel auf der Fahrt im Bus wird ausführlich beschrieben. Die Tante erwartet, dass Madeline während ihres bevorstehenden Studiums bei ihr wohnt. Sie aber sagt ab. Und die Zeit dreht sich weiter auf das Jahr 1957 in Baden zurück. Sie geht in die Maturaklasse und ist eine schlechte Schülerin. Rick half ihr in Latein. Im Bad wartete sie auf ihn. Ihn, den sie liebte. Das Buch endet mit dem Jahr 1950. Madeline macht die Aufnahmeprüfung in die Mittelschule. Die anderen Bewerberinnen wurden von ihren Eltern begleitet. Madeline war allein und sie wurde auch als letzte im Klassenzimmer vergessen. Als man sie dann fand, war die Direktorin und die Lehrer sehr freundlich zu ihr. Sie wurde aufgenommen. Die einzelnen Kapitel sind Stationen im Leben von Madeline. Man muss sich als Leser aus diesen Momentaufnahmen die Gesamtheit des Lebens der Frau zusammendenken, praktisch von vorne nach hinten durcharbeiten. Das der rote Faden eine inzestuöse Beziehung zu Madelines Bruder sein soll ist nur schwer herauszulesen. }, keywords = {Baden, Italien, Junge Frau, Wien}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{ERNAUX2022, title = {Das andere Mädchen}, author = {Annie ERNAUX}, year = {2022}, date = {2022-11-08}, urldate = {2022-11-08}, abstract = {ERNAUX, Annie: „Das andere Mädchen“, Berlin 2022 Annie Ernaux hat heuer – 2022 – den Nobelpreis für Literatur bekommen. Das regte mich an ein Buch von ihr, das lieferbar war, zu lesen (nach einer Nobelpreisverleihung sind die Bücher der Preisträger schnell vergriffen). Beim „anderen Mädchen“ handelt es sich um eine Schwester der Erzählerin. Eine Schwester, die einige Jahre vor ihrer Geburt verstorben war. „Bei meiner Geburt warst du schon zweieinhalb Jahre tot. Du bist das Kind im Himmel, das unsichtbare kleine Mädchen, über das nie geredet wurde, die Abwesende aller Gespräche. Das Geheimnis.“ (Seite 14) Sie wusste nichts von ihrer Schwester. Erst bei einem Gespräch ihrer Mutter mit einer Kundin hörte sie davon. Sie war nur „der Ersatz“ für die verstorbene Schwester. „Ich wurde geboren, weil du gestorben warst, ich habe dich ersetzt.“ (Seite 57) Die Schwester hatte denselben Namen wie sie. Die Verstorbene wurde geliebt. Liebe – so hat sie das Gefühl – ist bei ihr, der Lebenden, nicht angebracht. Im Alter besucht sie das Grab und schreibt diesen „Brief“ in Buchform an die unbekannte, verstorbene Schwester. Am Ende des Buches wendet sie sich direkt an die Verstorbene: „Selbstverständlich ist dieses Buch nicht an dich gerichtet, und du wirst ihn nicht lesen. Andere Menschen, Leserinnen und Leser, die beim Schreiben für mich genauso unsichtbar sind wie du, werden ihn in den Händen halten. Trotzdem gibt es in mir einen Rest magischen Denkens, und so stelle ich mir vor, er könnte dich auf irgendeinem verschlungenen Weg erreichen…“ }, keywords = {Frankreich, Nobelpreisträgerin, Schwester}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{KIM2022b, title = {Die grosse Heimkehr}, author = {Anna KIM}, year = {2022}, date = {2022-11-07}, urldate = {2022-11-07}, abstract = {KIM, Anna: „Die grosse Heimkehr“, Berlin 2017 Anna Kim, die in Südkorea geboren wurde und mit 2 Jahren nach Deutschland beziehungsweise mit 5 Jahren nach Wien kam, ist eine Schriftstellerin, die viel Abwechslung bietet. In ihrem letzten Roman „Geschichte eines Kindes“ hadert sie noch mit sich selbst, zu welchem Kulturkreis sie gehöre. Dem Aussehen nach zur asiatischen, in der Art des Denkens aber zur europäischen Kultur. Im Roman der „großen Heimkehr“ zeigt sie sich aber koreanisch und bietet viel Wissen und Informationen der jüngeren Vergangenheit des Landes an. Das Wissen schöpft sie aus vielen Gesprächen mit dem Koreaner Yunho. Er blickt zurück auf seine Erlebnisse mit den Veränderungen Koreas. Die Autorin des vorliegenden Buchs schreibt mit Personen, Proponenten des Romans, die Geschichte Koreas. Es ist ein historischer Roman, der gespickt ist mit Spionagegeschichten und der Erzählung politischer Ereignisse. Es geht um die Teilung in Nord- und Südkorea, wie sich die Großmächte Sowjetunion und USA ihre Einflussbereiche teilten und die ehemaligen Besatzer, die Japaner vertrieben. Diktatur herrschte aber auf beiden Seiten der neu gezogenen Grenze. Zu Beginn mehr im Süden des Landes. Erst mit fortschreitender Regentschaft von Kim Il Sung und seiner Nachfolger verschärfte sich die Diktatur und im Süden wechselte sie zu Demokratie. Die drei Hauptakteure des Romans sind Johnny Kim, Eve Moon und der Erzähler Yunho Kang. Im April 1969 müssen sie vor der, unter dem Schutz der Regierung stehenden antikommunistischen, paramilitärischen Schlägertruppe nach Japan flüchten. Sie geben sich als Geschwister aus und tauchen in einem koreanischen Exilviertel Japans unter. Nordkorea, das sich als das „wahre“ Korea ansieht bietet koreanischen Asylanten in Japan die Rückkehr an. 90.000 folgen dem Aufruf. Im Vergleich dazu verließen 1945 500.000 Menschen den Norden, um in Südkorea einen neuen Anfang zu schaffen. Viele haben ihre Heimat und ihr Glück auch in Nordkorea gefunden, aber viele wurden ausgenutzt, verfolgt und vernichtet. Johnny nimmt von dieser Heimkehr Gebrauch und verschwindet mit der Tochter eines exilkoreanischen, in Japan etablierten Geschäftsmanns. Der Erzähler hat von ihm nie mehr etwas gehört. Auch die vereinbarten Geheimbotschaften, die Zensur überstehen sollten, kamen nicht. Eve, die er liebte und die ihn später verraten hatte und sich als Spionin entpuppte, traf er in Soul, wo er in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts zurückgekehrt war, wieder. Sie war mit einem Amerikaner verheiratet und übersiedelte in die USA. Von seinen Freunden, die nach Nordkorea gingen und das Heimkehr-Angebot annahmen hofft er das beste: „Er zieht es vor, zu glauben, dass er, Tomoko, Eiko und Yunsu einander trafen und halfen, über Hungersnöte, Dürreperioden und Überschwemmungen hinweg, dass sie ein glückliches Leben führen und noch immer führen.“ (Seite 552) Aber auch der Erzähler, Yunho, hatte keine leichte Heimkehr nach Südkorea. Auch in seiner Heimat musste er untertauchen, um nicht verfolgt zu werden. Nach verschiedenen Aushilfsarbeiten, mit denen er sich über Wasser hielt, ging er in ein Leprakrankenzentrum, wo niemand hineinwollte, er aber sicher war. Mit den Geheilten wurden Farmen aufgebaut. Erst 1975 verließ er das Lepradorf. Für den Erzähler war es ein Loslassen der Vergangenheit und die Autorin Anna Kim machte daraus einen sehr lesenswerten Roman, der nicht nur spannend ist, sondern Leute aus dem Westen in die historischen Verhältnisse dieser asiatischen Region einführt. }, keywords = {Japan, Korea, Nordkorea, Sowjetunion, Südkorea, USA}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{KIM2022, title = {Geschichte eines Kindes}, author = {Anna KIM}, year = {2022}, date = {2022-10-31}, urldate = {2022-10-31}, abstract = {KIM, Anna: „Geschichte eines Kindes“, Berlin 2022 „Als Autorin werden mir von Zeit zu Zeit Geschichten geschenkt. Geschichten, die mehr sind als Geschichten, Geschichten, die Welten in sich tragen.“ So beschreibt die Autorin das vorliegende Buch in ihrer Einleitung. Sie sieht es als ein „äußerst kostbares Geschenk“, solche Texte zu bekommen und sie fühlt sich auch verpflichtet damit verantwortungsvoll und respektvoll umzugehen. Im ersten Kapitel erzählt sie dann, dass sie 2013 ein Semester als „Writer in Residence“ im mittleren Westen der USA verbrachte. Mit der ihr angebotenen Gästewohnung der Universität war sie unzufrieden und übersiedelte in ein Zimmer einer alten Dame, von der sie die Protokolle aus der Kindheit ihres Mannes bekam. Der Ehemann dieser Frau war ein weggelegtes Kind. Seine junge Mutter gab das Kind zur Adoption frei. Da sich aber herausstellte, dass es eventuell einen „colored“ Vater hatte und die Mutter nicht bereit war den Namen des Mannes zu nennen, wurde die Adoption beziehungsweise das Sorgerecht für das Kind sehr kompliziert. Experten arbeiteten an einer rassistischen Zuordnung, die aus heutiger Sicht befremdend wirkt. „Daniel hat nun eine leichte Trichternase, sie ist etwas breiter und derber im Vergleich zu unserer Nase. Die Obernase ist jedoch dabei, sich zu erheben. An ihr ist gut erkennbar, dass es sich bei ihm um ein Rassengemisch handelt – sein Gesicht erinnert an unseres, obwohl noch Primitives darin zu spüren ist.“ (Seite53) Für Adoptiv- oder Pflegeeltern ist es ein Hindernis, ein andersfärbiges Kind anzunehmen. So wird etwa bei einem interessierten Pflegeelternpaar vermerkt: „Ein farbiges Kind sei ein Risiko: Walt, der in einer Stadtverwaltung arbeite, habe einen Ruf zu verlieren. Es würde viel Gerede um Daniel (dem Baby) geben.“ (Seite 58) Selbst die katholische Einrichtung fand es „unverantwortlich, ein herrenloses Kind in eine bestehende, gesunde Familie zu bringen.“ (Seite 62) Die Verschiedenheit im Aussehen ruft auch bei der Autorin, deren Mutter Asiatin und der Vater Europäer ist, viel Nachdenkliches hervor, dem sie im Text Platz einräumt. Eine aus Wien stammende Sozialarbeiterin war mit der Betreuung des Mischling-Babys verantwortlich. Bis zur Klärung der Vaterschaft blieb es in der Obhut eines kirchlichen Hauses. Die junge Sozialarbeiterin arbeitete sehr genau und dokumentierte alles. Als Kim die Protokolle bekommt, ist der 1953 geborene Mann allerdings ein Pflegefall geworden. Anna Kim arbeitete sich durch die übergebenen Unterlagen, führte viele Gespräche und fand in Wien die Tochter der ehemaligen Sozialarbeiterin. Aus all dem Material wurde dieses sehr spannende Buch zusammengestellt. Es zeigte auch, dass die Rasse eines Menschen in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts nicht nur unter den Nationalsozialisten Deutschlands wichtig war, sondern auch im so freien Amerika. Im Buch sind die Texte der Protokolle unverändert abgedruckt. Sie geben dadurch einen Einblick in die Denkweise der damaligen Zeit. In Amerika wurden andere Rassen – wie in Deutschland die Juden – nicht ermordet, aber doch gemieden. Normalerweise ist die Zeit eines „Writers in Residence“ dazu da, um ungestört an einem Manuskript zu arbeiten. Anna Kim kam aber mit viel neuem Material aus ihrem USA Aufenthalt zurück und letztlich entstand dieses Buch. Ein Zeitzeugnis, das sich über zwei Kontinente erstreckt. Ob man sich dieses wertvollen Ergebnisses auch im Gastgeberland bewusst ist ? }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{BULGAKOW2022, title = {Der Meister und Margarita}, author = {Michail BULGAKOW}, year = {2022}, date = {2022-10-28}, urldate = {2022-10-28}, abstract = {BULGAKOW, Michail: „Der Meister und Margarita“, München 2021 Nachdem ich das Buch gelesen hatte, war meine erste Reaktion „Ein verrückter Roman“. Dem folgte aber die zweite Reaktion mit „Grandios verrückt“. Es geht hier einerseits um verrückt gewordene Menschen, die aber andererseits im Rahmen einer Diktatur, wie sie eben unter Stalin war, eine gesellschaftliche Situation auszudrücken versuchten. Moskau wurde vom Teufel heimgesucht. Mit Gehilfen treibt er sein Unwesen. Menschen sterben, werden verführt. Mit Zaubertricks stürzt er die Gesellschaft ins Chaos. So wird das Leben in der Stadt Moskau der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts geschildert. Bulgakow setzt sich aber auch mit „Gut“ und „Böse“, „Gott“ und „Teufel“ und „Leben“ und „Tod“ auseinander. „Was würde das Gute anfangen, wenn es das Böse nicht gäbe? Wie würde die Erde aussehen, wenn die Schatten von ihr verschwänden? Es sind schließlich Dinge und Menschen, die Schatten werfen. … Willst du die ganze Erde verwüsten, alles Grün und alles Leben von ihr reißen, weil du die Grille hast, reines Licht zu genießen? Dumm bist du.“ (Seite 499/500) Einer der Proponenten ist ein junger Dichter, der einen Roman über die letzten Tage von Pontius Pilatus und seiner Auseinandersetzung mit Jesus, den er verurteilt hatte, schrieb. In verschiedenen Kapiteln des Buches scheint diese Erzählung auf. Und damit stellt er auch den Bezug zwischen den Moskauer Bürgern und Pontius Pilatus her: es ist die Feigheit sich aufzulehnen und nicht systemkonform zu handeln. Zum Schluss gehen sie alle in die „ewigen Jagdgründe“ ein. Sowohl Pilatus als auch die Hauptproponenten des Teufels gehen in das „ewige Haus“. Bulgakow ist wohl der berühmteste russische Dichter des 20. Jahrhunderts, wenngleich er erst nach seinem Tod weit verbreitet wurde. Er hatte Probleme mit der Diktatur und Stalin. Eigentlich war er ausgebildeter Arzt, quittierte diesen Beruf aber, um nicht in den Krieg (Erster Weltkrieg) einrücken zu müssen. 1920 wurde er Schriftsteller. Der in Kiew geborene Russe zieht nach Moskau, wo er auch sein ganzes Leben wegen Reiseeinschränkungen lebte. Am Roman „Der Meister und Margarita“ schrieb er zwölf Jahre. Es gab verschiedenste Fassungen. Erst nach seinem Tod (er starb 1940) erschien 1966 eine erste, von der Zensur stark verkürzte Version. Die erste unzensurierte Version erschien 1973 und erst in den 1990er Jahren kamen es zu einer millionenfachen Auflage. Im „Nachtrag“ gesteht die Übersetzerin, dass sie ohne dieses Buch nicht existieren würde. Ihr Vater hatte sich bei einer Frau, die später ihre Mutter wurde, das Buch ausgeborgt … }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SCHOLL2022, title = {Omas Bankraub}, author = {Susanne SCHOLL}, year = {2022}, date = {2022-10-17}, abstract = {SCHOLL, Susanne: „Omas Bankraub“, Salzburg Wien 2022 Susanne Scholl ist eine eifrige Schreiberin. Meine private Datenbank meldet, dass ich zehn Bücher von ihr habe. Ich versuche Neuerscheinung möglichst schnell zu bekommen. So auch dieses Buch, dass sich im Stil doch etwas von den neun Vorgängern, die ich bisher gelesen habe, unterscheidet. Das Buch baut primär auf Dialogen der handelnden Personen auf. Diese erzählen sich gegenseitig ihre Geschichten. Die Proponenten sind vier ältere Frauen, die sich regelmässig treffen und auch gegenseitig aushelfen. Sie kommen aus unterschiedlichen sozialen Gesellschaftsschichten. Eine ist eine pensionierte Volksschullehrerin, eine (erfolglose) Musikerin, eine Krankenschwester und die Hauptperson Anna, die eine, unter chronischem Geldmangel leidende Pensionistin aus gutbürgerlichem Haus ist. Was alle vereint ist, dass sie zu wenig Geld haben. Sie wollen das gemeinsam lösen und versuchen es auf verschiedene Weise. Sie veranstalteten einen privaten Flohmarkt, der nichts einbrachte. Dann boten sie Kurse für Kochen, Tanzen und Malen an. Auch das war wirtschaftlich kein Erfolg. Letztlich verfielen sie auf die Idee eine Bank zu überfallen. Laienhaft – fast wie in einem Kabarett – wird der Cup vorbereitet, den sie dann selbst abbrechen. Letztlichen leben alle mit ihrem „zu wenig Geld“ weiter und sorgen sich um die Kinder, Enkelkinder und andere. Es ist ein einfacher Roman, der aber vom Konstrukt und vom Aufbau interessant ist. Vier ältere Frauen, die sich einerseits Gedanken und Überlegungen machen, wie sie zu Geld – von dem sie alle zu wenig haben - kommen können und andererseits sorgen sie sich um Dinge, auf die sie keinen Einfluss mehr haben. }, keywords = {Altersarmut, Pensionist, Sorgen}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{GRILL2022, title = {Der Nachlass}, author = {Evelyn GRILL}, year = {2022}, date = {2022-10-13}, abstract = {GRILL, Evelyn: „Der Nachlass“, Salzburg Wien 2022 Eine „alte Frau“ – im Romantext wird sie auch so anonym bezeichnet - erzählt aus ihrem Leben allein und während der COVID19 Pandemie. Sie ist eine alte Frau, die „nicht mehr weiß, ob sie sich jetzt in der Außen- oder in ihrer Innenwelt befindet.“ (Seite 8) Verordnungen sagen, dass sie als alter Mensch geschützt werden muss. Nicht verstehen kann sie, warum gerade alte Menschen als vulnerabel bezeichnet werden. Die jüngeren, die noch im Arbeitsprozess stehen, sind doch die wichtigeren einer Gesellschaft. Warum sind sie nicht oberste Priorität beim „Schützen“? „Es fragte, soviel sie wusste, niemand die Vulnerablen, ob sie so vorsorglich behandelt werden wollten, ob sie ganz keimfrei aufbewahrt werden wollten, und die Frage schien auch nicht nötig, weil es jedermann klar, unhinterfragbar klar war, dass jeder Mensch jeder Behandlung zustimmen würde, die ihn vor dem Tod bewahrte, und jeder Hundertjährige verstand, dass man nicht einen einzigen Keim, kein Virus in seine Nähe lassen durfte, auch keinen kühlen Luftzug.“ (Seite 18) Viele der staatlichen Verordnung versteht die alte Frau nicht. Die Geschichte hatte solche Situationen ja auch schon in früheren Zeiten gehabt. So siniert sie und mein: „In Pestzeiten half den Menschen damals wohl Musik und nicht ein Babyelefant.“ (Seite 21) Weiters meint sie – und damit sprach sie vielen Menschen aus der Seele – „Man hat ihr die Freiheit genommen, sich zu gefährden.“ (Seite 34) Das Wort „Lockdown“ erinnert sie an ein Gefängnis und an Eingesperrtsein. Im Laufe des Buches erlebt man die verschiedenen Stadien der Pandemie aus Sicht einer alten Frau. Etwa, wie es erste Lockerungen gibt und dann wieder schließen alle Geschäfte. Obwohl: „Wenn die Waffengeschäfte offen sind, dann sind die Buchhandlungen geschlossen, das ist hier so die Regel, die man nicht verstehen muss. Sie versteht sowieso vieles nicht mehr. Sie ist ja schon alt.“ (Seite 54) Sie erzählt aus einem 100 Jahre alten Lehnstuhl heraus, der einer Tante gehörte, die im Zweiten Weltkrieg als Jüdin alles zurücklassen musste und ins KZ transportiert wurde, wo sie umkam. Ein Beispiel dessen, wie es alten Menschen in der Einsamkeit geht. Eine Situation die durch staatliche Verwaltungen noch verstärkt wird. Sie vergleicht ihre Situation mit der während des Hitlerregimes. In den Zeiten der Quarantänen kramt sie in alten Unterlagen und findet eine Mappe mit Briefen ihrer Vorfahren aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. So auch einen Abschiedsbrief von ihrer Tante, von der sie diesen Lehnstuhl, in dem sie sitzt geerbt hat, bevor sie ins KZ übersiedelt. In einem Brief einer Bekannten aus dem Jahr 1946 – also nach dem Krieg – erfährtt sie, dass ihre Tante Paula vergast wurde und ihre Mutter verhungert ist. Daraus schließt sie, dass sie eine „Übriggebliebene“ ist. Am Ende träumt sie in ihrem Stuhl, „Dass es geheißen hat, dass wir wieder ins Kaffeehaus gehen dürfen und Zeitungen lesen und dass die Regierung zurückgetreten ist…“ (Seite 107) Die Autorin – selbst 80 Jahre alt – erzählt auch aus eigener Erfahrung und kann deswegen das Leben dieser Proponentin sehr gut beschreiben. Sie kann sich hineinfühlen in so ein Menschenleben. Kein wirklich spannender und schöner Roman, aber ein Zeitzeugnis einer alten Frau, die mit den staatlichen Regulierungen der COVID-Pandemie leben muss. }, keywords = {alter Mensch, Corona, COVID19, einsamer Mensch}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{MANNHART2022, title = {Geschwind oder Das mutmaßlich zweckfreie Zirpen der Grillen}, author = {Urs MANNHART}, year = {2022}, date = {2022-10-07}, abstract = {MANNHART, Urs: „Gschwind oder Das mutmaßlich zweckreie Zirpen der Grillen“, Berlin 2021 Der Besuch des Forums „Literatur&Wein“ im Stift Göttweig hatte sich allein mit dem Kennenlernen des Schriftstellers Mannhart aus der Schweiz bezahlt gemacht. Leider kam ich erst jetzt zum Lesen dieses Buches. Es spielt in einem Spannungsfeld zwischen Wirtschaft und Umwelt. Die Hauptperson – Gschwind ist ein führender Manager eines internationalen Konzerns, der sich mit dem Abbau von seltenen Mineralen beschäftigt. Der Roman beginnt damit, dass zwei Höhlenforscher nach einem unterirdischen Tauchvorgang eine seltene Erde finden, die für den Bau von Batterien wichtig sind. Sofort interessiert sich auch der Konzern für dieses Gebiet und der Generaldirektor beauftragt Gschwind, den Berg mit dem unterirdischen Schatz zu kaufen. Seiner Karriere willen scheut er auch nicht davor zurück eine Urkunde zu fälschen und sich als Landwirt auszugeben, um so das Recht zum Kauf des Bauernhofs mit dem Umland zu bekommen. Der Sohn des aufstrebenden und erfolgreichen Manager verläßt wenige Monate vor Abschluss seine Schule und gründet eine alternative Schule, die sich in einem Blockhaus ohne Strom und sanitäre Anlagen befindet. Gschwinds Frau unterstützt den Sohn bei seinem Projekt und letztlich verlässt sie ihren Mann, der nur selten zu Hause ist, auch noch. Sie sei in den Nachbarn verliebt. Für Gschwind stürzt nicht eine Welt, sondern mehrere zusammen. Sein Sohn verläßt die Schule und wird ein Wirtschaftsgegner, seine Frau will sich scheiden lassen, seine Firma steht unter schweren Vorwürfen der Bestechung, seine Mutter – eine erfahrene Bootskapitänin – setzt ein neues Schiff bei der Jungfernfahrt auf Grund. Er kann dem inneren Druck nur schwer standhalten. Nachdem er sein Bett in den Keller verlegt hatte und auch dort nicht schlafen kann, „bewaffnet“ er sich mit einer Bohrmaschien und durchlöchert den Rumpf des Bootes seines Nachbarn. Zurück von einer Dienstreise in Südamerika besucht er seine Mutter und Großmutter. Bedingt durch Probebohrungen (was nicht bewiesen werden kann), um die seltenen Erden zu lokalisieren, verliert der angrenzende See Wasser und es kommt zu schweren Erdbeben. Bei einem solchen kommt auch er mit seinem Auto zu Schaden. In seinem Auto befindet sich eine riesige Summe Schwarzgeld, die er für den Kauf des Grundstücks über den Mineralvorkommen verwenden sollte. Er erwacht im Spitalsbett und verläßt das Krankenhaus, kommt aber nicht zu seinem Auto, ja er muss zusehen, wie neuerliche Steinlawinen den Tesla total zerstören. In seinem Wohnhaus sucht er Zuflucht. Seine Frau verrät ihn und er wird verhaftet. Am Ende befindet er sich im Gefängnis. Sein Nachbar, der Liebhaber seiner Frau, ist mit dem Boot ertrunken und er, Gschwind, wegen Mordes angeklagt. Sein Chef, der wegen der Bestechung eingekerkert ist wird zur selben Zeit wie Gschwind aus der Untersuchungshaft entlassen. Sie dürfen aber die Schweiz nicht verlassen. Sie tun es aber mit einem Privatjet. Selbst einmal im Management gearbeitet, fand ich die Beschreibung des Szenarios in diesem Bereich sehr professionell und wirklichkeitsnahe. Ausgelöst hat dieses Spektakel um die Gewinnung eines seltenen Rohstoffs ein Amateur-Taucherpaar, die eine unerforschte Höhle fanden. Von dort nahmen sie einen Stein mit, der lange in der Wohnung der Frau lag. Sie wollte ihn schon wegwerfen, brachte ihn aber letztlich zu einer Freundin in der ETH Zürich, die ihn untersuchte und das seltene Mineral feststellte. Daraus verfasste der Autor Mannhart diese furiose Geschichte, die sich sehr gut liest. }, keywords = {Management, Mineraliengewinnung, Schweiz, Umweltschutz}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Al-Mousli2022, title = {Um mich herum Geschichten}, author = {Luna Al-Mousli}, year = {2022}, date = {2022-10-02}, abstract = {AL-MOUSLI, Luna: „Um mich herum Geschichten“, Frankfurt 2022 Die Autorin ist in Damaskus geboren und lebt heute in Wien. Als Designerin und Graphikerin ist sie in Österreich integriert. Als Autorin kann sie aber ihre Erlebnisse aus der Heimat Syrien nicht verbergen. Schon ihr erstes Buch handelte von Damaskus („Eine Träne, ein Lächeln. Meine Kindheit in Damaskus“). Im vorliegenden Buch erzählt sie in fünf Geschichten aus dem Leben von Geflüchteten. Nicht extreme Abenteuergeschichten, sondern die menschliche Seite, wenn man „verpflanzt“ wird und aus dem eigenen Land gehen muss. Al-Mousli macht es in einer sehr interessanten Form. Die Geschichten werden meist von Dingen des jeweils Betroffenen erzählt. Im ersten Kapitel ist es ein Computer, der erzählt, wie seine Besitzerin, eine ältere Frau, ihre Erlebnisse niederschreibt. Der Computer agiert wie eine Person und erzählt, wie sie, die Proponentin, als erste Frau nicht nur die Grundschule abgeschlossen hat, sondern auch an der Universität studiert hat. Im Exil verfolgt sie alle Nachrichten aus dem Radio, Fernsehen und sozialen Medien. Sie engagiert sich und ist Computersüchtig geworden. Die Töchter sorgen sich um sie. Zu Beginn flog sich noch manchmal heim, als aber dann die Flüge nach Damaskus eingestellt wurden, blieb nur mehr das Internet als Verbindung. Im zweiten Kapitel ist es eine Abschlussurkunde der Universität, die von ihrem Besitzer erzählt. Achtlos wurde sie nach einer Übersiedlung hinter einer Tür abgestellt und bald ging das Glas in Bruch. Sie, die Urkunde, erzählt aber alles, was sie sieht. Wie es einem Syrier ging, der flüchtete, eine Familie gründete und sich die Familie durch Scheidung wieder auflöste, erzählt seine Oud, ein Gitarre ähnliches Musikinstrument. Seiner Frau hatte er versprochen, mit ihr „in guten, wie in schlechten Zeiten zusammen zu bleiben, aufeinander aufzupassen und sich nicht aus den Augen zu verlieren.“ (Seite 47) Aber zusammenbleibt er mit seinem Musikinstrument, mit dem er öffentlich und für Freunde spielt. Das Ding Oud als Partnerin ist ihm aber zu wenig. Sein Leben kommt ins Trudeln. Er verfällt dem Alkohol und letztlich geht die Oud in Bruch. Weiter geht es mit einem syrischen Vater, der sich zum Studienabschluss seines Sohnes einen neuen Anzug kauft, den er aber nie trägt. Seine Frau organisiert mit anderen Frauen den Schmuggel von Medikamenten in die Kriegsgebiete des Landes. Sie schweißen sie in Damenbinden ein, die von keinem Wachsoldaten geprüft werden. Die Scham eines Muslims ist dazu zu groß. Erst als sie ins Exil gehen wird ihm von einer Frau der Anzug aus dem ausgebombten Haus gebracht. Am Weg dahin wurde er gefoltert. Ein Haustorschlüssel erzählt den Lebensweg einer Frau, wie sie trotz Kriegs blieb und wo sie ihren Bruder, der untertauchen musste, aufnimmt. „Das Brot wurde teurer. Sie blieb. Ich blieb. Neureiche wurden gefeiert. Sie blieb. Ich blieb. Die Winter wurden kälter. Wir blieben.“ (Seite 120) }, keywords = {Flüchtling, Migranten, Syrien}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{MEDUSA2022, title = {Was über Frauen geredet wird}, author = {Mieze MEDUSA}, year = {2022}, date = {2022-10-01}, abstract = {MEDUSA, Mieze: „Was über Frauen geredet wird“, Salzburg Wien 2022 Die Autorin mit dem Künstlernamen Mieze Medusa ist eine bekannte Rapperin. 2008 erschien ihr erster Roman. Heuer „Was über Frauen geredet wird“. Dabei kommen auch ihre Erfahrungen mit der Musik zum Vorschein: Texte der Rapperin und Musikerfahrungen. In einer Art Zugabe am Ende des Buches – sie nennt es „Bonus Track“ – liefert sie den Text zum Rapp „Strahl aus, rappe oder werde still“. Der Titel des Buches heißt zwar „Was über Frauen geredet wird“, aber die Rolle der Frauen wird von Frauen selbst erzählt. Im Roman kommen fast ausschließlich junge Frauen vor. Sie geben Einblick in die Szene der Jüngeren. Ihren Zugang zum Leben und zum Thema Beziehungen. So wird etwa bei einer Hochzeit nicht die Braut, sondern der Bräutigam entführt. Wie ein roter Faden zieht sich die Darstellung der Benachteiligung von Frauen in unserer Gesellschaft durch. „Es gibt in Österreich mehr Bürgermeister, die Franz heißen, als Bürgermeisterinnen.“ (Seite 110) Die Hauptschauplätze des Romans sind Innsbruck und Wien, die beide detailgenau erzählt werden. Für zwei Szenen rückt auch Venedig ins Bild. Über Wien – und da schlägt die Rapperin durch – sagt sie etwa: „Das Schlimmste an Wien ist der Februar. Es ist dunkel, sagt die Vernunft. Es ist, was es ist, sagt der Winter. Es ist Unglück, sagt die Berechnung. Es ist nichts bis März, sagt die Angst. Es ist aussichtslos, sagt der Nebel. Es ist, was es ist, sagt der Winter.“ (Seite 55) Innsbruck dagegen wird für seine Schönheit und Nähe zur Natur gelobt und beschrieben, wenngleich es eine Stadt ist, die für junge Menschen fast unerschwinglich zum Wohnen ist. Wie schon gesagt, im Roman treten fast ausschließlich Frauen auf. Eine der Ausnahmen ist der Freund von Freds Schwester, die ihn auch heiratet. Eines der Kapitel des Buches handelt von der Hochzeit in Innsbruck. Hier kommen die beiden Frauenkreise aus Wien und Innsbruck zusammen. Fred, die eigentlich Fredericke heißt, lebt in Wien. Mit über 40 Jahren hat sie noch keine klare Lebensposition bezogen. Zwar hatte sie, als ihre Wohnungsmitbewohnerin schwanger wird und der Vater davon nichts wissen will, von dieser Freundin ein Heiratsangebot bekommen, das sie überrascht und abgelehnt hat. Die Freundschaft ging in Brüche und sie musste aus der schönen Wohnung ausziehen und eine winzige, laute Herberge direkt am Wiener Gürtel beziehen. Bei einem Ausflug mit Freundinnen, die in Venedig einen Film drehen bleibt sie allein zurück, um über ihr Leben nachzudenken. Das Hochwasser – Aqua Alta – gibt ihr Hoffnung, denn „die Menschen hier begegnen dem Hochwasser als wäre es eine Nebensache. Wieder eine Katastrophe gemeistert, wieder gut durch eine Krisensituation gekommen.“ (Seite 260) Das Buch wurde in der Zeit von COVID19 Pandemie, hoher Inflation und Krieg in der Ukraine geschrieben. Die Erkenntnis der Akteurin Fred kann jedem Leser, jeder Leserin vielleicht auch helfen, denn sie nimmt diesen Mut aus Venedig mit: „Wird schon. Wirst sehen. Muss ja.“ Auch Schriftstellerinnen haben ein Seelenleben und Mieze Medusa zeigt es als Doris Mitterbacher in ihrem abschließenden Dank. Ein Nachwort, dass sich grundlegend von Danksagungen in Büchern unterscheidet und ein literarischer Teil ist. Während der Schreibarbeiten ist ihre Mutter gestorben und sie sagt über sie: „Meine Mutter hat viele gute Eigenschaften, über drei möchte ich hier sprechen: Sie hat außerordentlich gut Dinge mit sich selbst ausmachen können. Wenn sie darüber nachgedacht hat, die Welt zu verbessern, hat sie bei sich selbst angefangen. Und sie war richtig gut im Packen. So auch hier: ihr Tod am 2. Juni 2022 war trotz schwerer Krankheit für uns unerwartet, hat uns aber Dank ihrer Vorbereitungen und der Gespräche mit ihr, nicht unvorbereitet getroffen. Was für eine Leistung das ist, beginne ich gerade erst zu erahnen. … „Was über Frauen geredet wird“ ist das erste meiner Bücher, die sie nicht lesen wird.“ (Seite 269) }, keywords = {Gleichberechtigung, Junge Frauen, junge Generation, Rapperin}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{JUNG2022, title = {Das Buch. Dinge des Lebens}, author = {Jochen JUNG}, year = {2022}, date = {2022-09-29}, abstract = {JUNG, Jochen: „Das Buch. Dinge des Lebens“, Salzburg Wien 2022 Mit einem Buch über das Buch zu schreiben. Eine echte Herausforderung. Es beginnt mit einem kurzen Abriss der Geschichte von den Anfängen der Menschheit bis zum „Sich Mitteilen“ und letztlich zum Dichten. Als erster Inhaltsschwerpunkt wird die Liebe hervorgehoben. „Die Menschen leben und lieben einander … kein Wunder, dass die damit verbundenen Themen die häufigsten der erzählenden Dichter sind.“ (Seite 8) Obwohl man beim Lesen allein ist, bekommt man Kontakt zu vielen Menschen und Gesellschaften. Der Autor hatte in seinem Leben einen intensiven Kontakt mit Büchern. Er war Lektor und letztlich sogar Verlagsleiter in jenem Verlag, in dem dieses Buch über „Das Buch“ erschienen ist. Seine Beziehung zum Buch geht aber auf seine Familie zurück. Sein Großvater mütterlicherseits war Dichter und hinterließ viele Bücher. Die Mutter hat die Liebe zu Büchern von ihrem Vater übernommen, wie er – Jung – von ihr. Auch dem Vater waren Bücher wichtig und von ihm erbte er alte Ausgaben. Neben der eigenen Familie war es aber sein Beruf, der ihm mit vielen Autoren Bekanntschaften und Freundschaften einbrachte. In diesem Büchl outet er sich und erzählt von seinem Verhältnis zu H.C. Artmann, Peter Handke und Thomas Bernhard. Beruflich musste er viele Manuskripte und Bücher lesen. Viele davon fielen in die Kategorie „Arbeitspflicht“. Dem kann ich als Rezensent von bisher über 1000 Büchern nur beipflichten. Auch ich habe viele Bücher (10.000) und schätze sie. Noch mehr schätze ich es aber, wenn sie eine Widmung des Autors tragen. Für Herrn Jung ist es auch wichtig, zu wissen, von wem er welches Buch bekommen hat. Also Widmungen vom Schenker. Bücher sind auch ein Teil des eigenen Lebens. Bücher, die man früher gelesen hat, sagen auch etwas aus, welcher Mensch man damals war. Später ein frühes Buch zur Hand zu nehmen und wieder zu lesen ist auch ein zurückschauen in die eigene Vergangenheit. Bücher kosten, im Vergleich zu anderen kulturellen Veranstaltungen, wenig Geld. Sie verlangen vom Konsumenten, vom Leser aber Zeit, die er sich nehmen muss, um den Content zu konsumieren, das Geschriebene zu öffnen. Menschen, die Literarisches schreiben, haben selbst viel gelesen und müssen dann ein Verhältnis zu IHREN Lesern aufbauen, wobei Schönheit der Texte eine wichtige Eigenschaft ist. Lyrik kommt aus dem altgriechischen Lyra, einem Musikinstrument. Musik und Text gehören zusammen. Geschriebene Texte kommen zu einem Rhythmus, einer Musik. Nicht nur der Inhalt eines Buches ist wichtig, sondern auch seine sprachliche Darstellung. In einem Postskriptum – am Ende des Buches – nimmt Jochen Jung auch Bezug auf das Lesen von Notenbüchern, von Partituren, die man beim Hören der Musik mitliest. So bekommt das Geschriebene auch Töne. }, keywords = {Buch, Geschichte, Verlagswesen}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{GSTREIN2022, title = {Vier Tage drei Nächte}, author = {Norbert GSTREIN}, year = {2022}, date = {2022-09-28}, abstract = {GSTREIN, Norbert: „Vier Tage vier Nächte“, München 2022 Norbert Gstrein hat in den vorliegenden Roman sehr viel hineingepackt, ohne dass es aber an anspruchsvoller detaillierter Beschreibung fehlt. Drei Hauptakteure prägen den Roman: Ines und Elias, die Kinder eines Hoteliers und Carl der Freund von Elias. Ines und Elias sind nur Halbgeschwister und pflegen ein, über die Freundschaft und Geschwisterlichkeit hinausgehendes Verhältnis. Ines hat viele Beziehungen mit Männern, die immer wieder zu Trennungsszenarien führen, bei denen der Bruder einschreiten muss. Elias hat ein homosexuelles Verhältnis mit seinem Kollegen Carl. Noch vor einiger Zeit war es wichtig, dass der Autor in einen Roman auch sexistische Geschichten einbaute, um den Verkauf des Buches anzuregen. Heute ist es fast ein notwendiges Klischee, über gleichgeschlechtliche Beziehungen zu schreiben. So macht es auch Norbert Gstrein, der nicht nur von der Liebe seines Proponenten Elias zu dessen Halbschwester schreibt, sondern auch zur Beziehung eines Exfreunds der Schwester und eines Freundes aus beruflicher Beziehung. Dabei kommt auch zum Ausdruck, wie liebevoll die Beziehung zwischen Männern sein kann: „Ich hatte ihn meinen kleinen Zeisig genannt, meinen Wiedehopf und meinen Haubentaucher, einen Mann von annähernd ein Meter neunzig, der mich mit seinen Armen umschlingen und in die Luft heben konnte wie ein Kind, und er mich seine Goldamsel, sein Rotkehlchen sowie seinen Stieglitz oder vielmehr Stiegelitz nannte.“ (Seite 191) Das Buch gliedert sich in fünf Abschnitte. Im ersten wird die Geschichte der beiden Geschwister aus der Sicht von Elias erzählt. Die große Liebe zur Halbschwester und das schlechte Verhältnis zum Vater. Der Vater, der in Amerika Erfahrungen gesammelt hatte, wollte auch seinen Kindern die USA näherbringen und zahlte ihnen einen Aufenthalt. Der Tochter ein Studium und dem Sohn eine Helikopterausbildung, nachdem dieser sein Wirtschaftsstudium erfolglos abgebrochen hatte. Aber auch diese Ausbildung endete ohne Abschluss, und um die negativen Ereignisse beim Fliegen zu verarbeiten, nahm er die Hilfe einer Therapeutin ins Anspruch, was im zweiten Abschnitt beschrieben wird. Im Kapitel „Ich bin ihr Bruder“ kommen alle drei Hauptakteure zusammen und der Freund von Elias, Carl, tritt in das Geschehen ein. Er wird auch von der Schwester akzeptiert. Sie verbringen die Weihnachtsfeiertage im Berliner Haus von Ines und, um hier Abwechslung in die trostlose Zeit der COVID19 Quarantäne zu bringen, erzählen sie sich Geschichten. Jeder seine erste Liebe. Diese sehr unterschiedlichen Geschichten werden dann im vierten Abschnitt des Romans detaillierter beschrieben. Jene von Carl in englischer Sprache, weil er sie in seiner Zeit in Amerika erlebte und in der „Originalsprache“ wiedergeben wollte. Ines kündigt ihre Stelle an der Universität als Expertin der Literaturwissenschaften. Mit finanzieller Hilfe des Vaters zieht sie sich auf die Insel Sizilien zurück und versucht selbst einen Roman zu schreiben. Im Sommer treffen die drei hier zusammen und Ines weiht sie in ihr Projekt ein, was letztlich zu einem Eklat kommt. Dieser letzte Buchabschnitt beschreibt indirekt den Roman von Ines. Die Autorin beschreibt ihr Werk so: „Es ist eine Dreiecksgeschichte. Gehobenes Milieu, alles aufgeklärte, tolerante Leute, und sie geht trotzdem auf katastrophale Weise schief.“ (Seite 319) Vieles hat sie aus dem eigenen Leben hineingearbeitet. Das Dreieck besteht aus einem anerkannten älteren Professor, seiner jungen und aktiven Frau, die neben der Ehe viele Verhältnisse hat, diese ihrem Mann aber nicht verschweigt. Er akzeptiert das, bis einer der Liebhaber ein Schwarzer ist. Der Titel „Vier Tage drei Nächte“ bezieht sich auf zwei Ereignisse: Einerseits lädt der Vater von Elias unerlaubterweise trotz Quarantäne durch die COVID19 Pandemie Gäste in sein Hotel für drei Nächte ein und andererseits verbringen die drei Hauptakteure des Romans – Ines, Elias und Carl – vier Tage zu Weihnachten miteinander. }, keywords = {Dreiecksverhältnis, Eifersucht, Homosexuell, Liebe}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Fagerholm2022, title = {Wer hat Bambi getötet?}, author = {Monika Fagerholm}, year = {2022}, date = {2022-09-18}, abstract = {FRAGERHOLM, Monika: „Wer hat Bambi getötet?“, Salzburg Wien 2022 Der Residenzverlag bringt die in Finnland anerkannte und ausgezeichnete Autorin dem deutschsprachigen Leserpublikum näher. Es beginnt mit dem Mädchen Emmy, das in der eigentlichen Handlung erst am Ende auftritt. Emmys erste Liebe starb bei einem Busunglück des Sportvereins. Sie tröstet dessen Schwester Saga-Lill und die beiden Mädchen werden Freundinnen. Emmy hat einen neuen Freund. Nachdem sie sich von ihm getrennt hat, lebt er mit der Freundin Saga-Lill zusammen, was die Beziehung der beiden jungen Frauen stört. Sie verzeiht es auch ihrem Ex-Freund Gusten nicht, dass er sich mit ihrer Freundin zusammengetan hat. Irgendwie sieht sie das wie einen Verrat. Gustens Mutter ist Opernsängerin und das neue Paar fährt zu einer Vorstellung der Mutter nach Wien. Emmy heiratet einen älteren Mann. Gusten bleibt aber ihre große und geheime Liebe. Sie formulierte es während ihres Zusammenlebens so: „Ich will die Liebe leben, nicht darüber reden. Die Liebe leben, wie die Musik, wie etwas, das nicht erklärt werden muss …“ (Seite 139) Die Geschichten werden aus verschiedenen Blickwinkeln erzählt. Einerseits aus Emmys Sicht und dann wieder Saga-Lills Version. Die Proponenten leben in einem kleinen Vorort von Helsinki. In einem Villenviertel, wo normal angesehene Menschen leben. Die zwei jungen Frauen kommen aber vom Land. Durch die Heirat mit dem älteren Mann steigt Emmy in die Hierarchie der Villenbewohner auf. Der Kern des Romans geht aber auf eine Gruppenvergewaltigung zurück. Vier Freunde haben ein Mädchen vergewaltigt. Das Ganze fand im Haus einer einflussreichen Familie statt. Die Mutter wurde erst kürzlich zur Präsidentin einer prominenten Wirtschaftsstiftung gewählt und der Vater ist ein anerkannter Richter. Mit dem Gewicht dieser Eltern hätte man den Vorfall vertuschen können und auch wollen. Aber da war Gusten, einer der vier Täter, der das Mädchen geknebelt und gefesselt im Studio des Freundes fand. Der Freund war abgehauen und hatte sich in einem Wochenendhaus der Familie verschanzt. Gusten ist geschockt, als er das Mädchen findet und bringt es ins Spital. Sie selbst will nicht, dass er zur Polizei gehe. Sie erfand eine Geschichte. Sie sei im Wald von einer Gang, an deren Gesichter sie sich nicht erinnern könne, überfallen wollen. Gusten aber geht zur Polizei. Es wird ein Skandal. Die erst kürzlich zur Präsidentin erhobene Mutter wird von einem Fernsehteam überrascht und sie äußert sich unflätig, nennt die Journalisten Kommunisten, was die Angelegenheit in alle Medien bringt. Sie wurde überrascht „von Journalisten und Fotografen und gezwungen, eine Stellungnahme abzugeben. Wild um sich schlagen, jeder Vernunft, jeder Realität, jeder Wirklichkeit zum Trotz, denn schließlich weiß sie es schon, aber Gehirn und Gefühle und Auffassungsvermögen sind auf sonderbare Weise miteinander verbunden, was in Situationen von extremem Druck sowohl zu Verleugnung als auch zu Fehleinschätzung führen kann und infolgedessen zu absurdem Verhalten: „Kommunistenpresse!““ (Seite 145) Gusten, der wie ein eigenes Kind im Haus des Freundes aus- und einging, weil seine Mutter – eine Opernsängerin – oft auf Tournee war, wurde als Verräter aus dem Haus geschmissen. Gusten kann aber keine Rachegefühle entwickeln. „Es klappt einfach nicht; also ist das wohl seine Veranlagung. Das zeigt sich auch ein bisschen im Job; beispielweise ist er völlig außerstande, seine Aufgaben als irgendeine Art von Leistung zu verstehen, die erbracht wird, um jemanden aus dem Feld zu schlagen. Um zu gewinnen, um der Beste zu sein oder so was in der Art.“ (Seite 125) Letztlich steht nur die eine, reiche und einflussreiche Familie im Blickpunkt der Medien. Für sie bricht vieles zusammen und nach einigen Jahren liest Gusten, dass die Mutter seine ehemaligen Freundes und Mittäters verstorben sei. Die Eltern der „Täter“ treffen sich regelmäßig während des Prozess und besprechen die Vorgangsweise. Reich sind sie fast alle und so leisten sie sich einen Medienberater, um richtig in der Öffentlichkeit aufzutreten und so indirekt den Prozess zu beeinflussen. Man tritt aber nicht nur für die eigenen Kinder ein, sondern macht auch das vergewaltigte Mädchen in der Öffentlich schlecht. Sie komme ja aus der sozialpädagogischen „Einrichtung für Verhaltensgestörte und Kleinkriminelle, die das Mädchenheim ebenfalls war. Und die Delikte, die Sascha sich zuschulden kommen hat lassen (kleine, die aber natürlich größer wurden, wenn man über sie sprach) und für die man eigentlich ins Gefängnis kam, wenn man nicht minderjährig war.“ (Seite 197) Sie selbst, Sascha sprach vor Gerichts nichts. Nur die Beschuldigten kamen zu Wort. Das Urteil fiel gut aus. Drei der Beschuldigten wurden freigesprochen, nur der Sohn der angesehenen Familie – Nathan – bekam eine bedingte Gefängnisstrafe. Seine Mutter kommentierte es vor der Presse so: „Jetzt blättern wir die Seiten um. Und eines schönen Tages haben wir so viele Seiten umgeblättert, dass nichts von alldem passiert ist.“ (Seite 209) Die Buben wurden in eine psychiatrische Behandlung geschickt. Gusten sogar in eine Irrenanstalt eingeliefert. Die Mutter von Nathan verlor ihren angesehen Job und versuchte es erfolglos mit einer neuen Organisation, bis sie selbst Krebskrank nach einiger Zeit starb. Ihr Mann setzte sich mit einer Freundin in die Schweiz ab. Gusten aber hadert mit seiner Vorgangsweise, die Polizei eingeschalten zu haben. Letztlich erfährt er vom misshandelten Mädchen Sascha, dass ihre Mutter Schwarzgeld geboten bekam, um die Sache zu verschweigen. Seine Mutter versucht ihn zu erinnern: „Aber du wurdest ja nicht verurteilt, mein lieber Junge. Du wurdest doch freigesprochen!“ (Seite 221) Der Sohn aber fragte sich „Wie konnte er weiterhin in dieser Welt sein?“ (Seite 223) und er will sich von einer Brücke stürzen, wo ihn aber die Mutter seines ehemaligen Freundes Nathan zurückhält. Erst als er Emmy kennenlernt (der Leser kommt mit ihr gleich zu Beginn des Buches in Kontakt), fast er Boden unter den Füßen und beginnt ein Studium an einer Schauspielschule und gewinnt einen Preis für seine erste Dichtung. Der Titel „Wer hat Bambi getötet?“ stammt von einem Song der Band „Pistols“ und einer der vier „Vergewaltiger“ versucht sich als Filmproduzent und nennt sein Erstlingswerk auch so, wie dieses Buch. Emmy, eine der Hauptakteurinnen, wurde für den Poster des Films mit einem Kaninchen fotografiert. Die Handlung des Romans ist sehr sprunghaft und macht es dem Leser nicht leicht zu folgen. So ist das letzte Kapitel der Erzählung eigentlich der Beginn. }, keywords = {Finnland, Gerichtsverhandlung, Schuldige, Vergewaltigung}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @article{BOZSOKI2022, title = {CAMINO-WELT, Mein Pilgerweg durch Philosophie und Theologie}, author = {Jürgen BOZSOKI}, year = {2022}, date = {2022-09-11}, abstract = {BOZSOKI, Jürgen: „CAMINO-WELT, Mein Pilgerweg durch Philosophie und Theologie“, Wien 2021 Ein Pilgertagebuch kombiniert mit philosophischen und theologischen Überlegungen. Der Tod einer Freundin führt den Autor zu einem Neuanfang und er versucht dies mit einer Wallfahrt von Saint Jean-Pied-de-Port nach Santiago. Im Zuge dieser Pilgerwanderung kommt er selbst zum Nachdenken und lernt andere Pilger mit deren Problemen kennen. Dem jeweiligen Problem stellt er die Idee eines Philosophen oder Theologen gegenüber. Um den Tod der Freundin zu verarbeiten nimmt er Anleihen bei verschiedenen Philosophen. Auch ein mit ihm wandernder Priester öffnet sich ihm und erklärt, warum er Priester wurde. Gegenseitig helfen sie sich bei der Bewältigung ihres Lebens. Auch über den Sinn und der Position Gottes nimmt der Autor philosophische Anleihen wie etwa bei Aristoteles, der den Anstoß unseres Lebens, unserer Welt im „unbewegten Beweger“ sieht. Wissenschaftler nennen es Urknall. Aber was war vor dem Urknall? Für Thomas von Aquin ist vorher etwas, das man „Gott“ nennen kann. Hegel sah zwischen Sein und Nichts als Synthese das WERDEN. Diese philosophischen Überlegungen sind eingebettet in der Erzählung der Wanderung. Den Anstoß zum jeweiligen Thema geben immer Pilger, auf die der Autor während der Pilgerung trifft. Da ist eine ältere brasilianische Frau, die ihren Präsidenten verehrt und im rechten, diktatorischen Lager das Heil der Welt sieht. Hier kommt der Philosoph Machiavelli zu Wort. Er „versucht nicht, wie politische Philosophen vor ihm,die Welt zu sehen, wie sie sein soll, um moralische Grundsätze zu formulieren. Denn die Menschen sind für ihn grundsätzlich schlecht, egoistisch und hinterlistig. Deshalb ist es aus seiner Sicht besser, grausam zu sein, als milde. Liebe kann als Schwäche aufgefasst werden.“ (Seite 91) Platon kann wiederum nur der Aristokratie etwas abgewinnen. Die Brasilianerin ist auch kämpferisch und es kommt zu einem Streit mit einem muslimischen Pilger. Letztlich versöhnen sich die Beiden in der Gemeinsamkeit des Diktatorischen. Bei der Frage zur Existenz Gottes greift der Theologe sogar auf die Mathematik zurück und belegt diesen mit Berechnungen von Werner Gitt und Peter W. Stoner. Erstaunlicherweise werden bei diesem, doch religiösen Thema nicht nur Theologen und Philosophen, sondern auch Naturwissenschaftler wie Descartes zitiert. Descart etwa beim Versuch zwischen Realität und Traum zu unterscheiden. Im Laufe des Buches wird man als Leser mit den wichtigsten Philosophen zu verschiedensten, wichtigen Themen der Menschheit konfrontiert. Die Proponenten des Buches sind der Autor selbst, ein italienischer Priester, ein Naturwissenschafter, der unheilbar krank in einigen Monaten seinen Tod erleben wird, eine konservative Katholikin aus Brasilien, eine junge Frau, die schon einmal diesen Weg gegangen ist und dabei von einem Pilger geschwängert wurde, ein gläubiger Moslem und ein pensionierter Buchhalter. Wie in einem Theaterstück kommt es am Ziel in Santiago de Compostela zu einem großen Finale. Zwar wird es, je näher die Pilger an das Ziel herankommen immer kommerzieller und die sogenannten „Disney-Pilger“, die nur die letzten Kilometer gehen, bevölkern die Wege. Ohne es zu wissen, entpuppte sich der mitpilgernde Priester der Gruppe als wichtige Persönlichkeit und sie werden zu einem Empfang mit dem Erzbischof geladen. Ein Finale, wie es ein normaler Pilger des „Camino“, wie der spanische Pilgerweg heißt, nicht erlebt. }, keywords = {Jakobsweg, Philosophen, Theologen}, pubstate = {published}, tppubtype = {article} } @book{LUX2022, title = {GRADO Lieblingsziel im nahen Süden}, author = {Claudia LUX}, year = {2022}, date = {2022-09-04}, abstract = {LUX, Claudia: „GRADO Lieblingsziel im nahen Süden“, Wien Graz 2022 Ein etwas anderer Reiseführer, der sehr intim in die Stadt und ihre Region einführt. Es beginnt mit einem historischen Teil, den man normal in einem Kunstführer findet. Dann geht die Autorin in die einzelnen Inseln der Lagune ein, um letztlich den angehenden Besucher zum Bummeln zu animieren. Sie führt quasi auf den gedruckten Seiten des Buches durch die Stadt und motiviert zum „Nachgehen“. Einkaufen, Essengehen, eine Bar besuchen, Strände aufsuchen … sachkundige Tipps. Aber auch Sportmöglichkeiten und hier vor allem der Vorteil des Radfahrens werden aufgezeigt. Letztlich wird auch die Situation in den verschiedenen Jahreszeiten beschrieben und was man dann von der Stadt erwarten kann. Wem die Stadt zu klein wird empfiehlt das Buch Ausflugsziele. }, keywords = {Grado, Italien, Reiseführer}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{BEICHL2022, title = {Die Abschaffung der Wochentage}, author = {Moritz Franz BEICHL}, year = {2022}, date = {2022-08-28}, abstract = {BEICHL, Moritz Franz: „Die Abschaffung der Wochentage“, Wien Salzburg 2022 Der erste Teil des Buches besteht aus WhatsApp Nachrichten. Allerdings sind diese einseitig. Ein Mann hat sich von seinem Freund getrennt. Er hadert mit seinem Unglück und hat Liebesschmerz, den er ihm in den WhatsApps mitteilt. Er bekommt keine Antworten und will auch keine. Er trinkt viel Rotwein. Allerdings hat er sich vorgenommen erst nach Sonnenuntergang zu trinken. Er sucht eine Psychotherapeutin auf und wechselt sie bald gegen eine andere. Sind die WhatsApp Meldungen zu Beginn noch kurz, so werden deren Texte immer länger. Er hadert mit einem Selbstmordversuch. Dazu warf er alle Möbel auf die Straße. Vom Selbstmord wurde aber nicht direkt geschrieben. Dieser Abschnitt erinnert an Glattauers „Gut gegen Nordwind“, wo sich ein Liebespaaar via eMails austauscht. Das Konzept ist hier anders, aber das System dasselbe, nur dass das modernere Medium WhatsApp anstelle von eMails verwendet wurde. Im zweiten Teil ist die alleinige Hauptfigur in einer psychiatrischen Anstalt im Wiener Allgemeinen Krankenhaus (der erste Teil handelte in Berlin). Er schreibt weiter an seinen Freund, aber jetzt sind es Briefe. Im letzten Brief spricht er dann seinen Selbstmord an und beschreibt ihn. „Das war der schlimmste Tag in meinem Leben. Und dennoch denke ich mit Freude daran zurück.“ (Seite 141) Er wurde gerettet und ist enttäuscht: „Und auf eine Art bin ich froh, dass ich es überlebt habe. Auf der anderen Seite bin ich enttäuscht von mir, dass ich nicht einmal das hinbekommen habe.“ (Seite 136) Der dritte Teil des Buches besteht nur aus einem Brief an seinen Ex-Freund, den er schon bei den handgeschriebenen Briefen mit „Dear Nobody“ angesprochen hat. Er ist bereits acht Wochen im Krankenhaus. Jetzt hat er erst seinen Laptop und das Mobiltelefon in Betrieb genommen. Es ist ein langer Brief, der jetzt am Computer geschrieben wurde. Er ist 32 Seiten lang. Es ist eigentlich ein Mail und er ist sich der Länge bewusst: „Dieses Mail ist schon recht lang, ich wollte gar nicht so viel schreiben, aber eine Sache habe ich dir noch zu erzählen.“ (Seite 148) Und jetzt zählt er seine Tagesabläufe auf und macht den Vorschlag die Namen der Wochentage abzuschaffen und durch andere zu ersetzen. „Etwas Neues schaffen. Den Tag heute Julia nennen, nicht Dienstag und morgen ist Fatih und nicht Mittwoch und niemals wird sich auch ein Name nur wiederholen.“! (Seite 150) Im vierten Teil ist der Hauptakteur in Paris. In diesem Kapitrel schreibt er Ansichtskarten mit dem Eifelturm drauf an sich selbst. An besonderen Tagen schreibt er auch zwei Karten. Er lebt von der Erbschaft durch den Tod seiner Mutter. „Arbeiten werde ich nicht mehr, das ist beschlossen. Meinen Körper den Zwängen der Ökonomie zu unterwerfen, diese Zeiten sind vorbei für mich.“ (Seite 178) Seine Depression vergeht und kommt wieder. Verschiedene homosexuelle Freunde treten in sein Leben. Mit einem vermählt er sich. Zu jedem Geburtstag und jedem Weihnachten schickt er sich eine Ansichtskarte mit dem Eifelturm. Bis zu seinem 39. Geburtstag. Dann endet das vierte Kapitel. Das fünfte beginnt damit, dass sein Lebenspartner ihn von Paris nach Wien in die psychiatrische Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses gefahren hat. Hier wird er wieder behandelt und kommt zu der Erkenntnis, dass die Depression sein ganzes Leben vorhanden sein wird. Er träumt von einer Reise zum Mars. Scheint also komplett verrückt geworden zu sein (wenn das erlaubt ist, so zu formulieren). Das Buch endet mit dem Satz „Ich werde zum Mars reisen. Vielleicht wird sie uns da endlich gelingen: die Abschaffung der Wochentage.“ (Seite 208) Ein im wahrsten Sinne verrücktes Buch. }, keywords = {Homosexualität, Irrer, Psychiatrie, verrückt}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SCHNEIDER2022, title = {Das Geheimnis der Libellen}, author = {Anna-Maria SCHNEIDER}, year = {2022}, date = {2022-08-27}, abstract = {SCHNEIDER, Anna-Maria: „Das Geheimnis der Libellen“, Hinterbrühl 2022 Es ist dies eine Neuauflage des Kinderbuchs von Anna-Maria Schneider mit Zeichnungen von Melina Reinberger. Auf den ersten Blick ist es ein Kinderbuch. Schön, für das Niveau von Kleinkindern illustriert. Beim Lesen wird das Thema aber tiefgreifend und beschäftigt sich mit dem Tod und der Zeit danach. Die Autorin greift dabei auf das Beispiel der Libellen zurück. Die Großmutter erklärt einem Mädchen namens Lilli, wie Libellen entstehen, und dass sie ihren Körper abstreifen und als neues Lebewesen weiterleben. Als dann die Großmutter stirbt und ihre Eltern sehr traurig sind, erklärt sie ihnen an Hand der Libellen, dass die Großmutter weiterlebt. So können Kinder Erwachsenen den Weg zeigen. Auch dieses Buch.}, keywords = {Kinderbuch, Libellen}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{RANSMAYR2022, title = {Atlas eines ängstlichen Mannes}, author = {Christoph RANSMAYR}, year = {2022}, date = {2022-08-20}, abstract = {RANSMAYR, Christoph: „Atlas eines ängstlichen Mannes“, Frankfurt 2020 Im Rahmen des alternativen Festivals „glatt&verkehrt“ hatte der Dichter aus diesem Buch gelesen und eine amerikanische Band begleitete ihn. Es waren wunderbare Kurzgeschichten, die sicher viele Leute anregten dieses Buch zu kaufen. So auch ich. Es sind 70 Erzählungen auf über 450 Seiten, die man in einer Rezension nicht wiedergeben kann. In den erzählten Episoden – so Ransmayr im Vorwort – „ist ausschließlich von Orten die Rede, an denen ich gelebt, die ich bereist oder durchwandert habe, und ausschließlich von Menschen, denen ich dabei begegnet bin.“ (Seite 5) Und er hat ausgefallene Gebiete bereist. Geschichten aus mehr als 50 Ländern wurden in diesem Buch zusammengefasst. Unglaubliches hat er erlebt und beschrieben. Den Heiligen Abend in Sri Lanka vor einer wilden Elefantenherde. Das Leben auf einsamen Inseln im Pazifik, einem kindlichen Mönch, der in Tibet Steine mit heiligen Sprüchen versieht. Wie er Lenins Mausolum besucht und niemand sonst drinnen war. Einem japanischen Barpianisten, der sich Stelzen an die Füße binden musste, um die Pedale des Klaviers zu erreichen. Auch persönliches kommt zur Sprache, wie seine verstorbene Frau, die sich als Kind vor Hunden und Gewittern gefürchtet hatte, aber am Schulweg bei Gewitter am scharfen Hund des Nachbarbauern vorbei musste. Der ältere Bruder hatte sie beschützt, aber gerade an diesem Tag allein gelassen. Es sind zu viele Erzählungen, um hier darauf einzugehen. Man muss sie selbst lesen. Es sind viele und es empfiehlt sich daher das Lesen mit Pausen zu versehen, um jede einzelne als Geschichte stehen zu lassen. }, keywords = {Episoden, Erzählungen, Kontinente}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{PROSE2022, title = {Lügen auf Albanisch}, author = {Francine PROSE}, year = {2022}, date = {2022-08-08}, abstract = {PROSE, Francine: „Lügen auf Albanisch“, München 2014 Lange schon stand dieses Buch auf der Wunschliste meines Amazon Accounts. Warum wusste ich nicht mehr. War es wegen Albanien und Kosovo? War es wegen der vielen Lügen, die wir im Rahmen unseres Kosovoaufenthalts erfahren mussten? Endlich bekam ich das Buch als Second Hand Version und es war enttäuschend. Es enthielt schon viel albanisches Denken und Tun, aber es handelte in den USA. Noch enttäuschender für mich war, als ich herausfand, dass die Autorin eine Amerikanerin ist. Sie beschreibt, wie die Albaner in Amerika sind! Die Geschichte selbst ist sehr trivial. Die Eltern einer jungen Frau kommen bei einem Verkehrunfall auf der Fahrt von Albanien in den Kosovo ums Leben. Sie wohnt bei einer Tante in Albanien und studiert. Nach dem Studium gelingt es ihr nach Amerika zu kommen, wo sie als Kellnerin arbeitet. Später bekommt sie einen Job als „Kindermädchen“ für einen vor dem Eintritt ins College stehenden Buben. Der Vater ist Alleinerzieher und mit Hilfe seines Freundes, einem erfolgreichen Anwalt, bekommt sie die offizielle Aufenthaltsgenehmigung. Es kommt dann noch zu einem sehr kitschigen Happy End, das ich hier nicht erzählen will, denn vielleicht schaffen es viele Leser nicht soweit und wenn doch, will ich es nicht verraten. Eigentlich sollte man, wenn man während des Lesens feststellt, dass es nicht gut ist, aufhören zu lesen. Als Kind der Nachkriegsgeneration wurde ich darauf angehalten alles aufzuessen, was auf den Teller kam und so halte ich es (leider) auch mit Büchern. Auch wenn sie schlecht sind, lese ich sie zu Ende. }, keywords = {Albaner, Amerika, Kosovaren, Lügen}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{WINTER2022, title = {Iron Curtain Trail. 9000 Kilometer 17 Länder mit dem Fahrrad}, author = {Marianne WINTER, Peter WACKER}, year = {2022}, date = {2022-07-26}, abstract = {Entlang der Grenze zwischen NATO und Warschauer Pakt hat man einen Radweg geschaffen, der an diese Zeit erinnern soll. Das Autorenpaar ist es nachgefahren. Drei Urlaube haben sie dazu aufgebraucht. 2012 sind sie von Kirgenes in Norwegen bis Vaalimaa im Süden Finnlands gefahren. 2013 setzen sie dann fort und fuhren den Rest Finnlands hinüber nach Sankt Petersburg in Russland und weiter über Estland, Lettland, Litauen nach Polen. Immer der ehemaligen Grenze zwischen Kommunismus und Kapitalismus entlang. An vielen Mahnmalen und Erinnerungsstätten kamen sie vorbei. Der Radweg ist nicht immer ausreichend beschildert und ausgebaut, aber er ist noch neu. 2014 fahren sie die ehemalige Grenze zwischen West- und Ostdeutschland entlang, dann zwischen Tschechien, Deutschland und Österreich bis zur Slowakei. Weiter durch Ungarn, Slowenien, Kroatien, Serbien und Bulgarien. Die außergewöhnliche Reise endet nach 9000 Kilometern in Constanza am Schwarzen Meer in Rumänien. Allgemeine Tipps am Ende des Buches runden die Erzählung ab. Für einen fahrradinteressierten Leser ist es interessant den Beiden auf ihren Wegen zu folgen. }, keywords = {Fahrrad, Iron Curtain Trail, Radreise}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{MENASSE2022, title = {Tiere für Fortgeschrittene}, author = {Eva MENASSE}, year = {2022}, date = {2022-07-24}, abstract = {MENASSE, Eva: „Tiere für Fortgeschrittene“, München 2018 Im Rahmen von „Literatur & Wein“ 2022 im Stift Göttweig hat die Autorin selbst aus diesem Werk gelesen. Dies war dann auch der Anlass für mich das Buch zu kaufen und zu lesen. Die acht Kapitel – Geschichten –tragen als Titel einen Namen eines Tieres. Das erste Kapitel gleich drei: „Schmetterling, Biene, Krokodil“ Die Geschichte spiegelt die Szene einer Patchworkfamilie wieder. Die Kinder vom ersten Mann fahren gemeinsam mit dem Kind des zweiten Ehepartners in die Türkei, um einen konservativen Familienurlaub zu absolvieren. Dies bedeutet viel Stress für die Stiefmutter des Kindes, weil sie sich im Nachhinein der Kritik der leiblichen Mutter aussetzen muss. „Raupen“ Die Autorin zeigt hier ein älteres Ehepaar. Die Frau ist dement und der Ehemann pflegt sie. Was da so alles passieren kann wird sehr realistisch beschrieben. Beim Besuch eines Enkels wird die demente Frau aber geistig hellwach. „Igel“ Ein reiches Ehepaar. Er ein internationaler Manager und sie eine extrovertierte Ehefrau ohne Beschäftigung. Ein Igel, den Jugendliche mit Stöcken schlagen, wird zum Themengeber dieser Geschichte. Ein Eisplastikbecher von McDonald wurde dem Igel zum Verhängnis. Er schleckte die Reste des Eises auf und blieb im Becher stecken. „Schafe“ Wie Schafe wohnen Menschen nebeneinander in Bungalows. Sie gehören einem Projekt an, von dem nicht klar ist, was produziert werden soll. Künstler und Intellektuelle. Eine der Teilnehmerinnen schreibt ein Protokoll, was da alles passiert. Charakterbeschreibungen verschiedener Menschen reihen sich aneinander. „Opossum“ Angeregt durch einen Autofahrer, der versuchte eine angefahrene Ratte wieder zu beleben, entstand diese Geschichte, in der ein Mann auf der Heimfahrt von der Geliebten ist und feststellen muss, dass ihm das Benzin ausgeht. Bei einem Wirten oben am Berg bekommt er zu essen und etwas Sprit. Bei der Weiterfahrt überholt ihn ein Raser. Er verfolgt ihn und erreicht ihn, als da ein totes Reh auf der Straße liegt, dem er in die Augen schaut. Durch seinen Kopf laufen Gedanken über zwei Frauen, die er liebt. „Haie“ In dieser Geschichte geht es darum, wie mit anderen Menschen und vor allem anderen Nationalitäten – den Ausländern – umgegangen wird. Erzählt am Beispiel eines Kindes, das das erste Jahr in die Schule geht, in dessen Klasse auch ein Ausländerkind ist, das letztendlich zum Jahresende in eine andere Schule übersiedelt wird. Am Weg zur Schule sah man sie festlich gekleidet „Generationsbilder, sogar solche mit stolzen vier Stammbaumstufen. Insgesamt war es vertrakter als früher, die Mütter von den Großmüttern zu unterscheiden, die Väter von den Großvätern. Nur bei den Türken war es oft so, dass einer, der wie ein Bruder aussah, in Wahrheit doch der Vater war. Aber alle, alle strahlten und schienen ein bisschen gerührt. Nora empfand es als einen Morgen voller Einigkeit und völkerverbindenden Harmonie.“ (Seite 212) Im Laufe des Schuljahres wurde es aber anders … „Schlangen“ Die Frau hatte ihn verlassen. Er lebt alleine. Ein junges Paar zieht ins Nachbarhaus. Er hilft den jungen Leuten bei ihren Umbauarbeiten. Er denkt an seine Frau, die ihn verlassen hat. Der jungen Nachbarin gesteht er, dass er sie vertrieben habe, weil sie ihm untreu geworden war. „Enten“ Jeder Geschichte ist ein kurzer Bericht über das jeweilige Tier vorangestellt. So erfährt man, dass Enten gleichzeitig schlafen und nach Feinden Ausschau halten können. Auf dieser Basis stellt sie ein Ehepaar vor, das mit einem Kind auf Urlaub fährt. Sie zeigt die Abnützungerscheinung des Ehepaars und ein Verhätnis der Mutter mit einem Maler. Eigentlich eine belanglose Geschichte und doch zeigt sie wie sich Beziehungen im Laufe der Zeit verändern. Das Buch besteht aus Geschichten und Erzählungen, die in verschiedenen Zeitungen, Zeitschriften oder Sammelbänden schon veröffentlicht waren. In diesem Buch werden sie über die Klammer „Tiere“ zusammengehalten. }, keywords = {Kurzgeschichten, Menschen, Tiere}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SCHMITT2022c, title = {Die zehn Kinder, die Frau Ming nie hatte}, author = {Eric-Emmanuel SCHMITT}, year = {2022}, date = {2022-06-24}, abstract = {SCHMITT, Eric-Emmanuel: „Die zehn Kinder, die Frau Ming nie hatte“, Frankfurt 2019 Der Icherzähler des Buches ist zu Verhandlungen für eine französische Firma regelmäßig in China. Zur zentralen Figur dieses Romans erschafft er aber Frau Ming, eine Klofrau in einem Hotel. Er, der auch chinesisch spricht, kommt mit ihr ins Gespräch. Da ihm ein Foto mit zwei Kindern aus der Brieftasche fällt, fragt sie ihn nach seinen Kindern. Sie selbst, so antwortet sie, habe zehn. Der Franzose ist überrascht und denkt, sie spricht nicht die Wahrheit. In einem Land mit der Ein-Kind-Politik kann diese Frau nicht zehn Kinder haben. Im Hotel verhandelt er mit einem Handelspartner. Eine seiner Taktiken ist es, das Gespräch durch häufige Klobesuche zu unterbrechen und den Partner etwas zu verunsichern. Bei jedem dieser Besuche kommt er mit Frau Ming ins Gespräch und sie stellt ihm laufend ihre Kinder vor. Beginnend mit Zwillingen, die unerschrockene Kinder seien. Sie wurden berühmte Artisten in einem Zirkus und traten – so erzählte sie ihm – auch in Monaco (sie dachte, das sei Frankreich) auf. Eine andere Tochter hatte im Sinn, die Frau von Mao zu morden. Den zweitältesten Sohn präsentiert sie als Pokerspieler. Obwohl er denkt, die Frau lüge ihn an, hat er sie angelogen und die beiden Kinder am Foto sind sein Neffe und seine Nichte. Frau Ming klärt das auf und nun wendet sich das Blatt. Er ist der Lügner und nicht Frau Ming. Nach einer Wiederkehr nach China wird gerade in den chinesischen Medien verkündet, dass durch die Ein-Kind-Politik 400 Millionen Chinesen nicht geboren wurden. Ein Thema, das auch mit Frau Ming diskutiert wird. Wenig später erfährt er, dass seine Freundin schwanger wurde. Er lehnt eine Ehe ab, distanziert sich vom Kind und bricht die Freundschaft zur werdenden Mutter ab. Er will seine Unabhängigkeit und Freiheit. Wieder in China erfährt er mehr über Frau Mings Kinder. Da sind die Söhne Ru und Zhou. Beide sehr intellektuelle Typen. Einer spricht sieben Sprachen, der andere ist ein Geistesblitz. Ein anderer Sohn verdient sein Geld mit dem Erfinden von Gärten. Er beschreibt Gartenanlagen, die nicht echt existieren. Entwickelt so Gärten für Leute, die sich keinen eigenen Grund und Boden leisten können. Für den schriftlichen Entwurf der Gartenbeschreibungen wird er bezahlt. Und in diesem Sinne geht es weiter mit der Beschreibung der Kinder von Frau Ming. Inzwischen bestaunt der Franzose die Erfindergabe der Frau. Unsicher wird er, als einer der Geschäftspartner von der Frau erzählt, dass er selbst bei ihr zu Hause war und Unterlagen und Briefe der zehn Kinder sah. Er hat ihr also doch unrecht getan; die Kinder existieren? So freut er sich auf jeden Tag, an dem er mit ihr reden kann, aber eines Morgens sitzt eine andere Frau in der Toilette. Frau Ming habe einen Unfall gehabt. Der Franzose besucht sie im Spital und dabei trifft er auf die zehnte Tochter. Nun kann er mit einem realen Kind von Frau Ming sprechen, muss aber erfahren, dass die Kinder alle von ihr, der einzigen Tochter erfunden sind. Sie hat es mit einem sehr ausgeklügelten System gemacht und lässt an einem Tag sogar alle „gefakten Kinder“ auftreten. Alles Menschen aus ihrem Freundeskreis. Zum ersten Mal brachte sie sie live zusammen und die „Mama schwebt im siebenten Himmel“. (Seite 103) Nachdem alle Verträge abgeschlossen sind, kehrt er nach Frankreich zurück und erfährt, dass sein Sohn geboren wurde. Wie er sich als Vater verhält, erfahren sie, wenn sie das Buch lesen. }, keywords = {China, Franzose, Kinder}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HABELER2022, title = {Das Ziel ist der Gipfel}, author = {Peter HABELER}, year = {2022}, date = {2022-06-22}, abstract = {HABELER, Peter: „Das Ziel ist der Gipfel“, Innsbruck Wien 2022 Der 1942 geborene Bergsteiger blickt nach 80 Jahren auf sein Leben zurück. Wie er, aus einfachen Verhältnissen kommend, zu einem der weltweit besten Bergsteiger wurde. 1978 hat er mit Reinhold Messner den Mount Everest ohne Sauerstoff bestiegen. Aber schon als Jugendlicher war er regelmäßig in den Bergen. „Mit 16 Jahren verdiente ich das erste Mal ein Paar Schilling, als wir mit Engländern unterwegs waren, am Möseler.“ (Seite 91) Sein Auftritt war dabei nicht der beste, denn er rutschte ab und wurde vom Bergführer noch gefangen. Gelernt hat er Glasmalerei, aber er fühlte sich nie als Künstler und war daher froh, dass er als Schilehrer und Bergführer sein Geld verdienen konnte. 1965 bestand er die Bergführerprüfung. „Die Ausbildung war begehrt, Bergführer war ein angesehener und toller Beruf. Man verdiente relativ gut.“ (Seite 101) So konnte er sich bald ein eigenes Haus leisten und seiner Familie ein Zuhause bieten, obwohl er viel unterwegs war. Keiner seiner Söhne nahm den Beruf des Vaters an, worüber er froh ist. Er selbst wurde vom Bergführer zum Unternehmer und hat seine eigene Schi- und Alpinschule. Ausführlich erzählt er auch, wie er mit dem damaligen Bundeskanzler Schüssel in die Berge ging. Er lobt seinen „Kunden“, dass er ein sehr einfacher und freundlicher Mensch sei. Auf der ganzen Welt ist er schon geklettert und hat Berge bestiegen. Im vorliegenden Buch werden Rückblicke und Einblicke dieser Abenteuer gegeben. Mehrere Kapitel des Buches sind Interviews, die die Co-Autorin Karin Steinbach mit Habeler gemacht hat. So entsteht ein Dialog. Nicht nur im Interview, sondern die Interviews nehmen Bezug auf das jeweils vorangegangene Kapitel von Peter Habeler selbst. Wenn das Buch nicht nur für Insider gedacht ist, so würde ich dem Verlag empfehlen im Anhang einen Lebenslauf und eine Tabelle mit den Highlights von Peter Habeler zu bringen. Der Titel des Buches heißt „Das Ziel ist der Gipfel“ und das war und ist auch das Motto Habelers. Dazu gehört das Hüttenleben genauso wie die Schwierigkeiten und Anstrengungen des Kletterns. }, keywords = {Bergsteigen, Klettern}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{MORNSTAJNOVA2022, title = {Es geschah im November}, author = {MORNSTAJNOVA, Alena:}, year = {2022}, date = {2022-06-17}, abstract = {MORNSTAJNOVA, Alena: „Es geschah im November“, Klagenfurt 2022 Die tschechische Autorin veröffentlichte seit 2013 fünf Romane und drei Kinderbücher. Ihre Romane wurden in 14 Sprachen übersetzt und dieser ist jetzt auch auf Deutsch verfügbar. Sie ist – und das ist für das Thema des hier besprochenen Buches wichtig – 1962 geboren. Sie erzählt also aus einer Zeit vor der politischen Wende; eine Zeit, die sie selbst bewusst erlebt hatte. Es beginnt mit den Demonstrationen im Jahr 1989. In ihrem Roman geht es aber nicht zugunsten der Aufständischen aus, sondern das kommunistische System schlägt zurück und inhaftiert alle, die an einer Veränderung des Systems gearbeitet haben. Sie bringt dies sehr anschaulich am Beispiel einer jungen Familie. Wie sie aufgewachsen sind, wie es zur Ehe und der Familiengründung kam. Während die zwei Kinder bei den Großeltern sind, weil die Eltern die Wohnung neu ausmalen, werden sie in der Nacht – so wie viel andere – verhaftet. Erzählt werden (sehr anschaulich!) die Haftverhältnisse. Beim Lesen fragte ich mich „Muss eine Dichterin selbst in einem Gefängnis gesessen haben, um die Verhältnisse so genau beschreiben zu können?“ Wie auch immer. Sie kann es und zieht beim Lesen in den Bann. Maria hat ihren Ehemann nie mehr gesehen. 15 Jahre war sie in Haft. Mit Nichts wurde sie entlassen. Der Vater half ihr weiter. Sie wurde einer Zwangsarbeit am Land zugeteilt, wo sie sich ein neues Leben aufbaute. Bei ihrer Verhaftung waren die zwei Kinder bei den Großeltern. Sie sehnte sich, die Kinder wieder zu sehen. Der Vater musste ihr aber gestehen, dass beide weg sind. Der Bub – ein voreheliches Kind mit einem Oberarzt – wurde von diesem in den Westen entführt. Das Mädchen kam in eine Umerziehungsanstalt und machte Karriere. Erst als sie erfolgreiche Journalistin und Autorin ist, bekommt sie ersten Kontakt mit der Mutter, der aber mit Missverständnissen auseinandergeht. Als sie dann wieder Kontakt aufnehmen will, muss sie erfahren, dass die Mutter bei einer Flucht in den Westen erschossen wurde. Mornstajnova ist eine anerkannte Schriftstellerin. 2019 wurde eines ihrer Bücher vom Publikum zum „Buch des Jahres“ gekürt. Es ist wert Bücher diese Autorin zu lesen. }, keywords = {Diktatur, Ende Kommunismus, Ostblock, Tschechien}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{VÁSQUEZ2022, title = {Lieder für die Feuersbrunst}, author = {Juan Gabriel VÁSQUEZ}, year = {2022}, date = {2022-06-13}, abstract = {Hinterbrühl-Wöglerin-Heiligenkreuz-Hinterbrühl, Montag 13. Juni 2022 Endlich wieder länger schlafen. Nini machte es möglich, dass wir heute, am ersten Tag nach dem Urlaub, nicht mit Florian zur Schule gehen mussten. Ich war zwar um ½ 7 Uhr auf, bin aber irgendwie doch wieder eingeschlafen. Um 9 Uhr standen wir dann auf und frühstückten. Ich setzte mich dann aufs Rad und fuhr über Gaaden, Sulz zur Wöglerin hinauf und in Gruberau hinunter nach Heiligenkreuz, wo ich im Gastgarten einen Kaffee trank. Der neue Radweg nach Gaaden ist fast fertig. Nach zwei Stunden war ich wieder zu Hause. Ich merkte beim Fahren, dass ich noch nicht fit bin. Die Verkühlung oder was immer das mit den Viren war, steckt noch in mir und ich hoffe, dass es bis zu meiner Radtour ausgeheilt ist. Lorli kochte dann Dinge, die sie im Kühlschrank hatte. Nach dem Mittagessen fuhr sie einkaufen. Ich schrieb einige Tage im Tagebuch nach. Als sie nach Hause kam aß ich ein Eis, das sie mitbrachte und dann machten wir uns einen Kaffee. Im Garten hatte ich den Liegestuhl aufgestellt. Am späteren Nachmittag schnitt ich dann die Hecke und auch jene bei Nini. Den Schnitt brachte ich noch in die grüne Mülltonne. Am Abend hatten wir ein Telefonat mit Magda. Sie klang noch sehr verschnupft und beide – auch Peter – haben große Nachwirkungen ihrer Coronakrankheit. Magda hatte ihren Geschmackssinn verloren, der aber langsam wieder zurückkommt. Beide sind sie aber immer müde und es ist ihnen ständig im Magen schlecht. In zwei Wochen wollen sie in Urlaub fahren und hoffen, dass sie bis dahin geheilt sind. Seit Langem sahen wir wieder Abendnachrichten im Fernsehen. Eigentlich habe ich das Interesse dazu verloren, weil dies alles sehr dumm und primitiv ist. Später kam Nini und gratulierte mir zum Vatertag. Am Abend habe ich das Buch von Vásquez ausgelesen. Zwei Wochen lag es unbenützt in meinem Reisegepäck. VÁSQUEZ, Juan Gabriel: „Lieder für die Feuersbrunst“, Frankfurt 2021 Seminare, Konferenzen, Tagungen und Symposien sind Einrichtungen zum Lernen; zur Weiterbildung. Lebenslanges Lernen. So auch die Literaturtage „Literatur & Wein“, die jedes Jahr im Stift Göttweig stattfinden. Die Veranstalter verstehen es immer schon bekannte Dichter und jene, die (vielleicht nur in unserem Land) noch nicht so bekannt sind zu präsentieren. Also neue. Weiterbildung. So ging es mir mit Juan Gabriel Vásquez aus Kolumbien. In seinem Heimatland ist er ein bekannter Schriftsteller und nun kennen ihn auch wir Österreicher. Als einfachen Einstieg in die Dichtkunst von Vásquez empfehle ich die „Lieder für die Feuersbrunst“. Neun Kurzgeschichten sind in diesem Buch zusammengefasst. Sie erzählen von aufs erste belanglos wirkenden Szenen. Unabhängig von der großartigen Ausdrucksweise des Schreibers, stellen sie sich dann doch als Meilensteine der Weltgeschichte dar. „Frau am Ufer“: Einleitend erklärt er, dass er über Menschen nur schreibt, wenn er deren Einwilligung bekommen hat. So war es auch bei einer Geschichte, die ihm eine Fotografin erzählte. Sie spielt auf einer kolumbianischen Farm, wo sie einige Tage entspannenden Urlaub machte und eine Gruppe um einen bekannten Politiker kennenlernte. Bei einem Ausritt stürzt eine Frau vom Pferd. Sie ist schwer verletzt. Da sie eine Vertraute des Politikers ist, macht sich dieser Sorgen und es kommt zu nächtlichen Gesprächen zwischen der Fotografin und dem Politiker. Zwanzig Jahre später trifft sie diese Frau wieder in derselben Farm. Es kommt zum Gespräch, bei dem die fremde Frau die Fotografin aber nicht erkennt. „Der Doppelgänger“: Zwei Freunde wurden zum Militärdienst eingezogen. Einer war nicht tauglich. Der andere bekam seine Stelle und starb im Krieg. In der Geschichte werden die Gewissensbisse des Überlebenden literarisch verarbeitet. „Die Frösche“: Bei einem Kriegsveteranentreffen tritt eine Frau auf, die dem Erzähler bekannt vorkommt. Er erinnert sich. Sie war eine vornehme Frau. Die Verlobte eines Offiziers, der im Krieg war. Sie wurde schwanger. Er, der Erzähler, verdiente sich damit Geld, Frösche für ein Labor zu sammeln. Die Frösche wurden dafür verwendet, um festzustellen, ob eine Frau schwanger war. Die Frau, die er hier wieder traf, sprach ihn vor dem Labor an und bat ihn, ihr einen Schwangerschaftstest machen zu lassen, bei dem sie anonym bleiben konnte. „Schlechte Nachrichten“: Während seines Paris Aufenthalts lernt Vásquez einen ehemaligen amerikanischen Militärpiloten kennen. Es passiert, während eines, auf einem Großbildschirm am Pariser Rathaus übertragenen Fußballmatches, in dem die USA gegen den Iran spielen und der Iran gewinnt. Der Helikopterpilot erzählt von seiner Stationierung in der amerikanischen Militärbasis Rota, die ihre größte in Europa ist. Der fremde Amerikaner erzählt auch von einem talentierten Pilotenkollegen und der Schriftsteller fragt sich laufend „Warum erzählt mir der das?“ Dieser Pilot sei bei einem Unfall umgekommen, und er, sein Freund, sollte die Frau informieren. Detailliert erzählt er, wie er die schlechte Meldung weitergab. Nach einigen Jahren übersiedelt der Schreiber dieser Kurzgeschichte nach Barcelona und die Militärbase Rota kam ihm wieder in den Sinn. Bei einem Familienurlaub in Malaga sucht er die Witwe auf und bekommt eine gänzlich andere Version erzählt. „Wir“: Ein Freund war verschwunden. Spurlos war er weg. Seine Freunde spekulieren und interpretieren. Über soziale Medien werden Kommentare abgegeben. Der Dichter lässt daraus eine Kurzgeschichte entstehen. „Flughafen“: Der Schreiber dieser Geschichte wurde als Statist für einen Film engagiert, der auf einem Pariser Flughafen gedreht wurde. Dabei lernt er den Regisseur Polanski kennen. Aus der Sicht eines einfachen Statisten beschreibt Vásquez das Entstehen einer Filmszene „Die Jungen“: In einem Nobelviertel, einem gut bewachten Compound entstand eine Jungendbande. Söhne von wohlhabenden Eltern werden zu Schlägern. Auf Vorschlag eines Bandenmitglieds wird eine Mordszene nachgestellt. Zwei Welten, die hier aufeinandertreffen: die Reichen und die verwahrlosten Kinder. „Der letzte Corrido“: Der Autor erhielt den Auftrag, eine lateinamerikanische Band bei ihrer Spanientournee zu begleiten und einen Bericht darüber zu schreiben. Sie treten in Barcelona, Valencia, Madrid und am Ende in Cartagena auf. Er wurde von den Bandmitgliedern behandelt „wie ein Gast, der auf dem Fest nicht willkommen war.“ Er war für sie ein „literarischer Paparazzo“. Letztlich stellte er fest, dass die Band dieselbe Tournee vor 5 Jahren schon gemacht hatte. Nach dem letzten Konzert schied ihr Gründer und Leadsänger aus. Er gestand Krebs zu haben sich den Kehlkopf rausschneiden zu lassen. Damit verlor er seine Stimme. Der bekannte Sänger wurde stimmlos. Er wollte aber das letzte Konzert noch singen, weil aus dieser Tournee eine Schallplatte entstehen sollte. „All die Tage hat er sich Kortison gespritzt, allein in seinem Zimmer. Hat die Spitzen selbst aufgezogen, da muss man schon ein Kerl sein.“ (Seite 180) erzählte ihm der derzeitige Leadsänger. Sehr emotionell wird hier von einer Konzerttournee geschrieben, die es aber fünf Jahre vorher schon gegeben hat und nach der sie den Gründer der Band, die 1968 entstand, verloren hatten. Der „Paparazzi Vásquez“ zeigt sich in dieser Geschichte als literarischer Akrobat, der Emotionen beschreibt, die keinen Leser tränenlos zurücklassen. „Lieder für die Feuersbrunst“: Eine Geschichte, die aus Recherchearbeiten für einen Roman entstanden sind. Die Hauptperson ist eine junge Frau, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts als uneheliche Tochter eines kolumbianischen Soldaten in Europa geboren wurde. Der Vater stirbt im Krieg, die Mutter versucht sich zu den Großeltern nach Kolumbien, wo diese eine Kaffeeplantage besitzen, durchzuschlagen. Der Autor beschreibt, wie sich das Mädchen nach einer Schulbildung in einem Klosterinternat sehr liberal entwickelt und zur Journalistin avanciert. Vieles stellt sie in Frage und wird auf einem Friedhof begraben, wo nur jene beerdigt werden, denen die Kirche eine Bestattung am offiziellen (katholischen Friedhof) verweigert. }, keywords = {Kolumbien, Krieg, Kurzgeschichten}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Bartoszewski2022, title = {Es lohnt sich anständig zu sein. Meine Erinnerungen. Mit der Rede zum 8.Mai}, author = {Wladyslaw Bartoszewski}, year = {2022}, date = {2022-05-30}, abstract = {BARTOSZEWSKI, Wladyslaw: „Es lohnt sich anständig zu sein. Meine Erinnerungen. Mit der Rede zum 8.Mai“, Freiburg 1995 Ein großartiger Mensch, der in diesem Buch seine Lebenserinnerungen niedergeschrieben hatte. Dabei zeigt er sich auch als ausgezeichneter Schriftsteller. Ich durfte ihn mehrmals treffen und konnte so selbst erleben, welches Charisma von diesem Menschen ausging. Vor allem aber ist er ein sehr verzeihender Mensch. Mehrmals war er eingesperrt – unter den Nationalsozialisten, den Russen und der polnischen Regierung. Acht Jahre seines Lebens verbrachte er in Kerkern. Er war Häftling in Auschwitz, obwohl er kein Jude war, diesen aber geholfen hatte. „Weil ich eine große Nase habe, wurde auch ich für einen Juden gehalten.“ (Seite 30) „In Auschwitz“, so schreibt er, „wurden wir erniedrigt … Am 22. September 1940 kam Lagerkommandant Fritsch und sagte „Ja, seht ihr den Kamin da drüben, seht ihr dort drüben, dort ist das Krematorium. Alles zum Krematorium, 3000 Grad Hitze.“ (Seite 42) Bartoszewski hat die ersten Menschen gesehen, die zum Verbrennen gebracht wurden. Zu Weihnachten wurde für die Häftlinge ein Tannenbaum aufgestellt, der mit elektrischen Kerzen beleuchtet war. Darunter legte man nicht Geschenke, sondern Lagerleichen. Im Untergrund hat er gekämpft und damit sein Leben riskiert. Er sieht einen Grund in der Judenverfolgung in den Ursprüngen der katholischen Religion. „Die Juden haben unseren Jesus ermordet.“ (Seite 32) Und trotz all dieser Erlebnisse war er nicht nachtragend und versuchte nicht voreingenommen zu sein. Bartoszewski ist nicht verbittert und er sann nicht nach Rache, „ganz im Gegenteil. Ich möchte junge Menschen in allen Ländern Europas und der Welt das ersparen, was ich erleben musste.“ (Seite 68) Er kann dies, weil er zwischen System und Mensch unterscheidet. „Ich halte die einzelnen Menschen nicht für schuldig, auch nicht meine Vernehmungsoffiziere. Auch nicht die, die mich unter diesem System verurteilt haben. Ich unterscheide zwischen System und Mensch. In dem Sinn suche ich nicht die Rache, auch nicht die prinzipielle Abrechnung. Ich suche die Abrechnung von oben, nicht von unten her. Nicht von denen, die die Befehle angenommen haben, sondern von denen, die sie befohlen haben.“ (Seite 110) Sehr persönlich werden weltpolitische Ereignisse erzählt, wie etwa die Kriegserklärung Englands und Frankreichs an Deutschland. „Es war etwa 12,30 Uhr, der Priester predigte. Plötzlich kam ein Bote mit einem Zettel, und der Priester sagte „Ich unterbreche jetzt meine Predigt, denn ich muss eine gute Nachricht verlesen. Wir sind nicht allein, Großbritannien ist in den Krieg eingetreten für unser Land.“ Er stimmte das „Te Deum laudamus“ an. Alle Menschen in der Kirche weinten.“ (Seite 27) Als Sanitäter erlebte er den Krieg vor seiner Haustür. „Aber die Brandbomben fielen auf den Rasen und ich sah, wie die Menschen, Frauen, Männer, Junge, Alte, Kinder, auf diesem riesigen Vorplatz wie Fackeln verbrannten, schreiend und weinend, andere ohnmächtig still. Brandbomben wie Lichter am Weihnachtsbaum. Lebende Menschen, lebende Fackeln, bei lebendigem Leib verbrannt.“ (Seite 29) Aussagen über die Situation Warschaus im Zweiten Weltkrieg erinnern an die heutige Situation in der Ukraine. Auf Vermittlung Heinrich Bölls kam er 1965 erstmals ins Ausland und nach Deutschland wo er sich für ein friedliches Zusammenleben der beiden Völker Deutschland und Polen einsetzte. „Es kann keine allgemeine Rache geben. Ein allgemeines Gefühl der Rache bringt dem Rächer noch größeren Schaden als dem Opfer, weil er in seinem Rachegefühl nicht mehr zu sich selbst zurückfindet.“ (Seite 99) Bartoszewski ist ein wichtiger Zeitzeuge und in diesem Buch hält er das Erlebte für die nachkommenden Generationen fest. „Ich habe dieses Land nicht gewählt. Ich habe Auschwitz nicht ausgesucht. Auch habe ich in Polen den Einmarsch der Russen nicht begeistert begrüßt. Ich hätte bei uns lieber die Amerikaner und die Engländer gesehen. Polen wäre mir als neutrales Land lieber. Mindestens so neutral wie Finnland, eher noch wie Österreich. … Ich lebe in einem Land, wo ich zu einer kleinen Minderheit gehöre. Nicht wegen meiner Weltanschauung, meiner Zugehörigkeit zur katholischen Kirche, ganz im Gegenteil. Sondern aufgrund der Erfahrung. Zwei Drittel der Menschen bei uns sind nach dem Zweiten Weltkrieg geboren und erzogen worden. Sie haben diese Erfahrungen nicht.“ (Seite 106) Als Bartoszewski 2015 starb, ging ein wichtiger Zeitzeuge verloren. In diesem Buch bleibt aber sein Gedankengut erhalten. In der Ausgabe aus dem Jahr 1995 ist am Ende noch eine Rede Bartoszewski vor dem deutschen Bundestag und Bundesrat vom 28. April 1995 abgedruckt. Darin geht Bartoszewski in die deutsch-polnische Beziehung ein. Er verweist darin, dass etwa 100.000 Polen als Soldaten in den Armeen der Alliierten des Zweiten Weltkriegs gekämpft haben. Auch das Verhältnis der Nationalsozialisten zu den Juden und Polen sprach er offen an: „Die Hitler-Okkupation sprach den Juden das Recht auf Leben ab. Den Polen sprach er das Recht ab, Mensch zu sein und behandelte sie als „Untermenschen“, für die es keinen Platz in der gesamteuropäischen Kultur gab. Das stalinistische Nachkriegssystem verabreichte den Polen – ähnlich wie den Deutschen in der DDR – eine „antinationalistische“ Therapie…“ (Seite 123) Unermüdlich setzte sich Bartoszewski für eine friedliche und freundschaftliche Kooperation der beiden Länder ein. }, keywords = {Juden, Polen, Zweiter Weltkrieg}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @article{PÖNITZ2022, title = {Mit der SY um die halbe Welt 2016-2020}, author = {PÖNITZ, Erwin; SCHINDLER, Ingrid}, year = {2022}, date = {2022-05-18}, abstract = {PÖNITZ, Erwin; SCHINDLER, Ingrid: „Mit der SY um die halbe Welt 2016-2020“, Wien 2022 Erwin Pönitz ist ein Schulfreund aus der Zeit der HTL. Wir saßen mehrere Jahre in der ersten Reihe nebeneinander. Erwin war und ist ein sehr ruhiger und ausgeglichener Mensch. Überraschend erfuhr ich dann, dass er mit seiner Frau nach der Pensionierung ein Segelboot kaufte und mit ihr eine Weltumseglung macht. Dabei ging es nicht um Geschwindigkeit. Sie wechselten von der Wiener Wohnung auf das Wohnen am Schiff und blieben, wo es ihnen gefiel. Zeit hatte einen anderen Stellenwert bekommen. Es war aber auch ein Abenteuer, das man normalerweise mit jungen Jahren macht. Immer wieder gibt es Gefahren, die zu meistern sind. Zuerst musste das Boot kennengelernt werden. Vieles mussten die beiden selbst reparieren, weil Niemand zu Hilfe war und sie irgendwo im weiten Meer unterwegs waren. Ingrid ist Ärztin, was bei so einer Expedition auch wichtig ist und war, denn bei der Atlantik-Querung brach sie sich den Fuß. Zwei Wochen musste sie mit Schmerztabletten und einem provisorisch bandagierten Bein ausharren, bis sie eine Insel erreichten. Die Schwere der Verletzung zeigte dann das Röntgenbild des lokalen Krankenhauses. Zum Operieren flogen sie aber heim und pausierten drei Monate in Wien. Wieder zurück am Boot muss alles wieder auf Schuss gebracht werden und letztlich geht es im Jänner 2018 durch den Panamakanal in den Pazifischen Ozean. Die Galapagos Inseln erleben die beiden Segler in einer Form, wie man es als normaler Tourist nicht kann. Mehrere Inseln werden angefahren und vom Tierleben aus vergangenen Zeiten wird im Buch berichtet und mit schönen Bildern illustriert. Über Französisch-Polynesien geht es nach Neuseeland. Immer wieder kommt es zu Treffen mit Seglern, die sie auf der Reise kennengelernt haben. Verwandte und Freunde kommen nach, um mit ihnen einige Wochen Urlaub zu verbringen. Nach den Fidschi-Inseln und Neukaledonien kehren sie wieder nach Neuseeland zurück, wo letztlich im April 2020 die Reise unterbrochen werden muss. Bedingt durch die ausgebrochene Corona-Pandemie werden sie von der österreichischen Regierung in einem Sonderflug mit ihrer Katze nach Wien zurückgeholt. Die Katze muss in Österreich offiziell einreisen, denn sie hatte bereits die Quarantänebedingungen für Neuseeland und Australien erfüllt und war eine Kiwi-Katze geworden. Die Reise, die 2016 begann endete so 2020 und wird 2022 wieder fortgesetzt. Demnach heißt der Titel des Buchs auch „… um die halbe Welt“. Spannend ist von den vielen Problemen und Hindernissen der Reise zu lesen. Wie auch bei einem neuen Boot vieles kaputt geht und in entlegenen Gebieten eine Hilfe nur schwierig zu bekommen ist. Das ist das wahre Abenteuer. Oft auch lebensgefährliche Situationen. So wie ihre Katze, der man sieben Leben nachsagt, hatten auch die Beiden mehrere Leben. Erwin und Ingrid – so war mein Eindruck beim Lesen – haben in diesen Pensionsjahren mehr erlebt als viele, viele Menschen in ihrem ganzen Leben. }, keywords = {Segeln, Weltumseglung}, pubstate = {published}, tppubtype = {article} } @book{HELFER2022, title = {Löwenherz}, author = {Monika HELFER}, year = {2022}, date = {2022-05-15}, abstract = {HELFER, Monika: „Löwenherz“, München 2022 Im Rahmen des Kulturfestivals „Literatur & Wein 2022“ stellte die Autorin dieses Buch vor und las daraus. Mit vielen Büchern kam ich von diesen Lesungen heim. Darunter das Buch über den Bruder der Dichterin, den sie „Löwenherz“ nannte. Es ist sicher schwer als Frau eines erfolgreichen Schriftstellers selbst schriftstellerisch tätig zu sein. Monika Helfer nimmt in ihrem Buch „Löwenherz“ aber laufend Bezug auf ihn, den bekannteren, den berühmteren, den Dichter Michael Köhlmeier. „Löwenherz“ sollte eine Biografie über ihren verstorbenen Bruder sein, sie erzählt aber mehr von sich selbst und ihrem Mann, als über den Bruder. Ja, die Verwebung zwischen dem Dichtermann und der Dichterfrau geht so weit, dass Manuskripttexte dem Mann vorgelesen werden und dass er Input zum Thema „Bruder“ einbringt. Wie gesagt; als Leser erfährt man auch viel über die Beziehung von Köhlmeier und Helfer. Wie sie zusammenkamen, wie sich Helfer von ihrem Mann scheiden ließ und wie sie mit ihrem Geliebten, dem jetzigen Ehemann, zusammenkam. Der Bruder ist und soll aber der Leitfaden des Buches sein. Als die Mutter starb wurden die Kinder aufgeteilt und der Vater ging in ein Kloster. Der Bruder kam zu einer anderen Tante als sie und die zwei Schwestern. So wird erzählt, wie die Mädchen ihren Bruder besuchten. Später wird er dann zum Freund des eigenen Freunds, eben Michael Köhlmeier, weswegen dieser viel Input zum vorliegenden Buch liefern konnte. Der Bruder war behindert oder anders. Seine Interessen lagen im Erfinden von Geschichten und im Malen von Bildern. Er selbst arbeitete im aussterbenden Beruf des Setzers. Wie ein Clochard hatte er einen Hund, den er Schamasch nannte. „Mein Bruder und Schamasch gehören inzwischen zum Stadtbild. Zwei Käuze. Der Mann mit dem Hund. Dabei war er erst Mitte der zwanzig.“ (Seite 105) Am Fluss wäre er beinahe ertrunken. Eine junge Frau mit einem kleinen Kind hatte ihn gerettet. Dieses Kind gab sie ihm später zur Pflege, weil sie ja sein Lebensretter sei, solle auch er einen Beitrag leisten. Das Kind blieb bei ihm. Er wusste nicht, wie es hieß, so nannte er es Putzi. Später heiratete er eine sehr vornehme und reiche Frau, eine Anwältin. Sie liebte ihn, trotz oder wegen seiner Seltenheiten. Eine Ehe, in der zwei Personen aus unterschiedlichsten Verhältnissen zusammenkamen. Sie wollte eine richtige Familie und bemühte sich Putzi zu adoptieren, was schief ging. Der Hund wurde zu Silvester im Wald von einem Jäger erschossen und Richard versank emotionell. Tanja, sein Frau blieb ihm treu, bis „der Tod sie schied“. Mit 30 Jahren nahm er sich das Leben. Monika Helfer erzählt aus Abschnitten ihres Lebens, die mit dem Bruder zu tun hatten. Immer wieder kommt auch Michael, ihr Ehemann ins Bild, der den Bruder, den Schwager vielleicht besser kannte und von dem viele Erinnerungen ins Buch einflossen.}, keywords = {Biografie, Brüder}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{NEUWIRTH2022, title = {Caffé in Triest}, author = {Günter NEUWIRTH}, year = {2022}, date = {2022-05-08}, abstract = {NEUWIRTH, Günter: „Caffé in Triest“, Meßkirch 2022 Wenn man das Buch zu lesen beginnt, denkt man, es sei von einem Schriftsteller zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschrieben worden. Der Autor ist aber 1966 geboren und wohnt in Graz. Es muss sehr viel Recherchearbeit dahinter stecken, um so detailgenau die Zeit um 1907 nachzuzeichnen. Das Buch besteht aus 15 Kapiteln, die jeweils einen Tag beschreiben. Mit über 400 Seiten werden nur 15 Tage, die sich auf die Zeit vom 10. September bis zum 9. Oktober 1907 erstrecken, behandelt. Durch die historischen Rückblicke gibt es aber einen Einblick in einen größeren Zeitraum. Als Leser bekommt man Zutritt zu verschiedenen Gesellschaftsschichten der damaligen Zeit: dem aus einfachen Verhältnissen aufstrebenden Proponenten Jure, dem Polizeiinspektor Bruno und seiner Welt der Polizei, einem Verbrechermilieu und der Familie eines Seemanns. Auch der, zu dieser Zeit in Triest wohnende irische Dichter James Joyce wird eingebunden und tritt als Englischlehrer auf. Geschickt werden diese verschiedenen Milieus miteinander verstrickt. Nicht in friedlichem Sinne, sondern in einem Kriminalfall. Ich bin kein Kriminalromanleser. Ja, ich vermeide sie sogar. Im vorliegenden Buch habe ich eine historische Geschichte vermutet und erst in der zweiten Hälfte des Buches musste ich feststellen, dass es sich zu einem Kriminalroman entwickelt. Ich genoss es aber und habe es in kurzer Zeit gelesen, um die Spannung anhalten zu lassen. Das Buch entführt in die Welt des österreichischen Triests des beginnenden 20. Jahrhunderts mit seinen sozialen Problemen zwischen Italienern, Slowenen und „Deutschen“, wie die Österreicher hier genannt wurden. Wie schon gesagt, entpuppt es sich im Laufe der fortgeschrittenen Seiten als Krimi und endet etwas kitschig. Aber die geistige Reise ins vorige Jahrhundert Triests ist es wert gelesen zu werden. }, keywords = {Beginn 20. Jahrhundert, Italien, Kriminalroman, Österreich-Ungarn, Triest}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{OSKAMP2022, title = {Marzahn mon Amour, Geschichten einer Fusspflegerin}, author = {Katja OSKAMP}, year = {2022}, date = {2022-05-02}, abstract = {OSKAMP, Katja: „Marzahn mon amour, Geschichten einer Fusspflegerin“, Berlin 2021 Ich habe die Schriftstellerin beim Kulurfestival „Literatur & Wein“ im Stift Göttweig kennengelernt. Ihren Vortrag habe ich interessant und lustig empfunden. Es war aber so wie mit dem herrlichen Rezzina-Wein, den man im Urlaub in Griechenland trinkt, sich eine Flasche mit nach Hause nimmt und zu Hause schmeckt er nicht mehr so gut. So war es auch mit Oskamps Buch. Es war zwar nicht uninteressant, aber nach mehreren Geschichten wurde es langweilig. Die Struktur des Buches ist sehr einfach: eine Fusspflegerin erzählt die Lebensgeschichten ihrer Kunden, wie sie sie während einer Fussbehandlung erzählen. Die Icherzählerin ist die Schriftstellerin selbst. Als ihre Mansukripte von vielen Verlagen abgelehnt wurden, musste sie sich einen anderen Gelderwerb suchen und machte eine Fußpflegerinnenausbildung, um dann in einem Körperpflegestudio im Ostberlin Plattenbaubezirk Marzahn zu arbeiten. Ob es sich um alleinstehende Witwen handelt oder um einen ehemaligen DDR-Politbonzen, die Geschichten wiederspiegeln Menschen, die in diesem Viertel wohnen. Hauptsächlich sind es aber alte Leute, deren Geschichten verschriftlicht werden. Bei einem Ausflug mit Kolleginnen schwingt sie sich „zu einer Hymne über Marzahn und seine Bewohner, über diese Leute, die dort vor vierzig Jahren hingezogen sind und jetzt mit Rollator, Sauerstoffgerät und Mindestrente tapfer ihr Leben zu Ende bringen, die manchmal tagelang mit niemandem reden, die uns, wenn sie ins Studio kommen, ihre hungrigen Herzen ausschütten, jede Berührung dankbar aufsaugen und glücklich sind an diesem Ort, an dem sie nicht wie die Vollidoten der Nation behandelt werden“ (Seite 92) auf. Die Fusspflegerin Oskamp liebt ihre Kunden, auch wenn ihre Füße stinken, verkrüppelt und ungepflegt sind. Genauso liebevoll erzählt sie die Geschichten über diese, ihre Kunden. Seit 2015 hat sie 3500 Füße gepflegt. Das sind – so ihre Hochrechnung – 19.000 Zehen. Mit den letzten beiden Geschichten läuft die Erzählerin – oder die zu beschreibenden Personen mit ihren Lebensläufen – zu einer Hochform auf. Da ist Gerlinde Bonkat, die 1945 als siebenjähriges Kind mit ihrer Mutter aus Königsberg mit ihrer Mutter in den Westen geflüchtet ist. Sie hat sich von gefängnisähnlichen Flüchtlingslagern hochgearbeitet und viele Berufe ausgeübt. Nie hat sie sich unterkriegen lassen und immer ist die positiv und fröhlich gewesen. „Ich verneige mich vor der Lebensleistung von Gerlinde Bonkat, weil es sonst niemand tut. Sie hat jede Chance ergriffen, um den verpfuschten Start ins Leben auszugleichen.“ (Seite 130) Alleine die Geschichte dieser Frau ist es wert dieses Buch zu lesen. }, keywords = {Berlin, Fusspflegerin, Lebensgeschichten}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{RABINOVICI2022, title = {Andernorts}, author = {Doron RABINOVICI}, year = {2022}, date = {2022-04-27}, abstract = {RABINOVICI, Doron: „Andernorts“, Berlin 2020 Durch eine Fernsehsendung mit dem Autor wurde ich angeregt dieses Buch zu lesen. Der in Israel geborene und in Wien wohnende Rabinivici kann – bedingt durch seine Herkunft und sein Leben – auf das Leben zweier sehr unterschiedlicher Kulturen blicken, die auch in diesem Buch zum Ausdruck kommen. Zwar in Israel, wo sich seine Eltern hin geflüchtet hatten, ist er – und auch der Protagonist dieses Buches – geboren, aber dann an vielen Orten der Welt aufgewachsen. „Jahre später seid ihr nach Paris, nach London und nach New York gezogen. Aber überall warst du der Israeli; nur in Israel wurdest du zum Wiener, zum Jekke, zum Franzosen, zum Amerikaner. Schon als Siebenjähriger bist du im Hebräischen und im Deutschen gleichermaßen zu Hause gewesen. Deine Aussprache war frei von jedem Akzent, und eben deshalb warst du nirgends bodenständig, bist es immer noch nicht, sondern wirkst überall abgehoben.“ (Seite 50) Ethan heißt der Proponent und nennt sich einen Mischmasch aus Wien und Tel Aviv. Auf den Reisen zwischen den beiden Ländern werden Mozartkugeln und Manner Schnitten von Wien nach Tel Aviv gebracht und Falafel, Humus und hebräische Literatur in umgekehrter Richtung als Gastgeschenke transportiert. Die Familie war mehrmals geflüchtet. Der Sohn, der letztlich nur ein „halber Sohn“ war, wurde in Israel geboren. Übersiedlungen veränderten das Leben und die Gewohnheiten. Als sie von Israel nach Wien übersiedelten fiel dem Jungen auf, dass er, um aus dem Haus zu kommen, einen Schlüssel brauchte. „In Tel Aviv hatten die Türen offen gestanden. ... Nach dem Sechstagekrieg lagen noch Sandsäcke vor den Eingängen.“ (Seite 229) In Wien fehlten ihm auch die Spielkameraden, die er in Israel auf der Straße fand. „In Tel Aviv sagte ein einstiger Freund aus dem Kindergarten, die Rosens seien Abtrünnige und Verräter, aber in Wien erklärte ihm ein Klassenkamerad, der jüdische Staat in Zion sei doch nichts als Rassismus. Seine Existenz stand unter Misskredit.“ (Seite 231) In diesem Zwiespalt wuchs der Junge auf und wurde ein, in Wien anerkannter, Wissenschaftler, der auch international lehrt. Seine Eltern wohnen in Israel. In der Funktion des Wissenschaftlers schreibt er einen Artikel über seinen verstorbenen Freund Dov Zedek. Zu seinem Nachruf kommt ein Gegenartikel von einem Kollegen, der sich um dieselbe Stelle an der Wiener Universität bewirbt. Das Buch nimmt ab hier an Fahrt auf, als dieser, bisher unbekannter außerehelicher, Sohn auftritt, der gleichzeitig ein Mitbewerber für Ethan wird. Für eine Position, die auf ihn zugeschnitten ist. Und dann geht es Schlag auf Schlag. Irgendwie könnte es auch das Konzept einer Biedermeierkomödie sein, aber es spielt in einer jüdischen Kultur und hat ein hohes Niveau. Der Vater hat eine Niere seiner Frau, die versagt und er erkrankt. Ethan reist nach Israel. Dort tritt auch der Bruder in sein Leben. Der Vater stirbt und hinterlässt ein Chaos. Ein Rabbiner sah im Vater einen Vorfahren des ungeborenen Messias. Die schwangere Mutter wurde im Zweiten Weltkrieg ermordet. Mit den Samen des Vaters könnte man – so die Ansicht des berühmten und konservativen Rabbiners – den Messias im Labor züchten. Aber der Vater stirbt, bevor die Idee des Rabbiners umgesetzt werden kann. Bei den Untersuchungen zu einer „Nachzüchtung“ über die Söhne stellt sich heraus, dass er für beide nicht der Vater ist. Es kommt zu Streit und Zank, das noch am Begräbnis des Verstorbenen anhält, obwohl der Rabbiner in seiner Rede sagt „Es ist unsere Pflicht, so steht es geschrieben, über einen Verstorbenen nur Gutes zu sagen.“ (Seite 280) Unabhängig vom Konstrukt dieses Romans wird der Leser in die Unterschiedlichkeit der jüdischen zur europäischen Kultur eingeführt. }, keywords = {Israel, Juden, Kultur, Österreich}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SCHMITT2022b, title = {Mein Leben mit Mozart}, author = {Eric-Emmanuel SCHMITT }, year = {2022}, date = {2022-04-11}, abstract = {SCHMITT, Eric-Emmanuel: „Mein Leben mit Mozart“, Frankfurt 2008 Der pubertierende Ich-Erzähler kommt mit seinem Leben nicht zurecht. Er ist am Weg zum Erwachsensein. Kein Kind mehr und auch noch kein Erwachsener. Die Gefühle dieses Buben werden im ersten Kapitel großartig geschildert. Welchen Ängsten, Sorgen und Beschwerden so ein Kind ausgesetzt ist. Mozart und seine Musik veränderten die Situation. Er denkt nicht mehr an Selbstmord, sondern hat eher Angst nicht alt genug zu werden, um all das Schöne noch zu erleben. Der junge Mann tritt nun in einen Briefwechsel mit Mozart ein. „Hier nun das Wesentliche unseres Austausches; seine Stücke, meine Briefe. Mehr noch als ein Meister der Musik ist er für mich ein Meister in Sachen Weisheit geworden, er lehrt mich Kostbares: Staunen, Milde, Heiterkeit und Freude …“ (Seite 7) In den verschiedenen Briefen, die vom Kindsein bis ins Erwachsenenalter geschrieben wurden, setzt sich der Dichter mit Mozart über verschiedenste Themen auseinander. So auch über Gott, wenn er meint „Ob Gott oder Jesus überhaupt existiert, weiß ich heute nicht zu sagen. Doch du hast mich überzeugt, dass der Mensch existiert.“ (Seite 41) Er vergleicht auch die verschiedenen Komponisten miteinander. Beim Komponieren einer Messe meint er: „Wenn Mozart eine Messe schreibt, dann für keinen schwerhörigen Gott. Anders als die Romantiker und die Modernen wetteifert er weder mit dem Himmel um Lautstärke, noch bringt er, um sich Gehör zu verschaffen, so große Chöre und Orchester zum Einsatz wie die chinesische Armee Soldaten.“ (Seite 83) Schmitt wartet auch mit viel Fachwissen über Mozart auf. So berichtet er, dass er den Mediziner getroffen hatte, der eine DNA Analyse an Mozarts Leiche vornahm und feststellte, dass Mozart sehr schlechte Zähne und fast immer Schmerzen hatte. Schmitt bewundert, wieviel Mozart in seinem kurzen Leben geleistet hat. Wieviel wäre es geworden, wäre er älter geworden. Er stellt dabei fest, dass er als Wunderknabe musiziert hat wie ein älterer, erfahrener Musiker und als älterer Mann dann in der Zauberflöte das Kindliche und Unbeschwerte. Als wir auf die Welt kamen hatten wir keine Angst. Zumindest können wir uns daran nicht erinnern. Daher sollten wir es „wie das Kind im Mutterleib (halten) und ängstigen uns so wenig vor dem Tod wie das Kind vor dem Leben.“ (Seite 117) Es ist Schmitts persönlichstes Buch, in dem er von seiner Liebe zum Seelenverwandten Mozart schreibt. }, keywords = {Briefwechsel, klassische Musik, Mozart}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HOFMANN2022, title = {Weinviertel Wunderbares - Unerforschtes - Verborgenes}, author = {Thomas HOFMANN}, year = {2022}, date = {2022-04-07}, abstract = {HOFMANN, Thomas; KORAB, Nikolaus: „Weinviertel - wunderbar - unerforscht - verborgenes“, Wien Graz Klagenfurt 2003 Der bodenständige Kral Verlag bietet mit dem vorliegenden Buch wieder eine Region Österreichs aus verschiedensten Blickwinkeln. Geschichte, Gesundheitswesen, Kunst und vor allem viele schöne Fotos. Der Autor Thomas Hofmann ist ein sehr guter Weinviertel-Kenner. Als Autor dieses Buches erzählt er vom Räuber Grasel, verschiedenen Adelsgeschlechtern, Winzern und von Weinstöcken und Kellergassen. Der Fotograf Nikolaus Korab liefert dazu schöne Fotos. Allein das Durchblättern des Buches ergibt schon einen ersten Eindruck. }, keywords = {Geschichte, Österreich, Weinviertel}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @booklet{SETZ2022, title = {Gedankenspiele über die Wahrheit}, author = {Clemens J. SETZ}, year = {2022}, date = {2022-04-07}, abstract = {SETZ, Clemens J.: „Gedankenspiele über die Wahrheit“, Graz Wien 2022 In einem kleinen Büchel beschäftigt sich der junge Grazer Schriftsteller mit der Frage was Wahrheit und was Unwahrheit ist. Er bringt Beispiele aus verschiedenen Bereichen und gliedert sie in fünf Kapitel. Im ersten wird ein Dichter zitiert, der wiederum Grillparzer zitiert, wie er das erste Mal das Meer sieht. Der Dichter – Roger Willemsen – zitiert Grillparzer beim ersten Anblick des Meeres mit dem Satz „So hatte ich´s mir nicht gedacht.“ Eine eindeutig negative Feststellung. Stellt man diesen Satz dann dem Originalreisebericht gegenüber – wie es Setz macht – so war es eine positive Aussage, weil er sich weniger vorgestellt hatte, als es dann wirklich war. Oft hat man von Dingen eine gewisse Vorstellung, die sich mit vielen anderen Leuten deckt, die aber nicht der Realität entsprechen muss. Man nennt das den „Mandela-Effekt“; anknüpfend an die Berichterstattung zu Mandelas Begräbnis. Wahrheit und Unwahrheit kann auch eine Gegenüberstellung von der Aussage eines Buchhalters zu der eines Ekstatikers sein. Friedrich Nitsche meinte, „dass gewisse Unwahrheiten als Wahrheiten gelebt werden“ und schlägt im Nebensatz vor, dass „diese dann als eine neue Art von Wahrheit“ zu betrachten (Seite 25) Dichter halten sich nicht immer an Fakten. Etwa, wenn Alfred Lord Tennyson schreibt „Every moment dies a man. Every moment one is born“ (Seite 29) Da die Weltbevölkerung aber ständig wächst müsste es – so der Vorschlag im Buch – heißen „Every moment dies a man. Every moment 1 1/6 is born“ Dies wäre mathematisch auch nicht genau, aber zeige die Entwicklung auf. Unter dem Titel „Die bedrohliche Wahrheit der Doppelgänger“ wird berichtet, dass bei einem Chaplin Wettbewerb die Nachahmer besser wegkamen als Chaplin selbst, weil dieser bei Dreharbeiten eben normal ging und der Watschelgang durch schnelleres Abspielen, also durch die Technik entstand. Die Nachahmer machten aber den schnellen Watschelgang, der theoretisch gar nicht der Wirklichkeit entsprach. Manches wird in der Zukunft als unwahr oder als wahr eingestuft werden, obwohl es in der damaligen Zeit genau umgekehrt war. So verweist er auf eine Hexenwaage in der holländischen Stadt Oudewater. Am Marktplatz war eine geeichte Waage aufgestellt. Als Hexen angeklagte Frauen konnten sich hier wägen lassen und bekamen ein Dokument, in dem bestätigt wurde, dass sie nicht fliegen können, weil sie zu schwer seien. Alle Angeklagten mit diesem Attest wurden freigesprochen. Es waren aber nur diejenigen, die das Geld hatten in die Stadt Oudewater zu reisen, um einen derartigen Befund zu kaufen. }, month = {04}, keywords = {Unwahrheit, Wahrheit}, pubstate = {published}, tppubtype = {booklet} } @book{Schlembach2022, title = {Heute graben}, author = {Mario Schlembach}, year = {2022}, date = {2022-03-27}, abstract = {SCHLEMBACH, Mario: „Heute graben“, Wien 2022 Der Proponent – der Autor selbst (?) – trifft bei seinen regelmäßigen Zugfahrten eine junge Frau, in die er sich verliebt. Er nennt sie A und versucht ein Buch darüber zu schreiben. Sie hat ihm ein Notizbuch geschenkt, das er bald vollgeschrieben hat. Das vorliegende Buch besteht aus der Abschrift von fünf Heften, die tagebuchartig geführt sind. Mit dem Versuch, ein Buch über A zu schreiben, stehen ihm eigene innere Monster im Wege und er fragt sich: „Und wer gewinnt diesen Kampf? Die romantische Seele? Der Todestrieb? Die künstlerische Hybris? Der Egomane im Schafpelz? Der Weltschmerzhypochonder? Oder der Depressionsclown, der tagtäglich seine Rolle als Totengräber spielt?“ (Seite 18) Weitere Frauenbekanntschaften werden skizziert und der Autor gibt jeder, in sequenzieller Abfolge, einen Buchstaben: B, C, D … Bis er bei der Frau mit der Abkürzung Z landet. Alle Frauen wollen Individualistinnen sein, sehen aber für ihn letztlich alle gleich aus. Immer aber sucht er die Frau A aus dem Zug. Er ist Totengräber und erzählt seine diesbezüglichen Erfahrungen. Den Job übt er gemeinsam mit seinem Vater aus. Als er Thomas Bernhard liest bekommt er dieselbe Lungenkrankheit wie dieser. Neben einem Studium, das er später abbricht, teilt er seine Zeit zwischen der Arbeit als Totengräber und Schriftsteller. Viel Zeit nehmen ihm auch die vielen Untersuchungen seiner Krankheit. Letztlich schreibt er dem Halbbruder von Thomas Bernhard, der Mediziner ist, einen Brief und bittet ihn, ihm einen Spezialisten für diese Lungenkrankheit zu empfehlen. Eine Cortisonkur verunsichert ihn noch mehr und kombiniert mit Alkoholkonsum kommt es zu Black Outs. Immer hat er an A gedacht und andere Frauen getroffen. „Vor vielen Jahren ist A gegangen. Seither nicht ein Tag ohne sie. Nicht ein Tag, an dem ich nicht ein Wort an sie gerichtet habe. Die Welt hat sich auch ohne sie weitergedreht, aber ich weiß, dass sie meine Stimme noch hört.“ (Seite 188) Letztlich fragt er sich „Warum ziehe ich alles Vergangene in jede meiner Gegenwarten?“ (Seite 98) Sein Kontakt mit ihr besteht im Schreiben und dieser Kontakt erscheint ihm wirklicher als jede Realität. Am Ende muss man sich als Leser fragen, ob die Abschrift von Tagebucheintragungen wert ist sich Literatur zu nennen. Der Autor erzählt von seinen Erfahrung mit einem Verleger, dem er sein Manuskript über die Frau A anbietet. Dieser empfiehlt ihm eine Geschichte als Totengräber zu schreiben. Der Frau A sei er zu nahe. Auch selbst sieht er in seinem Manuskript keine schriftstellerische Tätigkeit, wenn er meint „Pubertätsgeschwängertes Gestammel … alles schon tausendmal gehört … autofiktionale Selbstbefriedigung.“ (Seite 79) }, keywords = {Liebesaffäre, Lungenkrank, Schriftsteller, Totengräber}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{WOLF2022, title = {Wiens beste Feste. Von Bräuchen und Events}, author = {Helga Maria WOLF}, year = {2022}, date = {2022-03-24}, abstract = {WOLF, Helga Maria: „Wiens beste Feste. Von Bräuchen und Events“, Wien 2014 Das Buch stellt, nach Monaten gegliedert, Stadtfeste dar. Viele davon sind religiöse Feste. Es wirkt beim Lesen so, als sei Wien ein Dorf. Nur wenige, der hier beschriebenen Feste sind unbekannt. Meist handelt es sich um bekannte Feste, wie dem Wiener Silvesterpfad oder dem Donauinselfest. Es ist mehr ein Bildband als ein Veranstaltungskalender. Die Auswahl der beschriebenen Feste ist sehr subjektiv. Ein Buch, von dem man sich fragt, wozu und für wen es wohl geschrieben ist. }, keywords = {Bräuche, Events, Feste, Wien}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{FATLAND2022b, title = {Die Grenze. Eine Reise rund um Russland durch Nordkorea, China, die Mongolei, Kasachstan, Aserbaidschan, Georgien, die Ukraine, Weißrussland, Litauen, Polen, Lettland, Estland, Finnland, Norwegen sowie die Nordostpassage}, author = {Erika FATLAND }, year = {2022}, date = {2022-03-20}, abstract = {WARNUNG!: Diese Rezension ist sehr lang. Zu lang. Der Grund? Ich war so fasziniert von diesem Buch, wie es Eindrücke und historische Hintergründe der Nachbarländer Russlands wiedergibt. Man versteht die Vorgangsweise Russlands nach diesem Buch anders. Ich bin begeistert von Frau Fatland und ihrem Stil zu erzählen. Auf dieses Buch hatte ich mich schon gefreut und ich wurde wieder nicht enttäuscht. Eine großartige Frau, die sich ausgefallenste Reisen getraut zu machen und dann noch sehr anschaulich erzählen kann. Nicht nur das, was sie gesehen hatte, sondern auch Hintergrundinformationen und Geschichte. Da steckt viel Recherchearbeit dahinter, die aber sehr leicht lesbar verpackt ist. Es geht um die Nachbarländer von Russland. Einerseits ein Bericht ihrer Reise und andererseits eine historische Abhandlung. So erfährt man gleich zu Beginn (oder sollte man das wissen?), dass alle europäischen Großmächte Kolonien besaßen. Nur Russland nicht. Russland dehnte sein Reich laufend aus. „Von der Machtübernahme der Romanows1613 an war das russische Imperium im Schnitt jeden einzelnen Tag über hundert Quadratkilometer gewachsen.“ (Seite 117) Viele Erweiterungen passierten ohne Krieg. Die asiatische Erweiterung brachten russische Pelzhändler, die immer weiter vorrückten, um von den Einheimischen zu günstigen Preisen Pelze zu kaufen, die im Westen viel wert waren. Nordostpassage Im ersten Kapitel wird die Fahrt mit einem Schiff entlang der Nordküste Russlands beschrieben. Die Fahrt begann in der Beringstraße in Anadyr und ging bis Murmansk im Westen. Sie dauerte für die über 10.000 Kilometer vier Wochen. Am Schiff waren 47 Passagiere. Durchwegs alte Menschen, die aber Weltenbummler waren und viel von ihren Reisen zu erzählen hatten. Vier Wochen gab es kein Internet und kein Telefon. Angelegt wurde in ehemaligen Wetterstationen oder Dörfern. Auf der Reise gab es nur Ruhe und manchmal Eisbären, Robben oder Seelöwen. Eine Reise, auf der es nicht allzu viel Abwechslung gab. Dafür liefert die Autorin viel Geschichtliches über die Eroberung der östlichen Teile Russlands und den Positionen im Norden. Vier Wochen ohne Internet, ohne Telefon und ohne Nachrichten aus der Welt sind ein Erlebnis der besonderen Art. Nordkorea Dass es kein freies Land ist, weiß man. Dass es von einem Diktator geführt wird, dessen Rechte schon in die dritte Generation vererbt sind, weiß man auch. Freies Reisen ist nicht möglich. Fatland hatte eine Gruppenreise gebucht, die sich nicht nur auf die Hauptstadt Pjöngjang konzentrierte. Sie kam auch aufs Land und erzählt in diesem Kapitel, wie anders das Reisen in Nordkorea ist. Alles wird überwacht. Alles ist nach einem vorgegebenen Programm organisiert. Als Reisender wird man laufend beschäftigt, um am Abend müde zu Bett zu gehen und keine Ansprüche auf Spaziergänge hat. Und wenn man das noch wünscht, so meint der Führer „Sie können noch ein bisschen auf dem Parkplatz spazieren gehen, wenn sie wollen.“ (Seite 102) Der große Führer Kim ist überall zu sehen. Auch Touristen müssen sich vor seiner Statue verneigen. Fatland nennt es ein „Verneigen, ohne sich zu verbiegen“. Man durfte eine Statue des Führers nur in vollem Umfang ablichten. Generell wurden die Fotoapparate der Touristen laufend von deren Führern geprüft und vieles sofort gelöscht. So muss sich die Autorin von ihrer Führerin sagen lassen, dass sie nur schöne Dinge fotografieren dürfe, während diese die Löschtaste drückt. „Der nordkoreanische Grenzpolizist war sogar noch gründlicher als Miss Pan. Übereifrig durchsuchte er sämtliche Fotos auf meiner Kamera, über sechshundert an der Zahl. Er löschte alle Bilder mit Menschen, die arm aussahen, sowie alle Fotos, die Männer in Militäruniform zeigten – davon gab es einige.“ (Seite 115) Im Nachsatz schreibt sie aber „Glücklicherweise hatte ich vorsichtshalber eine Sicherungskopie erstellt.“ Bei allen Länderberichten wird Bezug auf Russland genommen. So auch aus historischer Sicht. Die Beziehung zwischen Russland und Nordkorea war einmal bedeutend und verschlechterte sich. Nach der Okkupation der Krim durch die Russen wurden die Beziehung zu Nordkorea wieder ausgebaut. Russland strich neunzig Prozent der Staatsschulden Nordkoreas und investierte dreihundert Millionen Dollar in das nordkoreanische Eisenbahnnetz. Als allerdings die UNO die Atomversuche und Raketenabschüsse Nordkoreas kritisierte, distanzierte sich auch Russland wieder. China Nach Nordkorea und seinen Restriktionen, fühlte sich die Reisende in China wie in einem freien Land. Sie durfte hingehen, wo sie wollte, und musste nicht am Parkplatz spazieren gehen. Sie querte die Grenze mit einem Bus und kam in die chinesische Stadt Dalian. Die Stadt mit 7 Millionen Einwohnern ist eine, der am schnellsten wachsenden Städte Chinas und „wurde 2006 von China Daily zur chinesischen Stadt mit der höchsten Lebensqualität gekürt.“ (Seite 117) Diese Stadt hatte Fatland ausgewählt, weil sie 1889 als Port Arthur in russische Hände fiel. In dieser Hafenstadt endete die Expansion Russlands nach Osten. Die Grenze zwischen China und Russland war immer umstritten und umkämpft. 1858 erhielten die Russen in einem Vertrag die Gebiete nördlich des Flusses Amur. In Europa war der Zweite Weltkrieg zwar am 30. April 1945 zu Ende, aber nach Abwurf der Atombombe über Hiroshima am 9. August marschierten 1,5 Millionen sowjetische Soldaten in China ein, um die japanischen Besatzer zu vertreiben. Da es noch heute Streitereien um eine Insel gibt, kam es zwischen Japan und Russland bis heute zu keinem Friedenvertrag. Die Sowjets zogen sich später zurück und übergaben das Land Maos Truppen. Von der Stadt Dalian reist die Autorin weiter nach Harbin. Sie nimmt einen Hochgeschwindigkeitszug und ist begeistert. „Jährlich transportieren chinesische Züge 2,5 Milliarden Passagiere, und diese Zahl ist umso beeindruckender, wenn man bedenkt, dass die durchschnittliche Entfernung, die jeder Passagier zurücklegt, fünfhundert Kilometer beträgt.“ (Seite 129) Auch Harbin hat russische Wurzeln. Ende des 19. Jahrhunderts wurde hier die Administration der „Ostchinesischen Eisenbahn“ von den Russen gegründet. Die Stadt blühte auf und wurde „das Paris des Fernen Ostens“ genannt. 1905 verloren die Russen gegen Japan einen Krieg. Viele Russen gingen heim. Harbin wurde aber eine internationale Stadt. Nach der russischen Revolution kamen viele politische Flüchtlinge und hatte den größten jüdischen Bevölkerungsanteil im Fernen Osten. Die Japaner entwickelten und produzierten hier biologische Waffen. Viele Menschen starben an den Folgen dieser Industrie. Die Chinesen betreiben heute ein „russisches Dorf“; eine Art Disney Land, das russische Kultur vermitteln soll. Viele Russen finden hier einen Arbeitsplatz. Die Autorin zeigt dies am Beispiel einer russischen Pensionistin aus Wladiwostok, die hier arbeitet, weil sie zu Hause mit der staatlichen Rente nur schwer leben könnte. Fatland reist entlang der Grenze weiter in die Grenzstadt Heihe am Fluss Amur. Auf russischer Seite, im östlichen Sibirien, leben sechs Millionen Menschen auf einer Fläche, die ein Drittel des Landes umfasst. Russland und China steht sich gegenüber. „Die Russen haben das meiste Land, die Chinesen die meisten Menschen.“ (Seite 144) Erst 2008 kam es zu einem friedlichen Nebeneinander. Eine Vereinbarung regelt die 4300 Kilometer lange Grenze. Die Nachbarstädte Heihe auf chinesischer Seite und Blagoweschtschensk auf der russischen Seite des Flusses bilden eine Freihandelszone. Bedingt durch die Sanktionen des Westens nach der Okkupation der Krim wurden die Beziehungen zwischen Russland und China ausgebaut und eine 4000 Kilometer lange Gaspipeline gebaut. Aber Europa und die USA haben ein zehn Mal größeres Handelsvolumen für China als Russland. Ein Besuch in so einem Freihandelseinkaufszentrum zeigt aber, dass es nicht funktioniert. Einkaufen ist für Russen zu teuer geworden. Vor einigen Jahren zahlten sie für einen Yuan 5 Rubel und heute 10. Mongolei Mit dem Zug geht es weiter von Peking nach Ulaanbaatar. Sie wählte einen Zug, der nur bis zur mongolischen Hauptstadt fuhr und nicht nach Moskau. Wenige Passagiere waren unterwegs. Sie war der einzige Passagier im Schlafwagen. Die Grenzkontrollen waren intensiv. Die Fahrt dauerte 27 Stunden. Neben persönlichen Eindrücken wird die Geschichte des Landes erzählt. Beginnend beim Nationalhelden Chinggis Khaan, über die Besetzung durch die Chinesen und Sowjets bis zum Jahr 1990 und dem Ende des kommunistischen Regimes. 1946 erkannte China die Mongolei als unabhängiges Land an, aber erst 1961 wurde es als unabhängiges Mitgliedsland in die UNO aufgenommen. Eine grundlegende gesellschaftliche Änderung brachte das Ende des Kommunismus. Die Nomaden zogen in die Hauptstadt, die sich in zwei Jahrzehnten von einer halben Million auf 1,5 Millionen verdreifachte. Ein Mönch im Kloster Erdene Zuu erzählt, wie das zutiefst religiöse Land nach Übernahme durch die Russen 1920 verändert wurde. Klöster wurden geschlossen und Religionsführer ermordet. In 1 ½ Jahren wurden 10.000 Lamas getötet. Ebenso Intellektuelle, hohe Militärs und Politiker. Erst 1992 durfte man wieder Mönch werden, so wie der Erzähler. Stalin wollte das Kolchosen System einführen und verlangte von den Nomaden ihren Viehbestand dem Staat zu überlassen. Diese aber töten ihre Tiere liebe, als sie dem kommunistischen Staat auszuliefern. Die Folge war eine Hungersnot. Militärisch wurde der Aufstand niedergeschlagen. Die neu gewonnene Religionsfreiheit brachte die Hälfte der Mongolen wieder zum Buddhismus zurück und die Klöster wachsen wieder. Fatland besuchte dann Rentierhirten, die als Eremiten in der Taiga allein leben. Manche von ihnen sind auch Schamanen. Sie wohnen weit weg von ihren Familien und den nächsten Ortschaften. Es ist kalt. Ein Gesprächspartner aber meint „Erst bei minus 40 Grad kann man von Kälte reden.“ (Seite 191) „Nein hier ist es angenehm. Ich friere nur, wenn ich ins Dorf muss, nach Tsagaannuur. Manchmal dauert die Reise fünf Tage durch den Schnee. Wenn wir in die Stadt müssen, reiten wir auf einem Rentier. Sie sind im Winter schneller als Pferde, rutschen nie aus, stolpern niemals.“ (Seite 189) Fatland besucht auch einen Obertonsänger, der ihr eine individuelle Vorführung bietet. Mit einem Auto fuhr sie zur chinesischen Grenze, um dann über Xinjiang nach Kasachstan zu gelangen. Die Straße zur chinesischen Grenze war dann besser. In der Mongolei sind sie meist ohne Straße querfeldein gefahren. Die bessere Straße vor der Grenze zu China signalisierte auch die Veränderung nach dem Ende des Kommunismus. „Nachdem die Mongolei 1990 eine Demokratie wurde, haben sich die Vorzeichen verändert. In der Zeit des Kommunismus wurden fünfundneunzig Prozent des Handels mit der Sowjetunion abgewickelt. Heute ist China, der alte Feind der Mongolei, der dediziert wichtigste Handelspartner. Über achtzig Prozent des gesamten Exports gehen an die Chinesen.“ (Seite 205) Kasachstan Um nach Kasachstan zu kommen, musste Fatland nochmals ein Stück durch China. Die, wegen der Unterdrückung von Minderheiten im Westen in die Presse gekommene Provinz Xinjiang grenzt an acht Länder: Mongolei, Afghanistan, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Pakistan, Indien und Russland. Die Provinz beherbergt über 50 Minderheiten. Die größte von ihnen ist jene der Uiguren mit fast 50 Prozent. Sie begannen sich als eigener Stamm zu deklarieren, als zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Sowjetunion ihre Nachbarvölker in Nationen einzuteilen begann und die Sowjetrepubliken Kasachstan und Usbekistan entstanden. In sehr sachlicher Form wird über den Widerstandskämpfer der Uiguren berichtet. Der Fokus auf Russlands Grenzen ging nicht verloren und so besuchte die Buchautorin die Stadt Urumtschi, wohin während der russischen Revolution viele Russen flüchteten. Sie war schon einmal in Kasachstan und damals hat sie sich geschworen dieses Land niemals mehr zu besuchen. Für das vorliegende Buch kam sie wieder. Sie berichtet vom zweitgrößten Gefangenenlager der UdSSR – Karaganda – wo Stalin zwischen 1929 und 1953 (seinem Tod) 800.000 politische Sträflinge internierte. Hier war auch ein Atomwaffen-Experimentiergelände. Über zwei Millionen Menschen wurden dabei verseucht. Kasachstan war die letzte Sowjetrepublik, die sich als selbstständig erklärte und ist immer noch durch Einrichtungen, wie der Raumfahrtstation Baikonur, von der die Reisende aber wenig berichten konnte, weil „die Verantwortlichen bei einer Konferenz weilten“. Sie reiste 27 Stunden mit dem Zug an und bezahlte 1000 Dollar“ Eintritt“ und bekam nichts zu sehen. Als Leser kommt man bei dieser Reise in kleine Dörfer und zu Kleinbauern mit wenigen Tieren, wo es aber herzliche Gastfreundschaft gibt. Aber auch die neue Hauptstadt Astana wurde besucht. Ursprünglich war es eine kleine Provinzstadt – Zelinograd – die 1997 zur neuen Hauptstadt ausgerufen wurde. Eine schnell wachsende Stadt, in der die Infrastruktur nicht Schritt halten kann und Autostaus an der Tagesordnung sind. Aserbaidschan Mit der Fähre kam sie über das kaspische Meer nach Baku. Eine Transportform, die es nicht so genau nahm und deren Abfahrt sich oft um Tage verzögern kann. Außerdem ist die Strecke nicht sehr frequentiert. Nur wenige Passagiere waren am Fährschiff. Wie bei allen Ländern wird ein historischer Abriss gegeben. So etwa, dass Aserbaidschan sich schon 1917 als unabhängig von Russland erklärte. Das dauerte aber nur drei Jahre, bis die Bolschwiken das Land wieder besetzten. Baku war für 80 Prozent der Ölproduktion der UdSSR verantwortlich. Die Schlacht um Stalingrad sieht Fatland auch als Schlacht um die Ölfelder von Baku, denn nach Fall von Stalingrad wäre für Hitler dieser Weg frei gewesen und der Zweite Weltkrieg hätte einen anderen Ausgang genommen. Auch hier fährt sie möglichst nahe an die russische Grenze heran und besucht die Stadt Schäki. Bergkarabach Da die Grenze zwischen Bergkarabach und Aserbaidschan geschlossen war, musste sie über Georgien nach Bergkarabach reisen. „Zum ersten Mal auf meiner Reise war ich im christlichen Teil der Welt. Der Fahrer, der mich nach Tiflis fuhr, bekreuzigte sich an jeder Kirche, an der wir vorbeifuhren, drei Mal.“ (Seite 297) So kam sie in diese abtrünnige Republik, deren Hauptstadt Stepanakert eine verschlafene Provinzstadt war. Das Land mit 150.000 Einwohnern wird finanziert von Exil-Armeniern. Auch hier ging es um Krieg und die Autorin besuchte das Museum der toten Soldaten. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es schon Unruhen und Städte wurden in Schutt und Asche gelegt. 1992 besetzte es die armenische Armee und die Aserbaidschaner mussten flüchten. Georgien Nach diesem „Sidestep“ kehrte sie wieder nach Georgien zurück. „Georgien ist eines meiner Lieblingsländer, es ist ein Land, das absolut alles hat: Im Norden finden sich einige der höchsten Berge Europas, im Westen kann man im Schwarzen Meer baden, im Osten gibt es Weingüter von Weltrang.“ (Seite 307) Es ist ein Land mit gutem Essen und Gastfreundschaft. Aber auch hier dominierte der Krieg und Auseinandersetzungen mit Russland. 1999 marschierte Russland in Tschetschenien ein. Hunderttausende Menschen wurden getötet oder flohen. Wichtige Verkehrsverbindungen sind in Richtung Russlands ausgerichtet. Auch hier gibt es zwei abtrünnige Republiken: Abchasien und Südossetien, die sich in den frühen 1990er Jahren lösten. Schewardnadse, der frühere russische Außenminister brachte Frieden. Der berühmteste Mann aus Georgien war Stalin. Für viele Auseinandersetzungen der Großmächte Russland und der NATO musste das Land herhalten. Russland versetzt laufend den Grenzzaun. Fatland besucht einen Mann, der eines Tages aufwachte und im Nachbarland war. Der Zaun war über Nacht verschoben worden. Um seine Pension abheben zu können, muss er heimlich (und verbotenerweise) über den Zaun klettern und sich in seinem Heimatland das Geld abholen, das er aber nicht eintauschen kann, weil man auf der anderen Seite des Zauns nur Rubel akzeptiert. Die abenteuerliche Buchautorin besucht auch die abtrünnigen Republiken. Viele Häuser sind noch Ruinen vom Krieg Abchasien Eine abtrünnige Republik von Georgien hat nur 250.000 Einwohner. Zu klein, um internationale anerkannt zu werden. Russland beschützt das Land, hat Truppen stationiert, den Rubel als Währungsmittel eingeführt und bringt jährlich im Sommer Touristen ans Schwarze Meer. Nicaragua und Venezuela haben Abchasien anerkannt. So wie in vielen Ländern des Kaukasus gab es hier in der Vergangenheit, bis in die heutige Zeit Kriege. Die Autorin des Buches definierte es sehr gut, indem sie sagte „Der Krieg, der es im Westen kaum in die Zeitungen schaffte, war geprägt von fürchterlichen Übergriffen auf beiden Seiten, immer wieder kam es zu Scharmützeln unterbrochen von flüchtigen Waffenstillstandsabkommen, die immer wieder gebrochen wurden.“ (Seite 338) Trotz Friedens zeigte sich Abchasien als zerstörtes Land: „Wir fuhren an halb niedergebrannten Gebäuden, verlassenen Dörfern und Fabriken vorbei, die seit der Sowjetzeit nicht mehr in Betrieb waren. Die Felder waren verwuchert und nicht bestellt, die Straßen in einem elenden Zustand, nur notdürftig instandgehalten und voller Schlaglöcher.“ (Seite 335) Unter Gorbatschow zeigte sich die tiefe Spaltung zwischen Georgien und Abchasien: Abchasien wollte Teil der Sowjetunion sein und Georgien wünschte sich die Unabhängigkeit, die 1991 ausgerufen wurde. Ukraine Wieder zurück in Georgien nahm die Berichterstatterin eine Fähre, die sie nach Odessa und damit nach Europa brachte. Alles wirkte wieder geordneter. „Im Gegensatz zu der Fähre über das Kaspische Meer hatte die Schwarzmeerfähre zwischen Batumi und Odessa feste Abfahrtszeiten.“ (Seite 353) „Ukraine“ bedeutet „Land an der Grenze“. Viele Gesprächspartner der Autorin glauben, dass hinter der Orangen Revolution 2004 die USA standen. Fatland besucht auch eine schwedische Enklave in der Ukraine. Wer hätte das gedacht. Im 18. Jahrhundert wurden sie hier angesiedelt. Am Beispiel einer Familie wird das Schicksal dieser Leute beschrieben. Wie sie im Krieg als Feinde verfrachtet wurden. Viele kamen um. Einige wanderten wieder nach Schweden zurück, aber viele von ihnen kamen doch wieder zurück in die Ukraine. Der Besuch der Verwandten war schwierig. Im Zuge des Krieges kam der Vater der Familie in Kriegsgefangenschaft und wurde nach Schweden abgeschoben, wo er mit einer anderen Frau ein neues Leben begann. Erst spät lernen die Kinder, die nun schon Erwachsene geworden waren, ihren Vater kennen …. Sehr sachlich wird die Geschichte der Krim aufgezeigt. Im Krieg wurden ganze Familien umgesiedelt. Kinder kamen in der Fremde zur Welt. Wuchsen etwa in Usbekistan auf. Lernten usbekisch und tatarisch. Als sie wieder in ihre Heimat Krim zurückkamen, konnten sie kein russisch. Sie waren in ihrer eigenen Heimat Fremde geworden. Wie sich im Laufe der Geschichte die Besitzverhältnisse änderten. Neu auch, dass das russische Territorium „Krim“ 1954 von Nikita Chruschtschow der Ukraine geschenkt wurde. Putin holte es wieder zurück. Kiew wurde im Zweiten Weltkrieg ziemlich zerstört. Hier wurden erstmals ferngesteuerte Bomben installiert. Als die rote Armee die Stadt vor den anrückenden und überlegenen Deutschen räumen mussten, installierten sie diese neuen Bomben und zündeten sie, nachdem die deutschen Soldaten die Stadt besetzt hatten. Anschaulich wird die Geschichte auch durch Zeitzeugen beschrieben. So besuchte die Autorin ein Krankenhaus, in dem Soldaten aus dem Krieg im Osten des Landes lagen. Einer formulierte es so: „Ich gehöre zu den Ersten, die eingezogen wurden, aber ich habe mich gefreut. Dies ist Russlands Krieg gegen uns. Putin ist wie Hitler. Wie kann ein Land einfach daherkommen und ein anderes Land einnehmen, im 21. Jahrhundert.“ (Seite 414) Dann fügte er noch hinzu „Fast alle Männer meiner Familie waren Soldaten. Mein Großvater war in Berlin. Mein Vater auf Kuba. Mein Onkel ist während des Krieges zwischen Israel und Ägypten in Syrien gewesen. Mein Bruder war in Afghanistan. Ich bin in Donezk gelandet. Es muss jetzt gut sein. Ich hoffe, dass mein Sohn davonkommt.“ (Seite 416) Dieses Gespräch fand 2017 statt. Heute wäre es noch treffender. Nach der Hauptstadt besuchte sie noch Tschernobyl und beschreibt die derzeitige Situation dort. Auch hier wieder mit Berichten von Zeitzeugen und Leidtragenden. Traf sie überall auf Menschen, die russisch sprachen, so fand sie in Lwiw – Lemberg – eine rein ukrainische Stadt. Auch eine Stadt, die im Zweiten Weltkrieg nicht zerstört wurde. Donezk In der Kapitelüberschrift nennt sie dieses Gebiet „Die jüngste abtrünnige Republik der Welt“. 2012 wurde hier noch die Fußball-Europameisterschaft ausgerichtet. Donezk war eine der wohlhabenden Städte der Ukraine. Zur Entstehung des Buches war es Kriegsgebiet. Mit vielen Sondergenehmigungen gelang es das Gebiet zu besuchen. Es ist nach Russland ausgerichtet. Ein Gesprächspartner sagt „Das ganze Donezbecken soll wieder ein Teil Russlands werden. Die Menschen in Mariupol und Kramatorsk sehnen sich danach, befreit zu werden!“ (Seite 395) Während ich diese Zeilen lese, berichten die Medien über den Überfallskrieg und die Zerstörung der Ukraine durch russische Truppen. Bereits 2015 wurde viel zerstört. Nur alte Leute sind zurückgekommen und versuchten in den Ruinen Unterschlupf zu finden. Andere wünschen sich wieder: „Wir hoffen, dass Donezk wieder zu einem Teil der Ukraine wird.“ (Seite 401) Es war ein gefährlicher Ausflug. Die Begleiterin war selbst geflüchtet und kam nach einigen Jahren wieder zurück. Mit Tränen in den Augen fuhren sie über die Grenze wieder zurück in die Ukraine. Bedingt durch die geschaffene Infrastruktur während der Fußballmeisterschaft, konnte Fatland mit einem Expresszug nach Kiew zurückfahren. Weißrussland Von Lwiw nach Brest waren es weniger als 300 Kilometer. Weißrussland – so die Autorin – hat historisch nie existiert. 1918 genoss das Land eine kurze Periode der Unabhängigkeit. Nach einigen Monaten wurde es zu einer Sowjetrepublik. Russisch ist die Hauptsprache. Nur 15 Prozent aller Bücher erscheinen in weißrussischer Sprache. 1939 marschierten die Sowjets in Polen, dem Baltikum und Finnland ein und 1941 kamen die deutschen Truppen. Das flache Land konnte nur schwer verteidigt werden. Im Zweiten Weltkrieg wurden 9000 Dörfer niedergebrannt. In Wizebsk suchte Fatland nach Spuren von Marc Chagall, der hier aufgewachsen ist und später zurückkam. Als Jude hatte er kein einfaches Leben. Trotzdem schaffte er es, in Sankt Petersburg zu studieren und später nach Paris auszuwandern. Chagall wollte seine Werke seiner Heimatstadt vererben, aber die lehnten ab. Jetzt gibt es ein Museum, das keine Originale besitzt. Viele Juden lebten in Weißrussland. Fast alle wurden vernichtet. 100.000 lebten in Minsk in einem Ghetto. Eine ehemalige Zirkusakrobatin erzählt über das Leben im Ghetto. Ein unfassbares Leben wird hier beschrieben. Auch mit dem ehemaligen Präsidenten des Landes, dem Wissenschaftler Stanislau Schuschkewitsch konnte sie ein Gespräch führen. Sein Nachfolger Lukaschenko verordnete, dass er nur eine Pension von zwei Dollar pro Monat bekam. Ein Menschenbild anderer Natur. Um einen guten Preis für Öl und Gas zu bekommen, lud er den russischen Präsidenten Boris Jelzin zu einer Jagd ein. Mit dabei der ukrainische Präsident. In der Jagdhütte wurde die Auflösung der UdSSR beschlossen. Litauen Mit einem Bus kam sie nach Litauen. Schlagartig waren die Straßen besser und internationale Geschäfte tauchten auf. Vilnius, die Hauptstadt ist eine litauische Stadt. Im ganzen Land sind nur fünf Prozent Russen. Vor dem Ersten Weltkrieg war die Situation anders. Damals bestand die Mehrheit der Bevölkerung aus Juden, an zweiter Stelle Polen. 20 Prozent waren Russen und nur ein Prozent Litauer. Deutsche, Polen, Russen wechselten sich in der Herrschaft ab. 1990 erklärte sich Litauen als erste Sowjetrepublik unabhängig. 1991 kam es noch zu Scharmützeln. An einer Grenze zu Russland kam es zu einem Überfall, bei dem die litauischen Beamten getötet wurden. Nur einer überlebte und die Autorin traf ihn zu einem Gespräch. In persönlichen Gesprächen mit Menschen des jeweiligen Landes wird die Geschichte und die Beziehung zu Russland beschrieben. Beim Besuch der Ostseeküste erinnert sie sich, dass hier der Deutsche Thomas Mann ein Haus hatte. Polen Gegenüber von Litauen liegt Danzig. Von Kaunas war es aber eine lange Reise bis Danzig. Erst im März 1945 konnte die rote Armee die Stadt einnehmen. 90 Prozent der Altstadt war durch das intensive Bombardement der Alliierten zerstört. Polen war damit theoretisch unabhängig, wurde aber als kommunistische Diktatur von der Sowjetunion aus geführt. 1989 wurden hinter dem Eisernen Vorhang in Polen die ersten freien Wahlen abgehalten. Solidarnosc gewann überlegen und ihr Führer Lech Walesa wurde erster Präsident. Die ehemalige Werft, in der die Aufstände begannen, ist heute ein Museum. Zu Beginn wurden auch heikle Themen wie die Mitverantwortung der Polen bei der Judenverfolgung, behandelt, daher wurde der Direktor von der konservativen Regierung abberufen. Polen wurde oft besetzt und die Grenzen verschoben. Zu Russland gab es fast immer ein gespaltenes Verhältnis. Während des Zweiten Weltkriegs wurden auf Befehl Stalins 20.000 polnische Offiziere und Soldaten erschossen. Als der polnische Präsident und Parlamentsvertreter die Gedenkstätte besuchen wollten, stürzte die Maschine ab. Noch heute glauben Politiker in Polen, dass es eine Sabotage Russlands war. Lettland Nachdem sie ohne jegliche Kontrolle die Grenze zwischen Litauen und Lettland passiert hatte, besuchte sie die Stadt Daugavpils (russisch Dvinsk). Es ist die zweitgrößte Stadt Lettlands und die größte Stadt innerhalb der Europäischen Union, in der die Mehrheit Russen sind. Lettland hat generell ein negatives Wachstum. 1991 lebten über 2,6 Millionen Menschen im Land. 2016 weniger als 2 Millionen. Russen, die im Land wohnten, konnten die lettische Staatsbürgerschaft bekommen, wenn sie eine Prüfung in lettischer Sprache machten. Bis heute (Zeitpunkt des Besuchs der Autorin 2017), lebten so 300.000 Russen ohne Staatsbürgerschaft. Auch der Fahrer Fatlands hatte keine und sprach kein Wort lettisch. Er brauche diese Sprache nicht, da alle russisch verstünden. Auch hier traf sie einen Zeitzeugen: den 92jährigen Visvaldis Läcis. Er war in Lettland – damals ein freies Land – geboren. Als er 16 Jahre alt war fielen die Russen ein. Während der sowjetischen Okkupation wurden tausende Letten deportiert oder ermordet. Er, ein Schriftsteller, meinte: „Wir haben unter Schweden, Polen, Deutschen und Russen gelebt, und von allen waren die Russen am schlimmsten.“ (Seite 492) Nach dem Hitler-Stalin-Pakt wurden die Deutschen 1939 evakuiert. Heim ins Reich. 1943 wurden 80.000 Letten in die Waffen-SS eingezogen. Nachdem die Sowjets die Deutschen vertrieben hatten, kam er ins Gefängnis. Da es nach dem Krieg zu wenige Männer gab, wurde er freigelassen. Er studierte und wurde mehrmals von der Universität ausgeschlossen. Obwohl er die besten Noten hatte, durfte er nicht promovieren. Er gehörte zu „Lettlands weißen Negern“. Er war zwei Mal Abgeordneter im lettischen Parlament. In einer neofaschistischen Partei, die für ein Verbot von Russisch an lettischen Schulen und eine Deportation aller Russen eintrat. Er meint „Die Russen sind eine Bedrohung für Lettland.“ (Seite 496) Von den fast 300.000 Russen ohne Staatsbürgerschaft will die Hälfte einen Anschluss an Russland. Ein anderer Gesprächspartner erzählt, dass 1949 an einem einzigen Tag 42.000 Letten nach Sibirien deportiert wurden. In Viehwagens wurden sie transportiert. 1956 starb sein Vater im Gefängnis und die Mutter 1960, während er beim Militär Dienst machte. Mit 26 Jahren – nach Beendigung des Militärdienst – kam er das erste Mal nach Riga zurück, aber es war alles fremd für ihn. Erst 1993, als Lettland selbstständig wurde, bekam er den Hof seiner Eltern zurück. Estland Die Grenze zwischen Lettland und Estland verläuft mitten durch die Stadt Valka. Viele Einwohner sind auf die estnischen Seite gewechselt, weil sie dort mehr verdienten und ein besseres Sozialsystem vorfanden. An der Universität Tartu traf die Autorin eine Professorin, die in den 1990er Jahren Sozialministerin war. Sie war eine Kämpferin für die Unabhängigkeit und erzählte, wie sie 1989 mit 2 Millionen Menschen eine Kette bildete. „Dieser Augenblick war vielleicht der Höhepunkt meines Lebens.“ (Seite 509) Die Grenze zwischen Russland und Estland wurde von beiden Ländern nicht ratifiziert. In Städten wie Navra wohnen fast ausschließlich Russen. Sie brauchen keine estnische Sprache. Finnland Bei dieser Reise, so schreibt sie, hatte ich in Finnland erstmals das Gefühl nach Hause zu kommen. Mit 18 Jahren ging sie in Helsinki zur Schule, bevor sie für zwei Jahre ins Lyzeum nach Lyon übersiedelte. Finnland war für sie wie ein Heimkommen. Die Geschichte Finnlands erzählt sie in diesem Buch mit der Biografie des Freiherrn Mannerheim. Er diente im russischen Heer und baute die finnische Armee für den unabhängigen Staat auf. Finnland schwankte im Zweiten Weltkrieg zwischen Deutschland und Russland. Mit Neutralität versuchte das Land durchzukommen. Es wurde teilweise mit den Deutschen kooperiert und später einigte man sich mit den Sowjets und vertrieb die Deutschen, die zum Abschied Städte wie Rovaniemi dem Erdboden gleich machten. Bei Friedensverhandlungen verlor Finnland Teile seines Landes, wurde aber unabhängig. Mannerheim war in allen Veränderungen involviert und ist heute in Finnland eine häufig beschriebene Person. Eine 75jährige erzählt im Interview, dass ihre Familie 1939 ein Haus gebaut hatte. Nach 5 Jahren wurden sie evakuiert. Die Halbinsel, auf der das Haus stand, wurde ein sowjetischer Militärstützpunkt. Die 7.000 Einwohner mussten innerhalb von wenigen Tagen ihre Häuser verlassen. Finnland hatte nach dem Zweiten Weltkrieg eine halbe Million Vertriebener. 1955 gab Chruschtschow den Militärstützpunkt an Finnland zurück, so wie er die Krim den Ukrainern gab. Das Haus der Erzählerin existierte nicht mehr. Weiter im Norden veränderten sich die Grenzen mehrmals. Von 1920 bis 1944 grenzte Norwegen nur an Finnland und Schweden und nicht an Russland. 1944 musste Finnland wieder Teile abgeben. Die Menschen im Gebiet von Petsamo mussten umgesiedelt werden. Eine 83jährige Frau erzählt, wie dies damals war. Wie sie in Finnland lebte, ohne finnisch zu sprechen. Wie sie im Krieg nach Schweden kam und dort zur Schule ging und als sie zurück kam nur schwedisch sprach. Norwegen Als der Vater der Autorin hörte, dass seine Tochter zu Fuß und mit dem Kanu die Grenze zwischen Norwegen und Russland entlangfahren will, entschied er sich sie zu begleiten. Es war die einzige Wegstrecke, die sie nicht allein unternahm. Diese Grenze ist 196 Kilometer lang. Das sind aber nur acht Prozent der norwegischen Grenze. Die norwegische Stadt Kirkenes hat einen regen Austausch mit der russischen Stadt Nikel. Die Finnen „fahren mit Kind und Kegel nach Nikel auf der russischen Seite, um Wodka und Zigaretten zu kaufen und zu tanken. Und die Russen kamen in Scharen, um Sportausrüstung und Pulverkaffee zu kaufen … Außerdem kauften sie Windeln, die hier tatsächlich billiger sind als in Russland.“ (Seite 573) Kirkenes war im Zweiten Weltkrieg von den Deutschen besetzt. Eine Neunundsiebzigjährige erzählt, wie sie 1944 erlebte, als sie von den Russen befreit wurden. Die abziehenden deutschen Truppen brannten noch alles nieder. Viele hatten keine Häuser mehr und wohnten in Stollen eines Bergwerks. Nach einem Jahr zogen sich die Russen wieder aus Norwegen zurück. Russland machte wenig später der norwegischen Regierung denselben Vorschlag wie Finnland, einen Nichtangriffspakt einzugehen. Norwegen entschied sich dagegen und trat der NATO bei. Der Vater fuhr mit der Tochter im Kanu am Grenzfluss entlang nach Norden. Norwegische Soldaten zeigten ihnen die militärischen Einrichtungen. Einer der Offiziere erzählte, wie es 1968 fast zu einem Krieg kam, als an der Grenze Panzer und Militärkonvois auffuhren, die sich aber Gott sei Dank nach einigen Tagen wieder zurückzogen. Norwegen hatte mit Russland nie Krieg. „Norweger und Russen im Großen und Ganzen sind geprägt von gegenseitigem Respekt und Verständnis.“ (Seite 574) Zusammenfassung Die Autorin resümiert: Im Laufe des Jahres hatte sie 20.000 Kilometer entlang der russischen Grenze mit Hilfe von Inlandsflügen, Schnellzügen, Kleinbussen, Pferden, Taxis, Lastschiffen, Kajaks und zu Fuß zurückgelegt. Sie war durch 14 Länder und 3 abtrünnige Republiken gereist. „Keines der Länder, die ich besucht habe, war ohne Wunden oder Narben in Folge der Nachbarschaft zu Russland.“ (Seite 601) Sie wagt auch eine Prognose, wenn sie schreibt: „Das größte Land der Erde hat nur geringes Selbstvertrauen, wirtschaftlich geht es bergab, die Bevölkerung schrumpft. Der Bedarf nach Selbstbehauptung und Anerkennung ist umso größer. … Das russische Imperium wurde so groß, gerade weil die jeweiligen Herrscher jederzeit alle sich bietenden Möglichkeiten ergriffen, um die Grenzen zu erweitern, koste es, was es wolle. Nur selten vermieden sie dabei Brutalität, schmutzige Tricks oder auch einen weiteren Krieg.“ (Seite 602) „Langfristig ist es schwer zu beurteilen, ob Russland in einer Generation, in hundert oder zweihundert Jahren mit seinen nahezu zweihundert ethnischen Gruppen und Nationalitäten, mit seinen siebzehn Millionen Quadratkilometern und seinen sechzigtausend Kilometer langen Grenzen als ein zusammenhängendes Ganzes weiterhin existieren kann.“ (Seite 603) Viele Grenzen wurden bei dieser Reise überschritten und daher möchte ich hier die Definition der Autorin von Grenze wiedergeben: „Eine Grenze zu überqueren, gehört zu den faszinierendsten Dingen, die es gibt. Geographisch gesehen ist der Schritt minimal, nahezu mikroskopisch. Man bewegt sich nur einige wenige Meter, doch man befindet sich plötzlich in einem anderen Universum. Manchmal ist absolut alles anders, vom Alphabet und der Währung bis hin zu Gesichtern, Farben, Geschmäckern, bedeutenden Jahreszahlen und den Namen, die die Menschen anerkennend nicken lassen.“ (Seite 223) Meine Buchbesprechung ist etwas lang geworden, aber das Buch ist mit über 600 Seiten auch dick. Fast jedes der 14 hier beschriebenen russischen Nachbarländer würde ein eigenes Buch ergeben. }, keywords = {Asabeidschan, China, Estland, Finnland, Georgien, Kasachstan, Letland, Littauen, Mongolei, Nordkorea, Norwegen, Russland, Sowjetunion, Ukraine, Usbekistan, Weißrussland}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SIMON2022, title = {Die Wölfe von Pripyat}, author = {Cordula SIMON}, year = {2022}, date = {2022-03-07}, abstract = {SIMON, Cordula: „Die Wölfe von Pripyat“, Salzburg Wien 2022 Der im Titel des Buches verwendete Ort Pripyat war mir unbekannt. Erst durch das erste „Friedengespräch“ zwischen Russland und der Ukraine am 28. Februar 2022 erfuhr ich, dass es in der Ukraine nahe der Grenze zu Weißrussland liegt. Aber auch die Thematik erinnert in vielen Zügen an die „Eroberung“ durch die russischen Truppen. Die Autorin handelt das Thema wie George Orwell mit seinem Buch „1984“ ab. Man könnte es als Release 2.0 der Orwell Geschichte sehen. Vieles ist in Ansätzen schon realisiert und wir leben damit. Vieles ist sicher noch im Kommen und so gesehen ist es kein Science-Fiction Roman, sondern realitätsbezogen. Simon schließt aber neben dem Einfluss der Computertechnologien auch die Umwelt und Veränderung der Gesellschaft mit ein. Aber nicht aus tagespolitischer Sicht, sondern weitblickender. Etwa, dass man beim Bau eines Kraftwerks, das Lava aus dem Kern der Erde zum Heizen verwendet, einen Vulkanausbruch erzeugte, der ungeahnte Folgen hatte. Das hier beschriebene Reich schickt die Aschewolken auf das Gebiet eines Nachbarstaats. Das große, bevorstehende Unheil sieht die Autorin aber in einem Sonnensturm, der das gesamte Informatiksystem vernichten wird. Darauf bereitet sich einer der Proponenten des Buches, ein Wetterjournalist, vor. Er wird verfolgt und kommt letztlich ums Leben. Das diktatorische Regime lässt keine Gegenmeinung aufkommen. Alles wird durch Algorithmen entschieden. Letztlich braucht es auch keinen Führer mehr. Das System verwaltet sich selbst. Menschen werden künstlich manipuliert. Vor der Geburt bestimmen die Eltern, welche Qualifikationen ihr Kind haben soll. Dem entsprechend werden sie eingestuft und bekommen eine Rankingnummer zugeordnet. Die Überqualifizierten werden aber zunehmend zum Problem. Alle Menschen sind gechipt und so laufend im Netz bei all ihren Handlungen nachverfolgbar. Sandor Karol erinnert sich: „Ein kleiner Stent in der Hand. Jemand mit bunt gefärbter Haut und vielen Löchern in Nase und Ohren hatte ihn in seine Haut gestochen, zwischen Daumen und Zeigefinger. Das war sein Ausweis, das war ein bankaccount, seine Adresse, darin war alles verzeichnet, was er jemals virtuell getan oder gesagt hatte.“ (Seite 25) Das System hatte sogar Berechtigungen in den Hormonhaushalt und in sensorische Wahrnehmungen einzugreifen. „Alles war unter Kontrolle: die Träume, die Launen … und die Kontoeinstellungen.“ (Seite 37) Ähnlich wie Alexa von Amazon, bekam dieser Chip einen Namen und beantwortet alle Fragen des Besitzers. Politisch gab es aber nur ein Netz. „Alle Informationen von nur einem Anbieter zu bekommen, zu scrollen, war so, als bettelte man darum, von Propaganda gelenkt zu werden.“ (Seite 29) Selbst das Wahlrecht hatte man an den „Log“ abgegeben, weil sich die Jugendlichen nicht mehr für Politik interessierten. Auch eine Zeitmaschine war entwickelt und in einer Box in der Wohnung – ähnlich einer Saunakabine – konnte man die Zeit und deren Lauf dehnen. Selbst das Sterben soll wiederholbar sein. Also nicht ein verlängertes Leben, sondern ein mehrmaliges Wiederauferstehen. Körperteile können nachwachsen oder ausgetauscht werden, so wie Kata neue Augen bekam, um bei den Augenerkennungsgeräten als jemand anderer registriert zu werden. Es ging so weit, dass „der Log nicht fragte, ob er auf die Nervenenden des Mastdarms zugreifen konnte, um das passende Klopapier für einen zu bestellen.“ (Seite 248) Für alte Menschen, die unter normalen Umständen Dinge vergessen, gab es einen eigenen Speicher für die Vergangenheit, auf die das eigene Gehirn zugreifen konnte. Was nicht realisiert wurde, war ein Gen, dass alle Menschen zueinander nett waren. Deswegen kam es zu Kriegen, was wieder auf Pripyat und die Ukraine zurückführt. Eine Realität die heute existiert. Im Buch ist es ein Krieg der Wölfe, der Abtrünnigen. Die Handlung des Buches verläuft innerhalb einer Gruppe, die sich in einem Sommerlager befindet. Sie sollen hier zu „besseren“, folgsameren Menschen umerzogen werden. Sie durchschauen das System: „Wer in einer Diktatur lebt, bemerkt das oft nicht. Sie reden hier von Menschlichkeit, aber sie wollen uns zu Maschinen machen.“ (Seite 174) Die Gruppe bricht aus dem Lager aus. Sie suchen die „goldene Stadt“, wo es mehr Freiheit gibt. Eine abenteuerliche Reise stand bevor. Einer schneidet sich den Chip heraus, taucht in den Untergrund. Er lebt als Einsiedler und schneidet alle Sendemasten um, um auch virtuell isoliert zu sein. Aber man findet ihn. Die Mehrheit will ihn zum Führer machen. Er zeichnet eine Werberede auf: „Ich bin kein großes Licht, doch will ich in dieser Welt auch nicht im Dunkeln tappen. Vor den Toren unserer Wohnhäuser stehen Bewaffnete. Sie sollen den Frieden sichern, doch sind sie da, um uns einzuschüchtern. Unsere Gesetze garantieren uns Freiheit, doch wir wissen nicht mehr, was Freiheit bedeutet, da jene, die vorgeben, für Freiheit zu kämpfen, Einschränkungen wollen. Den Frieden zu sichern bedeutet, in Waffen zu stehen. … Wir haben die Freiheit unserer Gedanken aufgegeben. … Die Algorithmen kennen unsere Köpfe besser als wir selbst.“ (Seite 321) Als er sich schon als Sieger der Wahl sieht wird er verhaftet. Die Diktatur des Algorithmus erlaubt diesen Umbruch nicht. Alle Abtrünnigen werden gefunden, gestellt und verurteilt. Orwell hat sein Werk 40 Jahre vor dem Titel des Buches 1948 geschrieben. Wird die Welt der Wölfe von Pripyat 2062 so aussehen? Ich denke, wir sind schon nahe dran. }, keywords = {Informatik, Überwachungsstaat, ZUkunft}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{BECKER2022, title = {Es ist schon fast halb zwölf}, author = {Zdenka BECKER}, year = {2022}, date = {2022-02-19}, abstract = {BECKER, Zdenka: „Es ist schon fast halb zwölf“, Wien 2022 Der siebente Roman von Zdenka Becker. Ich verfolge ihre literarische Arbeit von Anbeginn und bin immer wieder erstaunt wie uns eine Nicht-Muttersprachliche vorführt, wie sie sich großartig in deutscher Sprache ausdrückt. Ich begegne ihr daher mit mehr Respekt als anderen Schriftstellerinnen. So habe ich auch auf diesen neuen Roman schon gewartet. Sie hatte mir schon vor Längerem erzählt, dass sie daran arbeitet. Durch die derzeitige Corona Pandemie verzögert sich aber vieles und auch Lesungen werden nicht so bald möglich sein. Aber das Lesen kann uns auch dieser Virus nicht nehmen. „Es ist schon fast halb zwölf“ ist wieder eine Familiengeschichte. Sie handelt in der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Die Erzählung stammt aus der Jetztzeit. Ein altes Ehepaar – Karl und Hilde – genießen ihren Lebensabend. Sie sind schon gebrechlich und der Mann dement. Geduldig muss sich die Ehefrau mit ihrem Mann abgeben, der sie oft nicht mehr erkennt. Ihre Kinder würden sie gerne in einem Altersheim sehen. Hilde will aber ihren Lebensabend im eigenen Haus verbringen. Ein junger Zivildiener hilft dabei. Hilde denkt nach, was aus all ihren Sachen einmal werden wird. Wahrscheinlich werden die Kinder alles wegwerfen denkt sie. Da kommt ihr eine Kiste mit Briefen und Fotos in den Sinn, die am Dachboden steht und lässt sich diese vom Zivildiener bringen. Sie liest in alten Briefen und Erinnerungen werden wach. Erinnerungen an den Beginn ihrer Liebschaft und Ehe. Der Mann hat die Vergangenheit vergessen und sie frischt sie mit Hilfe der Briefe auf. Zdenka Becker komponiert aus über 500 Briefen, die sie am Dachboden ihres Hauses gefunden hatte, und einer von ihr dazu erfundenen Geschichte einen Roman. Sie beschreibt das Leben eines jungen Paares, das während des Zweiten Weltkriegs gelebt hat. Damit liefert sie ein zeitgeschichtliches Dokument aus der Zeit der Kriegswirren. Die Hauptperson des Romans ist Hilde, weil ihr dementer Mann ja nicht mehr viel zu sagen hat. Als sie über den Briefen sitzt, merkt sie, dass sie es mit zwei Frauen zu tun hat: mit der jungen, die sie einmal war und der alten. Zwei Frauen, „die so unterschiedlich , so anders sind. Die junge, ängstliche und sich ständig anpassende Frau mit jungen, drallen Formen und verunsichertem Blick und die alte, von der Mühsal der Jahre gebückt, faltige Greisin, die, wäre da nicht die bewegte Vergangenheit, die auf ihren Schultern lastet, in sich ruhen und ihren Lebensabend genießen könnte.“ (Seite 83) Die Briefe sind das Skelett dieses Romans. Da sie aus einer wirklich stattgefundenen Korrespondenz stammen, sind sie Zeitzeugnisse. Posthum sollte daher das Briefe schreibende Ehepaar einen Literatur- oder Wissenschaftspreis bekommen. Auch trifft die Formulierung „Das Leben schreibt Geschichten, wie man sie nicht erfinden kann“ zu. Zdenka Becker fügt alles so zusammen, dass alle nach dem Zweiten Weltkrieg Geborenen hautnah erleben können, wie es den Menschen damals ergangen ist. Der in Österreich (Ostmark) arbeitslose Karl findet 1938 einen Job in einem Flugzeugmotorenwerk in Berlin. Er heiratet seine Hilde. Zuerst leben sie noch getrennt, aber Hilde zieht zu ihrem Mann nach Berlin. Dort leidet sie unter Heimweh. „Ich glaube, damals in Berlin habe ich begriffen, was ein Zuhause ausmacht. Das ist der Ort, an dem man mit der Erde verwurzelt ist, wo sich die Familie regelmäßig am Esstisch trifft, wo Geschichten erzählt werden und wo Umarmungen aus Zuneigung und Liebe erwachsen.“ (Seite 125) „Für die Berliner war ich eine aus der Ostmark, ein Landei, ein Dummerl, das nichts kennt und nichts weiß. Diese Zerrissenheit tat mir nicht gut, aber sosehr ich mich auch bemühte, eine von ihnen zu sein, war ich doch die ganze Zeit eine Außenseiterin.“ Sie siedelt wieder zurück nach Niederösterreich. Aber auch da fühlt sie sich fremd. Die Einheimischen glauben, sie komme aus der großen Stadt Berlin und begegnen ihr reserviert. In größeren Abständen besucht sie ihren Mann. Mit zunehmenden Kriegsgeschehnissen werden die Besuche weniger. Auch der ursprünglich überzeugte Nationalsozialist Karl merkt, dass die Vorgänge des Kriegs nicht in Ordnung sind. Um die Fabrik vor dem Bombardement der Alliierten zu schützen, wird sein Arbeitsplatz in ein ehemaliges Gipsbergwerk verlegt. Die Arbeit wird härter und ungesunder. Im Stollen ist es feucht und kalt. Die Arbeiter werden öfter krank. Briefe verbinden das Ehepaar, das inzwischen eine kleine Tochter hat. Er muss sich eingestehen, dass aus seinem Idol Hitler nicht das geworden war, was er sich erhoffte. „von den Berlinern, die frisch hier angekommen sind, hört man allerhand. Es sollen grausame Bilder zu sehen sein. Erfrorene Kinder, die die Flucht nicht überlebt haben, abgemagerte Erwachsene, amputierte Invaliden, Verwirrte. Überall Dreck und Gestank. Viele Züge sind auch für den allgemeinen Verkehr gesperrt und nur den Evakuierten und Flüchtlingen zugewiesen. Die Schnellzüge verkehren fast nicht mehr. Für die Strecke Wien-Berlin würde man mindestens drei bis vier Tage brauchen.“ (Seite 224) Aber auch die vielen Details, die sich das Ehepaar in ihren Briefen schreibt, zeigen dem heutigen Leser die damalige Lebenssituation. Nach Kriegsende kamen keine Briefe mehr. Hilde weiß nicht, was aus ihrem Karl geworden ist, bis er schließlich nach einem halben Jahr nach Hause kommt. Geistig ist er aber noch nicht zu Hause. In der Nacht wacht er auf. Erinnerungen an die Kriegszeit kommen hoch. Erlebnisse mit Sträflingen aus dem Konzentrationslager, die in seiner Fabrik arbeiten mussten. Als sein Sohn geboren wird, verschließt sich Karl und erzählt nichts mehr aus der Kriegszeit. Aber auch Hilde hat ein Geheimnis aus dieser Zeit. Ein Mitbewohner des Dorfs, der sich als Laienhistoriker betätigt und dessen Nichte mit ihrem Freund bringen sie zu einem Geständnis. Parallel zum Leben während der Kriegsjahre beschreibt die Autorin auch, wie es alten Menschen geht. Menschen, die nicht loslassen können und nicht akzeptieren wollen, dass sie noch allein leben können. Beides fließt in den 256 Seiten des Romans zusammen. }, keywords = {Briefwechsel, Ehe, Trennung, Zweiter Weltkrieg}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Fatland2022, title = {SOWJETISTAN – Eine Reise durch Turkmenistan, Kasachstan, Tadschikistan, Kirgisistan und Usbekistan}, author = {Erika Fatland}, year = {2022}, date = {2022-02-13}, abstract = {FATLAND, Erika: „SOWJETISTAN – Eine Reise durch Turkmenistan, Kasachstan, Tadschikistan, Kirgisistan und Usbekistan“, Berlin 2020 VORAB: Diese Rezension ist im Vergleich zu meinen bisherigen Buchbesprechungen sehr lang geworden. Das hat zwei Gründe: Erstens sind es eigentlich fünf Bücher in einem Buch. Fünf postsowjetische Staaten sind beschrieben und jedes enthält so viel Informationen wie ein ganzes Buch. Ich habe daher jedem Land eine ausführliche Beschreibung gewidmet. Zweitens habe ich einen starken persönlichen Bezug zu diesen Ländern. Unmittelbar nach der politischen Wende und der Abwendung von der Sowjetunion habe ich in all diesen Ländern eine Firma gegründet. Es war spannend zu lesen, was sich in diesen vergangenen Jahrzehnten verändert hat. Sie als Leser können aber beruhigt sein: ich zeige nur die Vielfalt des Buchinhalts auf. Vieles ist unbesprochen geblieben und wirklich lesenswert. Die Norwegerin Erika Fatland ist nicht nur eine ausgezeichnete Reiseberichterstatterin, sie erzählt in diesem Buch auch die jüngste Geschichte dieser ehemaligen Sowjetrepubliken. Der durchschnittliche Bürger des Westens weiß eigentlich Nichts über die Situation in diesen Ländern. Fatland liefert ein Geschichtsbuch der letzten Jahrzehnte. „Sowjetistan“ besteht aus fünf großen Kapiteln, die jedes eines der Länder beschreibt. Jedes Kapitel könnte ein eigenes Buch sein, weshalb ich auch jeden Abschnitt, jedes Land hier beschreiben möchte. Turkmenistan Ihre Reise begann sie in Turkmenistan. Die Einreise war sehr bürokratisch. Das Land hat die härtesten Einreisebestimmungen der Welt. Nur Länder wie Venezuela, die Türkei , Kuba oder die Mongolei brauchen kein Visum. Drei Wochen fuhr sie durchs Land. Meist wurde sie von Mitarbeitern staatlicher Reisebüros begleitet. Es ist ein Bericht über ein Land mit einem Diktator, der alles bestimmt. Ein Land, das eigentlich wegen seiner Öl- und Gasvorkommen reich sein müsste. In der Hauptstadt Aschgabat sind die Häuser des Zentrums fast ausschließlich mit weißem Marmor verkleidet. Damit soll Reichtum demonstriert werden. Davon spüren aber die meisten Einwohner nichts. Lediglich Brot, ist kostenlos. Dafür sind sie ihrem Herrscher dankbar. Wann immer sie den Präsidenten ansprechen, fügen sie den Satz „unser guter Präsident“ hinzu. Übrigens, auch Benzin ist (fast) kostenlos. Der erste Präsident – Turkmenbaschi - war in der UdSSR Parteisekretär dieser Sowjetrepublik. Er ließ eine Volksabstimmung für die Unabhängigkeit des Landes durchführen und setzte sich selbst als dessen Führer und obersten Chef ein. Er schrieb die Geschichte des Landes neu. Die meisten Bücher wurden verboten, aber „sein“ Buch mussten alle Schüler lesen, ja sogar bei der Führerscheinprüfung wurde dessen Inhalt abgeprüft. Er ordnete unverständliche Dinge an: in der Hauptstadt durfte es keine Hunde geben, Oper und Zirkus wurde verboten. Alle Bibliotheken am Land wurden geschlossen. Als der Herrscher 2006 starb, wurde sein Stellvertreter Berdimuhamedow zum Nachfolger und hob viele dieser Verordnungen wieder auf, um seine eigenen Ideen durchzusetzen. Ließ Turkmenbaschi im ganzen Land vergoldete Statuen von sich aufstellen, so stellte der neue Präsident sein Konterfei in weißem Marmor gegenüber. Am Land erlebte Fatland die Armut der Bevölkerung, aber auch die Freundlichkeit: „Gleichzeitig wurde ich hier, bei diesen armen Menschen, die nicht mehr besitzen als ein paar Kochtöpfe, ein Paar Kamele und eine Herde Ziegen, am herzlichsten empfangen.“ (Seite 71) Als sie nach drei Wochen das Land in Richtung Kasachstan mit ihren Eindrücken verließ nannte sie es „Absurtistan“. Kasachstan Kasachstan ist das größte Land der „Sowjetistan-Staaten“. Von der turkmenischen Grenzstadt weg fuhr die Autorin mit dem Zug nach Aral und Almaty. Bei Zugreisen kam sie mit einfachen Leuten ins Gespräch. Interessante Informationen auch für den Leser. Daneben wird auch das jeweilige Land allgemein vorgestellt. Etwa, dass Kasachstan mit 2,9 Millionen Quadratkilometern Größe das neuntgrößte Land der Welt und größer als Westeuropa ist. Es hat keinen Meerzugang und besteht zu drei Viertel aus Wüste; also unfruchtbar. Bei 17 Millionen Einwohnern leben nur sechs Menschen auf einem Quadratkilometer. Auch die jüngere Geschichte wird ausgeleuchtet. Bei einer Hungersnot in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts starben 25 Prozent der ethnischen Bevölkerung. Positiv ist, dass der Aralsee, der in den 1960er Jahren zu verschwinden drohte, weil die Baumwollpflanzungen so viel Wasser brauchten sich wieder zu füllen beginnt. Der Hafen in Aral liegt aber noch im Trockenen. Nach Aral und Almaty besucht Frau Fatland die Hauptstadt Astana (Astana heißt übersetzt „Hauptstadt“). Sie wurde von ihrem Präsidenten Nasarbajew als Prestigeprojekt von Almaty verlegt. Internationale Architekten konnten sich hier verwirklichen. Bis 2030 werden noch jedes Jahr acht Prozent des Staatsbudgets für die Hauptstadt ausgegeben. Mit einem kleinen Flugzeug kommt die Autorin nach Semipalatinsk, wo die Sowjetunion in der weiten Steppe ihre atomaren Probeexplosionen durchgeführt hat. Heute leben nur mehr wenige Menschen hier und ein Großteil von ihnen ist von den Atomversuchen erkrankt oder gestorben. Kinder kommen mit sechs Fingern zur Welt und viele leiden an verschiedenen Krebskrankheiten. Es wird erzählt, wie sich der Entwickler der Wasserstoffbombe Sacharow zum Friedenstifter und Staatsfeind entwickelte und wie nach Zerfall der UdSSR die vielen atomaren Anlagen durch Hilfe der Amerikaner entsorgt wurden. Hier gab es eines der größten Gefangenenlager. Einer der Sträflinge war der Schriftsteller Dostojewski und das Buch erzählt von seiner Liebesaffäre. Kasachstan ist auch die Geburtsstätte des Apfels. Es wird erzählt, wie er von einem Forscher aus Sankt Petersburg gefunden wurde, aber auch, wie sich die Autorin einen Apfel am Gemüsemarkt kauft und genießt. In vielen Interviews wurden Menschengeschichten eingefangen. So etwa die eines Aktivisten oder einer Schamanin oder Hexe. Man kann zusammenfassend sagen: „Kasachstan in Zahlen, Fakten, persönlichen Eindrücken und durch Menschenbilder.“ Tadschikistan Tadschikistan ist das ärmste Land unter den ehemaligen Sowjetstaaten. Die meisten Einwohner verdienen weniger als 80 Dollar im Monat und ein Drittel ist unterernährt. Es gibt keine Öl- oder Gasvorkommen, wie in den Nachbarstaaten. Neunzig Prozent des Landes besteht aus Bergen und nur sieben Prozent sind landwirtschaftlich genutzt. Im Gebirge kann es im Winter über 50 Grad minus bekommen. Tadschikistan ist dem Persischen sehr ähnlich. Obwohl Tadschikisch in kyrillischen Buchstaben geschrieben wird und Persisch in arabischen, haben sie vieles gemeinsam. Bevor das Land eine sowjetische Republik wurde, hatte die heutige Hauptstadt Duschambe nur 3.000 Einwohner. Heute wohnen hier 700.000 Menschen. Trotz Armut will die Hauptstadt, wie ihre Nachbarn, protzen. Ein pompöser Präsidentenpalast und lange Zeit der höchste Fahnenmast sind nur zwei dieser Faktoren. Präsident Rahmons studierte, wie sein Kollege Nasarbajew aus Kasachstan, Wirtschaftswissenschaften. Aus einfachen Verhältnissen kommend machte er Karriere und wurde oberster Repräsentant der Sowjetrepublik und späterer Präsident. Die Autorin besuchte wieder entlegene Gebiete, in den noch die letzten Ureinwohner, die Jaghnoben wohnen. Als die UdSSR Baumwollplantagen aufzogen, wurden die Bergbewohner in die Ebenen deportiert, um dort zu arbeiten. Die Gegend war ohne Straßenverbindung völlig isoliert. Die Deportierten wurden mit Hubschraubern ausgeflogen. Viele kamen immer wieder zurück, aber viele blieben im klimatisch besseren Gebiet, vermischten sich mit einheimischen Tadschiken. Verschiedene Menschenschicksale kann man im Buch nachlesen. Bei Beerdigungen und Hochzeiten hatte Fatland Kontakt mit der Bevölkerung und schrieb das Erzählte nieder. Ein Mann sagte zu ihr „Hier im Tal leben wir wie im 19. Jahrhundert. Es ist ein hartes Leben, aber wir sind glücklich.“ (Seite 273) Um überleben zu können gehen viele Männer ins Ausland zum Geldverdienen. Die meisten nach Russland. Ihre Frauen bleiben bei den Kindern im Dorf. Einmal im Jahr kommen die Männer heim, schwängern die Frau und oft heiraten sie dann in der Fremde eine andere Frau. Aber sie schicken Geld nach Hause. Die Hälfte des Bruttonationalprodukts besteht aus diesen Überweisungen. In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts wüteten Bürgerkriege und viele flüchteten. Die Gesellschaft ist von Klans dominiert. Diese Zusammengehörigkeit ließ nach dem Krieg viele wieder zurückkommen. Erika Fatland ist eine Abenteuerin. Nur so ist es möglich, so ein Buch zu schreiben. Wenn sie etwa mit einem Hubschrauber in das Pamirgebirge fliegt. Die Passagiere sitzen auf Bänken. Der Kapitän allein im Cockpit. Der Copilot hatte dort keinen Platz mehr und musste bei den Passagieren sitzen. Die Tür zum Cockpit stand offen, damit die beiden miteinander kommunizieren konnten. Auf der drei- bis fünftausend Meter hohen Pamir Ebene zeigt sich die Wichtigkeit von Grenzen. Lange wurde hier gekämpft. Die beiden Großmächte Russland und das britische Empire standen sich gegenüber und eroberten diese zentralasiatischen Gebiete für sich. Man einigte sich auf Grenzen, die aber immer wieder vom Gegner überschritten wurden. Grenzen wurden auch willkürlich gezogen und sind heute noch ein Problem. Bis in die Jetztzeit wird um Gebiete um Afghanistan gekämpft. Obwohl Tadschikistan ein selbstständiger Staat war, waren russische Soldaten bis 2005 noch in Tadschikistan stationiert, um die Grenzen unter Beobachtung zu haben. Kirgisistan „Kirgisistan ist das freieste und demokratischste Land Zentralasiens, die Presse ist die freieste in der Region und auch mit Blick auf die wirtschaftlichen Freiheiten landet das arme kleine Bergland unter den hundert fortschrittlichsten Ländern der Welt.“ (Seite 337) Bischkek ist die Hauptstadt und nach dem Bericht in diesem Buch die „grünste“ Stadt Zentralasiens. Es ist das einzige Land der Sowjetistan-Länder, die keinen neuen und protzigen Präsidentenpalast besitzen. Der Präsident residiert im Weißen Haus, das noch aus der Sowjetunions-Zeit stammt. Präsidenten haben sich nicht lange gehalten. Demokratische Bestrebungen haben sie bei Fehlverhalten vertrieben und durch neu gewählte ersetzt. Die alten fanden Asyl in Weißrussland oder Russland. Es ist das ärmste Land der Region. In der Zeit der UdSSR gab Moskau finanzielle Unterstützung. Drei Viertel des Staatshaushalts kam von dort. Heute lebt ein Drittel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Damit nicht alles zum Stillstand kommt arbeiten vor allem junge Männer im Ausland und schicken Geld nach Hause. Die meisten von ihnen finden in Russland einen Job; allerdings zu sehr schlechten Bedingungen. Sie wohnen zu Dutzenden in einem gemieteten Zimmer. Durch die Armut im Land und unter den Fremdarbeitern ist wieder Tuberkulose ausgebrochen, die zu bekämpfen schwierig ist. Man schätzt, dass zehn Prozent von dieser Krankheit betroffen sind. So wie arbeitsfähige Männer ins Ausland abwandern, verlassen auch viele Ärzte das Land. Sie verdienen im Ausland mehr und zu Hause bricht das Gesundheitswesen zusammen. Soweit zu den Fakten. Fatland schreibt auch über persönliche Erfahrungen. So etwa sprach sie mit Frauen, die entführt und Zwangsverheiratet wurden. Brautraub ist immer noch üblich. Auch eine russische Frau, mit der die Autorin sprach, blieb davon nicht verschont. Nach einer Studie sind etwa ein Drittel aller geschlossenen Ehen nicht freiwillig, sondern durch Brautraub entstanden. Am Land sind es oft mehr als 50 Prozent. Sie machte auch Bekanntschaft mit Adlermännern, die die Kunst des Jagens mit einem Greifvogel aufrechterhalten. „Unsere Vorfahren hatten keine Waffen und nützten die Vögel zur Jagd“ (Seite 364) Kirgisen waren Nomaden. Unter Stalin wurden sie „umerzogen“, um sesshaft zu werden. Heute sind nur mehr zehn Prozent der Einwohner Nomaden. Stalin war es, der viele Menschen während des Zweiten Weltkriegs nach Zentralasien übersiedelte. So kamen 230.000 Krim-Tataren, 17.000 Koreaner aus Wladiwostok, 19.000 Aserbaidschaner aus dem Kaukasus und 8.500 Deutsche aus dem Wolga-Gebiet. Letztlich lebte eine Million Deutscher in der Region. 1989 wurde ihre Auswanderung zugelassen und die Zahl verkleinerte sich. Erika Fatland reiste – trotz Warnung – in so ein Dorf, das sich „Rot-Front“ nennt. Zwar konnte sie mit einem deutschen Mann reden, als sie dann einen Gottesdienst besuchte und der Gemeindevorstand gegen ausländische Journalisten predigte musste sie das Dorf verlassen. Die Russen hatten willkürliche Grenzen gezogen und Stämme und Völker teilweise getrennt. Dies führt bis heute zu Konflikten. In Kirgisistan leben viele Usbeken. In den 1990er Jahren und im Juni 2010 kam es zu blutigen Ausschreitungen. 2010 kamen über 400 Menschen ums Leben, 2.000 wurden verletzt und mehrere hunderttausend flüchteten nach Usbekistan und in Grenzregionen. Usbekistan Beim Grenzübertritt nach Usbekistan hatte sie Glück, dass sie während der Baumwollerntezeit reiste. In dieser Zeit werden die Grenzen für die Einheimischen gesperrt, denn alle werden für die Baumwollernte gebraucht. „Jedes Jahr werden Hunderttausende Ärzte, Lehrer, Krankenschwestern, Beamte und andere öffentliche Angestellte sowie Studenten des Landes einberufen, um Baumwolle zu pflücken - eine alte Tradition aus der Sowjetzeit, die noch immer praktiziert wird.“ (Seite 398) Damit sich die Bewohner vor dieser Arbeit nicht ins Ausland flüchten können, wird die Grenze für sie gesperrt. Für Erika Fatland wurde es so ein schneller Grenzübertritt. So wie in all diesen STAN-Ländern ist der russische Vergangenheitseinfluss nicht zu übersehen. Zwar haben nach der Verselbstständigung Usbekistans die Hälfte der russischen Einwohner das Land verlassen, aber eine Million ist geblieben und die Abhängigkeit von Russland ist geblieben. Das religiöse Leben blühte wieder auf. Wie in den Nachbarländern wird das Land von einem Diktator nach sowjetischem Muster regiert. Karimow, der Präsident der ersten Stunde, war ein Alleinregent, dessen Familienmitglieder sich bereicherten. Unruhen im Jahr 2005 bescherten viele Tote, aber der Aufstand wurde niedergeschlagen. Sehr detailliert wird im Kapitel „Der Stoff, aus dem Träume sind“ die Produktion von Seide beschrieben. An der Grenze zu Turkmenistan liegt die kleine Stadt Nukus. Sie ist die wichtigste Stadt der Region Karakalpakstan, die etwa ein Drittel der Fläche Usbekistans besitzt, aber nur 1,7 Millionen Einwohner hat. Nur mehr ein Viertel sind Einheimische, aber auch die werden jedes Jahr weniger. Es herrscht ungastliches Klima. Im Sommer hat es oft mehr als 50 Grad und im Winter Kälte. In dieser entlegenen Gegend hatten die Sowjets ihre biologischen Waffen getestet. In den 1960er Jahren waren etwa 50.000 Menschen an diesen geheimen Versuchen beteiligt. Bedingt durch die Militäranlagen war es Sperrgebiet für Ausländer und Außenstehende. In dieser Stadt gründete der Ukrainer Igor Sawitzki, der selbst Maler war, ein Museum. Er war ein Sammler und trug Handarbeiten, Schmuck und Stickereien der Einheimischen zusammen. Aber das Besondere sind die tausenden expressionistischen Bilder, die er gesammelt hat. Bilder, die in der naturalistischen, kommunistischen Kunstauffassung nicht erlaubt waren. In der zentralasiatisch entlegenen Kleinstadt war die Moskauer Kontrolle weit weg. Heute hat dieses Museum einen internationalen Stellenwert. Fatland besuchte dieses außergewöhnliche Museum. Ein Kapitel widmet sie auch der Baumwollproduktion, demzufolge der Aralsee zum Großteil ausgetrocknet ist, weil man das Wasser für die Baumwollplantagen brauchte. Neunzig Prozent des Sees sind in den letzten fünfzig Jahren verschwunden. Baumwolle wurde in Usbekistan schon seit 2000 Jahren angebaut, aber in bescheidenem Umfang. Die russischen Machthaber erhöhten dies, wodurch andere landwirtschaftliche Produkte wie Milch, Getreide, Obst und Gemüse zurückgedrängt wurden. Usbekistan musste diese, früher selbst produzierten Waren importieren. Das Land verarmte noch mehr. Die meisten Bauernhöfe gehören heute dem Staat und so bestimmt der usbekische Staat was angebaut wird und wie die Preise zu gestalten sind. Baumwolle ist weiterhin die Basis der usbekischen Wirtschaft. Neben der Hauptstadt sind Buchara und Samarkand wichtige Städte. Ursprünglich war hier ein Zentrum der Wissenschaften, wo unter anderem der Mathematiker Abu Dscha´far Muhammad ibn Musa al-Chwarizimi schon im 7. Jahrhundert als Vater der Algebra angesehen wurde. Der Algorithmus war Teil seiner Forschungen und Publikationen. Ein anderer löste das Problem, wenn man auf ein Schachbrett ein Weizenkorn legt und auf das nächste die doppelte Menge und sofort, bis letztlich am letzten Schachbrettfeld über 18 Trillionen liegen müssten. Das intellektuelle Leben in Zentralasien war vor eintausend Jahren hochstehend. Als die Araber die Region eroberten, verfiel all dieses Wissen. Bibliotheken wurden verbrannt und Wissen ausgelöscht. Auch Andersgläubige wurden verfolgt und allein in Usbekistan tausende Christen ermordet. Mit der transkaspischen Eisenbahn, die auf usbekischem Gebiet mit Hochgeschwindigkeitszügen fährt, kam die Autorin in die Hauptstadt Taschkent. Von der ursprünglichen Stadt ist durch ein Erdbeben im Jahr 1966 nichts übriggeblieben. Die UdSSR errichtete eine sowjetische Musterstadt. Da aber Usbekistan auch große Gas- und Erdölvorkommen hat, konnte eine moderne Stadt aufgebaut werden. Wie in den Nachbarstaaten herrscht ein Diktator. Interviewpartner waren nur schwer zu finden. Man hatte Angst. Aber bei Taxifahrten wurden die Menschen gesprächig und lieferten Eindrücke für den Leser des vorliegenden Buchs. Ausführlich widmet sie sich dem Klan des usbekischen Präsidenten. Einer der Taxifahrer brachte es auf den Punkt: „Die Sowjetgeneration ist, wie sie ist. Sie macht alles auf die gleiche, alte Art und Weise. Ich setzte meine Hoffnung auf die jetzt aufwachsende Generation. Viele von ihnen sind gereist und haben die Welt gesehen. Nur sie können etwas Neues schaffen.“ (Seite 495) Wie sieht die Zukunft der Region aus? In einem Nachwort aus dem Jahr 2014 versucht es Fatland zu definieren: Die Russen eroberten im 19. Jahrhundert diese zentralasiatischen Gebiete, konnten sie aber nur schwer abgrenzen. Sie nannten die Region „Turkestan“, weil die meisten Völker türkischstämmig waren. Die fünf postsowjetischen Republiken existierten bis 1991 nicht als Nationen. „Bis heute unterhalten die Stans sowohl wirtschaftlich wie politisch enge Bande zu Russland als miteinander.“ (Seite 386) Viele Gesprächspartner trauern immer noch der Sowjetunion nach. Sowie es Boris, einer ihrer Führer ausdrückte: „Alles war besser in der Sowjetunion. Speiseöl war billig, das Brot kostete nichts und ein Flugticket nach Moskau war auch nicht besonders teuer. Wir bekamen genügend Lohn für eine ganze Familie. Jetzt reicht das Geld nie, und viele von uns sind krank.“ (Seite 449) Das Buch erschien 2014. Vom Ende der Sowjetunion weg war viel passiert. Inzwischen sind weitere Jahre ins Land gegangen. Wie sieht es heute dort aus? Das Interesse ist geweckt. Frau Fatland: was wäre mit einer Fortsetzung? }, keywords = {Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Turkmenistan, Usbekistan}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SCHMITT2022, title = {Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran}, author = {Eric-Emmanuel SCHMITT}, year = {2022}, date = {2022-02-04}, abstract = {SCHMITT, Eric-Emmanuel: „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“, Frankfurt 2012 Ursprünglich war es ein Theaterstück, das 2004 mit Omar Sharif verfilmt wurde. Als Erzählung erschien es 2001 und die erste deutsche Version 2003. Lange lag es auf der Spiegel-Bestsellerliste auf Platz 1. Es ist das zweite Buch in der Reihe „Cycle de l’invisible“ und ist nicht nur mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet, es ist auch zu einer Standardlektüre im Französischunterricht geworden. Eine wunderbare Geschichte, die man auch als Märchen für Erwachsene bezeichnen könnte. Die beiden Proponenten sind Moses, ein jüdischer Bub und Ibrahim ein türkischer Greißler in einem Pariser Bezirk. Moses lebt allein mit seinem Vater, einem Rechtsanwalt. Er führt schon als Bub den Haushalt des Vaters und lernt so den Lebensmittelhändler Ibrahim kennen, den er bestiehlt, um sich mit dem Ersparten seine ersten Freudenhausbesuche finanzieren zu können. Ibrahim und Moses freunden sich an und der alte Mann wird zum Vaterersatz, denn dieser verliert seinen Job und begeht Selbstmord. Als er noch ein Kleinkind war, hat seine Mutter die Familie verlassen. Erst später sucht sie ihr Kind, aber Moses gibt sich als ein anderer aus. In diesen zerrütteten Verhältnissen adoptiert Ibrahim Moses. Sie kaufen ein Auto und fahren in Ibrahims Heimat, ans Meer in der Türkei, wo dieser verstirbt. Moses wird Lebensmittelhändler in Paris. Damit habe ich vielleicht viel verraten und die Geschichte nacherzählt. Dem ist aber nicht so, denn in dieser Erzählung stecken viele schöne Details, die man selbst lesen und genießen muss. }, keywords = {jüdischer Bub, Lebensmittelhändler, Paris, Türkei}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{TRAWÖGER2022, title = {Spiel}, author = {Norbert TRAWÖGER}, year = {2022}, date = {2022-02-03}, abstract = {TRAWÖGER, Norbert: „Spiel“, Wien 2021 Der Autor meint, wir sollten als Erwachsene von den Kindern lernen und mehr spielerisch betrachten. Was er mit dem vorliegenden Buch sagen will habe ich leider nicht verstanden. Da gibt es Abhandlungen über verschiedene Arten des Spielens. „Spielen“ sei in der deutschen Sprache nicht so leicht abgrenzbar. Im Englischen sei dies mit „play“ und „game“ besser unterscheidbar. Er nimmt Bezug auf sein Kind und in welchem Alter welcher Zugang zum Spielen bestand. Er selbst „spielt“ Flöte. So wie sein Vater. Schon der Großvater war Musiker und er selbst ist künstlerischer Leiter des Brucknerorchesters in Linz. Als ehemaliger Lehrer besitzt er einen Zugang zu Jugendlichen und deren Denkweise, die sich im Buch niederschlägt: Als er sich 2017 aus dem Lehrberuf zurückzieht schreibt er nicht ein Plädoyer, sondern einen Abschiedsbrief an seine Schüler und Schülerinnen. Der Autor setzt sich in diesem Buch mit verschiedenen Themen auseinander. So auch mit Künstlicher Intelligenz und Musik. Letztere ist ja sein Aufgabengebiet. Dementsprechend kommt der Computer nicht gut weg. Auch „Kultur“ nimmt er unter die Lupe und streicht ihre Wichtigkeit für Veränderungen und die Gestaltung der Gesellschaft hervor. Letztlich kommen auch tagesaktuelle Themen zur Besprechung: die Chatprotokolle der letzten österreichischen Regierung und der Umgang der Politik mit der Pandemie COVID19. Worin der Sinn des Buches sein soll, habe ich als Leser nicht herausgefunden. Am Ende wird nochmals ein Bezug auf das „Spielen“ hergestellt: „Spielt keine Rolle, spielt nicht mit, wenn es keine Rolle spielt und spielt was das Zeug hält. Lasst nicht mit euch spielen, bleibt spielerisch und vor allem: Nehmt euch und das Spiel ernst. Es darf um nichts gehen, aber um nicht weniger.“ (Seite 105) }, keywords = {Kinder, Musik, Spiel}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{WINKLER2022, title = {Der Leibeigene}, author = {Josef WINKLER}, year = {2022}, date = {2022-01-31}, abstract = {WINKLER, Josef: „Der Leibeigene“, Frankfurt 2020 Wie der in Kärnten lebende Schriftsteller Alois Brandstetter, widmet sich auch Josef Winkler der Erzählung des ländlichen Lebens. Bei Winkler ist es aber nicht nur eine Schilderung der Situationen, sondern ein authentisches Niederschreiben von selbst Erlebtem. Auch stilistisch ist ein großer Unterschied. Brandstetter ist ein ausgezeichneter Erzähler. Winkler dagegen ein literarischer Dichter, der die Realitäten in irreale Texte einbettet. Die Texte springen zusammenhanglos von einer Szene in eine ganz andere. Es wird das Leben des Sohnes eines tyrannischen Bauern beschrieben. Vom Vater wurde er eingeschüchtert und immer wieder als unfähig hingestellt. „Meine Seele war auf die Größe zweier Bohnen zusammengeschrumpft.“ (Seite 75) Trost findet er, wenn er am Friedhof zwei Freunde, die sich erhängt hatten, besucht. Auch selbst denkt er oft an Selbstmord. Bäuerliche Arbeit wird detailliert beschrieben, wie etwa das Ziehen eines Kalbes aus dem Bauch der trächtigen Mutterkuh. Das bäuerliche Leben ist hart und brutal zugleich. Als die Nachbarn viele Katzen hatten und diese zum Milch trinken in seinen Stall kamen, tötete sie der Vater, indem er ihnen mit einer Hacke den Kopf abschlug. Später – er lebte teilweise in Rom – kommt er wieder nach Hause in den elterlichen Bauernhof. Der Vater ist 80 Jahre alt. Keiner der fünf Söhne hat seine Nachfolge angetreten. Mit hohem Alter bearbeitet er noch den Hof. Der Sohn, ein Schriftsteller, will den Vater beschreiben und hofft, dass er ihm aus seinem Leben erzählt. Wie es ihm als Jungbauern ergangen ist. Wie er den Krieg erlebte und dann seine eigenen Kinder. Das Leben eines Bauern hat sich generell verändert. „“… nach dem Krieg wurde der Bauer höher eingeschätzt als der Arbeiter. Was ist den heute der Bauer in diesem Land? Ein Schinder, der für einen Hungerlohn arbeitet. Heute muss ich mich in einem Amt regelrecht schämen, wenn ich sagen muss, dass ich ein Altbauer bin …“ (Seite 34) Dem schriftstellerischen Sohn erzählt er, dass es ihm als Kind „dreckig“ ergangen sei, dass er aber im Krieg viel erlebt habe. „Wenn nicht der Krieg gewesen wäre, hätte ich niemals Holland, England, Deutschland oder das Meer gesehen, gar nichts hätte ich von Europa gesehen. Der Krieg war das einzige Erlebnis meines Lebens.“ (Seite161/162) Dieses Buch wurde vor 1990 geschrieben. Da war Homosexualität noch ein sensibleres Thema als heute im 21. Jahrhundert. Winkler setzt sich mit den Gefühlen und den Aktivitäten von Jugendlichen auseinander. „Das Gefühl, wenn ich einen Knaben berührte, etwas Schäbiges und Schreckliches getan zu haben – denn auch in meinem Kopf gingen damals, als ich noch achtzehn war, die moralischen Uhrzeiger des Volkes im Kreis – verließ mich vollkommen ….“ (Seite 254) Das schlechte Gewissen wurde aus der ländlichen Gesellschaft heraus entwickelt. „Der Hass des Kärntner Dorfvolkes auf die Homosexualität war mir genauso geläufig wie der Hass auf die Juden, Russen und die Slowenen, die in Kärnten von Politik und Gesellschaft noch heute unterdrückt werden.“ Die schlüpfrigen und gotteslästernden Texte machen ihn im Dorf unbeliebt. Die Eltern genieren sich für ihren Sohn. Vieles hat er über sie geschrieben. Der Pfarrer des Dorfs meinte „Er ist ein Gotteslästerer! Man sollte ihm das Handwerk legen.“ (Seite 217) Der Vater meinte sogar, er solle nicht alleine im Dunklen durch den Wald gehen, denn er könnte überfallen und geschlagen werden. Viel wird über den Tod und das Sterben geschrieben. Als er im Traum unzählige Hostien gegessen hatte, fand er, dass er viele Leiber Christi in sich trage. Letztlich betete er den Teufel an: „Ich bete zur Sichelfrau und zum Sichelmann, zum Tod und zur Tödin, dass sie kommen und mir helfen, die Gebeine der vielen Leiber Christi wegzuräumen.“ (Seite 311) Und so endet das Buch auch mit dem Satz „Als Wegzehrung nehme ich mein eigenes Fleisch mit“ (Seite 312) }, keywords = {Bauernleben, Homosexualität, Kärnten, Religion}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{vonHOFMANNSTHAL2022, title = {Der Unbestechliche. Lustspiel in fünf Akten}, author = {Hugo von HOFMANNSTHAL}, year = {2022}, date = {2022-01-25}, abstract = {HOFMANNSTHAL, Hugo von: „Der Unbestechliche. Lustspiel in fünf Akten“, Berlin 1922 Ein Lustspiel in fünf Akten, dass der, durch das Stück „Jedermann“ bekannt gewordene Schriftsteller im Alter von 50 Jahren geschrieben hat. Er war schon ein anerkannter und berühmter Autor und widmete sich mit dem vorliegenden Stück der Beschreibung der „besseren Gesellschaft“. Das Stück entstand vor 100 Jahren. Da war die Welt noch eine andere. Eine adlige und reiche Familie empfängt Gäste. Man hat viel Personal: einen Diener, Kutscher, Stubenmädchen etc. Das Menschliche dieser Gesellschaft ist aber so wie heute. Der Sohn der Baronin ist jung verheiratet und hat zwei kleine Kinder. Daneben hat er zwei Freundinnen, die beide einer Einladung folgen. Der Diener Theodor war ursprünglich der Diener des Sohnes. Er war mit der Vorgangsweise des jungen Mannes nicht einverstanden und wechselte in seiner Dienerschaft zur Mutter, der Baronin. Die vielen Verhältnisse und der Umgang des jungen Mannes stören ihn aber und er will sich rächen. Er kündigt auch seine Stellung bei der Baronin, die im Zuge des bevorstehenden Festes in Probleme kommt und um ihren Diener wirbt, damit er seine Kündigung zurückzieht. Dieser macht aus dem Notstand der Herrin einen Vorteil für sich und verlangt, dass sie ihm – sollte er wieder in seine Dienste eintreten – freie Hand in seinem Handeln bekomme. Sie stimmt zu. Sie müsse vor versammelter Mannschaft sagen „Und sie, lieber Theodor, übernehmen jetzt wieder die Aufsicht über das Ganze.“ Mit diesem Satz lässt Theodor allen seine Macht spüren und macht sich an die Auflösung der Beziehungen seines Ex-Chefs, dem Sohn der Baronin. Das Stück endet sehr kitschig: die beiden Liebhaberinnen reisen auf geheiß des Dieners ab und das junge Ehepaar findet sich wieder. Eine populistisch romantisch kitschige Geschichte des ausgehenden 20. Jahrhunderts, wie sie von einem populistischen Modeschriftsteller geschrieben wurde. }, keywords = {Liebesbeziehungen, Lustspiel}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SARGNAGEL2022, title = {Dicht - Aufzeichnungen einer Tagesdiebin}, author = {Stefanie SARGNAGEL}, year = {2022}, date = {2022-01-20}, abstract = {SARGNAGEL, Stefanie: „Dicht – Aufzeichnungen einer Tagediebin“, Hamburg 2022 Schon länger habe ich mir vorgenommen ein Buch von dieser aufstrebenden österreichischen Schriftstellerin zu lesen. „Dicht – Aufzeichnungen einer Tagediebin“ ist ihr erster Roman, der im Jahr 2020 erschien. Hier stellt sie – sehr autofiktional – ihr eigenes Leben während ihrer Gymnasialzeit im Wiener Bezirk Währing dar. Als Leser betritt man beim Lesen eine Welt, die viele nicht kennen. Die Autorin trifft mit Drogenabhängigen, Unterstandslosen, AIDS-Infizierten und Menschen aus der untersten Gesellschaftsschicht zusammen. Sie öffnet damit ein Fenster zu einer Welt, zu der viele Leser im realen Leben keinen Zugang haben. Anhand von Einzelpersonen zeigt sie Gesellschaftsschichten auf. Hier erinnert sie mich an den schwedischen Dichter Henning Mankel, der sagte „Die Gesellschaft wird durch Millionen von Gesprächen gebildet. Wenn ein Mensch seine Geschichte erzählen kann, wird er Teil einer Gesellschaft. Wem man nicht zuhört, der existiert nicht.“ Die erzählende Person des Buches ist Stefanie, die Autorin selbst. Die Ankerperson, um die sich die anderen handelnden Personen ranken ist Michi. Alle treffen sich in dessen Wohnung. Er sorgt sich um alle. Im Buch wird seine Werdegang von der Selbstständigkeit hin zum Bewohner eines jüdischen Altersheims und bis zum Tod beschrieben. Michi war für Stefanie ein prägender Mensch. Das spürt man beim Lesen. Von vielen Experten wird der Schriftstellerin eine große Zukunft prophezeit. So auch von Elfriede Jelinek, die da sagte „Das es so was noch gibt, ich glaub´s nicht! Ein wirklich neuer Ton in der Literatur. Hier ist er.“ }, keywords = {Gesellschaft, Junge Frau, Unterwelt, Wien}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{CUKIER2022, title = {FRAMERS – Wie wir bessere Entscheidungen treffen und warum uns Maschinen um diese Stärke immer beneiden werden}, author = {Kenneth CUKIER and Viktor MAYER-SCHÖNBERGER and Francis de VERICOURT}, year = {2022}, date = {2022-01-14}, abstract = {CUKIER, Kenneth; MAYER-SCHÖNBERGER, Viktor; VERICOURT, Francis de: „FRAMERS – Wie wir bessere Entscheidungen treffen und warum uns Maschinen um diese Stärke immer beneiden werden“, München 2022 Eine, im Untertitel gewagte Aussage. Der Chef von IBM sagte unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, dass unsere Welt maximal 3 Computer benötigt. Das erscheint heute lächerlich. Ob es diesem Buch auch einmal so gehen wird? Die Autoren liefern aber interessante Ansätze zum Nachdenken. Frames werden mit drei Dimensionen definiert: • kausales Schlussfolgern • kontrafaktisches Träumen • Fokusierung der Vorstellungen Jeder Mensch hat „Frames“ im Kopf. Sie können vorgefertigte, oft verwendete oder neu definierte, erfundene sein. Dem Computer und der künstlichen Intelligenz wird eine Abfuhr erteilt: „Wir Menschen werden schlauer, weil wir es verstehen, von den Errungenschaften der künstlichen Intelligenz zu lernen. Die Bedeutung des Lernens zu ermessen und das Gelernte entsprechend anzuwenden, ist etwas, wozu künstliche Intelligenz selbst nicht in der Lage ist.“ (Seite 27) Im Grunde genommen beschreiben die Autoren mit „Frames“ etwas, was es immer schon gab und immer schon angewendet wurde, nur hatte es andere Namen wie „Modelle“, „vorgefertigte Denkmuster“. Diese basierten auf eigenen Erfahrungen oder waren in die Zukunft gerichtete neue Ideen. Bei diesen Vorgangsweisen werden auch der österreichische Bergsteiger Messner und Habeler vorgestellt, die den Stil des Klettern verändert haben. Sie waren die ersten, die den höchsten Berg der Welt ohne Sauerstoffflaschen bestiegen haben. Nun, „die Bereitschafft, Althergebrachtes infrage zu stellen und neue kognitive Wege zu gehen“ (Seite 146) war immer schon eine wichtige Prämisse, auch wenn sie noch nicht „Frame“ genannt wurde. Veränderungen gab es auch in Zyklen, wie etwa nach den „ausgelassenen“ 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, die sehr viel Neues hervorbrachten, folgten in vielen Ländern zentralistische Diktaturen. Der Pluralismus der Gesellschaft wurde zurückgedrängt und vieles gleichgeschalten. Das Buch beschäftigt sich mit Situationen aus der Vergangenheit, anhand derer die Funktion der „Frames“ beschrieben wurden. So greifen die Autoren auf den Mediziner Semmelweis oder die israelische Armee bei der Befreiung von Geiseln in Mogadischu zurück. Auch der österreichische Weinskandal und die darauffolgende Veränderung auf Qualitätswein kamen ins Buch, weil die Weinbauern ihre Frames verändert haben und von Quantität auf Qualität umgeschwenkt sind. In die Zukunft wird ganz am Schluss geblickt. Wie soll ein Framer des 21. Jahrhunderts aussehen? „Gepflegt und gefördert werden muss die geistige Beweglichkeit, die uns die unausgesprochene Idee, das unartikulierte Ideal die latente Vorstellung und potenzielle neue Wirklichkeit begreifen lässt. Damit Framing erfolgreich ist, brauchen wir Agilität im Kopf.“ (Seite 223) Viele Schwierigkeiten, wie der Klimakonflikt, wirtschaftliche Ungleichheit, Pandemien, Populismus, algorithmischer Autoritarismus lägen noch vor uns. Nach einem halben Jahrhundert des bequemlichen Lebens mit Stabilität geht die Menschheit neuen Zielen entgegen. Zum Schluss bieten die Autoren eine „Anleitung zum Arbeiten mit Frames“. Es ist kein wissenschaftliches Buch, sondern ein populärwissenschaftliches, das aber leicht zu lesen und gut verständlich ist. }, keywords = {Entscheidungen, Framers, Kreativität, Management}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SCHLINK2022, title = {Die Enkelin}, author = {Bernhard SCHLINK}, year = {2022}, date = {2022-01-07}, abstract = {SCHLINK, Bernhard: „Die Enkelin“, Zürich 2021 Eine Geschichte, die zwischen Ost- und Westberlin spielt. Der in Westberlin studierende Kaspar lernt ein Mädchen in Ostberlin kennen, verliebt sich in sie und verhilft ihr zur Flucht in den Westen. Er bricht sein Studium ab, um einen Lebensunterhalt für seine Ehe zu verdienen und wird Buchhändler. Später kaufen sie eine eigene Buchhandlung und eine schöne Wohnung. Die Frau aus dem Osten schafft es nicht in der westlichen Gesellschaft richtig Fuß zu fassen. Sie bricht ihr Studium ab, versucht verschiedene Berufe, nimmt sich eine Auszeit in Indien und lebt zurückgezogen in ihrem Zimmer, wo sie an einem Roman schreibt, von dem ihr Mann erst nach deren Tod Kenntnis bekommt. Darin offenbart sie sich und ihre Probleme. Sie hatte vor ihrem Ehemann eine Freundschaft in Ostberlin und bekam ein Kind, das sie weglegen ließ. Sie wollte es finden, war sich aber nicht sicher und hatte Angst. Im Alter von 70 Jahren übernimmt dann der Witwer diese Rolle und sucht nach der verlorenen Tochter. Über Umwege findet er sie. Sie wurde als Neugeborene von der Freundin der Frau beim leiblichen Vater abgegeben und aufgezogen. Aus dieser Familie bricht sie aus und taucht in zwielichtigen Verhältnissen unter. Sie heiratet einen aus der Gang und gründen einen Bauernhof im Sinne einer völkischen Gemeinschaft. Ihre Tochter – die Stief-Enkelin – wird nationalsozialistisch erzogen. Ihr widmet der Roman einen wesentlichen Teil. Als Kaspar die Familie seiner Stieftochter gefunden hat, täuscht er ein Testament seiner Frau vor; nennt Zahlungen (die er auch erfüllt) und den daran geknüpften Wunsch, dass das Enkelkind beim Stiefopa mehrmals im Jahr Zeit verbringen muss. Zum Aufbau des Bauernhofs braucht die junge Familie das Geld und stimmt zu. Da kamen zwei Welten zusammen, die nicht verschiedener sein könnten: das nationaldeutsch erzogene Mädchen und der bürgerliche Buchhändler. Der „Opa“ versucht sie zu verändern, schenkt ihr ein Klavier und organisiert Unterricht dafür. Auch literarisch wird sie beeinflusst und beginnt die, für sie neue Welt mit Konzert- und Museumsbesuchen zu geniessen. Das war aber nicht im Sinne des völkischen Vaters und dieser bricht die Beziehung. Die Tochter macht sich aber selbstständig und taucht in revolutionären Gruppen – wie seinerzeit ihre Mutter – unter. Als in diesem Kreis ein Mord verübt wird, kehrt sie zum Opa zurück, der auch bereit ist zu helfen. Sie aber verlässt in der Nacht die Wohnung des Großvaters mit dessen Kreditkarte. Wohin und wie ihr Leben weitergeht, muss aber jeder Leser, jede Leserin selbst lesen. Auch bei einem Kriminalroman wird der Mörder nicht vorab verraten. Ein großartiger Roman, der sich in verschiedenen gesellschaftlichen Szenen bewegt: • Das bürgerliche Buchhandlungsehepaar • Der gesellschaftliche Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland • Die Flucht der Frau, die aber die Verschiedenheit nicht löst • Die völkisch Nationaldeutschen • Die radikalen Jugendlichen Alle Situationen werden von Schlink sachlich und am Beispiel von handelnden Personen dargestellt. PS: Im erfundenen Testament verlangt Klaus nach Urlauben der Stiefenkelin bei ihm. Aber die Ehefrau konnte gar nicht wissen, dass es ein Enkelkind gab. Da hat der Dichter eine Lücke nicht geschlossen. Aber trotz allem ein wunderbares Buch. }, keywords = {Ostdeutschland, Völkisch, Westdeutschland}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{STOLLEIS2022, title = {Was ist ein Name?}, author = {Michael STOLLEIS}, year = {2022}, date = {2022-01-01}, abstract = {STOLLEIS, Michael: „Was ist ein Name?“, Zürich 2021 Es begann in der Frühzeit, dass der Mensch alles mit einem Namen versehen hat. Historisch finde man schon im Alten Testament, dass die Schöpfung benannt wurde: Erde und Meer. „Indem die Menschen seit unvordenklichen Zeiten ihre Welt benannt, klassifiziert und geordnet haben, haben sie sich die Welt „untertan gemacht“. Benennen wird so auch faktisches beherrschen.“ (Seite 10) Ausgehend vom 16. Jahrhundert bis in unsere heutige Zeit wird – nicht nur in Diktaturen – über Namensgebung die Staatsgewalt ausgeweitet und konzentriert. Herrscher wie Maria Theresia von Österreich erkannten dies und nützten es. Zunehmend wurde neben dem Namen auch die Bezifferung, die Vernummerung wichtig, um mehr Details zu besitzen. Unter diesem Motto führte diese österreichische Herrscherin das Grundbuch und die Meldepflicht der Menschen ein. Menschen änderten so ihre Zugehörigkeit; waren sie vor diesen Maßnahmen Untertanen von Klöstern oder Adeligen, wurden sie Staatsbürger, Untertanen des Staates. Das Kunstgebilde „Staat“ wurde immer perfekter und das Bedürfnis nach Ordnung, Klassifizierung und Nummern (Steuernummern, Krankenkassennummern, Rentenversicherungen etc) wurde größer. Namen werden mit Daten verknüpft und das benannte Objekt noch detaillierter aussagefähig. Aber auch „Nichtwissen“ wird durch Medien und wissenschaftlichen Institutionen verbreitet. Speziell in revolutionären Zeiten wurden Dinge und Menschen umbenannt und oft für die Zukunft nicht mehr zugänglich. Neue Zeitrechnungen, Gewichtsmasse und die Existenz von Menschen wird so ausgelöscht oder verändert. „Politische Erst- und Umbenennungen ordnen die Welt immer wieder neu. Das gehört zum Wechsel der Generationen, ist ein Thema der modisch gewordenen political correctness oder auch einfach des Zeitgeistes.“ (Seite 20) Historische Ereignisse werden für die Zukunft erst durch Namensgebung und Vernummerung zu Fakten, die nicht immer den tatsächlichen Ereignissen entsprechen. Manche Dinge sind auch verkommen, wie etwa die Unterschrift. Musste diese in der Vergangenheit noch zusätzlich von einer dritten Person legitimiert werden, so ist sie zunehmend zu Ziffern verkümmert. Der Schwur vor Zeugen wurde zu einer publikumswirksamen Demonstration, wenn etwa Politiker ein Amt antreten. Der Autor zeigt sehr strukturiert die Benennung unserer Welt auf. Einerseits mit Namensgebung und andererseits durch Bezifferung. Auch die Veränderungen und Umbenennungen haben historisch betrachtet eine große Bedeutung. Der Einfluss durch die Macht des Staats ist im Zunehmen. Demokratien versprachen die Freiheit und brachten eine neue Bindung an „gewählte“ Machthaber. Abschließend möchte ich den Autor noch selbst zu Wort kommen lassen, wenn er da schreibt: „Ob der Mensch seine Identität durch eine (fälschbare) Unterschrift, durch das (unzuverlässige) Passbild, durch den Maschinenblick in die Iris, durch Spracherkennung oder durch einen unter die Haut gepflanzten Chip nachzuweisen hat: Der enorm technische Aufwand, den wir heute treiben, um uns zu vergewissern, wer derjenige ist, mit dem wir kommunizieren, ist mit der Komplexität unserer Lebensverhältnisse und der Vervielfältigung technischer Möglichkeiten gewachsen. Die reale Person, die man kennt und auf deren Unterschrift man sich verlässt wird zum blassen Schemen. Die eigentliche Identität vermittelt nun der mit Zertifikat gesicherte Datenschlüssel oder die maschinelle Prüfung. Die Entzauberung scheint kein Ende zu haben.“ (Seite 52) }, keywords = {Macht, Name, Staat, Ziffern}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SCHMITT2021, title = {Madame Pylinska und das Geheimnis von Chopin}, editor = {Eric Emmanuel SCHMITT}, year = {2021}, date = {2021-12-29}, abstract = {SCHMITT, Eric Emmanuel: „Madame Pylinska und das Geheimnis von Chopin“, München 2021 Ein Buch, das Chopin und seine Musik näher bringt. Aber es ist kein historisches und kein musikwissenschaftliches Buch, sondern ist in die heutige Zeit gesetzt. Im Haushalt der Familie von Eric steht ein Klavier. Es ist praktisch nicht benützt, bis eine Großtante zu Besuch kommt und auf diesem Klavier Chopin spielt. Der damals 11-jährige ist begeistert und beginnt Klavierunterricht zu nehmen. Er will so spielen können wie die Großtante. Es gelingt aber nicht. Als er nach Paris zum Studium übersiedelt nimmt er einen neuen Anlauf. Er bekommt Klavierunterricht bei der Polin Pylinska. Gleich nach Beginn fragt sie ihn, ob er „Polytheist“ sei. Sie selbst sei nur „Monotheistin“, weil sie nur Chopin spiele. Es wird ein ungewöhnlicher Unterricht, der über das reine Klavierspiel hinaus geht. Sie bringt ihm Chopin näher, ordnet aber auch sein Leben. Liebevoll erklärt sie, was Chopin ausdrücken wollte. Wenn es um den internationalen Chopinwettbewerb geht ist sie kritisch „… nichts als lauter Möchtegernchopins, müder Abklatsch, Chopiniewskys!“ (Seite 58) Sie definiert dann auch die verschiedenen Typen von Chopin-Interpreten. Aber auch die Komponisten stellt sie sehr anschaulich dar. Bei Bach meint sie „Bach war ein Zeichner. Chopin ein Maler. … Bach bietet Bleistiftzeichnungen, die man kolorieren kann. Chopin nicht. Im Grunde hat seine Technik etwas Aquarellartiges“ (Seite 19) Der Autor des Buchs schafft es das Verhältnis Chopins zu Polen in wenigen Sätzen zu beschreiben: „Chopin ist 1830 aus Polen geflohen, unmittelbar vor dem Aufstand gegen Russland. Weil es Polen seit 1795, als sein Terretorium zwischen drei Ländern aufgeteilt worden war, nicht mehr auf der Karte gab, hat Chopins Musik die polnische Nation verkörpert. Polen, das war ein Jahrhundert lang Chopin. Er hielt die Flamme aus der Ferne am Brennen, indem er ihr in seinen Mazurken oder Polonaisen ein ruhmreiches ewiges Leben schenkte. 1918 ist Polen wieder Polen geworden, aber nicht für lange, denn die Nazis haben es besetzt und Chopin verboten. Man riskierte Gefängnis, wenn man ein Nocturne anhörte; man kam sonntagnachmittags heimlich in Wohnungen zusammen, um über seine Töne das gedemütigte Vaterland zurückzuerobern. Danach ist der Kommunismus herangebrandet, eine neue russische Geisel deutschen Ursprungs … „ (Seite 86) Als die Klavierlehrerin Frankreich verlässt, um in ihre polnische Heimat zurückzukehren, endet der Unterricht. Jahrzehnte später – Eric ist ein anerkannter Schriftsteller geworden – trifft er sie bei einer Lesung in Polen wieder. Reporter befragen die Dame über das Klavierspiel des Schriftstellers. Sie aber bleibt diplomatisch und er spielt weiter Klavier. Es ist ein kleines Buch, das leicht und angenehm zu lesen ist. Der Autor – Eric Emmanuel Schmitt - ist ein international anerkannter französischer Schriftsteller. 2004 erhielt er unter anderem den Deutschen Bücherpreis. Er ist es, der die Brücke Chopins zwischen Polen und Frankreich schlägt. }, keywords = {Chopin, Frankreich, Klavierunterricht, Polen}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HOPPE2021, title = {Die Nibelungen. Ein deutscher Stummfilm}, author = {Felicitas HOPPE}, year = {2021}, date = {2021-12-28}, abstract = {HOPPE, Felicitas: „Die Nibelungen. Ein deutscher Stummfilm“, Frankfurt 2021 Im Rahmen der „Europäischen Literaturtage“ in Krems hatte die Autorin aus ihrem Buch gelesen. Es klang spannend und neu. Beim Selbstlesen wurde es aber schwieriger. Es ist ein schwieriger Text. Er setzt die Kenntnis des Original-Nibelungenliedes voraus. Auch stilistisch ist es aus der Zeit gefallen, aber literarisch sicher neu und gut. Das Stück ist, wie die Beschreibung einer Theateraufführung aufgebaut. In den einzelnen Akten wird der Hergang beschrieben, wobei eben auf die neuzeitliche Aufführung auf einer Freilichtbühne Bezug genommen wird. Der erste Akt, der sich „Der Rhein“ nennt , spielt in Worm. Es geht um Differenzen und Konflikte, wie etwa zwischen Brunhild und Kriemhild; zwischen den Männern Hagen und Siegfried, ja auch um die Unterschiede der Flüsse Rhein und Donau. Wie bei einer Fernsehübertragung werden in der Pause Interviews mit den Schauspielern geführt. Dabei wird ein Bezug zwischen der Rolle des jeweiligen Schauspielers/Schauspielerin zu ihrer Person hergestellt. Brunhild wird etwa nicht nur nach ihrer Rolle der starken Frau beschrieben, sondern auch als atheltische und sportliche Person. Spielt der erste Akt am Rhein, so ist der zweite an der Donau. Nach der zweiten Pause, in der wieder Schauspieler befragt werden, kommt ein Akt, der sich „Die Klage“ nennt. Nach dem vorangegangenen Gemetzel, bei dem die meisten Darsteller sterben, hält König Etzel Gericht. Der Berichterstatter für dieses Buch wird zur Rede gestellt. Er war verliebt und es wurde ihm „der größte Auftrag erteilt: die Geschichte der Nibelungen niederzuschreiben.“ (Seite 243) Nur Brunhild ist dem Gemetzel entgangen „Denn während alle anderen unterwegs in den Untergang waren, ist Brunhild einfach zu Hause geblieben.“ (Seite 246) Indirekt kritisiert die Autorin ihre Arbeit, indem sie schreibt „Und weil in der Nibelungenwerkstatt diese fadenscheinigen Schriftsteller sitzen, die immer noch glauben, das Original reiche nicht aus und müsse für die Festspiele auf neuesten Stand gebracht werden. Dabei sind wir uns schon seit Jahren einig darüber, dass das Original nicht tu toppen ist.“ (Seite 100) Vielleicht war es auch ein Anreiz dieses Stück zu schreiben, weil das Original viele nicht gelesen oder nicht verstanden haben. In den Pauseninterviews legt sie einem Schauspieler das in den Mund: „Kein Einziger von uns kann ihnen sagen, worum es in diesem Stück wirklich geht, aber wir lieben es alle. Wir leben davon, dass wir es nicht verstehen.“ (Seite 84) }, keywords = {Donau, Nibelungen, Rhein}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Fatland2021, title = {Hoch oben. Eine Reise durch den Himalaya}, author = {Erika Fatland}, year = {2021}, date = {2021-12-19}, abstract = {FATLAND, Erika: „Hoch oben. Eine Reise durch den Himalaya“, Berlin 2021 „Wenn Jemand eine Reise tut, dann hat er was zum Erzählen“. Dieses Sprichwort ist für die Autorin des vorliegenden Buches zu wenig. Sie reiste allein durch alle Länder entlang des Himlaya. Sie ist eine Abenteuerin. Als ich sie bei den Europäischen Literaturtagen kennenlernen durfte, stand mir eine bescheidene junge Frau gegenüber. Man würde nicht vermuten, was sie alles erlebt hat. Auch in ihren Erzählungen wirkt sie bescheiden, aber ihr Buch quillt über von Neuigkeiten, Abenteuern und Erlebnissen. Die Länge der Reise – sie war ein Jahr lang unterwegs – schlägt sich auch im Umfang des Buches nieder: über 600 Seiten, die auf den Leser aber nicht langweilig wirken. Packend führt sie durch die verschiedenen Länder und gibt persönliche Erlebnisse wieder. Man fällt beim Lesen von einer Überraschung in die nächste. Man erlebt verschiedene Welten. Faitland meinte, dass sie 5 Länder bereiste, aber viele Kulturen erlebte. In fast jedem Tal eröffnete sich eine andere Lebensweise. Man kommt durch Teeplantagen und vergangene Königreiche, die in angrenzente Länder wie Indien, Pakistan oder China aufgegangen sind. Viele der Grenzen sind noch nicht geklärt und auf der Landkarte strichliert eingezeichnet. Wichtig sind der Autorin die Menschen. Mit vielen hat sie Kontakt. Jeder Kontakt ergibt eine schöne Geschichte. Ob es sich um eine Prinzessin, eine Chauffeur oder einen Manager einer Plantage handelt: sie erzählen, wie sie leben. Auch in die abgelegenen Täler kommen die neuen Technologien. Es „bahnen sich neue Straßen ihren Weg wie Lindwürmer aus schwarzem Asphalt, auf deren Rücken die Modernität reitet. Ich hatte es gesehen. Ich hatte die Abwanderung der Menschen gesehen und die Mobiltelefone, die in den Bergdörfern des Himalaya mit demgleichen verlockenden, öden Schein in dunklen Abenden leuchten wie überall, wo sich Jugendliche treffen. Alles verändert sich, immer. Das Kleine wird vom Großen geschluckt, kleine Königreiche verschwinden, enge geschlossene Täler öffnen sich, und die Welt strömt hinein, hier wie überall. In einem solchen Tal stoßen die Interessen eines Weltimperiums brutal auf die Interessen eines anderen, und was geschieht dann mit den Menschen, die in diesem Tal leben? … Das Kleine wird vom Großen geschluckt, aber das Kleine lebt weiter.“ (Seite 628/629) Aber trotz allem Eindringen von Modernität konnte Erika Fatland in abgelegenen Tälern, wo keine normalen Touristen hinkommen, noch das Ursprüngliche erleben und sehen. Kathmandu war, als ich Anfang der 1970er Jahre dort war noch ein unterentwickeltes Dorf. Die Landebahn des Flughafens war noch eine Wiese. Heute ist es eine moderne Stadt. Die Autorin ist aber hinaus gegangen in die kleinen und entlegenen Dörfer, um noch die alte Tradition einzufangen, solange es sie noch gibt. Großartig! Es ist ein dickes Buch, aber keine Seite ist zu viel. }, keywords = {Bhutan, China, Himalaya, Indien, Myanmar, Nepal, Pakistan, Tibet}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{GRIESSLER2021, title = {China. Eine Annäherung}, author = { Margareta GRIESSLER}, year = {2021}, date = {2021-12-08}, abstract = {GRIESSLER, Margareta: „China. Eine Annäherung“, Wien 2007 Obwohl ich nun schon mehrere Jahrzehnte jährlich nach China fahre, habe ich mit diesem Buch wieder Neues gelernt. Sehr systematisch und emotionslos beschreibt die Autorin die Situation Chinas und stellt mit einer historischen Betrachtung ein Verständnis für die Kultur her. Sie versuchte eine gesamtheitliche Betrachtung herzustellen, indem sie Gegenwart und Vergangenheit genauso vereint, wie Wirtschaft, Politik, Kultur und Geographie. Klischees und Medienberichte sind hier ausgeschaltet. Gerade in der heutigen Zeit, wo Handelsrestriktionen kriegsähnlichen Einsatz bekommen ist eine sachliche Darstellung der großen Handelsnation China wichtig um Politik von Fakten zu trennen. Ein sehr gutes Nachschlagwerk das ein besseres Verständnis für das Land und seine Bewohner bietet. }, keywords = {China, Geschichte, Kultur, Politik, Wirtschaft}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{RANSMAYR2021, title = {Der Fallmeister. Eine kurze Geschichte vom Töten}, author = {Christoph RANSMAYR}, year = {2021}, date = {2021-12-06}, abstract = {RANSMAYR, Christoph: „Der Fallmeister. Eine kurze Geschichte vom Töten“, Frankfurt 2021 Vielleicht hätte ich mir dieses Buch nicht gekauft, aber Ransmayr selbst regte mich bei einer Lesung im Rahmen der Europäischen Literaturtage in Krems dazu an. Noch vor Ort kaufte ich es und bat Ransmayr es zu signieren. Ich fragte ihn „Können sie ihren Namen schreiben?“ und zeigte auf das Buch. Die Leute um ihn und auch er selbst lachte. Meine Frage hätte auch bedeuten können „Können sie schreiben?“ Der Icherzähler dieser „kurzen Geschichte vom Töten“ ist ein Hydrotechniker, der in verschiedensten Ländern beim Bau von Wasserkraftwerken im Einsatz ist. Er selbst ist als Sohn eines „Fallmeisters“, das ist ein Mann, der für die Versorgung von Wasserkanälen verantwortlich ist, über die Boote einen Wasserfall umschiffen können. Er ist am Ufer des „Weißen Flusses“ aufgewachsen. Gemeinsam mit seiner Schwester hat er da das Flusswasser kennen und schätzen gelernt. Als er sich gerade in Südamerika auf Einsatz an einer Baustelle befindet, erfährt er von seiner Schwester, dass der Vater ertrunken sei; in einem Boot den Wasserfall hinunter gestürzt sei. Seine Frau, sie stammte von der Adria, hatte ihn schon vorher verlassen. Unter seiner Leitung fand schon vor seinem Unfall einer mit einer voll besetzten Zille statt, bei der alle Insassen, Bewohner des Dorfes, ums Leben kamen. Der Vater – so war die Meinung im Ort – habe alles versucht, um den Unfall zu verhindern. Bei seinen Hilfeversuchen hatte er sich selbst schwer verletzt und wurde zum Helden gekürt. Nach und nach glaubte der Sohn aber anderes herauszufinden. Der Vater ein Mörder? Er hatte seine Familie verloren. War auf Arbeitseinsätzen. Zuerst in Lateinamerika und dann in Asien. Europa zerbröselte in Klein- und Kleinststaaten. Er, der in Rotterdam studiert hatte verlor durch die Ausrufung der Unabhängigkeit Rotterdams und den Gegenreaktionen der anderen Kleinstaaten sein Abschlussdiplom. Es war ungültig geworden und er kündigte seinen Job. Man bot ihm nach einer Übergangszeit von drei Monaten die Stelle seines Vaters als Fallmeister an. Die drei Monate nutzte er, um seine verlorene Familie wieder zu finden. Seine Schwester Mira war in Norddeutschland verheiratet. Elektronisch kündigte er sein Kommen an. Das Netz war überwacht und er wusste nicht, ob seine Nachrichten auch ankamen. Auch in Asien waren die Länder in Kleinstaaten zerfallen und so musste sein Flugzeug oft zwischenlanden. Man brauchte Visa und Genehmigungen. Für eine Strecke, die früher 12 Stunden dauerte, brauchte er fünf Tage. Nachdem er seine Schwester, die ihn als Jugendlichen verführt hatte, besucht hatte, musste er fluchtartig quer durch Europa reisen, um seine Mutter an der Adria zu finden. Ransmayr hat mit diesem Buch großartige Literatur geliefert. Eine Romangeschichte, die sich auch mit Zukunftszenarien wie dem Klimawandel und dem Zerfall der Europäischen Union auseinandersetzt. Eingebettet wird das in eine Familiengeschichte, die – bei allem Weltunheil - einen versöhnlichen Ausgang hat. Einen Ausgang, wie man ihn nicht vermutet. Eine Geschichte, in der, der den Mörder Verfolgende selbst zum Mörder wird. }, keywords = {Hydrotechnik, Mörder, Wasserkraftwerke}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{KASSABOVA2021, title = {Am See. Reise zu meinen Vorfahren in Krieg und Frieden}, author = {Kapka KASSABOVA}, year = {2021}, date = {2021-12-01}, abstract = {KASSABOVA, Kapka: „Am See. Reise zu meinen Vorfahren in Krieg und Frieden“, Wien 2021 Während der „Europäischen Literaturtage 2021“ in Krems machten wir mit der Verfasserin dieses Buches Bekanntschaft. In den vier Jahren unseres Kosovoaufenthalts sind wir oft nach Mazedonien gefahren. Es war ein erster Schritt in westliche Zivilisation, wo man in den Geschäften (fast) alles bekam. Oft waren wir am Ochridsee und waren verliebt in diese Gegend. Auch im Winter fuhren wir hin. Mit dem vorliegenden Buch werden viele der Erinnerungen wieder wach. Auch die geschichtliche Einführung über das Land Mazedonien und seine Veränderungen werden in der Einführung vermittelt. Hier erfährt man, warum Bulgarien Anspruch auf das hat, das aus dem ehemaligen Jugoslawien ohne Kämpfe herausgefallen war, aber den Eintritt in die EU noch immer nicht geschafft hat. Die Autorin geht ihren Vorfahren nach und hier vor allem als Leitfigur ihrer Großmutter Anastassia. Sie selbst ist mit ihren Eltern nach Neuseeland emigriert. Kam aber dann allein wieder nach Europa zurück. Heute lebt sie in Schottland und ist eine anerkannte Schriftfstellerin. Als solche sucht sie ihre Wurzeln in Mazedonein und den umliegenden Ländern am Balkan. Der zentrale Punkt ist der Ochridsee. Zu dem kommt sie zum Recherchieren und bleibt mehrere Wochen. Das Ergebnis dieser Arbeiten ist der erste Teil des vorliegenden Buchs. Wie in einer Fernsehdokumentation werden Gespräche mit Menschen, Verwandten, Bulgaren, Mazedoniern, Albanern und Griechen geführt. So entstehen Blitzlichter, in denen auch die Geschichte der Region aufflackert. Viel war in dieser Aufenthaltszeit zusammengekommen und sie verlässt den Ochridsee, um zu Hause in Schottland alles aufarbeiten zu können. Aber schon bei der Abreise weiss sie, dass sie wiederkommen wird. Das wird dann der zweite Teil des Buchs. Der handelt am höher gelegenen Prespa See. War es im ersten Teil primär das Suchen nach Familienspuren, so ist es im zweiten Teil eine Bestandsaufnahme der Lage dieses Vielvölker-gewirrs. Sie quartierte sich in einem kleinen Hotel am See ein und fährt die Gegend ab, um mit Zeitzeugen zu reden und deren Geschichten wiederzugeben. Sie trifft auch einige, die geflüchtet oder ausgewandert sind, aber der See zieht sie immer wieder zurück. Man erfährt auch, dass nach dem Ersten Weltkrieg nicht nur Griechen die Türkei verlassen mussten und umgekehrt, sondern auch 60.000 Bulgarien aus Griechenland ausgewiesen wurden. Grenzen wurden von Politikern ohne Bezug zur lokalen Situation gezogen. Experten fuhren die Grenzgebiete ab und stellten an Hand der Sprache fest, wohin das Land zukünftig gehören soll. Sie machten es, indem sie Geldmünzen in die Luft warfen und sahen, wie sich die Kinder darum stritten und in welcher Sprache. Oft wurden die Kinder durch die neuen Machthaber von ihren Familien abgesondert in in Umschulungslager gebracht. Sehr gut erklärt werden auch die religiösen Unterschiede und vor allem wie anders der Islam am Balkan ist mit seinen Derwischen, die auch Alkohol trinken. Oft haben sich die Grenzen geändert. „Innerhalb von vierzig Jahren wurde Ochrid je zweimal von Serbien und Bulgarien beansprucht und annektiert; es wechselte also seit der Befreiung von den Osmanen viermal den Besitzer“ (Seite 71) Viele Kriege gab es. Familien wurden auseinander gerissen. Menschen mussten fliehen oder auswandern. Viele kamen um oder wurden verfolgt. Hier verliefen die Fronten im Ersten und Zweiten Weltkrieg und oft kämpften Familienangehörige gegeneinander. Frankreich hatte orientalische Truppen hier in den Bergen installiert und noch in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts fand ein Schafhirte in einer Höhle französischen Champagner. Manche hat es härter getroffen. „Die Albaner hatten nur drei Jahrzehnte relativer Freiheit erlebt, jene Zeit, nachdem die osmanischen Kolonisatoren gingen und bevor der kommunistische Totalitarismus begann. (Seite 256) Die Zeit des Dikjtators Hoxa ist vorbei, aber Besitzungen und Häuser wurden immer noch nicht zurückgegeben. Sprachen waren oft für ethnische Zugehörigkeiten verantwortlich. Griechisch, Mazedonisch, Bulgarisch, Albanisch, Serbisch. Ein Sprachengewirr. Die Autorin belegt die Dinge mit Beispielen: „Der Familie seiner Frau Elena hatte man verboten Griechisch zu sprechen und Tanas Mutter und Großmutter wagten nicht, mit ihm und seinem Bruder Mazedonisch zu sprechen. Bis heute sprechen Elena und Tanas Albanisch miteinander – die Sprache ihres Unglücks.“ (Seite 129/130) Die Autorin gibt all dies mit Menschenschicksalen wieder. Menschen, die sie bei ihren Aufenthalten getroffen hat. Es ist keine klassische Familiensaga. Es ist mehr ein Bericht über das Entstehen einer solchen. Man folgt beim Lesen des Buches den Recherchen der Autorin und muss aus den Informationen die Familiengeschichte selbst zusammenbauen. Eine unkonventionelle Familiensaga. Fast wie Möbelkauf bei IKEA. Man muss selbst mitarbeiten. Aber es ist trotzdem eine wunderbare Geschichte. PS.: Unverständlich aber bleibt, warum die Autorin so eines guten Buches dem Apostel Paulus eine feministische Behauptung unterstellt, dass „er eine tiefe irrationale Angst vor Frauen“ (Seite 345) hatte. }, keywords = {Albanien, Balkan, Bulgarien, Geschichte, Griechenland, Mazedonien, Ochridsee}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{WALI2021, title = {Die Balkanroute}, author = {Najem WALI }, year = {2021}, date = {2021-11-24}, abstract = {WALI, Najem: „Die Balkanroute“, Berlin 2017 Najem Wali durfte ich bei den „Europäischen Literaturtagen“ in Krems kennenlernen. Das Buch über die Balkanroute habe ich gewählt, weil der Autor selbst – dem Krieg im Irak entfliehend – über diese Route in den Westen kam und seither in Deutschland wohnt. Inzwischen sind fast 40 Jahre vergangen und die Fluchtrouten sind sicher schwieriger geworden. Er selbst wird in Deutschland immer noch als Iraker angesehen und seine Familie im Irak sieht ihn als Deutschen. Das vorliegende Buch nimmt aber einen unerwarteten Anfang. Sehr verständlich und gut lesbar wird in den ersten Abschnitten über Wanderungen und Fluchten berichtet. Wali geht dabei auf Zeiten des Propheten Abraham zurück. Abraham, der von allen Eingott-Religionen (Juden, Muslimen und Katholiken) anerkannt wird musste fliehen. „Der starke Mann brach sein Zeltlager ab und verstreute seine Herde in alle Winde.“ (Seite 17) In der Fremde wurden die Frauen zum Heiraten aus der Heimat nachgeholt. Eine Tradition, die türkische Migranten im Westen noch heute betreiben: die Bräute werden aus Anatolien nachgeholt. Babylon und das Zwischenstromland bot bessere Lebensbedingungen. Eine Wohlstandsflucht, wie wir sie auch heute kennen. Helenen, Griechen; immer wieder kam es zu Wanderbewegungen. Im 6. Jahrhundert v.Chr. dann eine Invasion durch die Perser. Alexander der Große stammte aus Mazedonien und eroberte Ländereien entlang der Balkanroute. Odysseus war viele Jahre unterwegs. König Gilgamesch „legte seine prachtvollen Gewänder ab und kleidete sich in Tierhäute, und er begibt sich auf eine lange Wanderschaft, um in der Fremde das Geheimnis des Lebens und der Unsterblichkeit zu finden.“ (Seite 53) Immer wieder ging es entlang der Balkanroute, aber in beide Richtungen. Die Kreuzritter zogen vom Westen in den Osten. Eigentlich entstanden die Kreuzzüge, so erfährt man bei Wali, aus einem Hilferuf des byzantinischen Kaisers Alexios I., um ihm gegen die Muslime und Türken zu helfen. Abenteurer und Ritter sahen darin eine Chance. Muslime wurden aus den ihnen heiligen Städten in Jerusalem vertrieben, aber in den 200 Jahren der Kreuzzüge wurden auch die orthodoxen Glaubensbrüder und Konstantinopel vernichtet. So wie bei heutigen Fluchthelfern profitierten schon damals die Helfer. Das waren europäische Küstenstädte, die den Transport der Ritter und ihrer Söldner gegen Bezahlung übernahmen. Dann stellt Wali einen Wanderer aus dem 14. Jahrhundert vor: Ibn Battuta. Er ist allein gereist und hat dabei 120.000 Kilometer zurückgelegt. Eigentlich wollte er nur eine Pilgerreise von seiner Heimat Marokko nach Mekka unternehmen, war aber dann 24 Jahre unterwegs. Er wanderte weiter; in den Iran, Irak, nach Indien und China. Seine Reiseberichte gingen verloren und wurden erst im 19. Jahrhundert in Ägypten wieder entdeckt. Don Passos fuhr die Balkanroute Anfang des 20. Jahrhunderts im Orientexpress von Venedig nach Istanbul und weiter nach Tiflis, Bagdad und Teheran. Hans Christian Anderson reiste die Strecke und betätigte sich als ausgezeichneter Reiseerzähler. Nur dreißig Seiten werden den heutigen Flüchtlingen auf der Balkanroute gewidmet. Zwei Reisen unternahm der Autor dazu. Er stellte sich als Übersetzer vom arabischen ins spanische einer spanischen medizinischen Hilfsgruppe zur Verfügung und schildert seine Erfahrungen und Eindrücke an der geschlossenen Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien. Er schildert Menschenschicksale, weil die Leute glücklich waren, wenn sie von sich erzählen konnten. Glücksich waren auch die Einheimischen der angrenzenden Dörfer. Sie machten mit den Flüchtlingen Geschäfte, die sie sonst in ihrer abgeschiedenen Lage nie gemacht hätten. Alle Hotels und Pensionen waren ausgebucht und von Mitarbeitern aus internationalen Hilfsorganisationen und Journalisten belegt. Später unternahm der Autor eine zweite Reise auf die Insel Lesbos, auf der die aus der Türkei mit dem Schlauchboot ankommenden Flüchtlinge wie in einem Gefängnis gehalten wurden. Die Lager wurden vom Militär verwaltet, was den oft vor Militärrepressalien geflüchteten Menschen weitere Angst einjagte. Die Ausstattung war katastrophal: „Auf dem felsigen Boden, auf dem die Menschen schlafen, sind Scharen von Skorpionen und Schlangen unterwegs, es gibt weder Elektrizität noch sauberes Wasser, Toiletten und Waschräume sind verdreckt, und immer mehr Menschen leiden an Krankheiten …“ (Seite 163) Im letzten Kapitel springt die Erzählung zur Gründung der Türkei und dem Untergang des osmanischen Reiches zurück. 1916 kam es zum Kleinasienabkommen, in dem alle Balkanländer selbstständig wurden und das osmanische Reich aufgeteilt wurde. Diese Aufteilung löste eine große Völkerwanderung aus. „Ein Abkommen, das die Religionszugehörigkeit zur Grundlage seiner Anwendung machte – und nicht etwa die ethnische Herkunft oder Muttersprache, nicht den Geburtsort oder persönlichen Besitz – und das zur Folge hatte, dass die griechischen Christen, die bislang in der Türkei gelebt hatten, nach Griechenland umgesiedelt wurden und gleichzeitig die muslimischen Einwohner, die in Griechenland beheimatet waren, in die Türkei emigrieren mussten, ob sie wollten oder nicht.“ (Seite 169) Wieder entstanden Flucht- und Wanderungsrouten. Diesmal in beide Richtungen. Das betraf eine halbe Million Muslime in Griechenland und 1,2 Millionen Griechen auf türkischem Gebiet. Dieses Buch liefert eine sehr gute geschichtliche Einführung, die man unter dem Titel „Balkanroute“ nicht vermuten würde, weil man als naiver Leser nur an die Jetztzeit denkt. }, keywords = {Balkanroute, Flüchtlinge, Migranten, Orient, Wanderungen}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @article{GRAS2021, title = {Stalins Alpinisten. Der Fall Abalakow}, author = {Cedric GRAS}, year = {2021}, date = {2021-11-14}, abstract = {GRAS, Cedric: „Stalins Alpinisten. Der Fall Abalakow“, Innsbruck Wien 2021 Eines vorweg: Fast Niemand im Westen wird mit dem Titel dieses Buches etwas anfangen können. Niemand hier weiß wer Abalakow war. Ich habe mit niedriger Erwartungshaltung zu lesen begonnen und wurde in den Bann gezogen. Diese Geschichte öffnet ein unbekanntes Zeitfenster. Erst der politische Umbruch der UdSSR hat es möglich gemacht. Die Archive aus Stalins Zeit wurden geöffnet und so bekommt man als Leser einen Einblick in die Zeit der 30er und 40er Jahre des 20. Jahrhunderts. Es ist zwar die Geschichte der Bergsteiger, aber genauso ein Zeugnis der gesellschaftspolitischen Situation. Ein Franzose, ein Geograf und begeisterter Alpinist hat das vorliegende Buch geschrieben. „Für die Recherchen dieser Erzählung wollte ich alles mit eigenen Augen sehen, angefangen beim Geburtshaus der Brüder Abalakow. So bin ich nach Krasnojarsk gefahren.“ (Seite 214) Er hat Berge besucht und teilweise selbst bestiegen, weshalb es so eine hautnahe und spannende Erzählung geworden ist. Der Altersunterschied der Abalakowbrüder ist nur ein Jahr: Der eine – Witali – wurde Maschinenbauingenieur, sein Bruder Jewgeni wurde Künstler. Sie sind beide begeisterte Bergsteiger und verdienen ihre ersten Sporen im Kaukasus. Die Sowjetunion will die Berge des Landes erforschen lassen. Es ist aber kein Bergsteigen wie im Westen, sondern – dem kommunistischen Denken entsprechend – ein kollektives. Multidisziplinäre Expeditionen erforschen das Land. Viele der Bergriesen waren in den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts noch nicht bestiegen. Laufend werden auch neue entdeckt, wie der 7600 Meter hohe und dann nach dem Führer Pik Stalin benannt. 1933 wird so eine Mannschaft für die Besteigung des neu gefunden Riesen zusammengestellt. Der als Künstler schon bekannte Jewgeni wird in das Team aufgenommen. Allein die Anmarschroute beträgt 700 Kilometer. In seinem Tagebuch schreibt Jewgeni „Der Pamir ist eine der kontinentalsten und abgelegensten Gegenden der Welt.“ (Seite 35) Dabei treffen sie auch auf den längsten Gletscher der Welt. Der Künstler war der Einzige, der den Gipfel erreichte. Als nächstes wird der Pik Lenin bestiegen. Die Brüder sind inzwischen verheiratet und Jewgeni hat eine Tochter. Im Sommer sind sie aber weiter in den Bergen unterwegs und die Familien bleiben allein in Moskau zurück. Bergsteigen ist in der UdSSR nicht nur ein Vergnügen, sondern auch Arbeit für die Wissenschaft. Es wird kartografiert und Gesteinsproben aus Felswänden für einen eventuellen Abbau gesammelt. Ab 1936 wird das Bergsteigen genau kontrolliert. In diesem Jahr machen die Brüder auch ihre letzte gemeinsame Besteigung. Dann trennen sich ihre Wege und sie werden auch sehr unterschiedlich behandelt. Der eine wird als Verräter eingesperrt, gefoltert und entging nur knapp dem Tod. 1937 war die Wende der „konterrevolutionären Alpinisten“, wie es der Autor des Buches nennt. Berge werden in großen Gruppen bestiegen. Bis zu 2000 Mann werden in Richtung Gipfel geschickt. Parallel dazu werden immer mehr alteingesessene Bergsteiger verhaftet, eingesperrt oder ermordet. So traf es auch Witali. In akribischer Kleinarbeit geht der Buchautor in russischen Archiven viele Akten und Dokumentationen durch und erstellt so die Leidensgeschichte des einen. Viele Freunde tätigten Falschaussagen und belasteten andere, um sich selbst eine bessere Position zu schaffen. Wieder freigekommen arbeitet Witali weiter, bringt sein Wissen ein und will auch noch einen höheren Berg besteigen. Sein Bruder wird aber für so eine Expedition nominiert, zu er aber nicht mehr kommt: in der Nacht nach der Nominierung wird er tot aufgefunden. Witali arbeitet weiter darauf hin den höchsten Berg der Welt besteigen zu dürfen. Er, der Künstler und Bergsteiger wechselt in der Sommersaison ins Alpinisten-Fach und im Winter betätigt er sich als Künstler. Nach dem Tod Stalins ändert sich die Situation und viele werden rehabilitiert. Darunter auch Witali. Mit den Chinesen ist eine gemeinsame Besteigung im Himalaya geplant. Man beginnt in russischen Gebirgen, muss aber dann die chinesische Kooperation wegen Unruhen in Tibet abbrechen. Unter Gorbatschow geht es 1960 zum dritten Mal auf den Pik Lenin. Seine Frau Valentina ist ebenfalls aktiv. Die ganze Familie hat sich den Bergen verschrieben. Sohn Oleg wird „Meister des Sports im Alpinismus“ und die Tochter Galina Schifahrerin. Die Besteigung des Pik Kommunism – wie der Berg jetzt heißt - musste abgebrochen werden. Noch im Alter von 60 Jahren ist das Ehepaar in den Bergen unterwegs. Mit 75 Jahren wohnt er in seiner sibirischen Heimat in Krasnojarsk und widmet sich dem weniger anstrengenden Wildwasserfahren. Seinen Lebenstraum, den Mount Everest zu besteigen, kann er sich nicht erfüllen, aber er ist maßgeblich an der Vorbereitung der Ausrüstung für eine Everest-Mission beteiligt. Seine Erfindungen waren erfolgreich und noch heute tragen viel Russen Rucksäcke mit seinem Namen. Nach erfolgreicher Besteigung ist er beim Empfang der sowjetischen Bergsteiger am Moskau Flughafen dabei. Selbst war es ihm nicht vergönnt. Witali starb im 80. Lebensjahr. Er wurde nicht wie sein Bruder am Nowodewitschi Friedhof beigesetzt, sondern weit weg von Moskau. Neben ihm im Grab liegt sein Sohn, der 1993 bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam, seine Frau Valentina und 1995 die an Krebs verstorebene Tochter. Das vorliegende Buch bringt die Geschichte auch in den Westen. In einem sehr spannend geschriebenen Buch kann man das Leben der zwei berühmten sowjetischen Bergsteiger mitverfolgen. }, keywords = {Abalakow, Alpinisten, Bergsteiger, Sowjetunion}, pubstate = {published}, tppubtype = {article} } @book{TANDASCHWILI2021, title = {Als Medea Rache übte und die Liebe fand}, author = {TANDASCHWILI, Tamar}, year = {2021}, date = {2021-11-09}, abstract = {TANDASCHWILI, Tamar: „Als Medea Rache übte und die Liebe fand“, Salzburg Wien 2021 Die georgische Autorin beschäftigt sich in diesem romanhaft verarbeiteten Buch mit der Vergewaltigung und Benachteiligung von Frauen und Transgendern. Beim Lesen hat man als Westeuropäer Schwierigkeiten mit den Namen und kann nur schwer feststellen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Die Vornamen sind für den westlichen Sprachgebrauch nicht bestimmbar. Auch der Aufbau und die Struktur des Buches ist sehr chaotisch und für den Leser ist der Verlauf der Erzählung nur schwer nachvollziehbar. Teilweise ist es so, als wären die Manuskriptblätter hinuntergefallen und wirr zusammengelegt worden. Etwas Klarheit wird auf den letzten beiden Seiten geschaffen, in der sich Medea outet: „Nachdem meine Tochter von einem Auto angefahren wurde und schwerbehindert war, legte ich mein Nonnengelübde ab. Nach fünf Jahren im Kloster vergiftete ich den Archimandriten, kastrierte einen Geschäftsmann, der zu Gast war, setzte meinen geliebten Hund in einer Amphore bei und wendete mich erst dann wieder dem weltlichen Leben zu, als sich mein Ehemann, der seinerzeit ein Mädchen vergewaltigt hatte, im Yogakurs durch Luftanhalten das Leben nahm. Sechs Monate, nachdem ich mein Nonnengewand abgelegt hatte, adoptierte ich die Pflegerin meiner Tochter, eine Transfrau, baute auf meiner Datscha ein Gewächshaus für Bio-Gemüse und verliebte mich wahnsinnig in eine Journalistin.“ (Seite 142/143) }, keywords = {Feminismus, Georgien, Gewalt, Sex, Sexsklavin}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{FREUND2021e, title = {Niemand weiß, wie spät es ist}, author = {René FREUND}, year = {2021}, date = {2021-10-29}, abstract = {FREUND, René: „Niemand weiß, wie spät es ist“, München 2018 Noras Vater ist gestorben. Nora wurde für die Erbabhandlung zum Notar bestellt. Sie wohnt, wie ihr Vater, in Paris. Er ist Deutscher und die Mutter – sie verstarb als Nora vier Jahre alt war - kam aus Österreich. Bei der Öffnung des Testaments wird auch ein junger österreichischer Notariatskollege dazu geholt. Nora versteht nicht warum, aber bald stellt sich der Grund heraus. Nora ist zwar die Erbin, muss aber vorher einige Pflichten erfüllen. Sie muss mit der Urne des Vaters durch Österreich nach genau vorgegebenen Strecken wandern und dann die Urne beisetzen. Der junge Notar wird sie begleiten und der Pariser Notar wird zur jeweiligen Etappe Anweisungen des verstorbenen Vaters schicken. Die erste Reaktion von Nora ist, dass sie das Erbe nicht annimmt. Da weiht sie der Notar ein, dass in diesem Falle das Erbe an einen Pharmakonzern ginge, der das Geld zum Ankauf von Tieren, die für Versuche gebraucht werden, verwenden solle. Nora sieht darin eine Erpressung und nimmt das Testament. Die Anweisungen des schon verstorbenen Vaters sind Videos und eMails, die er vor seinem Tod aufgenommen hat und die der Notar zur jeweiligen Wanderungsorientierung schickt. „Und ich bin mir sicher, dass ich dich erschrecke, weil ich ja tot bin, wenn du das hier siehst. Fühlt sich auch für mich komisch an zu sagen, „weil ich ja tot bin“, denn natürlich wissen alle, dass sie mal sterben müssen, aber so wirklich glauben tut es doch niemand. Man kann es sich auch so schwer vorstellen, tot zu sein, also nicht zu sein, so schwer wie man sich vorstellen kann was vor der Geburt war.“ (Seite 83) Diese Mitteilungen des verstorbenen Vaters sind teilweise sehr philosophisch und handeln – wie es für einen Menschen, der den Tod erwartet – vom Sterben. „Der Tod ist ein Skandal, hat Canetti gesagt. Das ist ein großer Unsinn. Der Tod ist eine simple Tatsache. Der Skandal ist das Leben. Es geht einfach weiter.“ (Seite 192) Der Abschied von der Tochter erfolgt so erst im Nachhinein. „Wir waren ein tolles Team, du und ich. Tut mir leid, dass ich dich allein lasse. Immerhin, manche Dinge sind das erste und das letzte Mal gleichzeitig in einem Leben. Sterben zum Beispiel.“ (Seite 193) Den Ausgang will ich – wie bei einem Kriminalroman – hier nicht vorwegnehmen. Es ist eine sehr kitschige, aber rührende Geschichte. Die Konzepte der Freund-Romane sind immer sehr lustig, unterhaltsam und abwechslungsreich. Der Stil ist geradlinig und einfach. }, keywords = {Erbe, Testament}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HANDKE2021b, title = { „Versuch über den geglückten Tag. Ein Wintertagtraum“, in „Wer sagt denn, dass die Welt schon entdeckt ist?“}, author = {Peter HANDKE}, year = {2021}, date = {2021-10-24}, abstract = {HANDKE, Peter: „Versuch über den geglückten Tag. Ein Wintertagtraum“, in „Wer sagt denn, dass die Welt schon entdeckt ist?“, Berlin 2019 Ein philosophierender Handke stellt sich mit dieser Erzählung vor. Er stellt sich der Diskussion, was ein geglückter Tag sei. Er unterstellt dabei, dass die meisten so einen Tag schon erlebt haben. Allerdings schränkt er gleich wieder ein und unterscheidet zwischen „schönem“ und „geglücktem“ Tag. Der Leser wird auch aufgefordert sich selbst einen geglückten Tag vorzustellen. Selbstkritisch stellt er auch fest, dass er im „Älterwerden die Tages-, Lebensaugenblicke weniger halten, fassen und würdigen“ (Seite 453) kann. Viele Menschen „beginnen am Morgen mit den Vorsätzen für den einzelnen Tag und stellen am Abend in der Regel dessen Scheitern fest.“ (Seite 457) Die Diskussion bezieht sich auch auf die Länge des „glücklichen Tages.“ Genügt ein Augenblick des Glücks, um ihn so zu nennen, oder muss er durchgängig glücklich sein? Entscheidet man für den Augenblick, dann wird das Leben im Jetzt entscheidend. Auch sei ein „vollkommener“ Tag etwas anderes als ein glücklicher. Der gläubige Autor bringt auch Gott als Einflussfaktor ins Spiel. PS: Mit der Zusatzinformation aus einer Zeitschrift habe ich das JETZT als glückliches Element in eine persönliche Aktion aufgenommen und schreibe auf die Dauer eines Monats jeden Tag drei Dinge auf, für die ich dankbar – glücklich – war: „30 Tage 3 Dinge, für die ich dankbar bin“ }, keywords = {geglückter Tag, Glück, Jetzt}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{RUSSWURM2021, title = {Der Ameisenhaufen}, author = {Vera RUSSWURM}, year = {2021}, date = {2021-10-23}, abstract = {RUSSWURM, Vera: „Der Ameisenhaufen“, Wien 2016 Sie ist eine sehr erfolgreiche Fernsehmoderatorin und auch sympathisch. Jetzt ist sie auch Buchautorin. Freunde haben es ihr empfohlen „Schreib doch einmal, wie es hinter den Kulissen bei der Entwicklung eines quotenverdächtigen Showformats zugeht.“ Heißt es im Vorwort. Herausgekommen ist ein Verschnitt zwischen einem Krimi und einer Beschreibung, wie es in einem Fernsehproduktionsbetrieb hergeht. Ersteres ist nicht sehr geglückt. Zweiteres für Laien schon. Ohne den Dieb, der in diesem Roman gesucht wird, vorwegzunehmen – das soll der Leser selbst finden und bis zum Schluss auf Spannung gehalten werden. In die große Literatur wird Russwurm aber nicht eingehen. Besser ist es, sie bleibt bei ihren Stärken, die sie im Fernsehen ausspielt. Das vorliegende Buch ist eine Story, in der sich ein Produktionsfirmenbesitzer selbst verwirklichen will. Er erfindet eine Show, bei der sehr schlimme Kindergartenkinder Erwachsene zur Verzweiflung bringen sollen. Die schlimmsten werden dabei als die besten gewertet. Gewinnen müssen aber die für die Show ernannten Laien-Erzieher. Ursprünglich sollten es Promis sein, die aber viel Geld kosten. Die anscheinend für die beschriebene Firma zu teuer sind. Interessant war aber das Preisgeld. Der Gewinner soll eine Million Euro bekommen. Da Jemand in der Firma eingebrochen und das Geld gestohlen hat, können die prominenten Freizeiterzieher nicht mehr engagiert werden und der Boss ernennt hauseigene Mitarbeiter, die sich dieses Preisgeld verdienen können. Aber auch der Dieb wird gesucht und fast Jeder/Jede verdächtigt Jenen/Jede. Ein interessantes Profil entsteht. Der Leser lernt so die unterschiedlichsten Menschentypen in dieser Branche kennen. Die Show – sie nennt sich so wie das Buch – heißt „Ameisenhaufen“ und muss nach einigen Serien wegen des Rückgangs der Zuseherzahlen eingestellt werden. Da ist auch die Autorin Vera Russwurm besser geraten bei ihren erfolgreichen Shows zu bleiben, denn diese werden nicht so schnell eingestellt. Dazu ist sie zu gut. }, keywords = {Fernsehproduktion, Show, Showgeschäft}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{WAAL2021, title = {Der Hase mit den Bernsteinaugen}, author = {WAAL, Edmund de}, year = {2021}, date = {2021-10-18}, abstract = {WAAL de, Edmund: „Der Hase mit den Bernsteinaugen“, München 2020 In den ersten 100 Seiten findet man sich als Leser schwer zurecht. Es geht um Netsuke, kleine japanische Figuren. Viele Leser wissen gar nicht, dass es diese gibt. Der Autor entpuppt sich als Experte und kann viel darüber erzählen. Man fühlt sich fast erschlagen von diesen Informationen. Der Autor weiß wie es so einem Leser geht, wenn er auf Seite 281 sagt „man empfindet, wenn man eine Seite umblättert und bemerkt, dass man liest, ohne zu verstehen. Man muss zurückblättern und von vorn beginnen, und die Worte scheinen noch unvertrauter und klingen seltsam im Kopf.“ (Seite 281) Diesen Ratschlag empfehle ich beim Lesen, denn das Buch wird zunehmend spannend und verständlich. Da ist es dann wert die ersten Seiten nochmals zu lesen und letztlich auch zu verstehen. Die in den vorderen Seiten geschriebenen Worte werden verständlich und nicht wie der Autor sagt „noch unvertrauter“. Jedenfalls stellen die Netsuke, diese japanischen kleinen Figuren, den roten Faden durch das Buch und die Familiengeschichte dar. Der Autor ist selbst auch handelnde Person in dieser Familiensaga. Er, der jüngste der Familie, machte sich auf den Weg, um das Leben seiner Vorfahren zu erkunden und letztlich auch in diesem Buch festzuhalten. Die Familiendynastie der Ephrussi hat ihren Ursprung in der Ukraine als bekanntes und anerkanntes Handelsunternehmen mit dem Schwerpunkt auf Weizen. Dann expandierte das Unternehmen und schuf Aussenstellen in London, Wien und Paris. Verschiedene Familienmitglieder übersiedelten nach Wien und Paris und kamen auch dort zu Wohlstand und Ansehen. Als sie 1863 nach Wien kamen lebten hier etwa achttausend Juden. 1867 gab der österreichische Kaiser den Juden das Bürgerrecht und 1890 lebten bereits 118000 Juden in Wien. Da es sich um eine jüdische Familie handelt, ging im Dritten Reich alles verloren. Die Ephrussis waren sehr reich und den Rothschilds ebenbürdig. „1914, vor dem Krieg, hatte Viktor ein Vermögen von fünfundzwanzig Millionen Kronen besessen, etliche Häuser in ganz Wien, das Palais Ephrussi, eine Sammlung Alter Meister und ein Jahreseinkommen von etlichen hunderttausend Kronen. Das entspricht grob geschätzt mehr als dreihundert Millionen Euro.“ (Seite 212) Alle mussten wieder von vorne beginnen. Sie flüchteten und siedlten sich in England, Mexiko und New York an. Nur die Netsuke blieben, weil sie das Dienstmädchen Anna vor den Nazis in ihrer Schürzentasche entführte und in ihrer Matratze versteckte. In den 50er Jahren kamen sie im Koffer eines Onkels nach Japan. Von dort erbte sie der Neffe und Buchautor und verwendete sie als Leitfaden für das vorliegende Buch. Der Autor ist ein de Waal. Sein Großvater heiratete Elisabeth, die Großmutter des Autors. Er ist es, der mit Hilfe seines Vaters und seines in Tokio wohnenden Onkels das Familienleben wieder aufrollt. Er fährt nach Paris, in die Ukraine und nach Japan um nachzuforschen. Am Ende seiner Besichtigungstour kam er nach Odessa, wo die Macht des Clans begann. Hier muss er resümierend feststellen, dass seine Vorfahren nicht geflüchtet sind. Hier gab es alles an Kultur, was sie auch in Wien und Paris erlebten. Trotzdem waren sie globale Menschen. „Charles starb als Russe in Paris. Virktor hielt das für falsch; er war 50 Jahre lang ein Russe in Wien, dann Österreicher, dann Bürger des Deutschen Reiches, dann staatenlos. Elisabeth behielt 50 Jahre lang in England die niederländische Staatsbürgerschaft. Und Iggie war Österreicher, dann Amerikaner, dann ein in Japan lebender Österreicher.“ (Seite 325) Der Onkel Iggie war eine Fundquelle für Edmunds Familienforschung. Iggie war erst in Japan sesshaft geworden. „Er war zweiundvierzig, hatte in Wien, Frankfurt, Paris, New York und Hollywood gelebt, war mit der Armee durch Frankreich nach Deutschland gezogen …“ (Seite 302) Durch die Beschreibung dieses Onkels erfährt man auch von der Situation Japans nach dem Zweiten Weltkrieg, als das Land ausgebombt und von den Amerikanern besetzt war. Großmutter Elisabeth war eine der ersten weiblichen Jurastudentinnen an der Universität Wien. Ihr Fachwissen setzte sie für die Wiedergutmachung ihrer Familie ein. Wenige Jahre nach dem Krieg war sie die erste der Familie, die nach Wien kam. Sie erzählt, wie schwierig es war von der österreichischen Regierung anerkannt zu werden. Wie man mit ehemaligen Nazis umging und wie man Juden nicht zurück haben wollte enttäuschte sie. „Die nach dem Krieg neu errichtete demokratische Republik Österreich amnestierte 1948 neunzig Prozent der NSDAP Mitglieder, 1957 auch Angehörige der SS und Gestapo“. (Seite 285) Das Vermögen der Ephrussis kam nur in kleinen Schritten und wurde sofort in das Notwendigste für die Familien, wie Schulgeld, gesteckt. Als sie ihr Elternhaus, das Palais gegenüber der Votivkirche besuchte, war dort eine amerikanische Militärbehörde untergebracht. Gegen eine geringe Abstandszahlung verzichteten sie auf weitere Ansprüche. }, keywords = {Familiensaga, Japan, Juden, Judenverfolgung, Österreich, Ukraine}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{FREUND2021d, title = {Ans Meer}, author = {René FREUND}, year = {2021}, date = {2021-10-10}, abstract = {FREUND, René: „Ans Meer“, Wien 2018 Ein sehr nettes und humorvolles Buch. Einfach, nicht hoch literarisch, aber schön zum Lesen. Der Busfahrer Anton ist – obwohl schon im fortgeschrittenen Alter – von seiner Mutter stark abhängig. Schüchtern und Frauen untergeben wurde er erzogen. Doch dann lernte er seine Nachbarin kennen und nach langsamen Annäherungen verliebten sich die beiden. Anton war Busfahrer. Täglich fuhr er dieselbe Strecke und brachte Menschen und Schüler in die Stadt von wo er sie später wieder abholte. Er kannte alle seine Passagiere und erzog sie auch dazu, dass sie grüßten. Eine seiner Fahrgäste war eine Frau, die im Rollstuhl saß. Ihre Tochter, die zur Schule ging, begleitete sie immer und schob den Rollstuhl. Dann ergab es sich: die Frau hatte unheilbar Krebs. Sie wollte aber noch einmal in ihr Geburtsdorf an der oberen italienischen Adria. Dorthin, wo sie aufgewachsen war. Wo ihre Eltern ein Gasthaus hatten. Wo sie am Meer gelebt hat. Das wollte sie noch einmal sehen, aber kein Taxi nahm sie. Anton, der gerade Schwierigkeiten mit seiner Firma hatte, bot sich dann an, die Frau mit dem Linienbus dorthin zu führen. Viele der mitfahrenden Schülerinnen und Schüler entschieden sich mitzukommen. Anton legte Wert darauf, dass es alle freiwillig machen. Während der Fahrt entdeckten sie ganz hinten im Bus eine Frau mit Alzheimer, die dort eingeschlafen war und so auch mitkam. Die Gruppe organisierte sich. Sie waren der Gefahr ausgesetzt, von der Polizei gestoppt zu werden. Der Vater zweier mitfahrender Kinder hatte die Polizei schon alarmiert. Der Busfahrer schaffte es aber über die italienische Grenze. An einem Parkplatz machten sie Rast. Alle stiegen aus. Ein Hippiepärchen näherte sich dem Bus und entführten diesen. Inzwischen hatte sich die Freundin von Anton auf die Suche nach ihrem Geliebten gemacht. Mit einem Ortungssystem fand sie heraus, wo er unterwegs war. Mit dem schnellen Auto ihres Bruder folgte sie dem Bus und traf am Parkplatz ein. Letztlich setzte die Gruppe die Fahrt mit diesem Auto fort. Später sahen sie, wie der entführte Bus, der jetzt von dem Hippiepärchen gefahren wurde, von einer Polizeieskorte gestopt wurde. Sie aber kamen ungeschoren und unverdächtig durch und erreichten das Ziel, das Dorf San Marco. Nochmals sah die zum Sterben verurteilte Frau ihre Heimat und erklärte alles der Gruppe, bis zwei Polizisten eintrafen. Sie waren Schulfreunde der Rollstuhlfahrerin. Anton wurde freundlich festgenommen. Im folgenden Gerichtsverfahren sagten alle positiv über Anton aus. Ja, der Rechtsanwaltsvater der beiden mitgefahrenen Schüler war der Verteidiger. Die Richterin meinte, dass es „als Juristin ihre Aufgabe, sich nicht nach Gefühlen, sondern nach dem Gestz leiten zu lassen.“ (Seite 138) So sprach sie ein sehr mildes Urteil, das Anton bald abgesessen hatte. Die Rollstuhlfahrerin war inzwischen verstorben und das Busunternehmen nahm Anton wieder auf. Kitschig, aber schön. }, keywords = {Busfahrer, Entführung, Obere Adria}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HELFER2021, title = {Die Bagage}, author = {Monika HELFER}, year = {2021}, date = {2021-10-07}, abstract = {HELFER, Monika: „Die Bagage“, München 2021 Werden Bücher in den Medien hoch gepriesen bin ich oft skeptisch und lies sie erst später. So ging es mir mit diesem Buch. Ich hätte es früher lesen sollen. Es ist eine gelungene Ahnenforschung. Die zentrale Figur ist die Großmutter der Autorin. Als ihr Großvater im Ersten Weltkrieg eingerückt war bekam sie ein Kind. Es wurde ihr nachgesagt, dass es nicht vom ehelichen Vater war. Dieses Kind war die Mutter der Autorin. Deswegen investierte sie in Ahnenforschung und schrieb letztlich dieses sehr gute Buch. Als der Vater aus dem Krieg heimkommt stellt er den Bürgermeister, den er bat auf seine Frau aufzupassen, zur Rede. Von wem dieses Kind – die Mutter der Autorin – sei. Der Bürgermeister, der nach Ende der Monarchie nicht mehr Bürgermeister war, will das Gerücht entkräften und lügt letztlich, indem er sagt, er sei der Vater. Erst am Totenbett von Josef, dem Familienoberhaupt, gesteht der Bürgermeister, dass das nicht wahr sei. Seine Frau sei eine sehr ehrwürdige und treue Frau. Bei dem Buch geht es nicht nur um die Beziehung und die Familie der Großmutter. Es ist auch eine Schilderung der Lebensverhältnisse von zwei Generationen. Es schließt in diesem Sinne an den Vorarlberger Bauern und Schriftsteller Franz Michael Felder an, der die Lebensumstände des 19. Jahrhunderts beschrieb. Die Familie der Großmutter lebte im hintersten Tal. Es war eine arme Familie. Sie schlugen sich durchs Leben. Als die Großeltern starben hatten es die Kinder noch schwerer. Teilweise zogen sie sich gegenseitig auf. Die halbwüchsigen Buben übernahmen die Lebensmittelbeschaffung durch Wildern. Es war eine im Dorf verachtete Familie. Auch der Pfarrer wetterte gegen sie. Sie waren die „Bagage“. Die wildernden Buben wurden aber mit Hochachtung „Bagage“ genannt. „Keiner im Dorf, der die Bagage nicht bewundert hätte. Die Bagage war erst richtig geworden nach dem Tod ihrer Eltern.“ (Seite 155) Die Großmutter hatte sieben Kinder und starb mit 32 Jahren, ihre Mutter hatte auch mehrere Kinder und Monika Helfer vier. Die Tochter Paula starb mit jungen Jahren. Den letzten Absatz des vorliegenden Buches widmet sie dieser Tochter und einem Besuch bei deren Grab. }, keywords = {Ahnenforschung, Großmutter, Vorarlberg, Vorfahren}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Helfer2021b, title = {Die Bagage}, author = {Monika Helfer}, year = {2021}, date = {2021-10-07}, abstract = {HELFER, Monika: „Die Bagage“, München 2021 Werden Bücher in den Medien hoch gepriesen bin ich oft skeptisch und lies sie erst später. So ging es mir mit diesem Buch. Ich hätte es früher lesen sollen. Es ist eine gelungene Ahnenforschung. Die zentrale Figur ist die Großmutter der Autorin. Als ihr Großvater im Ersten Weltkrieg eingerückt war bekam sie ein Kind. Es wurde ihr nachgesagt, dass es nicht vom ehelichen Vater war. Dieses Kind war die Mutter der Autorin. Deswegen investierte sie in Ahnenforschung und schrieb letztlich dieses sehr gute Buch. Als der Vater aus dem Krieg heimkommt stellt er den Bürgermeister, den er bat auf seine Frau aufzupassen, zur Rede. Von wem dieses Kind – die Mutter der Autorin – sei. Der Bürgermeister, der nach Ende der Monarchie nicht mehr Bürgermeister war, will das Gerücht entkräften und lügt letztlich, indem er sagt, er sei der Vater. Erst am Totenbett von Josef, dem Familienoberhaupt, gesteht der Bürgermeister, dass das nicht wahr sei. Seine Frau sei eine sehr ehrwürdige und treue Frau. Bei dem Buch geht es nicht nur um die Beziehung und die Familie der Großmutter. Es ist auch eine Schilderung der Lebensverhältnisse von zwei Generationen. Es schließt in diesem Sinne an den Vorarlberger Bauern und Schriftsteller Franz Michael Felder an, der die Lebensumstände des 19. Jahrhunderts beschrieb. Die Familie der Großmutter lebte im hintersten Tal. Es war eine arme Familie. Sie schlugen sich durchs Leben. Als die Großeltern starben hatten es die Kinder noch schwerer. Teilweise zogen sie sich gegenseitig auf. Die halbwüchsigen Buben übernahmen die Lebensmittelbeschaffung durch Wildern. Es war eine im Dorf verachtete Familie. Auch der Pfarrer wetterte gegen sie. Sie waren die „Bagage“. Die wildernden Buben wurden aber mit Hochachtung „Bagage“ genannt. „Keiner im Dorf, der die Bagage nicht bewundert hätte. Die Bagage war erst richtig geworden nach dem Tod ihrer Eltern.“ (Seite 155) Die Großmutter hatte sieben Kinder und starb mit 32 Jahren, ihre Mutter hatte auch mehrere Kinder und Monika Helfer vier. Die Tochter Paula starb mit jungen Jahren. Den letzten Absatz des vorliegenden Buches widmet sie dieser Tochter und einem Besuch bei deren Grab. }, keywords = {Ahnenforschung, Großmutter, Vorarlberg}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Freund2021c, title = {Liebe unter Fischen}, author = {René Freund}, year = {2021}, date = {2021-10-01}, abstract = {FREUND, René: „Liebe unter Fischen“, Wien 2013 Am Cover des Buches ist eine Schleife angebracht auf der steht „Wer Glattauers Gut gegen Nordwind geliebt hat, wird auch an dieser herrlich komischen Liebesgeschichte seine Freude haben.“ Zwei völlig verschiedene Dichter werden da gegenübergestellt. Nun, sie kommen aus demselben Stall, aus demselben Verlag. Einer soll den anderen „ziehen“? Und doch sind beide Bücher grundverschieden. Ist das eine literarisch höher? Aber zum Freund-Roman: Ein Dichter beschreibt sich selbst. Er hat schon zwei Erfolgsbücher am Markt. Die Verlegerin, die neben ihm keinen Erfolg aufzuweisen hat, braucht ein weiteres Buch und muss eine Pleite ihres Verlags abwenden, indem sie ein Buch ankündigt, das noch gar nicht geschrieben ist und das der Dichter selbst nicht schreiben will. Er steckt in einer Krise: geht nicht aus dem Haus, trinkt zu viel Alkohol, versinkt im eigenen Schmutz …. Er schiebt sein Versagen auf seine Erziehung zurück: „Und ich habe keine Angst vor den dunklen Seiten des Lebens. Weniger jedenfalls als die meisten Menschen, die ich kenne, mich eingeschlossen. Sie wissen um die Distanz, die ich zu allen hege, auch oder vor allem zu mir selbst. Das hat sicher auch mit meiner Vergangenheit zu tun, mein Vater und so, Sie kennen das ja. Ich lebe in einem Raumanzug, gefertigt aus Ironie, genäht mit Zynismus, beschichtet mit Fremdheit. Ich komme da nur raus, wenn ich trinke oder wenn ich schreibe. Zuletzt war nur noch das Trinken geblieben.“ (Seite 58) Die Verlegerin versucht alles und will ihn in eine Hütte in den Bergen schicken, damit er zu sich selbst findet. Dort erlebt er eine neue Welt: „… wie armselig ist doch unsere elektronische Welt geworden! … das Leben nach ein paar Tagen ohne Strom, ohne Geräte, ohne Fernseher, ohne Radio, ohne Handy, Computer. … Der ganze Lärm ist plötzlich weg, das permanente Gequatsche, der sich in den Vordergrund drängende Unsinn, mit dem wir unsere Tage einlullen, anfüllen, zumüllen. Wenn das alles verschwindet ist es plötzlich still! Ich fühle mich in Kontakt. … In Kontakt mit allem. Sogar mit mir!!“ (Seite 74) Die Verlegerin schickt eine Freundin – eine erfolglose Schauspielerin – zur Hütte. Sie gibt sich als Biologin, Expertin für Fische, aus. Sie übt sich in einem slowakischen Akzent. Ihre Aufgabe ist es, den Dichter zum Schreiben zu führen. Die Beiden verlieben sich. Sie schämt sich ihres Jobs und reist ab. Der Dichter ist unglücklich. Der Förster der Region wirkt als Vermittler und reist mit der „Slowakin“ dem, nach Berlin heimgekehrten, Dichter nach. Es kommt zu einem Happy End. Kitschig? Vielleicht. Aber locker und flott geschrieben. Eine einfache und leichte Lektüre. }, keywords = {Buchverlag, Dichter, Liebe}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{MARKOVIC2021, title = {Die verschissene Zeit}, editor = {Barbi MARKOVIC}, year = {2021}, date = {2021-09-28}, abstract = {MARKOVIC, Barbi: „Die verschissene Zeit“, Salzburg Wien 2021 Miomir hat eine Zeitmaschine erfunden, mit der er auf der Zeitachse nach vorne und zurück springen konnte. In den 90er Jahre war Krieg. Serbien hatte den Kosovo bombardiert. Die Amerikaner haben dann als Rache Serbien bombardiert und in Belgrad, dem Ort der Handlung dieses Romans, gab es Fliegeralarme. Vanja, die zentrale Proponentin, ihr Bruder Marko und dessen Freundin Kasandra waren in der Nähe des Hauses des Zeitmaschinenerfinders. Sie wollten gerade einbrechen. Da kam es zu einer hellen Erleuchtung. Miomir erklärt den Dreien fünf Jahre später, dass seine Maschine sich überhitzte und die Zeit nicht zurückgedreht hatte – er wollte in die Zeit vor dem Krieg ins Jahr 1990 – sondern nach vorne: ins Jahr 1999. Das merkten die Drei bereits seit längerem, dass sie sich an Nichts zwischen 1995 und 1999 erinnern können. Schlimmer noch sei, dass der Fehler der Zeitmaschine die Welt oder die Region um Belgrad immer in den 90er Jahren pendeln lassen würde. Man würde nie aus der schlechten Zeit und dem Kriegsgeschehen herauskommen. Sie würden in einer Warteschleife hängen bleiben. „Menschen warten und protestieren. In den Supermärkten fehlen Produkte, im Essen fehlen Zutaten, in den Köpfen Informationen und Orientierungspunkte. Busfahrer*innen, Lehrer*innen, Ärzt*innen und alle anderen Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes sind fast immer im Streik. Die Schüler*innen warten auf ihren Unterricht, Staatsbürger*innen warten auf bessere Zeiten, die Wirtschaft wartet auf Aufhebung der Sanktionen, auf Öffnung der Grenzen. Menschen warten auf das Ende des Krieges, das Fernsehpublikum wartet auf die Klärung der Lügen (und versteckt sich zugleich davor). Eure Eltern, Großeltern, Verwandten stehen in langen, unkalkulierbaren Schlangen für Öl, Mehl, Geld, Dokumenten, Benzin, Zigaretten an.“ (Seite 63/64) Wann immer sie in einem anderen Jahr ankommen können sie sich an bestimmte Dinge erinnern, aber nicht an alles. „Man würde denken, in der eigenen Vergangenheit kennt man sich zumindest aus, da geht man hin, und alles wiederholt sich, so wie es war, aber es ist komplizierter. In einem Menschenleben gibt es viele Tage, bis zu 34675, sehr selten mehr, und an einen konkreten kannst du dich meistens nur ungefähr erinnern.“ (Seite 134) Vanja hatte 1999 ein Tagebuch geschrieben, aus dem zitiert wird. Ein Tagebuch, das die Geschehnisse des Krieges, das Bombardement Belgrads schildert. Wie die Bevölkerung in den Kellern Zuflucht suchte. Die Autorin beschreibt die Zeit von Jugendlichen in einem Belgrader Vorort. Eine Zeit und einen Ort, den andere Länder nicht kennen. Auch stilistisch geht sie eigene Wege. Sprachausdrücke, die woanders nicht verwendet werden (?). Eine harte Sprache, gespickt mit vielen Schimpfwörtern. Eine vulgäre Sprache, die die Situation aber beschreibt und unterstreicht. Barbi Markovic gibt in diesem Roman den einfachen Leuten eine Stimme. „Ja, es geht NIE um uns! Wozu habt ihr unsere Generation in die Welt gesetzt, um uns zu vernachlässigen und zu ignorieren. In unseren Familien sind wir unwichtig, weil die Zeiten schwer sind. Das Land produziert unser Scheitern und nimmt unsere beschissenen Leben in Kauf, weil Armut und Krieg und Wahnsinn herrschen. Es geht nicht um uns in den Geschichten, weil unsere Lebenserfahrung eine Nischenerfahrung ist. In den Werbungen werden andere Leute angesprochen, in Filmen andere Schicksale gezeigt. Es GEHT tatsächlich NIEMANDEM UM UNS, ABER UNS, UNS GEHT ES EXTREM UM UNS.“ (Seite 216) Aber auch die Zukunft bringt keine Verbesserung für die einfachen Leute. Zwar ist der Krieg vorbei, aber die Brutalität und Armut bleibt. Als die drei Jugendlichen das Spiel des „Alt Jugoslawischen“ Technikers durchschauen, schalten sie ihn aus und lassen sich durch die Maschine ins Jahr 2001 versetzen. Sie hoffen, dass die schlechte Zeit vorbei sei. Da kommen sie aber auf einem Platz in Belgrad an, wo ein Schwuler verprügelt wird, wo Brutalität wie in den 90ern herrscht. }, keywords = {Belgrad, Krieg, Serbien}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{ROGENHOFER2021, title = {Ändert sich nichts, ändert sich alles. Warum wir jetzt für unseren Planeten kämpfen müssen}, author = {Katherina ROGENHOFER, Florian SCHLEDERER}, year = {2021}, date = {2021-09-21}, abstract = {ROGENHOFER, Katherina; SCHLEDERER, Florian: „Ändert sich nichts, ändert sich alles. Warum wir jetzt für unseren Planeten kämpfen müssen“, Wien 2021 Aufmerksam hat mich auf dieses Buch unser Bundespräsident gemacht. Eine Tageszeitung fragte Politiker, was sie im Sommerurlaub lesen werden. Van der Bellen sagte, er habe dieses Buch eingepackt. Erst beim Lesen wusste ich, warum er das tat: er wird mehrmals als Vorbild gelobt. Den Titel des Buches fand ich spannend und auch wollte ich die Gedankenwelt meiner Enkelkinder und Kinder besser verstehen und kaufte es. In der Einleitung erklärt die Autorin die Situation der Klimakrise sehr anschaulich mit einer Bootfahrt, auf der sich Menschen aus verschiedenen Erdteilen befinden. Da sind die Reichen hinten im Boot. Sie bauen starke Motoren, um schneller fahren zu können. Sie feiern ihre Erfolge und bauen weiter. Vorne sitzen die Armen. Sie haben nur Ruder. Die Reichen rufen ihnen zu schneller zu rudern. Die Reichen schneiden sich aus dem Boot Teile heraus, um bequeme Sitze daraus zu fertigen. Wasser dringt ein. Eine Frau warnt, dass das Boot einem Wasserfall zufährt. Sie errechnet in wie vielen Minuten sie kentern werden. Die Reichen meinen, sie hätten alles im Griff und diskutieren sogar einen noch stärkeren Motor einzubauen, dann könnten sie über den Wasserfall fliegen. Sehr anschaulich wird so die Situation der Welt heute erklärt. Dann setzt die Autorin erklärend alles in Basiswissen und Fakten um. Der Lauf des Buches wird durch persönliche Dinge der Schreiberin unterbrochen. Etwa, wie ihre Mutter eine Gehirnblutung bekommt und sie mit ihrem Vater bangt. Wie schnell sich unser Leben durch einen Vorfall ändern kann. Sie erzählt aber auch, wie sie in Indien im Regenwald ein Praktikum machte und dann in einem UNO Büro in Bonn arbeitete. So bekommt man den persönlichen Background der Autorin vermittelt. Auch die familiäre Situation: die alleinerziehende Mutter, weil der Vater die ganze Woche in der Ukraine arbeitet und nur ein Wochenendvater war. Die Autorin nimmt viele Gebiete aufs Korn. Unbestritten bleibt das Thema Klimawandel. Da ist sie ausgebildet und engagiert. Da muss man ihr Recht geben und auch etwas Angst bekommen. Als Leser beginnt man auch nachzudenken, wo man selbst aktiv sein könnte. Was man unterlassen könnte. Als Einzelner/Einzelne kann man diese Probleme nicht lösen, aber man kann einen Beitrag leisten. So wie die Erbsünde in der Religion tragen wir aber einen negativen Fußabdruck mit uns, der nicht von uns direkt ausgelöst wurde. Der Hauptakteur sind die Wirtschaft und die Politik. Die Wirtschaft muss sich umstellen und die Politik hat es versäumt Maßnahmen und Gesetze auf die Reihe zu bringen. Vielen Aussagen im Kapitel Wirtschaft und Politik kann ich aber nicht zustimmen. Da übersieht die Autorin, dass wir in einer Demokratie leben. Das wir verschiedene Ansichten in unserer Gesellschaft haben und die Politik darauf Rücksicht nehmen muss. Dass wir eben nicht in einer Diktatur leben. Sie stellt aber Forderungen auf, nach denen mit Gesetzen und Verordnungen eingegriffen werden muss. Das Steuersystem verändert werden soll. Irgendwie erinnert mich das an Neo-Kommunismus. An Maßnahmen, die etwa China, während der COVID Pandemie verordnet hatte. Zwar erfolgreich, aber diktatorisch. Umgekehrt schreibt sie sich Erfolge mit der Friday for Future Organisation zugute, die sicher nicht daher kommen. So etwa das letzte Wahlergebnis Österreichs, wo – so die Meinung der Autorin – die kleinen Parteien, die auf Klimapolitik gesetzt hatten, Gewinne erzielten. Ich las dieses Buch am Meer sitzend. Einen Kilometer von der Grenze zur Mönchrepublik Athos entfernt. Mehrere Jahrzehnte habe ich dieses Gebiet schon besucht und war nicht nur aus meditativen Gründen, sondern auch wegen der intakten Natur dort. Die Mönche haben nur angebaut was sie brauchen. Sie hatten keinen Strom und keine Autos. Sie waren also keine Umweltverschmutzer und haben das Weltklima sicher nicht negativ beeinflusst. Einmal täglich hat ein Schiff Pilger und Besucher vom griechischen Festland auf die Halbinsel gebracht. Wenn ich während des Lesens auf das Meer hinausblicke, musste ich feststellen, dass sich das geändert hat. Laufend fuhren Schnellboote vorbei. Fast jedes Kloster besitzt so eines. Sie holen damit ihre Pilger und Besucher ab und bringen sie auf schnellem Weg ans Ziel zu ihrem Kloster. Am öffentlichen Schiff sehe ich nicht nur wegen COVID19 weniger Passagiere. Bald wird man die öffentliche Schifffahrt einstellen und sagen, alle sollen mit diesen kleinen Booten kommen. Früher gab es ein Rundfahrtboot, das entlangfuhr und die einzelnen Klöster erklärte. Heute bieten mehrere Unternehmen solche Rundfahrten an und dabei gibt es weniger Touristen. Also ein umgekehrter Effekt, als in diesem Buch. Bei uns: hin zum öffentlichen und weg vom Individualverkehr. Hier umgekehrt. Generell wird man nach dem Lesen dieses Buches sensibler gegenüber der Umwelt. Der politische Zugang, wie er über viele Seiten ausgetragen wird, könnte sich die Autorin ersparen und lieber bei der Sache „Umwelt“ bleiben. Auf alle Fälle ist das Gelesene nachhaltig! }, keywords = {Klimapolitik, Umwelt, Veränderungen}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HENISCH2021, title = {Der Jahrhundertroman}, author = {Peter HENISCH}, year = {2021}, date = {2021-09-17}, abstract = {HENISCH, Peter: „Der Jahrhundert Roman“, Salzburg Wien 2021 Viele alte Menschen wollen dann, im sich dem Ende zu neigenden Leben, noch eine große Sache machen. Für einen Schriftsteller ist es „der große Roman“. Der anerkannte österreichische Dichter Henisch versucht es auch. Er steckt aber seinen Wunsch in einen Protagonisten und lässt diesem erzählen, wie er einen großen „Jahrhundert Roman“ schreiben will. Als ehemaliger Bibliothekar und Buchhändler hat er die Bücher einer stillgelegten Bibliothek erworben und verwaltet sie in einem Depot. Aus diesem Material formt er einen Roman über das 20. Jahrhundert aus Aussagen und Erlebnissen von Schriftstellern. Er hat alles handschriftlich abgefasst und findet in einer Studentin, die als Aushilfskellnerin in seinem Stammcafé arbeitet, eine Schreibkraft, die seine Aufzeichnungen in den Computer überträgt. Sie, die zum Studium nach Wien gekommen war und mit ihrer Familie gebrochen hat, braucht das Geld und nimmt den Auftrag, eine Seite für zwei Euro zu tippen, an. Schließlich stellt sie aber fest, dass sie diese Schrift nicht entziffern kann. Lange reagiert sie nicht. Als sie gesteht, die Schrift nicht lesen zu können, bietet der Verfasser an, ihr die ersten Seiten vorzulesen und sie würde sich dann an die Schreibschrift gewöhnen. Dabei stellt Roch – der Dichter – fest, dass die Seiten durcheinander gekommen sind und der Anfang fehle. Allein versucht er dann eine Ordnung zu finden. Die ersten Seiten tauchen nicht auf und so belässt er es bei einer nichtsequentiellen Reihung. Zu jedem Dichter, zu jeder Schriftstellerin, erzählt er Hintergrundgeschichten: • Wie Peymann, der Burgtheaterdirektor, Thomas Bernhard bittet ein alternatives Stück zum Gedenkjahr 1938 zu schreiben. Bernhard will aber nach Mallorca fahren. Letztlich wirft er das Ticket in den Papierkorb und schreibt „Heldenplatz“. • Dotterer wird als Wehrmachtsoffizier des Hitlerregimes dargestellt, der im Nachhinein mit dieser Zeit nichts zu tun haben will. Roch unterlegt im nach seiner Festnahme den Satz „Je ne suis pas allemand, je suis autrichien.“ (Seite 154) Seine Haushälterin schreibt ihm einen Referenzbrief, in dem sie aussagt, er habe nie das Hitlerregime angehimmelt und war kein Nazi. • Die Schwester von Ingeborg Bachmann motiviert diese, bei einem öffentlichen Wettbewerb für einen Text der österreichischen Bundeshymne einen Text einzureichen. Mit dem ausgeschriebenen Preisgeld könnten sie ihre Verhältnisse aufbessern. Ingeborg tat es nicht und sie hätte auch die Einreichfrist versäumt. Ihr Text – der in Ansätzen noch erhalten ist – wäre aber moderner gewesen… • Friedericke Mayröcker war viele Jahre Englischlehrerin an einer Hauptschule in Favoriten. Erst spät konnte sie vom Einkommen als Dichterin leben. • Der Mödlinger Rechtsanwalt Albert Drach wird ebenfalls erst spät „entdeckt“. Dass er den Büchner-Preis bekam, konnte er nicht mehr realisieren. Er war dement geworden. Im Buch wird eine Geschichte erzählt, bei der er mit seiner jüngeren Frau Pilze suchen war und dann irrtümlich auf die Autobahn kam. Durch den Einsatz der Polizei wird er gerettet. Er war gegen die fahrenden Autos marschiert. • Über Kafka wird eine Liebesgeschichte mit einer Übersetzerin erzählt. Sie schreiben sich romantische Briefe. Kafka hat aber Angst vor einem persönlichen Treffen, „denn er weiß, dass er brieflich viel überzeugender ist als physisch.“ (Seite 244) • Über Christine Nöstlinger weiß Roch zu berichten, dass sie als Kind in der Mitte der Straße, auf den Straßenbahnschienen gegangen ist, um mit einem Fuß im Bezirk Ottakring und mit dem anderen in Hernals zu sein. Auch Hemingway hatte sie angerufen. Nöstlinger aber meinte Qualtinger verstelle seine Stimme und mache ihr einen Streich. Bei dieser Geschichte überführt in die junge Studentin, denn das passte in der Zeitachse nicht zusammen. • Elfriede Jelinek ging mit ihrer Freundin Elfriede Gerstl oft in ein Hutgeschäft, um verschiedene Modelle zu probieren und oft nichts zu kaufen. Sehr zum Ärgernis der jeweiligen Verkäuferin. Der Jahrhundert-Roman ist also eine unsystematische Aufzählung von Dichtern. Entstanden durch das in Ordnung gebrachte Manuskript. Viele von diesen österreichischen Dichtern kannte der Dichter Roch noch aus der Zeit, in der er mit seiner Frau eine Buchhandlung betrieb. Mit Lisa, der Studentin, brachte Henisch neben dem Jahrhundert Roman auch das Flüchtlingsproblem ein. Lisas beste Freundin ist ein Flüchtlingskind aus Syrien. Sie ist mit ihrer Familie aus dem Kriegsgebiet geflüchtet. Zuerst erzählt sie Roch von diesem Mädchen und wie es nach Österreich kam. Und dann erfährt sie aus den Nachrichten, dass ihre Freundin abgeschoben werden soll. Lisa macht sich um die Freundin Semira Sorgen, weil sie telefonisch nicht erreichbar ist. Sie konnte nicht wissen, dass die Untergetauchte ihr Telefon in der Donau versenkt hatte, um von der fahndenden Polizei nicht geortet werden zu können. Lisa fährt von Wien nach Linz, um die Freundin im verfallenen Haus ihres Großvaters zu suchen. Sie war trotz des kalten Winters dort, aber nicht mehr auffindbar. Der Freund aus der Wiener Wohngemeinschaft ruft an und berichtet, dass Semira dort eingetroffen sei. Sofort fährt sie nach Wien zurück. Die Wohngemeinschaft will aber nicht, dass die Polizei hier suchen kommt und so nebenbei Rauschgift und Hanfproduktion findet. Die Beiden müssen einen anderen Platz finden. Lisa sieht ihn im Depot des Jahrhundert-Roman-Dichters. Sie packen die wichtigsten Dinge ein und finden dabei die fehlenden Manuskriptseiten. Als die Mädchen beim Depot ankommen, wird Roch gerade von der Rettung abtransportiert. Lisa kann ihm noch sagen, dass die ersten Seiten gefunden sind. Der Schluss ist also ein Happyend und keines. Es kann aber auch umgekehrt sein. Der alte Mann könnte vielleicht noch viele Jahre leben und das Flüchtlingskind von der Polizei geschnappt werden. Oder auch nicht. Es bleibt dem Weiterdenken des Lesers überlassen. Ob dieser Roman schreibende Dichter Peter Henisch auch ein Depot mit Büchern hat, aus denen er die Informationen für sein vorliegendes Werk nehmen konnte? Sicher hat er eine große Bibliothek. So wie jeder Dichter. Dichter konsumieren und schreiben Bücher. Der vorliegende Jahrhundert Roman ist eine ausgewählte Melange über Dichter des 20.jahrhunderts. Vieles davon ist recherchiert, aber vieles ist auch erfunden. So erfunden, dass es in die jeweilige Zeit passt. }, keywords = {20. Jahrhundert, Dichter, Flüchtlinge}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{FREUND2021b, title = {Mein Vater, der Deserteur. Eine Familiengeschichte}, author = {René FREUND}, year = {2021}, date = {2021-09-05}, abstract = {FREUND, René: „Mein Vater, ein Deserteur. Eine Familiengeschichte“, Wien 2014 Der Autor arbeitet die Kriegsvergangenheit seines Vaters auf. Er fand ein Tagebuch mit Aufzeichnung der Militärzeit des Vaters. Zusätzlich fuhr er mit seiner Familie nach Frankreich, um die Wege seines Vaters nachzuzeichnen. Die Welt war aber eine andere geworden. Freund stellt die Zeit des Zweiten Weltkriegs der heutigen, des 21. Jahrhunderts, gegenüber. Es ist interessant, dass erst die nachfolgenden Generationen das Problem aufarbeiten. „Wir Kinder der Kriegskinder sind die Ersten, die nicht direkt durch den Krieg traumatisiert wurden. Unsere Eltern oder Großeltern haben viel Schreckliches verdrängt, mit Wiederaufbau und Wirtschaftswunder übertönt, doch sie sind alle im Krieg hängengeblieben. Natürlich mit unterschiedlicher Intensität. Sie wollten untereinander nicht über das Erlebte sprechen, und mit ihren Kindern auch nicht. Darum kommt von ihnen – seit Jahrzehnten! – der Ruf nach dem Schlussstrich. Sie wollen von der Vergangenheit endlich nicht mehr behelligt werde. Doch wir Kinder und Enkelkinder und Urenkelkinder sind neugierig. Wir wollen verstehen. Wir stellen Fragen.“ (Seite 201) Für jene Leser, die den Krieg (Gott sei Dank) nicht erlebt hatten, werden nochmals Fakten wiederholt, aus denen man die Tragweite des Geschehens ersehen kann. Etwa die Landung der Invasionstruppen in der Normandie mit 6000 Schiffen, 12000 Flugzeugen und 170.000 Soldaten. An manchen Abschnitten sind beim Landen 70 Prozent der Angreifer gefallen. 70.000 französische Zivilisten starben durch alliierte Truppen. „Der Preis der Freiheit war hoch.“ Der amerikanische Präsident meinte gegenüber Churchill „Wie bedauerlich zu erwartende Verluste unter den Zivilisten auch sein mögen, so bin ich nicht bereit, dem militärischen Handeln der verantwortlichen Kommandeure aus der Ferne irgendwelche Zügel anzulegen, die aus deren Sicht die Erfolge von „Overlord“ schmälern oder zusätzliche Verluste unter unseren alliierten Invasionstruppen verursachen könnten.“ (Seite 77) Diesen enormen logistischen Aufwand der Alliierten bei der Stürmung Europas stellt der Autor dem Austausch einer Küche gegenüber. Wie viele Dinge man da berücksichtigen muss und wie klein ist diese Administration im Vergleich zur Erstürmung Europas. „Seit ich mich auf die Spuren meines Vaters begeben habe, seit ich mir so richtig bewusst geworden bin, um welchen Preis unsere Freiheit erkauft wurde, macht mich die Art und Weise, wie wir mit dieser Freiheit umgehen, noch wütender.“ (Seite 198) Freund setzt sich auch mit der Definition „Deserteur“ auseinander. War sein Vater ein Held? Fühlte er sich als Deserteur? 15.000 Deserteure wurden von der deutschen Wehrmacht getötet. Hatte der damals 19-jährige Vater Angst? Fragen, die man aus heutiger Sicht nicht mehr beantworten kann. Da dieses Buch eine Aufarbeitung der eigenen Familiengeschichte ist, werden viele Dinge auch besser verständlich. Am Klassenfoto des Vaters wurden über vielen Mitschülern schwarze Kreuze gezeichnet. Schwarze Kreuze für jene Mitschüler, die im Krieg gefallen sind. Gefallen unmittelbar nach dem Schulabschluss. Während der Vater im Krieg war, ist dessen Vater gestorben und seine Mutter zog sich mit den Kindern aufs Land zurück. In der Stadt zu leben war durch die vielen Luftangriffe zu gefährlich geworden. Im Luftschutzkeller hatte sie den Kindern als Ersatz von Helmen Kochtöpfe aufgesetzt. René Freund setzt sich sehr gut mit der Vergangenheit unserer Väter und unserer Zeit auseinander. Er gewichtet und setzt Handlungen in die Situation der jeweiligen Periode. „Wir sind wahnsinnig gut darin, das Verhalten der Menschen „damals“ mit unseren moralischen Kriterien von heute zu beurteilen. Und natürlich aus der Sicherheit von heute. Mutig ist das nicht gerade. …. Die Frage „Wie hätte ich mich damals verhalten?“ führt direkt zu der für uns viel wichtigeren Frage: Wie verhalte ich mich heute?“ (Seite 199) Der Vater kam in amerikanische Kriegsgefangenschaft, was ihm wahrscheinlich eine Exekution ersparte. Dort trat er schon als Schauspieler auf, denn das wollte er werden und als er wieder zu Hause war bekam er diese Ausbildung. Karriere machte er aber indirekt: als Direktor des österreichischen Fernsehens und später in der Filmbranche. }, keywords = {Deserteur, Normandie, Zweiter Weltkrieg}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{PLUHAR2021, title = {Hedwig heißt man doch nicht mehr}, author = {Erika PLUHAR}, year = {2021}, date = {2021-08-29}, abstract = {PLUHAR, Erika: „Hedwig heißt man doch nicht mehr“, Salzburg Wien 2021 In ihrer blumigen und direkten Sprache erzählt Erika Pluhar in diesem Buch, wie Hedwig, eine 50-jährige Frau aus Portugal nach Wien kommt, um das Erbe ihrer Großmutter anzutreten. Sie war bei der Großmutter aufgewachsen. Als zwölfjähriges Mädchen kamen ihre Eltern bei einem Zugunglück ums Leben und sie landete bei ihrer Oma. Hedwig lebte viele Jahre allein mit ihrer Oma. Sie besucht die Schule und studiert später an der Universität Publizistik. Da tritt erstmals ein Mann in ihr Leben: Eugen, ein Dozent am Institut gefällt ihr und sie ihm. Er führt sie in ein neues Leben. Mit Lügen muss sie von zu Hause, von der Oma wegbleiben, um ihren Eugen zu besuchen, der in einem Hotelzimmer wohnt, weil er seine Familie verlassen hatte. Dieser Eugen führte mich als Leser in einen Teil meiner eigenen Vergangenheit. Eugen war – so schien es mir beim Lesen – ein Kollege von mir. Wir führten mitsammen ein Forschungsprojekt durch und schrieben gemeinsam ein Buch. Er war auch einmal der Freund der Autorin und nur so konnte es sein, dass er eine Rolle in diesem Buch bekam. Hedwig beendet ihr Studium und findet bei einer Zeitung eine nicht erstrebenswerte Anstellung. Auch das Leben mit dem Freund Eugen veränderte sich und die Liebe erlosch. Zwar hatten sie noch zu dritt – Oma, Eugen und Hedwig – den Studienabschluss gefeiert, aber Hedwig brach zu neuen Ufern auf. Ja sie floh. Sie verließ heimlich die Oma, der sie ihre Jugendjahre verdanken hätte sollen. Sie brach aus diesem Leben aus. Versteckte unter dem Bett den Koffer, in dem sie ihr Hab und Gut zur Abreise sammelte. Zeitig am Morgen, als die Oma noch schlief, verließ sie das Haus. Hinterließ keine Adresse. Fuhr mit dem Zug zu ihrer Schulfreundin nach Berlin. Dort tauchte sie wieder ins journalistische Leben ein. Später dann wurde sie Pressereferentin bei einem Buchverlag. Sie war glücklich und doch trat wieder ein Mann in ihr Leben: ein Portugiese, mit dem sie nach Lissabon übersiedelte. Sie lernte portugiesisch und mit Hilfe des einflussreichen Freundes fand sie wieder einen Job als Journalistin. Eine Kollegin, die zur Freundin wurde, half ihr die Sprachbarriere zu überwinden. Gemeinsam fanden sie einen Hund. Sie taufte ihn Anton. Die Beziehung zum Freund verdüsterte sich. Er hatte immer weniger Zeit für sie. Sie kündigt ihren Job, der sie nicht zufrieden stellte. So war sie viel zu Hause. Plötzlich stand eine Frau vor der Tür, die sich als Freundin ihres Lebensgefährten ausgab und in Hedwig die Haushälterin sah. Weinend packte sie ihre Koffer und verließ noch am selben Tag diese Wohnung. Mit ihrem Hund Anton zog sie bei der Freundin ein. Der verlassene Freund zeigte sich aber anständig und zahlte eine Wohnung und überwies monatliche einen Betrag. Der Hund wurde so zu ihrem Lebensmittelpunkt. Viele Männer gab es im hier erzählten Lebensabschnitt von Hedwig, aber sehr emotionell wurde es, als sie sich von ihrem verstorbenen Hund Anton verabschiedet. Das lässt die Augen keines Lesers trocken bleiben. Wenig später übersiedelt die Freundin nach Brasilien und sie bleibt allein zurück. Sie verfällt. Pflegt sich nicht mehr. Trinkt zu viel. Nimmt Beruhigungsmedikamente. Geht nicht mehr aus. Nur das Notwendigste einzukaufen. Eigentlich sieht sie keinen Sinn mehr im Leben. Bei einem ihrer Einkaufswege erkennt sie trotz Ungepflegtheit eine entfernte Verwandte aus Wien. Man tauscht die Telefonnummern aus. Dies erlaubt es dann, dass sich ihr Cousin telefonisch meldet und mitteilt, dass die Oma schon vor 1 ½ Jahren verstorben sei. Laut Testament habe sie die Wiener Wohnung geerbt. Sie bricht wieder auf und kehrt nach Wien zurück, um diese Wohnung zu beziehen. Die Geschichte ist in Form eines Briefes an die verstorbene Oma geschrieben. In der Wiener Wohnung schreibt sie ihr Leben nieder. Das schlechte Gewissen gegenüber ihrer Oma will sie so abstreifen. In ihren Schreibpausen, die sie in einem Restaurant verbringt, lernt sie einen Mann kennen. Das Verhältnis wird intensiver und sie befreunden sich. Das Buch aber endet mit dem letzten Briefeintrag an die Oma: dem Umzug nach Wien. Erika Pluhar ist eine gute Erzählerin. Keine spektakulären Stories, aber sehr viel menschliches kann sie vermitteln und greift dabei auf eigene Erfahrungen zurück. Nur so kann sie authentisch das Leben in Portugal, wo sie oft war, beschreiben. Durch Zufall wurde auch ich in einen Abschnitt geführt, der mein Leben ausmachte: die Universität Wien und mein leider verstorbener Freund Eugen. }, keywords = {Alleinerzieherin, Frau, Lebensgeschichte}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Köhlmeier2021, title = {Bruder und Schwester Lenobel}, author = {Michael Köhlmeier}, year = {2021}, date = {2021-08-21}, abstract = {KÖHLMEIER, Michael: „Bruder und Schwester Lenobel“, München 2020 Ein sehr langatmiges Werk. Über 500 Seiten braucht der Autor, um das Seelenleben von Bruder und Schwester und der Ehefrau des Bruders zu beschreiben. Weit entfernt er sich oft vom Leitthema und lässt den „Bruder“, der von Beruf Psychiater ist, eine Wand am Naschmarkt streichen. Er zahlt den dort engagierten Anstreicher, dass er ihm diese Arbeit machen lässt. Sie tauschen die Kleidung und den Stundenlohn bekommt der pausierende Maler. Sehr detailliert wird diese Szene beschrieben. Es ist dies nur ein Beispiel des Abdriftens vom Thema. Zum Thema selbst: Die Schwester des Psychiaters, des Bruders wohnt in Irland. Sie ist eine weit gereiste Frau, die schon oft in ihrem Leben übersiedelt ist. Ganz anders der Bruder. Außer einer Hochzeitsreise nach den USA kam er noch nicht herum. Plötzlich ist er verschwunden. Die Schwägerin ruft die Schwester zu Hilfe. Sie kommt aus Dublin angereist nach Wien. Vom Bruder erfährt man als Leser - aus einem Dialog mit seinem Freund - von seiner großen Liebe, einem Seitensprung, den er erst mit über 50 Jahren erlebte. Zwar sind die beiden Geschwister – der Bruder und die Schwester Lenobel – die Hauptpersonen des Romans, aber es kommt auch deren Umgebung zu Wort: ein Freund der Familie, die Kinder und deren Freunde. So zieht sich die Geschichte über viele Menschenschicksale hin. Der Vater wird wieder „gesichtet“. Er ist als Halbjude nach Israel ausgewandert, wo er aber nicht Fuß fassen konnte. „Das war er: ein weitgereister Jude, der keine Sprache verstand außer der seinen und keine andere sprach, nicht einmal die Allerweltsprache. Und warum nicht? Weil er nicht aus unser aller Welt kam? Eine Prüfung, Hebräisch von Arabisch zu unterscheiden, hätte er nicht bestanden.“ (Seite 539) Um die Qualität des Schriftstellerischen darzustellen, möchte ich hier einen kleinen Diskurs über die Zeit wiedergeben (und selbst das ist nur ein kurzer Auszug aus einem wesentlich Größeren): „Man bildet sich ein, man merkt auch wie die Zeit vergeht, aber das ist eine Illusion. Die Zeit versteckt sich hinter den Dingen, mit denen sie angefüllt wird, und wenn wir sagen, die Zeit vergeht mehr oder weniger schnell, sprechen wir in Wahrheit nicht von der Zeit, sondern von den Dingen, mit denen wir sie ausfüllen, die uns mehr oder weniger interessieren. Die Zeit für sich ist Langeweile. Sie ist ein unendlicher Schwindel, im doppelten Sinn des Wortes….“ (Seite 345) Die Geschichte verzweigt sich auf ihren über 500 Seiten in einen breiten Stammbaum. Alles ist großartig beschrieben. Beim Lesen kamen mir Zweifel. Ist es möglich, dass ein Mann, ein Schriftsteller, soviel schreiben kann? Fast jedes Jahr kommt ein Buch in diesem Umfang. Oder hat er eine Schreibwerkstatt, wie früher Maler, die das Thema eines Bildes vorgaben und dann bestimmte Details ihren Gesellen malen ließen. Ein Kollege von mir hatte Wildwestromane – sogenannte „Schundheftl“ – geschrieben. Sein Auftraggeber setzte immer kurze Fristen. Um den Abgabetermin einzuhalten, schrieb er Tag und Nacht und seine Frau half ihm dabei. Er begann so einen Roman und bat seine Frau mit Seite 20 einen Reiter zu beschreiben, der durch eine Steppe reitet. Er endete auf der Seite 19 mit dem Erreichen dieser Steppe. So schrieb er, in Zeiten ohne Computer, in einem versetzten Modus. Hat auch Köhlmeier solche „Mitschreiber“? Zumindest deren Niveau ist hoch, so wie das des Meisters Köhlmeier. }, keywords = {Familiensaga, Geschwister}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Freund2021, title = {Das Vierzehn-Tage Date}, author = {René Freund}, year = {2021}, date = {2021-08-06}, abstract = {FREUND, René: „Das Vierzehn-Tage Date“, Wien 2021 In der Pandemie und ihren Lock Down hatten alle viel Zeit. Auch Schriftsteller. Einer nützte es, um sich dem aktuellen Thema zu widmen: René Freund. Er tat es mit einer Quarantäne-Geschichte. In der Internetplattform „Tinder“ kann man sich ein Date ausmachen. So tat auch es auch David und es meldete sich Corinna. Sie kam zum Treffen in der Wohnung von David zu spät. Die Beiden waren so unterschiedlich, dass Corinna nach kurzer Zeit schon wieder gehen wollte. Sie blieb aber zu einem Abendessen. Sie bestellten eine Pizza und Wein. Gebracht wurde sie von Corinnas Chef (sie arbeitete in einer Pizzeria als Kellnerin). Er küsste sie und schenkte dem Tinder-Paar das Gebrachte. Corinna war nervös. Ihr Gegenüber war ihr intellektuell überlegen. Ein Musiker, ein Musiklehrer aus gutem Haus. Sie eine einfache Frau. So trank sie viel Alkohol, um dieses Minderwertigkeitsgefühl zu überspielen. Das führte zu einer starken Trunkenheit und sie blieb eine Nacht, an die sie sich aber nachher nicht mehr erinnern kann. An diesem Folgetag erschien ein in Plastikgewand geschützter Beamter und teilte den beiden mit, dass der Pizzamann positiv auf Covid19 getestet wurde und sie beide daher 14 Tage in Quarantäne bleiben müssen. Ein Schock. Und darauf baut dieser Roman auf. Diese, so unterschiedlichen Menschen müssen zusammenleben. Irgendwie wird es aber doch eine Freundschaft, auch wenn es nicht zu Sex kam. Ganz im Gegenteil. Corinna berät David, wie er zu einer Kollegin, die er sehr verehrt, Kontakt knüpfen kann. Sie wird im Laufe der 14 Tage die Lieferantin für Essen und Getränke. Der Autor legt den beiden isolierten Menschen auch gesellschaftspolitische Diskussionen in den Mund. Corinna etwa klassifiziert fünf Typen von Männern. Sie bringt dabei ihre Erfahrung mit Männern ein, wie bindungsfähig sie sind: • Der Einser ist der Perfekte. • Der Zweier ist der verkappte Frauenhasser • Der Dreier ist verheiratet und hat Kinder. • Der Vierer ist das große Kind. • Der Fünfer ist der Kumpeltyp. Viel diskutieren sie über diese Pandemie und ihre Bekämpfung. Einerseits kommen negative Argumente. Andererseits sieht ein Partner auch etwas Positives in der Situation, auch wenn es für die Beiden im Augenblick des Geschehens nicht so ist. Ungewöhnlich dann der Ausgang, den ich hier aber nicht verrate. Nur so viel: es wird kein kitschiges Happy End. Auch bei den Namen der Proponenten hat sich René Freund etwas überlegt: Davids Tinder Name ist David19. Kombiniert mit den Anfangsbuchstaben von Corinna und dem zweiten Teil von Davids Namen ergibt dies Co-vid19 }, keywords = {COVID19, Date, Tinder}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{FRISCHMUTH2021b, title = {Dein Schatten tanzt in der Küche}, author = {Barbara FRISCHMUTH}, year = {2021}, date = {2021-08-01}, abstract = { FRISCHMUTH, Barbara: „Dein Schatten tanzt in der Küche“, Erzählungen, Berlin 2021 Bereits in der ersten Geschichte dieses Buches zeigt sich Barbara Frischmuth als große Meisterin der Erzählkunst. Es ist eine Geschichte, die mit dem Buben Adnan beginnt und mit ihm endet. Darya flüchtet mit ihrem (inoffiziell) Verlobten. Ein Bub – Adnan - testet sein Messer am Schlauchboot, in dem sie flüchten und das Boot sinkt. Dabei stellt sich heraus, dass der Verlobte von Darya nicht schwimmen kann. Darya versucht ihn zu schleppen, scheitert aber und kommt bewusstlos an Land. Sie ist traumatisiert. Trotzdem fasst sie schnell Fuß. Integriert sich. Lernt die deutsche Sprache und bekommt einen Job. Um ihre Familie zu Hause nicht in Schwierigkeiten zu bringen, hält sie keinen Kontakt. Als sie dann Adnan, den Buben, der das Boot zum Sinken brachte, als Schüler bekommt, aktiviert sie wieder ihre arabische Muttersprache. Die Vergangenheit holt sie wieder ein. Sie telefoniert mit der Mutter. Vieles hat sich zu Hause verändert. Der Vater ist gestorben. Darya versucht mit Jemandem darüber zu reden, aber auch ein Freund hat keine Zeit. Sie nimmt Schlafpulver, um zu testen, wem sie abgehen würde. Leider wird sie nur mehr tot gefunden. Auch in der folgenden Erzählung bewegt sie sich im Thema der Migration. Bei „Enkelhaft“ sucht eine Tochter das Ursprungsland der Mutter auf und hinterlässt ihr das Kind des Freundes zum Babysitten. In „Kein Engel vor der Tür“ verliert eine mittelmäßige Schauspielerin ihre gesamte Familie. Nahe am Notstand lebend lernt sie im Alter von über 70 Jahren einen ehemaligen Freund und Liebhaber kennen. Die beiden verlieben sich und verbringen bereits die erste Nacht in der Wohnung der Frau. Am Morgen muss sie feststellen, dass der Liebhaber in ihrem Bett gestorben ist. Das Buch umfasst fünf Geschichten. In der vorletzten – „Die Katze, die im Sprung gefror“ – wird das Leben einer Frau erzählt, wie sie aus der Stadt aufs Land zu einem Bauern zieht. Die Landwirtschaft ist nicht mehr lukrativ und er muss als Nebenerwerbsbauer weitermachen. Für seinen Sohn wird Feld für Feld und Acker für Acker verkauft, um sein Studium und dann seine wissenschaftlichen Expeditionen zu unterstützen. Letztlich wird auch das Haus verkauft und daneben ein kleines, für das alternde Paar, gebaut. Der Mann lebt nur mehr kurze Zeit und die Frau bringt sich allein durchs Leben. Ein Frauenschicksal, das es sicher oft gibt und hier von Barbara Frischmuth auf die literarische Bühne gebracht wird Die längste Geschichte dieses Buchs ist die letzte: „Die Rötung der Tomate im Winter“. Es geht um das Paar Doris und Ödon. Jeder Person wird ein Kapitel gewidmet und so kommen die Blickwinkel dieser beiden Menschen und ihrem Schicksal zum Vorschein. Doris verlor im sechsten Monat ihr Kind, das von Ödon stammte. Die Hochzeit war schon angesagt, als Ödon aus einer Dienstreise einen Brief schickte, um mitzuteilen, dass er glaube, sie sei nicht die richtige Frau. Die Hochzeit wurde abgesagt. Doris versuchte wieder Tritt zu fassen. Änderte Jobs und landete in einer Gärtnerei. Auch ihr Vater hatte eine Gärtnerei. In den taubstummen Sohn des Arbeitgebers verliebte sie sich. Ja, sie wurde von ihm schwanger. Als sie gemeinsam mit dem Rad unterwegs waren kam es zu einem Unfall, bei dem sie starb. Nun die Geschichte von Ödon. Sein Vater war Alleinerzieher. Ein Künstler. Sie flüchteten aus Ungarn und zogen zu einem Onkel in Wien. Er war homosexuell und förderte das Leben des jungen Ödon. In der Schule verliebte er sich in ein junges Mädchen, das mit ihren Eltern aus Lateinamerika zurückkam und – so wie er – schlecht Deutsch sprach. Er studierte später Wirtschaft und verbrachte einen Teil der Studienzeit in England. Bedingt durch seine Sprachkenntnisse fasste er Fuß in einem Immobilienbüro. Das Paar verlor sich. Die Freundin heiratete einen Gärtner. Bei einem Begräbnis trafen sie sich wieder und er wurde eingeladen. Die ehemalige Freundin hatte ein vierjähriges Mädchen. Das Kind wuchs heran und Ödon kümmerte sich immer mehr um sie. Er war 25 Jahre älter. Trotzdem fanden sie zusammen. Und hier treffen sich die beiden Geschichten wieder. Sie wurde von ihm schwanger und verlor das Kind im sechsten Monat. Er sagte die Hochzeit ab, weil er in seinem Geburtsland in eine alte Depression zurückgefallen war und Selbstmord beging, den er aber überlebte. Er will wieder zu seiner Doris. „Bis der Tod uns scheidet!, sagte er mehrmals laut vor sich hin. Vielleicht würde es ihnen sogar gelingen, sich auch vom Tod nicht scheiden zu lassen, sondern ihm in unverbrüchlicher Gemeinsamkeit entgegenzutreten, wenn es so weit war“ (Seite 222) Mit diesem Satz endet das Buch. Ob Ödon da schon wusste, dass „seine“ Doris schon tot war? Für den Leser bleibt es offen. Barbara Frischmuth ist nicht eine Dichterin mit gutem Namen, die eben weiter Bücher produziert, sondern jedes neue Werk ist ein Meisterwerk. Sie beruft sich nicht auf den Erfolg ihrer Vergangenheit, sie stellt ihn immer wieder neu unter Beweis. }, keywords = {Erzählungen, Flucht, Frauen, Migration, starke Frauen}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Rauscher2021, title = {Drei ungewöhnliche Reisen}, author = {Johann Rauscher}, year = {2021}, date = {2021-07-29}, abstract = {RAUSCHER, Johann: „Drei ungewöhnliche Reisen“, Munderfing 2018 Meine Erfahrungen mit dem Thema Tibet und dem Verhältnis zu China sind zwar andere, aber das vorliegende Buch von Johann Rauscher ist gut und interessant geschrieben. Natürlich steckt da auch viel Propaganda dahinter. Sowohl von chinesischer, aber auch von westlicher Seite. Die im Buch vertretenen Standpunkte in Bezug auf Tibet sind typisch westlicher Politik entnommen. Inzwischen hat sich aber viel verändert und Minderheiten wie die Tibeter werden sehr bevorzugt behandelt. Mönche bekommen ein Grundeinkommen vom Staat und Tibeter haben Steuererleichterungen. Johann Rauscher erzählt hier von einer Reise nach Indien, wo er tibetische Einrichtungen besucht hat und letztlich sogar die Patenschaft für ein Mädchen übernommen hat. Nach 14 Jahren macht er wieder eine Reise und besucht das Patenkind, das an einer Krankenschwesternschule in Südindien studiert. Gemeinsam besuchen sie einen Onkel, der Mönch ist, in einem Kloster. So bekommt der Autor einen Einblick in das Leben der Tibeter in Indien. Eine gute Sache, wenn man so Entwicklungshilfe leistet und die Gelder direkt ankommen. Vielleicht kommt das Mädchen mit ihrer guten Ausbildung wieder nach Tibet, der ursprünglichen Heimat zurück. }, keywords = {Entwicklungshilfe, Indien, Tibet}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{vonSchirach2021, title = {Gott}, author = {Ferdinand von Schirach}, year = {2021}, date = {2021-07-27}, abstract = {SCHIRACH, Ferdinand von: „Gott“, München 2020 Es ist dies ein Theaterstück, in dem es um Sterbehilfe geht. Ein 78-jähriger Mann, dessen Frau verstorben war, findet keinen Sinn mehr im Leben und will dieses beenden. Er ist völlig gesund und auch psychisch OK, aber er will „in Würde“ aus dem Leben scheiden. Dazu fragte er seine Ärztin, ihm das Medikament zur Vergiftung zu verschreiben. Das Stück spielt in einer Sitzung der Ethikkommission, in der der Präsident der Ärztekammer, ein Bischof, die den Mann behandelnde Augenärztin, ein Rechtssachverständiger und der Rechtsanwalt von Herrn Gärtner – so heißt der sterben Wollende - auftreten. Der Ort der Handlung ist der Saal der Akademie der Wissenschaften in Berlin. Der Autor, Herr Schirach, hat in diesem zweiaktigen Stück alle Ansichten sehr gut dargestellt und keiner ein Übergewicht gegeben. Der Ethikrat will dieses Thema thematisieren und zu einer öffentlichen Diskussion führen. Deswegen die vorhin aufgezählte Zusammensetzung der Teilnehmer. Das deutsche Strafgesetzbuch aus dem Jahr 1872 verbietet eine derartige Hilfe nicht und „was das Gesetz nicht verbietet, ist erlaubt.“ (Seite 29) Die Situation verschärft sich aber, wenn ein junger Mensch, der Liebeskummer hat sich töten will. Gedacht wird auch der 300.000 körperlich oder geistig behinderten Menschen, die während des Naziregimes ermordet wurden. Die gesetzliche Freigabe der Beihilfe zur Tötung könnte, aus der Sicht der Gegner, wieder zu solchen Auswüchsen führen. Auch religiöse Gründe können nicht ins Treffen geführt werden. Es gibt zwar die Freiheit zum Glauben und zur Religionsausübung, aber „Gott ist keine Person, keine Institution, keine Firma bürgerlichen Rechts oder etwas Ähnliches. Gesetze können ihn weder verpflichten noch ihm Rechte zusprechen.“ (Seite 41) Obwohl viele westliche Staaten ihre Werte auf christlichem Denken aufbauen. Diese sind aber nur eine Präambel und drücken Demut aus. Sterbehilfe gibt es in der Schweiz, den Niederlanden, Schweden, Belgien, Luxemburg, Kanada und verschiedenen US-Bundesstaaten. In Deutschland hat das Bundesverfassungsgesetz 2020 Suizidhilfe grundsätzlich erlaubt. Der medizinische Sachverständige beruft sich auf den Hippokrates Eid der Ärzte, der sich grundsätzlich nur auf Heilung der Patienten bezieht und eine Tötung verbietet. Die Argumente des Mediziners beeindrucken den Rechtsanwalt nicht, denn auch bei der Einführung der Antibabypille gab es ärztliche Proteste. Auch der Bischof lehnt die Tötung ab und bezieht sich auf die 2500 Jahre lange „Übereinkunft, solche Akte der Gewalt, die das eigene Leben beenden, abzulehnen.“ (Seite 74) Er sieht in diesem Gesetz einen Druck, der auf alte Menschen ausgeübt wird, sich umzubringen, weil sie eine Belastung für die Gesellschaft oder die eigene Familie sind. „Ich will nur niemandem zur Last fallen.“ (Seite 78) Obwohl es einer harten Diskussion zwischen dem Theologen und dem Rechtsanwalt kommt, bleiben die Argumente doch stehen. Alle Experten dieses fiktiven Stücks kommen mit ihren Argumenten voll zur Geltung. Kein Standpunkt wird bevorzugt vorgestellt. Das Stück ist demnach eine neutrale Abhandlung des Problems, in dem jeder seine eigene Meinung finden muss. Im Publikum kommt es nach einer Pause auch zu einer Abstimmung. Jeder deklariert sich ob dieses Gesetz exekutiert werden soll oder nicht. Im zweiten Akt kommt das Schlussplädoyer, ohne einem Abstimmungsergebnis, ob diese Selbsttötung erlaubt werden soll oder nicht. Die Vorsitzende lässt auch hier alles offen und spricht einerseits von der persönlichen Freiheit der westlichen Welt, zu der auch die Selbstbestimmung über das eigene Leben gehört und andererseits sei es kein gesellschaftlicher Fortschritt, sondern eine Perversion. Es geht um die zentrale Frage „Wem gehört unser Leben?“ Niemand könne diese Frage beantworten. „Wir können nie letztgültig wissen, was richtig und was falsch ist, absolute Urteile über die Welt gibt es nicht.“ (Seite 117) So muss sich auch der Leser selbst eine Antwort geben. Der Autor des Stücks bietet nur die Argumente. }, keywords = {Beihilfe zum Töten, Selbstmord}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{vonWOLZOGEN2021, title = {Der Kraft-Mayr}, author = {Ernst von WOLZOGEN}, year = {2021}, date = {2021-07-21}, abstract = {WOLZOGEN, Ernst von: „Der Kraft-Mayr“, Erster Band, Stuttgart 1897 Florian Mayr ist die zentrale Figur des Romans „Der Kraft-Mayr“. Er ist ein junger Pianist, der sich sein Geld mit Unterrichtsstunden verdient. Er ist in seiner Stadt gut eingeführt und unterrichtet Töchter von angesehenen Häusern. Durch verschiedene Missverständnisse kommt er in Misskredit und verliert fast alle seine Schüler. Er lebt nur mehr von Ersparnissen und muss sich nun auf die Möglichkeit von Konzerten konzentrieren. Dazu fährt er nach Weimar und mietet sich dort ein Zimmer und sucht den Kontakt zu Franz Liszt, der jedes Jahr dort für längere Zeit absteigt. Viele Anhänger kamen im Tross von Liszt mit nach Weimar. Florian Mayr lernt neue Gesellschaftsschichten kennen. Er hat Glück und bekommt einen Zugang zu Liszt, ja er wird sein Assistent. Daneben verliebt er sich in eine Ungarin, der er, auf Anweisung von Liszt, Unterricht gibt. Das Buch handelt in der Zeit von Liszt und beschreibt den genialen Komponisten durch seinen Schüler Mayr. }, keywords = {Franz Liszt, klassische Musik, Pianist, Weimar}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{KLEMM2021b, title = {herzmilch}, author = {Gertraud KLEMM}, year = {2021}, date = {2021-07-15}, abstract = {KLEMM, Gertraud: „Herzmilch“, Wien 2014 Das Buch erzählt von einem Mädchen und wie es eine Frau wird. Das Buch – und damit auch der Kreis - schließt damit, wie diese Frau selbst ein Kind bekommt und wie sich dieses Kind verhält. Immer aber steht das Weibliche im Mittelpunkt, ohne dass es aufdringlich feministisch ist. In sehr schönem Stil beschreibt die Autorin das „Frauwerden“. Sie beginnt mit der Kindheit in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts. „Ich wachse auf im Gelbton der Siebzigerjahre. Ich laufe neben dem Leben der Eltern her. Die warten nicht, bis ich mir alles ganz genau angesehen habe. Die ziehen mich weiter.“ (Seite 9/10) Das Mädchen wächst in einem Mehrfamilienhaus auf, das der Großvater für seine Kinder gekauft hatte. So wohnt das Mädchen mit seinen Eltern, Onkeln und Tanten und Cousinen gemeinsam auf. Durch ihren Bruder erlebt sie erstmals den Unterschied, wie Buben und Mädchen behandelt und erzogen werden. „Wir Mädchen weinen, wenn uns der harte Völkerball trifft, und wir haben bessere Noten. Wir haben Handarbeiten statt Werken und wir prügeln uns nicht.“ (Seite 42/43) Die Eltern sind berufstätig. Als Schulmädchen erlebt sie Mütter von Freundinnen, die immer zu Hause sind. Dann kommt das Erwachsenwerden. Die Brüste wachsen und die Menstruation setzt ein. „Erwachsensein ist ein trüber Schwall; der mir aus der Zukunft entgegenschwappt: du musst, du sollst, du wirst einmal, du wirst schon noch.“ (Seite 61) Mit dem Satz „Eine Frau ist man aber erst, wenn man sich einen Penis in die Vagina stecken lässt.“ (Seite 69) bringt sie eine Definition, wie sie von Pubertierenden gesehen wird. In der Mittelschulzeit kommen erste emanzipatorischen Züge auf. Burschen spielen eine immer bedeutendere Rolle. Auch während des Studium. Nach abgeschlossenem Studium bekommt sie – durch Protektion ihres Vaters – einen Job als Assistentin an der Universität. Sie ist damit zufrieden. Sie merkt erst nach einem Mitarbeitergespräch, dass ihr „vierzig Wochenstunden, 10 Stunden Überstundenpauschale, 5 Wochen Urlaub, 14 Monatsgehälter“ (Seite 128) ausreichend sind. Mehr will sie nicht. Obwohl: ja. Da fehlt ihr ein Mann. Sie kritisiert ihr Aussehen. Männerbekanntschaften kommen und gehen „Die Männer spült der Alltag in mein Leben und er spült sie auch wieder hinaus aus meinem Leben.“ (Seite 134) Alle Freundinnen haben Familie und Kinder und ihr Alter schreitet ohne dem fort. Viele Männerfreundschaften währen nur kurz. Von einem wird sie schwanger. Er will aber kein Kind und drängt zur Abtreibung. Sie verlässt ihn und zieht ihr Kind – eine Tochter – allein auf. Die Probleme mit Kindern umzugehen, werden bei einer alleinerziehenden Mutter noch stärker und sie werden hier sehr gut beschrieben. Das Mädchen kommt in die Schule und merkt zunehmend, dass ein Vater fehlt. Sie fordert ihn ein und es kommt zum Zusammentreffen. Letztlich führt es auch die Eltern wieder zusammen und es endet mit einer Familie. Einer heilen Familie? Sie hadert immer noch und stellt Vergleiche an. Was würde geschehen, wenn keine Mädchen mehr zur Welt kommen würden? Oder wie würde diese Welt aussehen, wenn keine Buben mehr gezeugt würden? Ein interessantes Gedankenspiel. Ihre Parole aber lautet „Die Frau braucht einen Knochen im Herz. Damit der das Herz hart macht. Das Herz darf nicht so weich sein, weil sonst die Männer und die Kinder das Herz in die Faust nehmen und es drücken.“ (Seite 229) Das Buch ist kritisch den Frauen gegenüber und zeigt auch deren Benachteiligungen auf. Es ist aber auch kritisch gegenüber den Emanzen und Politikerinnen, die für mehr Frauenrechte kämpfen – oder so tun als würden sie kämpfen. }, keywords = {Emanzipation, Frau}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{EVERETT2021, title = {Das glücklichste Volk. Sieben Jahre bei den Praha-Indianern am Amazonas}, author = {Daniel EVERETT}, year = {2021}, date = {2021-07-10}, abstract = {EVERETT, Daniel: „Das glücklichste Volk. Sieben Jahre bei den Praha-Indianern am Amazonas“, München 2010 Ein guter Freund hatte mir das Buch schon mehrmals empfohlen. Ich hatte es auf meiner Wunschliste, konnte aber mit dem Titel nicht viel anfangen. Letztlich kaufte und las ich es doch und ich war begeistert. Ein amerikanischer Missionar übersiedelt mit seiner Familie – zwei kleinen Kindern und Frau – zu Indianern am Amazonas. Er versucht deren Sprache zu lernen. Seine Auftraggeber erwarten sich eine Bibelübersetzung in diese Sprache, um auf diese Art die Eingeborenen von ihrer Religion zu überzeugen. Sieben Jahre hat der Wissenschaftler und Missionar bei den Indianern in einer Hütte in deren Dorf gelebt. Dabei musste er Abschied nehmen von einer westlichen Zivilisation und damit auch viele Risiken eingehen. Etwa, als seine Frau und ein Kind krank wurden. Niemand konnte in der Wildnis helfen. Der nächste Arzt war weit weg. Er versuchte sie mit dem Boot und zu Fuß in die nächste Stadt zu bringen. Fast wären sie dabei gestorben. Mühen, die wir in unserer zivilisierten Welt nicht kennen. Als Leser stellt man sich auch die Frag „Warum macht das ein Mensch, der aus einem gut entwickelten Land kommt?“ Als Linguist war es primär die Sprache, die ihn interessierte. Wobei sein Zugang ein anderer war. Er sah Sprache und Kultur als eine Einheit. Nur wer die Kultur einer Gesellschaft versteht, kann auch deren Sprache verstehen. Das Lachen ist so ein wichtiges Kulturgut. Die Einheimischen lachen über alles, auch wenn es traurig ist. „Sie lachen über ihr eigenes Missgeschick. Wenn ein Unwetter eine Hütte umlegt, lachen die Bewohner selbst darüber lauter als alle anderen. Sie lachen, wenn sie viele Fische gefangen haben. Sie lachen, wenn sie keine Fische gefangen haben. Sie lachen, wenn sie satt sind und sie lachen, wenn sie Hunger haben.“ (Seite 135) Das große Problem ist es, dass ihre Sprache und ihr Denken nur die Gegenwart kennt. Es gibt keine Vergangenheit und keine Zukunft. Sie leben im Jetzt. Nur was sie oder einer von ihnen selbst gesehen hat gilt. Alles Vergangene hat keine Bedeutung. Sie können daher an einen, vor langer Zeit verstorbenen Jesus nicht glauben. Ja, der Linguist findet keine Worte, wie er diese Vergangenheit, die heute keiner mehr selbst gesehen hat, beschreiben soll. „Alle Aussagen der Pirahä sind unmittelbar im Augenblick des Sprechens verankert und nicht zu irgendeinem anderen Zeitpunkt.“ (Seite 200) Sie legen auch keine Lebensmittelvorräte für die Zukunft an. Sie leben nur im Jetzt. In Träumen erscheinen ihnen Geister und Träume und Realität haben denselben Stellenwert. Sie haben keine Zahlen. Als Everett seine Kinder unterrichtete nahm er auch Einheimische in den Unterricht auf. Es war unmöglich ihnen das Zählen zu lernen. In einem Jahr konnten sie immer noch nicht von eins bis zehn zählen. Zahlen und Mengenangaben gibt es in ihrer Kultur nicht. Die Erzählungen machen auch mit der Weite des Amazonasgebiets vertraut. „Der Amazonas fließt über fast 7000 Kilometer von Peru in den Atlantik. An der Mündung ist er etwa 250 Kilometer breit, und die Insel Marajo in seinem Delta ist etwa so groß wie die Schweiz. Viele indigene Völker leben hier. Eines davon sind die Pirahä. Nur mehr einige hundert Menschen sprechen ihre Sprache. Everett versucht diese zu dokumentieren und für die Nachwelt festzuhalten. Auch für ein Reservat der Pirahä setzt er sich ein. Der zweite Teil des Buches widmet sich der Sprache. Es ist eine wissenschaftliche Abhandlung, die für Linguisten sicher von Bedeutung ist. Ich als Laie habe sie nur quergelesen. Nicht die Sprache selbst, sondern die Kultur wurde dem Missionar zum Verhängnis. Sie sagten ihm, er solle seine „Ware anderswo verhökern“. Seine religiöse Botschaft habe für sie keinen Wert. „Es gibt bei den Pirahä kein Gefühl der Sünde und kein Bedürfnis, die Menschheit oder auch nur sich selbst – in Ordnung zu bringen. Im Großen und Ganzen akzeptiert man Dinge so wie sie sind. Vor dem Tod hat man keine Angst. Ihr Glaube ist der Glaube an sich selbst. Es war nicht das erste Mal, dass ich meine religiösen Überzeugungen in Frage gestellt hatte.“ (Seite 396) Nicht er, der Missionar, hat die Einheimischen bekehrt, sondern sie ihn. Er nennt es „Entkehrung“. Er war zwar ein anerkannter Linguist an großen amerikanischen Universitäten geworden, aber er verlor seine Familie und viele seiner Freunde durch diese Umkehr und Abkehr vom Glauben. }, keywords = {Amazonas, Indianer, Missionar}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{TROJANOW2021, title = {Zu den heiligen Quellen des Islam, Als Pilger nach Mekka und Medina}, author = {Ilija TROJANOW}, year = {2021}, date = {2021-07-04}, abstract = {TROJANOW, Ilija: „Zu den heiligen Quellen des Islam, Als Pilger nach Mekka und Medina“, München 2009 Der in Wien lebende bulgarische Autor Trojanow folgt einer tausendjährigen Tradition und bringt eine literarische Reiseerzählung über die Hadsch. Man kann so auch als Nichtmusilm miterleben, wie eine Hadsch abläuft. Der Autor beginnt mit seiner einjährigen Vorbereitungszeit, die er in Indien absolvierte. So bekommt man schon einen ersten Zugang zu dieser, vielen Lesern unbekannten Welt. Mit Sachinformation und persönlichen Erlebnissen wird dann von der Anreise bis zum Abflug nach zwei Wochen berichtet. Es ist sowohl ein sehr persönlicher als auch religiöser Bericht, aber auch eine Kritik an den modernen Gegebenheiten, die diese, für Muslime so wichtige Reise verändert hat. Als er zum ersten Mal die Kaaba, das zentrale Heiligtum, sieht, war er tief ergriffen und „meine Augen füllten sich mit Tränen.“ (Seite 29) Arm und reich beteten zusammen. In der Moschee in Mekka gibt es auch keine Trennung von Männern und Frauen. Trojanow beschreibt auch Mitpilger und deren Verhalten und oft tiefe Gläubigkeit. Am Ende sind den Pilgern alle ihre Sünden vergeben. „… wir waren wie neugeborene Kinder und wir durften uns von nun an Hadschis nennen.“ (Seite 98) Vieles kennen wir auch im Christentum. Die Zikra etwa entspricht dem Jesus-Gebet der Athos-Mönche. Es ist die höchste Stufe des Gebets, bei dem man in jedem Atemzug Allahs Namen trägt.“ (Seite 116) Jedes Jahr kommen Millionen Pilger. Eine riesige organisatorische Herausforderung für die Gastgeber, die Saudis. Das Menschengedränge an den wichtigsten Plätzen ist unvorstellbar und letztlich auch gefährlich. Fast jedes Jahr sterben Pilger, die von den Massen erdrückt werden. Jeder Muslime sollte einmal in seinem Leben in Mekka zur Hadsch gewesen sein. „Du hast nicht richtig gelebt, lautet ein alter Spruch, ehe du nicht auf Hadsch warst.“ (Seite 166) Ein interessantes Buch. Sowohl literarisch, als auch sachlich. }, keywords = {Hadsch, Medina, Mekka, Pilger Muslime}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @article{PAXMANN2021, title = {Schiffe, Salz und Seen. Besondere Ausflugsziele zwischen Salzburg und Passau}, author = {Klaus BOVERS Christine PAXMANN}, year = {2021}, date = {2021-07-02}, abstract = {BOVERS, Klaus; PAXMANN, Christine: „Schiffe, Salz und Seen. Besondere Ausflugsziele zwischen Salzburg und Passau“, Salzburg 2021 Als Rezensent habe ich das Buch nicht nur gelesen, sondern einige der darin beschriebenen Tipps auch selbst ausprobiert. Die Autoren geben diese für „die Landschaft zwischen Salzach und Inn, die sich also zwischen Salzburg, Braunau und Schärding auf der österreichischen sowie Freilassing, Burghausen und Passau auf der bayrischen Seite erstreckt.“ (Seite 10) Bei den Vorschlägen wird darauf geachtet, dass sie in „Slow Motion“ abgearbeitet werden. Deswegen beziehen sich die Tipps auf Wanderungen und Radfahrten. Wie bei einem Adventkalender sind es 24 Stationen, die besucht, beziehungsweise absolviert werden können. Da sich die beschriebene Gegend auf das Grenzgebiet zwischen Bayern und Salzburg bezieht und meist Flüsse die Grenzziehung vornehmen, wird das erste Kapitel den Brücken gewidmet. Achtzehn Brücken gibt es an Salzach und Inn. Die älteste geht auf das 12. Jahrhundert zurück. Der Situation entsprechend heißt es auch „Brücken statt Grenzen“. Oft ging die Grenzziehung hin und her. In 2 ½ Stunden kann man mit dem Fahrrad eine Brückentour absolvieren. Man bekommt beim Lesen auch eine naturgeschichtliche Erklärung für den Unterschied von „Moor“, „Moos“ und „Filz“. Dies zu erforschen, wird mit einer einstündigen Wanderung vorgeschlagen. Nachdem das populäre Weihnachtslied „Stille Nacht, Heilige Nacht“ in Oberndorf entstand, wird dem ein eigenes Kapitel gewidmet. Für Wanderer gibt es dazu „Die Stille-Nacht-Runde“. Da es sich um eine Flusslandschaft handelt, haben und hatten Mühlen große Bedeutung. Wie in Grenzgebieten üblich, entstanden viele Burgen und Verteidigungsanlagen, die in verschiedenen Abschnitten des Buches beschrieben werden. Die größte davon – Burghausen – ist die längste Burg Europas. Bis in diese Gegend zogen sich Gletscher, woraus die vielen Seen entstanden, die zum Baden einladen. Dörfer und Städte wie Schärding werden beschrieben und auf viele Museen hingewiesen. Es ist ein Buch zum Lesen und anschließenden „Abarbeiten“. Mit dem Fahrrad oder zu Fuß. Ich habe mir den Vergleich mit einem Adventkalender erlaubt. Demnach müsste der Abschnitt „Wenn sich drei Flüsse treffen – Stadtrundgang und mehr in Passau“ nicht die Nummer 23 sondern 24 tragen. Aber die Autoren wollten keinen neuen Grenzstreit auslösen und haben – EU-gemäß – die benachbarten Länder gleich behandelt. }, keywords = {Bayern, Inn, Salzach, Salzburg, Tipps}, pubstate = {published}, tppubtype = {article} } @book{HESSE2021b, title = {Wir nehmen die Welt nur zu ernst. Heitere Texte}, author = {Hermann HESSE}, year = {2021}, date = {2021-07-01}, abstract = {HESSE, Hermann: „Wir nehmen die Welt nur zu ernst, Heitere Texte“, Berlin 2019 Hermann Hesse wurde nachgesagt, dass er ein melancholischer Mensch ohne Humor gewesen sei. Der Herausgeber des vorliegenden Buches, Volker Michels, hat Erzählungen, Gedichte und Anekdoten zusammengetragen, mit denen er dieses Vorurteil widerlegen will. Im Nachwort meint er „Er bringt es fertig, über sich selbst zu lachen, ohne Zynismus oder Bitterkeit, sondern mit heiterer Würde und echter Selbstironie.“ (Seite 298) Platz wird auch den Gedichten eingeräumt. Hesse liebte es Gedichte zu verfassen, war damit aber kommerziell nicht so erfolgreich. Er wollte immer schon primär Gedichte publizieren, hatte dabei aber Probleme mit den Verlegern, die lieber Romane publizierten. Im Kapitel „Aus dem Briefwechsel eines Dichters“ wird das sehr anschaulich dargestellt. Manche seiner Erzählungen haben nichts an Aktualität verloren, wie etwa das Verhältnis von Städtern zur Natur in „Die Fremdenstadt im Süden“: „Bekanntlich schwärmt der Großstädter für nichts so sehr wie für die Natur, für Idylle, Friede und Schönheit.“ (Seite 149) Umgekehrt könne er aber damit nicht umgehen, weil er es nicht gewohnt ist. Daher baut für Tourismusbranche für die Städter eine Scheinnatur. Auch die Geschichte „Bericht aus Normalien“ passt zu manchen politischen Vorgängen unserer Zeit. Er stellt darin ein Land vor, das aus einer Irrenanstalt heraus entwickelt wurde. Irr zu sein ist da normal. „Das Anwachsen dieser Anstalt zu einem ganzen Staat und Lande wird von den offiziellen Historikern daraus erklärt, dass infolge der Angst- und Massenpsychosen seit dem Beginn der Gloriosen Epoche jene weitbekannte Anstalt einen solchen Zustrom an Patienten zu bewältigen hatte, dass aus der Siedlung ein Dorf, ein Komplex von Dörfern, endlich ein Komplex von Landschaften und Städten, kurz unser jetziges Land entstanden sei.“ (Seite 129) Den Unterschied zwischen verrückt und normal definiert er mit einem Zoo, wo man als Affe hinter Gittern sei oder als Besucher durch die Gitter blicke. Neben Werken von Hermann Hesse kommen im Buch auch andere Autoren zu Wort und schreiben über ihn. So etwa Briefe und Auszüge aus dem Tagebuch seiner Mutter.}, keywords = {Hermann Hesse, Humor}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{BOYER2021, title = {Setzen, 5! Die pädagogische Herausforderung ist eine andere ...}, author = {Heinz BOYER}, year = {2021}, date = {2021-06-20}, abstract = {BOYER, Heinz: „Setzen, 5! Die pädagogische Herausforderung ist eine andere …“, Berndorf 2021 Es ist eine Hommage an den Manager, Business Mann, Pädagogen und Bildungseinrichtungsgründer Heinz Boyer. Aber es ist auch wichtig, dass dies verschriftlicht wurde, weil Erfahrungen weitergegeben werden sollen. Die erzählte Geschichte, woher er kommt, welche Wege er gegangen ist und was er geschaffen hat, gibt ein besseres Verstehen der Person. Ich habe selbst einige Zeit mit ihm zusammengearbeitet, aber im Berufsleben besteht keine Zeit zum Zurückschauen und zu fragen „Woher kommt der?“, „Wieso macht er das?“, „Wie schafft er das?“. Im Buch wird sein Werdegang präsentiert. Von der Kindheit, der Schulausbildung, dem Leben im Internat und dem Studium, das er neben seiner früh gegründeten Familie bewerkstelligte. Schon als junger Lehrer bekam er die Chance einen neuen Schultyp, eine Tourismus-Fachschule aufzubauen. Er nützte die Chance und vervielfältigte diese Idee an anderen Standorten und letztlich auch international. Als in den 90er Jahren in Österreich die Fachhochschulen gegründet wurden, war er der Einzige, der so eine Fachhochschule auf privater Basis auf die Beine stellte. Nach dem Erfolg im Higher Education Bereich gründete er einen neuen Grundschultyp. Somit hat er die Bildungskette von den Kindern bis zu den Studenten geschlossen. Er erzählt in diesem Buch aber nicht nur selbst, sondern lässt auch Mitstreiter, Kollegen und Mitarbeiter zu Wort kommen. Seine Ideen, die er auch praktisch umgesetzt hat, stellt er als Forderungen für das Schulsystem auf. Verantwortung, Delegation, Wirtschaft und Bildung sind nur einige. Es war wichtig, dass dieses Buch geschrieben wurde. So können andere darauf aufbauen und lernen. }, keywords = {Bildungssystem, Fachhochschule, Gründer, Österreich, Tourismus}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{EL-ADL2021, title = {Die Welt der Frau}, author = {Doaa EL-ADL}, year = {2021}, date = {2021-06-20}, abstract = {EL-ADL, Doaa: „Die Welt der Frau“, Linz 2020 Doaa El-Adl ist eine bekannte ägyptische Karikaturistin. Im vorliegenden Buch zeigt sie 50 Cartoons aus ihrer Heimat über Frauen. Bei den einzelnen Thematisierungen wird dem Leser (Schauer) bewusst gemacht, dass die Welt im arabischen Raum nicht viel besser oder schlechter ist als im Westen. Viele, der aufgezeigten Diskriminierungen passieren auf allen Ländern der Welt. Etwa wie Männer, wenn sie verheiratet sind, ihre Frauen anders sehen. Ein Teil der Karikaturen bezieht sich auf die unterschiedliche Behandlung von Frauen und Männern. Wie für ein und dieselbe Tat das Strafausmaß für Frauen höher ist als für Männer und wie generell die Abhängigkeit der Frauen von den Männern ist. Hier trifft das Sprichwort „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ zu. Die Bilder muss man gesehen haben, man kann sie als Rezensent nicht beschreiben. Doaa El-Adl gibt einerseits einen Einblick in die Frauenrolle in ihrem Heimatland Ägypten, gleichzeitig wird dem „Leser“ aber auch bewusst gemacht, dass es in anderen Ländern nicht sehr viel besser ist. Wunderbare Zeichnungen, die das jeweils angesprochene Thema auf den Punkt bringt. Sehr empfehlenswert. }, keywords = {Ägypten, Diskriminierung, Frauen, Karikatur}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{DÜRRENMATT2021, title = {Labyrinth, Stoffe I – III, Der Winterkrieg in Tibet, Mondfinsternis, Der Rebell}, author = {Friedrich DÜRRENMATT}, year = {2021}, date = {2021-05-22}, abstract = {DÜRRENMATT, Friedrich: „Labyrinth, Stoffe I – III, Der Winterkrieg in Tibet, Mondfinsternis, Der Rebell“, Zürich 1998 Der 1921 geborene Dichter Friedrich Dürrenmatt beschäftigte sich mit einer Art Biografie seit 1964. Es ging ihm – neben einer Beschreibung des eigenen Lebens - um Ergänzungen und Argumentationen seiner Werke. Diesem Thema ging er dann ab 1969 intensiver nach. Der Verlag teilt das Manuskript in mehrere Bücher auf. Der hier besprochene Teil erschien 1981 und umfasst 3 Geschichten: „Der Winterkrieg in Tibet“, „Mondfinsternis“ und „Der Rebell“. Alle drei Themen hatten in älteren Werken schon Abhandlungen gefunden. Hier wird versucht die ursprüngliche Idee abzubilden. Der Winterkrieg ist eine Art Dritter Weltkrieg. Aber immer wieder ist das persönliche, eigene Leben eingeflochten. Etwa in der Formulierung „Ich machte eine gutbürgerliche Jugend wie eine Krankheit durch, ohne Kenntnisse der Gesellschaft und ihrer Zusammenhänge, behütet, ohne behütet zu sein, immer wieder gegen einen Zustand anrennend, der nicht zu ändern war.“ (Seite 50) Interessant auch seine Sicht der Position, die die Schweiz während des Zweiten Weltkriegs einnahm. Die Schweiz war isoliert. Er kam als Jugendlicher nur mit dem Fahrrad ins Ausland. Selbst war er dann zum Militärdienst eingezogen, den er mit wenig Überzeugung ableistete. Er sah auch die Gefahr der Schweiz. Einerseits neutral zu sein und andererseits den Deutschen Truppen Transporte durch ihr Land zu erlauben. Die Abweisung der vielen Juden an der Grenze luden Schuld auf das Land. Frieden wäre besser gewesen. Gott sei für den Frieden zuständig, der habe aber „andere Pläne oder war anderswo beschäftigt.“ (Seite 60) In der Mondfinsternis erzählt er vom Vater, der Pfarrer war und dessen Einfluss auf sein Leben. Wie er als Student erstmals von zu Hause weg lebte und wie es ihm dabei erging. In der eigentlichen Geschichte „Mondfinsternis“ geht es um einen, in Kanada reich gewordenen Dorfbewohner, der im Alter zurückkommt, um sich an einem Nebenbuhler zu rächen. In Übersee war er reich geworden und bietet den Bewohnern des kleinen Bergdorfs mehrere Millionen an, wenn sie diesen Mann ermorden. Sie machen es für Geld. Die Konflikte und Streitigkeiten ergeben ein interessantes Thema. Letztlich kommt der Reiche aber selbst um. Im „Rebell“ erzählt er zu Beginn wieder persönlich von seiner Zeit in der Rekrutenschule, um dann zum Thema zu kommen. Ein Bub hat eine alleinerziehende Mutter. Sie geht täglich fein gekleidet aus und kommt erst am Morgen wieder heim. Irgendwann bleibt sie dann ganz weg. Von seinem Vater weiß er nur wenig, forscht aber mit zunehmendem Interesse nach. Er reist den Spuren des Vaters nach und kommt in ein fernes Land, dessen Sprache auch sein Vater sprach und die er sich selbst angelernt hatte. Dort wird er selbst zum Rebell. Wie ein Erlöser wird er erwartet, damit das Volk von einer unterdrückenden Herrschaft befreit würde. }, keywords = {Biografie, Dritter Weltkrieg, Rebellion, Schweiz}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{KEHLMANN2021, title = {Mein Algorithmus und ich}, author = {Daniel KEHLMANN}, year = {2021}, date = {2021-05-11}, abstract = {KEHLMANN, Daniel: „Mein Algorithmus und ich“, Hamburg 2021 Stuttgart hatte zu Beginn 2021 eine Vortragsreihe mit dem Titel „Stuttgarter Zukunftsrede“ gestartet. Der erste Redner war Daniel Kehlmann, der über seine Erfahrungen mit einem dichtenden Computer berichtete. Ein Jahr zuvor wurde er ins Silicon Valley eingeladen, um gemeinsam mit einem Rechner zu dichten. Seine erste Erkenntnis war es, dass seinem Gegenüber so etwas wie Bewusstsein fehlte. Da unterschied er sich klar. „Ich weiß, wie es ist, ich zu sein, hier zu stehen, zu sprechen; mein Dasein hat eine Innenseite.“ (Seite 12) In mehreren Beispielen zeigt er seine Dichtererfahrungen, die primär erst in der englischen Sprache funktionierten. Mit den Ergebnissen war er aber nicht zufrieden. Trotzdem ist er zukunftsgläubig und meint „dass die Evolution nicht vorbei“ sei. „Die höhere Stufe muss sich nicht organisch aus der niederen entwickeln, sie kann auch von der niederen technisch, schöpferisch hervorgebracht werden.“ (Seite 50) Selbst wolle er aber die Zukunft nicht erleben. Auch nicht, wenn ihm das eine Zeitmaschine möglich machen würde, denn er denkt, dass es liebgewordene Dinge wie Musik oder Literatur nicht mehr geben wird. Zu seinen Computerdichtungen sagt er sehr klar „Und ich konnte mit ihm keinen Text schreiben, der künstlerisch hätte bestehen können. In dieser Hinsicht ist das Experiment gescheitert.“ (Seite 54) }, keywords = {Algorithmus, Computer, Dichten}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HESSE2021, title = {Gertrud}, author = {Hermann HESSE}, year = {2021}, date = {2021-05-10}, abstract = {HESSE, Hermann: „Gertrud“, Frankfurt 2020 Hesse war 33 Jahre alt, als dieses Buch erschien. Ein großartiger Roman. Die Hauptperson – sie erzählt in Ich-Form – ist ein Musiker, ein Komponist. Aber es beginnt mit der Jugend des Protagonisten, der aus einer angesehen und wohlsituierten Familie stammt. Der Vater rechnet damit, dass er, der Nachkomme, den kaufmännischen Betrieb übernimmt. Er aber will Musiker werden. Man lässt ihn gewähren, ohne aber an diese Sache, die ja kein Beruf sei, zu glauben. Während des Musikstudiums in einer entfernten Stadt stellt sich heraus, dass er nur ein mittelmäßiger Musiker werden kann. Aber er genießt die Studentenzeit und verehrt ein Mädchen, mit dem er bei einer verrückten Schlittenfahrt fast sein Bein verliert. Er liegt lange im Krankenhaus und letztlich hinkt er. Er vertieft sich in die Musik und beginnt zu komponieren. Seinem Lehrer zeigt er seine ersten Erfolge. Der aber lobt es nicht, wie er erwartet hatte. Aber er macht es auch nicht schlecht. So kann er mit dem Feed Back nichts anfangen. Er lernt einen Sänger kennen – mit dem ihn später eine innige Freundschaft verbindet -, der von seiner Komposition begeistert ist und diese zur Aufführung bringt. Nachdem der Vater gestorben ist, bleibt er in der Studentenstadt und knüpft eine Beziehung zu einem reichen Musiksponsor. Er bekommt so seine ersten Auftritte und letztlich durch den Sängerfreund auch eine Anstellung im Orchester. Im Haus des Gönners geht er aus und ein. Er ist in die Tochter verliebt, deklariert sich aber nicht, weil er ja „ein Krüppel“ sei. Er führt seinen Freund, den Sänger, ins Haus des Sponsors ein und letztlich heiraten die beiden. Ein schwerer Schlag für den Verliebten und Ungehörten. Er will sich das Leben nehmen. Aber es ergeben sich die Umstände, dass er lebend bleibt. Er hatte eine Oper geschrieben, die mit Hilfe seines Freundes in München aufgeführt wird. Er hat dem Freund viel zu verdanken und er verehrt ihn. Er ist hübsch und attraktiv. Er dagegen ein Krüppel. Trotzdem will er nicht so sein wie er: „Dennoch wünschte ich, wenn ich es auch vielleicht mir vorsagte, nicht zu sein wie er.“ (Seite 73) Oft zweifelt er an sich. „Wozu steht man am Morgen auf, isst, trinkt, legt sich abermals wieder hin? Das Kind, der Wilde, der gesunde junge Mensch, das Tier leidet unter diesem Kreislauf gleichgültiger Dinge und Tätigkeiten nicht. Wer nicht am Denken leidet, den freut das Aufstehen am Morgen und das Essen und Trinken, der findet Genüge darin und will es nicht anders.“ (Seite 118) Für ihn selbst ist es aber nicht so einfach. Er grübelt und denkt und sucht letztlich Zuflucht in der Musik. In der Heimatstadt hat er eine Freundschaft mit einem Musiker und dessen Tochter aufgebaut, der ihm beim Umsetzen und Verfeinern der Oper hilft. Gemeinsam erleben sie die Uraufführung, die ein Erfolg wurde. „Und jetzt erhob sich und erklang vor mir wohlbekannt und doch fremd mein Werk, das meiner nimmer bedurfte und sein eigenes Leben hatte. Lust und Mühe der vergangenen Tage, Hoffnung und schlaflose Nächte, Leidenschaft und Sehnsucht jener Zeit standen losgelöst und verkleidet mir gegenüber, die Erregung heimlicher Stunden klangen frei und werbend in das Haus an tausend fremde Herzen.“ (Seite 155) Bei seinem Besuch musste er, der Komponist, auch feststellen, dass das junge Paar sich zwar liebt und verehrt, aber nicht glücklich ist. Später kommt die Tochter zum Vater zurück, um sich zu erholen. Sie sieht krank aus. Als sie der Ehemann zurückholen will, bittet sie aber noch bleiben zu können. Es kommt zum Streit. Der junge und inzwischen anerkannte Komponist besucht seinen Freund in München. Es kommt zur Aussprache. Er rät dem Freund vom Alkohol zu lassen. Nach einer Aufführung seiner Oper gestaltet der Freund ein Fest. Sie trinken und essen und als Höhepunkt enthüllen sie ein Bild, das der Freund von seiner Frau anfertigen ließ. In der Nacht kommt es zum Unglück: der Sängerfreund beging Selbstmord. Die Witwe bleibt aber verschlossen. Lediglich die Freundschaft bleibt aufrecht. Parallel zu seiner unerwiderten Liebe passierte dasselbe mit der Tochter des Musikerfreundes. Sie ist in ihn verliebt, aber er merkt es nicht. Die Geschichte wird als Lebensrückblick erzählt. Erst als sein Freund tot ist, erkennt er vieles in ihm. „So habe ich in den Jahren, seit Heinrich Muoth begraben ist, ihn mir tausendmal wieder lebendig gemacht und klüger und liebreicher mit ihm reden können als je im Leben.“ (Seite 180) }, keywords = {Freundschaft, Komponist, Liebe, Musiker}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HANDKE2021, title = {Mein Tag im anderen Land}, author = {Peter HANDKE }, year = {2021}, date = {2021-05-02}, abstract = {HANDKE, Peter: „Mein Tag im anderen Land“, Berlin 2021 Es geht um einen von Dämonen besessenen Mann. Handke beschreibt ihn in der Ich-Form. Der Besessene erzählt selbst. Er lebt als Obstbauer mit seiner Schwester. Die Leute im Ort meinten „Irgendetwas stimmt nicht mit dir, schon oben von deinem Scheitelwirbel an!“ (Seite 13) Obwohl er ordentlich gekleidet durch das Dorf geht, weichen ihm die Leute aus. Er redet und schreit vor sich hin. Nichts war ihm an der Schöpfung recht. Die Nächte verbringt er in einem Zelt am Friedhof. Die Schwester sorgte sich um ihn. Nicht dass er anderen etwas antut, sondern sich selbst, denn „Schon als Kind hatte ich, im besonderen der Mutter, angekündigt, ich würde eines Tages mit dem Schädel gegen die Felswand hinter dem Haus rennen, mich in die Jauchengrube stürzen, einen Kopfsprung oben aus der Krone des Kirschbaums in der Dorfmitte machen, und solches von mir gegeben mit einer Bestimmtheit, dass nicht allein die Mutter meine Drohungen ernst nehmen musste.“ (Seite 39) Der erste Teil der Erzählung beschränkt sich auf den Zustand des Irren. Im zweiten Teil folgt seine Genesung. Der Anblick eines Mannes verändert ihn: „Was mich weckte und mich zurück zu mir von früher kommen ließ, das waren die Augen des einen Mannes …“ (Seite 41) Er verlässt sein Land. Setzt mit einem Boot über einen See über zu einem anderen Land, in dem niemand seine Vorgeschichte kennt und wo er ein neues Leben beginnen kann. Er erzählt nichts von sich selbst, sondern hört den anderen zu. Dort findet er auch seine Frau, gründet eine Familie und hat Kinder. Hin zu dieser „Normalität“ kommt er durch eine Wanderung. Die Beschreibung einer Wanderung, wie wir sie von Handke aus anderen, neueren Erzählungen kennen. Im letzten und dritten Teil des Buches führt ihn ein Traum wieder zurück zu seinem Schlafplatz am Friedhof. Er sieht die Situation mit seiner Frau, mit der er nichts Massives gebaut hatte; nur Luftschlösser. Auf diesem virtuellen Traum-Friedhof schreit er „Seid ihr alle da?“ }, keywords = {Besessener, Dämonen, neues Land}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{FRISCHMUTH2021, title = {Natur und die Versuche, ihr mit Sprache beizukommen}, author = {Barbara FRISCHMUTH }, year = {2021}, date = {2021-04-28}, abstract = {FRISCHMUTH, Barbara: „Natur und die Versuche, ihr mit Sprache beizukommen“, Wien Salzburg 2021 Frischmuth versucht eine Grenze zwischen Natur und Kultur zu ziehen und bezieht sich dabei auf Literatur. Der Mensch hat immer schon versucht sich die Natur untertan zu machen. Bedingt durch die derzeitige Erderwärmung wird die Ausbeutung der Ressource Natur bewusst. Im vorliegenden Essay versucht Barbara Frischmuth Natur zu definieren und aufzuzeigen, wie sie in der Literatur zu Wort kommt. Aber nicht nur in Literatur, auch in Wissenschaft und Kultur. Gleich zu Beginn wird die Frage gestellt „Was heißt Natur und was bedeutet der Begriff?“ (Seite 9) Die Autorin greift dabei auf das Griechische und Lateinische zurück, wo es um geboren werden und hervorbringen geht. Die Schöpfung, die natürliche Beschaffenheit, ja auch das Wesen eines Gegenstandes bezeichnet sie als Teil der Natur. Die Sprache an sich, die all dies beschreibt sei aber nicht notwendig zur Kommunikation. Tiere wie Hunde und Katzen informieren sich durch andere Formen und auch der Urmensch war keiner Sprache mächtig und konnte sich trotzdem verständigen. Vieles ist in anderen Sprachen ausgedrückt. Frischmuth forscht auch im Deutschen und kommt zu einer Definition, die „Zeugemutter“ heißt und sowohl den Mann als auch die Frau inkludiert. Im heutigen Sprachgebrauch wird Natur oder „in die Natur gehen“ durch Begriffe wie „chillen“, „relaxen“, Mountainbiken“, „Paragleiten“ oder „joggen“ ersetzt oder umschrieben. Die Summe des Lebens auf der Erde wird mit „GAIA“ zusammengefasst, was über einzelne Lebewesen weit hinausgeht und das Gesamte meint. Auch zur aktuellen Situation und der COVID19 Pandemie nimmt sie Stellung und sagt „Die Welt ist eine ewige Ansteckung“. (Seite 64) In einem Resümee, in das sie Philosophen, Anthropologen, Biologen und Geologen mit einbezieht, drückt Frischmuth die Situation so aus: „Was immer sie an metaphorischer Verfremdung ge- und erfunden haben, um die nicht zu leugnende Gefährdung unserer Welt erkennbar zu machen – sie fordern ein Umdenken ein.“ (Seite 58) Der Federführende der Zerstörung Natur sei aber der Mensch. }, keywords = {Kultur, Literatur, Natur}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{KLEMM2021, title = {Muttergehäuse}, author = {Gertraud KLEMM}, year = {2021}, date = {2021-04-24}, abstract = {KLEMM, Gertraud: „Muttergehäuse“, Wien 2016 Was meint die Autorin mit „Muttergeäuse“? Das „Austragen“ eines Kindes. Alte Kulturen hatten Frauen nur als eine Art Backofen, Brutkasten zum Ausreifen von Kindern gesehen. Heute ist es mehr. Gertraud Klemm erzählt in diesem Roman die Situation eines Ehepaares, das Kinder will, aber es funktioniert nicht. Die Befruchtung kann nicht in Gang gebracht werden. Ärzte werden besucht. Das Paar muss sich vielen Fragen und Kommentaren des Freundeskreises stellen. Letztlich entscheiden sie für die Adoption eines Kindes. Der Behördenweg wird aufgezeigt. Das Kind wird ein dunkelhäutiges aus Südafrika. Schon äußerlich als Adoptivkind erkennbar. Die Mutter muss nicht nur lernen damit umzugehen, dass sie nicht die leibliche Mutter ist, sondern auch, dass es ein andersfärbiges Kind ist. Als das Kind dann ins elterliche Heim einzieht verändert sich deren Leben grundlegend. „Nichts bleibt ganz. Keine Stunde, keine Handlung. Nichts. Dein Tag: unzählige neue Pflichten. Wir sind wie halbiert, haben immer eine Hand zu wenig. Der Schlaf ist ein aneinandergereihtes Aufwachen. Neues stapelt sich. Der kleine Körper ist unendlich fragil und sehr beweglich. Man muss so viel wissen, was man zu lesen verabsäumt hat. Neues türmt sich auf und wir wanken durch die Täler dazwischen.“ (Seite 101) Viele Konflikte tun sich auf. Die Adoptivmutter muss sich gegenüber der Gesellschaft rechtfertigen und stellen, dass es eine „alternative Elternschaft“ (Seite 157) ist. Die Mutter fragt sich „Warum kann ich nicht sein wie die anderen Mütter?“ (Seite 109) Dann der Entscheid für ein zweites Adoptivkind, dessen „Anschaffung“ aber sich durch Probleme wie Kriegen und Unruhen in den „Lieferregionen“, verzögert und so der Abstand zwischen dem ersten und zweiten Kind vergrößert. Der Roman ist in kurze Kapitel gegliedert, die durch Träume abgegrenzt sind. Dadurch ist es angenehm zum Lesen. }, keywords = {Adoption, Schwangerschaft}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{GLATTAUER2021, title = {Die Liebe Geld}, author = { Daniel GLATTAUER }, year = {2021}, date = {2021-04-22}, abstract = {GLATTAUER, Daniel:_ „Die Liebe Geld“, Wien 2020 Es ist ein Theaterstück, das zwar stark überzeichnet, aber so die Realität eindringlich abbildet. Die Realität des Bankwesens. Ein Mann will sein Geld abheben, bekommt es aber nicht. Das Volumen des Abhebens ist gedeckelt. Er meint es sei sein Geld. Die Bankmitarbeiter sind anderer Ansicht. Dies bestätigt, dass Kryptowährungen zunehmend wichtig werden. Im zweiten Teil wird es noch skurriler. Die Bankbeamten übernehmen private Funktionen gegenüber dem Ehepaar, das ihr Geld nicht abheben kann. Auch das ist Realität. Mit zunehmender Automatisierung der Banken müssen sich diese neue Funktionen suchen. Ob sinnvolle ist eine andere Frage. Glattauer zeigt es sehr ironisch auf. }, keywords = {Bankwesen, Geld, Liebe}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Lechner2021, title = {Der Irrweg}, author = {Martin Lechner}, year = {2021}, date = {2021-04-21}, abstract = {LECHNER, Martin: „Der Irrweg“, Salzburg Wien 2021 Es ist schon alles gesagt; was will man da noch Neues sagen? Und doch kann man es. Wie etwa im vorliegenden Buch eine alleinerziehende Mutter, die ihr Schicksal nicht ertragen kann und zur Alkoholikerin – Säuferin wäre das stärkere und passendere Wort – wird. Darunter leidet auch der, bei ihr wohnende, Sohn. Er hätte lieber ein geordnetes Zuhause. Aber die Mutter kehrt – im wahrsten Sinne des Wortes – alles unter den Teppich. In diesem Fall unter ein Tuch, das sie vor dem Ausmalen des Zimmers über die, in der Mitte zusammengerückten Möbel, geworfen hat. Es verbirgt auch Dinge, die man weghaben will. Zum Ausmalen des Zimmers kam sie aber ein Jahr lang nicht. Ein Jahr, das der Sohn als Zivildiener in einer Irrenanstalt verbrachte. Der Grund? In der Schule kursierte auf Sozialen Medien ein Video, das ihn mit seiner stockbetrunkenen Mutter zeigte. Er wurde zum Spott der Mitschüler. Das bewog ihn auch ein Sabbatical, eine Auszeit von der Schule zu machen. Er, der von allen Mitschülern gehänselt wurde wollte sich in einer neuen Umgebung, unter anderen Mitschülern bewegen. Das konnte er, indem er die Klasse wechselte, indem er ein Jahr ausließ. Aber auch nach dem Neueinstieg lebte die Angst weiter. Lechner schreibt in einem teilweise sehr witzigen Stil: „Tatsächlich bewegte er sich so steif und eckig wie eine Sonnenliege bei ihren ersten Gehversuchen.“ (Seite 216) oder „Draußen an der frischen Luft schien sein Gehirn zu einer harten grünen Erbse einzuschrumpfen, die bei jedem Schritt von der einen zur anderen Schädelwand kullerte. Die letzten Nervenzellen, die darin noch Dienst schoben, knisterten in Alarmbereitschaft.“ (Seite 159) Unerwartet fallen diese Wortkonstruktionen ebenso unerwartet über den Leser her. Ja, das Buch hat etwas Neues an sich. Sowohl vom Thema als auch vom Schreibstil. }, keywords = {Alkoholikerin, Alleinerzieherin, Irrenhaus, Mobbing, Schule}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{FUNK2021b, title = {Zwischen du und ich}, author = {Mirna FUNK}, year = {2021}, date = {2021-04-10}, abstract = {FUNK, Mirna: „Zwischen Du und ich“, München 2021 Ein sehr skurriler Roman. Zwar eine ausgefallene Geschichte, die sich in einer jüdischen Gesellschaft bewegt. Auf die Judenvernichtung im Zweiten Weltkrieg zurückblickt, aber auch das heutige Leben in Israel aufzeigt. Stilistisch ist es nicht sehr gut. Die ersten zwei Drittel des Buches ziehen sich. Erst am Schluss kommt Spannung auf und man vergisst die nicht so gute Schreibweise. Die zwei Hauptpersonen sind Nike und Noam. Nike eine junge Frau aus Berlin, die jüdische Vorfahren hat. Sie arbeitet für einen deutschen Austauschdienst und meldet sich für ein Jahr nach Tel Aviv. Als deutsche Frau mit jüdischen Vorfahren bekommt sie die Doppel-Staatsbürgerschaft. Noam ist ein in Israel lebender 40-jähriger Mann. Seine Mutter – eine deutsche Jüdin – hatte die Familie verlassen und der Vater war gestorben. Sein Onkel zog ihn auf. Mehr schlecht als recht. Er hat nie richtig Fuß gefasst. Keine Beziehungen und keinen Dauerjob. Als Kolumnist in einer sozialistischen Tageszeitung wurde er bekannt, aber auch diesen guten Job wirft er hin. Die beiden Akteure teilen sich die einzelnen Kapitel im Buch. Jeweils aus einer Perspektive wird die Geschichte erzählt. Im Zuge des Aufenthalts von Nike in Tel Aviv kommen die beiden zusammen. Sie sind aber sehr unterschiedlich. Noam ist von seinem Onkel abhängig. Er hatte nie einen Fixpunkt. Mit Nike sieht er die Chance eines Neuanfangs, aber es gelingt nicht und endet in einem Desaster. Viele Sätze sind hebräisch und für den unkundigen Leser unverständlich. Hier wäre eine Übersetzung – und sei es nur im Anhang – sehr nützlich. }, keywords = {Beziehungsgeschichte, Israel, Judentum}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{deMAUPASSANT2021, title = {Mademoiselle Fifi. Die schönsten Novellen}, author = {Guy de MAUPASSANT}, year = {2021}, date = {2021-04-05}, abstract = {MAUPASSANT, Guy de: „Mademoiselle Fifi. Die schönsten Novellen“, Wiesbaden 2017 300 Novellen hat Maupassant in seinem Leben geschrieben. 20 befinden sich im vorliegenden Buch. Die erste gab dem Buch den Titel. Fifi ist ein Offizier. Die Geschichte spielt im 19. Jahrhundert. Preußen hat Frankreich besetzt und die preußischen Soldaten – hier in der Normandie – gebärden sich als Wüstlinge. Wohnen in einem Schloss und zerstören vieles. Den Offizieren ist langweilig und sie holen sich aus der Stadt Huren, mit denen sie zuerst Abendessen. Alle sind dann betrunken. Die Soldaten führen patriotische Sprüche und sprechen von ihrer Unterwerfung Frankreichs. Als sie dann auch riefen, dass alle französische Frauen ihnen gehören, wurde eine der Huren aggressiv. Sie sei keine Frau, sondern eine Hure und die Frauen gehören den Franzosen und nicht den Deutschen. Im Zuge dieses Gefechts ergriff sie ein Messer und stach dem Offizier Fifi, der das große Wort führte in den Hals. Sie selbst flüchtete mit einem Sprung aus dem Fenster und der Offizier verstarb wenig später. Der Kommandant sendete alle Soldaten aus, um die entflohene Hure zu finden. Sie bedrohten sich aber nur selbst und es gab bei der Suche Tote und Verletzte aus den eigenen Reihen. Die Hure war unauffindbar. Am Schluss der Geschichte stellt sich heraus, dass die Hure vom Pfarrer im Glockenturm versteckt wurde. Eine Geschichte über das unrühmliche Verhalten von Soldaten, wenn sie die Sieger sind. Duchaux – die zweite Novelle – stellt einen Baron dar, der ein überzeugter Single ist. Er dachte nie an Heirat, da „dieses fürchterliche Dasein zu zweien, in dem Mann und Frau, da sie immer beieinander sind, sich allmählich so genau kennen, dass sie kein Wort mehr sagen können, das der andere nicht schon vorher weiß, wobei sie keine Bewegung machen können, die der andere nicht voraussieht, nichts mehr denken, wünschen, urteilen können, das der andere nicht schon vorher ahnt.“ (Seite 23) Im Alter fühlt er aber die Einsamkeit. Er hat einen unehelichen Sohn den er aufsucht, ohne sich erkennen zu geben. Der Sohn ist Immobilienmakler und er gibt vor ein Grundstück am Meer kaufen zu wollen. Enttäuscht sieht er, was aus dem Sohn mit seiner Familie geworden ist und er fährt nach Paris zurück, um sein bisheriges Leben fortzusetzen. Dann folgen zwei nette Liebesgeschichten. In einer wirft der Mann seiner Geliebten vor, mit ihrem Reden die Liebe zu zerstören. In der zweiten war die Geliebte gestorben. Er verbringt eine Nacht am Grab. Um Mitternacht stehen alle Toten aus ihren Gräbern und ändern die Texte am Grabstein. Die Geliebte löschte die ursprüngliche Zeile „Sie liebte, ward geliebt und starb“ und ersetzt sie mit „Eines Tages ging sie aus, um ihren Geliebten zu hintergehen, erkältete sich bei Regenwetter und starb.“ In der Geschichte „Der Kleine“ wird gezeigt, wie es einem Mann ergeht, dessen Frau bei der Geburt des Sohnes stirbt und er Alleinerzieher wird, um später zu erfahren, dass der Sohn nicht seiner ist, sondern der Vater sein Freund ist. Die längste Geschichte in diesem Buch ist das „Dickchen“. Eine Kutsche verlässt mit Flüchtlingen das von den deutschen Truppen besetzte Rouen in Richtung Westen; weg von den Besatzern. In einer Nacht auf der Flucht fallen sie wieder Deutschen in die Hände. Der zuständige Offizier hält sie so lange fest, bis die mitreisende junge Frau – das Dickchen – ihm Liebesdienste leistet. Ein interessanter Diskurs. Die Novelle „Das Geständnis“ ist ein Testament, das der Vater seinen Kindern hinterlässt und in dem er ein früheres Verhältnis und den Mord seines unehelichen Sohnes gesteht. „Der Schnurrbart“ ist ein Brief einer Frau an ihre Freundin, wo sie beschreibt wie unmännlich ihr Mann aussieht, nachdem er sich seinen Schnurrbart abrasiert hatte. „.. lass dich niemals von einem Mann ohne Schnurrbart küssen. Die Küsse haben gar keinen Geschmack, nicht mehr dieses Reizende, dieses durch Mark und Bein gehende, … Der Schnurrbart ist die Würze des Kusses. Denk dir, dass man dir auf die Lippen ein Stück trockenes Pergament – oder auch feuchtes – legt. Da hast du den Kuss eines schnurrbartlosen Mannes. Er lohnt wirklich nicht der Mühe.“ (Seite 113) Der Vater einer Bäuerin liegt im Sterben. Es ist aber viel Arbeit am Bauernhof. Sie entschließen sich das Begräbnis auf einen Sonntag zu legen, damit sie keine Arbeitszeit verlieren. Leute werden zum Begräbnis eingeladen, aber der Alte lebt noch … In „Rogers Mittel“ gibt der Autor Tipps, wie man dem Versagen in der Hochzeitsnacht begegnen kann. Zum Thema „Träume“ rät ein Arzt seinen Freunden nicht ein Rauschgift, sondern Äther zu nehmen. „Onkel Jules“ ist mit der Erbschaft seines Bruders nach Amerika abgehauen. Er schreibt reich zu sein und die Schuld zurückzuzahlen. Die Familie des Bruders hofft, aber auf einem Fährschiff entdecken sie ihn als verarmten Matrosen. Maupassant kann Details sehr genau schildern. So auch den Zwist eines Ehepaares, das sich bei einem Spaziergang verlaufen hatte (in „Erinnerung“). Eine ähnliche Beziehungsgeschichtenanalyse liefert die Novelle „Die Probe“. Viele Themen nehmen Bezug auf die Besetzung Frankreichs von den Deutschen. Mit Mutter Sauvage wird eine mutige Bäuerin vorgestellt, die, nachdem sie die Verständigung bekam, dass ihr einziger Sohn im Krieg gefallen war, ihr Haus, in dem vier deutsche Soldaten untergebracht waren, anzündete. Die deutschen Soldaten verbrannten. Sie stand zu ihrer Tat und wurde erschossen. Jeder hatte es schon und konnte nicht schlafen. Maupassant beschreibt es sehr ausführlich und detailliert in der Novelle „Der Horla“. In einer aristokratischen Familie liegt der Bruder der Frau im Sterben. Er hatte sich der Kirche abgewandt und wohnte mit Dirnen zusammen. „Als ehemaliger Pair von Frankreich, einstiger Kavallerieoberst, glaubte er, wie behauptet wurde, weder an Gott noch Teufel.“ (Seite 203) Für die Familie wäre es eine Schande gewesen, wenn er ohne letzte Ölung gestorben wäre. Aber man schaffte es, auch wenn nicht sicher war, ob er bei der heiligen Handlung nicht schon tot war und so nicht mehr widersprechen konnte. In der Geschichte „Liebe“ erwartet man eine Liebesbeziehung. Tatsächlich handelt es sich aber um Enten. Als die Jagdgesellschaft das Weibchen abgeschossen hatte, flog das Männchen nicht weiter, bis man auch dieses erschossen hatte. In der letzten Geschichte steht ein Dienstmädchen vor Gericht, das ihr Kind nach der Geburt ermordet und im Garten vergraben hat. Nach ihrer Schilderung des Hergangs wurde sie freigesprochen. Maupassant gibt mit allen seinen Geschichten einen sehr guten Einblick in die Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts in Frankreich. Patriotisch schwingt auch durch, wie die Gesellschaft unter der deutschen Besatzung litt. Ein sehr gutes Zeitzeugnis Frankreichs. }, keywords = {19.Jahrhundert, Frankreich, Novellen}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{JEZOWER2021, title = {Die Befreiung der Menschheit. Freiheitsideen in Vergangenheit und Gegenwart}, author = {JEZOWER, Ignaz}, year = {2021}, date = {2021-04-03}, abstract = {JEZOWER, Ignaz: „Die Befreiung der Menschheit. Freiheitsideen in Vergangenheit und Gegenwart“, Berlin Leipzig Wien Stuttgart 1921 Im Nachlass meiner Mutter, der von meiner Schwester verwaltet wurde, habe ich dieses Buch des Vaters gefunden. Er war ein überzeugter und aktiver Sozialist. Zentralbetriebsrat bei der ÖBB. Von ihm stammte dieses Buch, das auch seine Weltanschauung geprägt hat. Viele Autoren haben eine Geschichte des Sozialismus – oder das, was sie glaubten Sozialismus zu sein – zusammengetragen. Der Inhalt gliedert sich in drei Blöcke: • Die sozialen und revolutionären Bewegungen • Die Ideen und die Entwicklung des Sozialismus • Das Freiheitsbild in der Kunst Im geschichtlichen Teil wird auch auf die international unterschiedliche Entwicklung eingegangen. Revolutionen, die die unterdrückten Gesellschaftsschichten zu mehr Rechten verhalfen. Die aktuelle Situation des Sozialismus (auf die Zeit des Erscheinens des Buches bezogen) wird im zweiten Abschnitt behandelt. Vom „sozialistischen Gedanken“ über die „sozialistische Internationale“ bis hin zum „Reich der Freiheit“. Der dritte Teil entspricht fast einem kunsthistorischen Buch. Es zeigt anhand von Bildern die Freiheitsideale der Gesellschaft auf. Dieses großformatige Buch ist stark bebildert. Ein sehr anspruchsvolles und schönes Buch. Wenn ich den wahrscheinlich hohen Kaufpreis des Buches in Relation zum Monatsgehalt meines Vaters mir vorstelle, dann war es sehr viel Idealismus und Überzeugung der Idee des Sozialismus, die zum Kauf führte. }, keywords = {Freiheit, Geschichte, Sozialismus}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @booklet{NOWAK2021, title = {Napoleon}, editor = {Rainer NOWAK, Die Presse}, year = {2021}, date = {2021-03-30}, abstract = {NOWAK, Rainer: „Napoleon“, Wien 2021 Es ist ein Buch / eine Broschüre der Tageszeitung „Die Presse“. Zu verschiedensten Themen erschienen in der Reihe „Geschichte“ Ausgaben. Jetzt „Napoleon“. Mehrere Autoren haben mitgewirkt und so das Leben Napoleons aus verschiedenen Blickwinkeln beschrieben. Es beginnt mit seiner Zeit in Korsika, zeigt seine verschiedenen Feldzüge, seine Bemühungen in der Politik und seine Verhältnisse und Ehen. Es werden dazwischen aber auch gesellschaftspolitische Hintergrundinformationen wie „Neue Ära der Menschheit“ gegeben. So wird der Mensch Napoleon in sein Umfeld gestellt und so manche Entscheidung und Handlung anders verstanden. Es ist sehr abwechslungsreich geschrieben und gut bebildert. So bekommt man als Leser einen guten Überblick. Die Geschichte auf 100 großformatigen Seiten liest sich leicht und ist sehr informativ. Für den österreichischen Leser wird Andreas Hofer auch in ein anderes Licht gestellt und der noch heute existierende Komplex der Tiroler gegenüber den Wienern verständlich gemacht. Bezug auf spätere und frühere Zeiten werden unter dem Titel „Diktator, Tyrann, Monster“ mit Vergleichen zu Cäsar und Hitler hergestellt. }, month = {03}, keywords = {Frankreich, Korsika, Kriege, Napoleon}, pubstate = {published}, tppubtype = {booklet} } @book{RUPOLD2021, title = {Supermacht China. Geschichte, Politik, Bildung, Wirtschaft und Militär. Die chinesische Weltmacht aus Asien verstehen}, author = {Hermann RUPOLD}, year = {2021}, date = {2021-03-25}, abstract = {RUPOLD, Hermann: „Supermacht China. Geschichte, Politik, Bildung, Wirtschaft und Militär. Die chinesische Weltmacht aus Asien verstehen“, Wroclaw 2020 Auch wenn man glaubt viel über China zu wissen, erfährt man in diesem Buch wieder Neues. Nicht weil der Autor ein Experte ist, sondern weil er die einzelnen Kapitel sehr systematisch und sachlich aufgearbeitet hat. Eine sehr gute Einführung, die auch einen Überblick gibt. Es beginnt mit einer Geschichte Chinas. Die chinesische Kultur ist sehr alt und beginnt mit dem Jahr 7000 vor Christus. Über die vielen Dynastien zu den Kaisern. Es ist dies wohl die längste Kaiserzeit, die es auf dieser Erde je gegeben hat: über 2000 Jahre. So wie in vielen europäischen Ländern kam es Anfang des 20. Jahrhunderts zum Sturz der Monarchien und auch in China zur Ausrufung der Republik. Deren Führer wurden dann von den aufkommenden Kommunisten bekämpft. Interne Bürgerkriege vertrieben die ursprünglichen Machthaber auf die Insel Taiwan, weshalb China noch heute Anspruch auf diese Insel hat. Unter Mao kam es zur Volksrepublik mit all ihren Vor- und Nachteilen. Nach Maos Tod im Jahr 1976 kam es zu einem Systemwechsel. Marktöffnungen, Internationalisierung, Liberalisierung und letztlich zum Aufstieg Chinas zur Weltmacht. Der Wechsel führte nicht nur zu einer Erhöhung des Lebensstandards, sondern auch die Bevölkerung wuchs rasant. Hatte China im Jahr 1953 noch 580 Millionen Einwohner, so waren es 2018 1,4 Milliarden. Das Wachstum wurde auch mit der Einkind-Politik nicht gestoppt. Erst der aufkommende Wohlstand führte zum selben Kinderwunsch, wie in den westlichen Kulturen. Junge Familien wollen grundsätzlich nur ein Kind. So wurde 2016 die Einkind-Politik aufgehoben. Die Bevölkerung konzentriert sich im Osten, wo 92 Prozent der Chinesen wohnen. Auch eine Landflucht setzte ein und China hat heute 15 Megastädte mit mehr als 10 Millionen Einwohner. In 150 Städten wohnen mehr als eine Million Menschen. Chinesen bleiben noch unter sich und nur 0,1 % der Bewohner sind Ausländer. Obwohl wir Europäer und Amerikaner oft glauben, dass viele Chinesen ausgewandert seien, so sind weniger als 10 Millionen im Ausland ansässig. Erstaunlich ist, dass China sich als multiethnisches und multireligiöses Land bezeichnet. 5 Religionen sind zugelassen, wobei Protestanten und Katholiken zusammengefasst werden. Glaube und Staat sind aber strikt getrennt. Chinesen haben einen religiösen Pragmatismus und passen sich je nach Lebenssituation einer Religion an. Der Autor des Buches erklärt dann sehr anschaulich den Aufbau der derzeitigen Regierung. Die Mehrheit der Einwohner verstehen sich als Teil eines demokratischen Staates. Man hat in die Politik großes Vertrauen und Politiker sind die Schutzherren der Einwohner. Bedingt durch das Vertrauen in die Regierung gibt es wenig Widerstand gegen den Staat. Das Rechtssystem kennt keine Trennung zwischen Legislative, Judikative und Exekutive, es ist aber eine Annäherung an westliche Systeme erkennbar. Das Gesundheitssystem wurde radikal verbessert. Aus einem armen Land mit schlechter Versorgung wurde ein vorbildliches. Der Schwerpunkt der Versorgung legt aber auf Krankenhäusern, Kliniken und Versorgungszentren; weniger auf praktizierenden Ärzten. China ist ein föderalistischer Staat. Die Zentralregierung gibt die Regeln vor, für die Umsetzung sind aber die Provinzen zuständig und hier wird oft nicht im Gleichschritt gehandelt. Das zeigt auch das Bildungssystem, das je nach Provinz unterschiedlich ist. China hat sich dem weltweit üblichen System angepasst, wobei die Grundschule und die Mittelschule jeweils 6 Jahre dauern. Es gilt Schulpflicht, lediglich der Kindergarten ist freiwillig. Die Aufnahmeregeln ins Hochschulsystem sind sehr streng. Der Schulbesuch ist ohne Kosten, für Kindergarten und Hochschule muss bezahlt werden. Der Schwerpunkt des Interesses an Universitäten liegt bei naturwissenschaftlichen Fächern. Jedes Jahr werden etwa 42 Millionen neue Studenten aufgenommen. Außenpolitisch wird die Situation Chinas gegenüber Russland, Japan, der USA und Europa beschrieben. Der Autor des Buches räumt dem Kapitel „Wirtschaft“ viel Raum ein. Ist es doch der Bereich, der den Aufschwung brachte. Die Reform- und Öffnungspolitik startete 1978 und führte 2010 zur Weltmachtstellung. Das Exportvolumen steigerte sich in der Zeit von 2 Milliarden Dollar auf 2000 Milliarden Dollar und machte China zum Exportland Nummer 1. Aber nicht nur am Gebiet der Industrialisierung ist das Land führend auch im Bereich der Landwirtschaft, wo es in vielen Bereichen der weltweit größte Produzent ist. Obwohl es ein kommunistisches Land ist, ist der Unterschied zwischen arm und reich groß. China zählt 720.000 Millionäre und 300 Milliardäre. Mittelfristig beteiligt sich China am Energiewandel und sperrt Kohlekraftwerke, um in alternative Energiequellen einzusteigen. Chinas Autoindustrie, das Steuer- und Bankensystem wird beschrieben. Auch dem Thema Tourismus wird ein Augenmerk gegeben: Die Mittelschicht hat begonnen in die Welt zu reisen und viele Ausländer kommen ins Land und machten China zum viertgrößten Tourismusland hinter Frankreich, den USA und Spanien. Der steigende Wohlstand führt auch zum vermehrten Konsum von Luxusgütern, wobei hier die Hauptzielgruppe bei jüngeren Menschen liegt. Die Volksbefreiungsarmee ist mit 2,2 Millionen Soldaten und 1,4 Millionen Reservisten das größte Heer der Welt. Auch ein Faktor, um die Weltmachtführung zu unterstreichen. China steht heute hinter den USA am Platz zwei, will aber mehr und die USA wehren sich durch Strafzölle. Der Autor hat mit diesem Buch einen sehr sachlichen Überblick geliefert, in dem er im letzten Kapitel auch kritische Punkte anspricht. Für jeden, der sich für China interessiert, könnte dieses Buch eine Pflichtlektüre sein. }, keywords = {Bildung, China, Geschichte, Militär, Politik, Wirtschaft}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{ROSEI2021b, title = {Wer war Edgar Allan}, author = {Peter ROSEI}, year = {2021}, date = {2021-03-22}, abstract = { ROSEI, Peter: „Wer war Edgar Allan?“, Salzburg Wien 2021 Dieser Roman war Peter Roseis erster Erfolgsroman. Er erschien 1977. Zu seinem 75. Geburtstag ist das Buch vom Residenz Verlag neu aufgelegt. Der Protagonist ist ein junger Mann, der sein Studium der Medizin abgebrochen hat, sich der Kunstgeschichte widmete und versucht an der Universität in Venedig zu studieren. Die Universität sah er fast nie. Er verfiel in Rauschgift. Dem Hang zum Alkohol und den Drogen entsprechend sind die Tagebuchaufzeichnungen sehr rudimentär und schlagwortartig. Der Stil spiegelt aber auch die Trance der Drogen wider. Er wohnt in bescheidenen Verhältnissen und verkommt. In einem Kaffeehaus macht er Bekanntschaft mit einem mysteriösen Mann – Edgar Allan. Ein Name, der an den Dichter Edgar Allan Poe anknüpft. Der Protagonist – selbst ein Drogenabhängiger – sieht in diesem Herrn einen Drogenboss. Er verfolgt ihn und will ihn überführen. Letztlich wird er eingeladen und bekam in einem Drink Gift, das ihn tagelang in Ohnmacht versetzte. Eine zwielichtige Contessa, die selbst im Rauschgiftmilieu lebt, kommt bei einem Sturz von der Dachterrasse ihres Hauses zu Tode. War es Selbstmord, ein Unfall oder Mord? Die beiden Herren diskutieren es im Café. Am Heiligen Abend verliert sich der Kontakt. Edgar Allen hinterlässt im Haus des Erzählers eine Nachricht, dass er derzeit sehr beschäftigt sei, lädt aber umgekehrt in sein Haus ein. Die Geschichte bleibt also offen. War er der Drogenboss und war dies nur eine Halluzination des jungen Studenten? Die beiden Herren wandern nachts oft durch Venedig und so bekommt man als Leser einen schönen Einblick in die Stadt. Vor allem in einer Zeit, in der es keine Touristen gibt. Im Winter, wo es sogar in Venedig schneit. }, keywords = {Drogen, Edgar Allan Poe, Raufgift, Venedig}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{ROSEI2021, title = {Das Märchen vom Glück}, author = {Peter ROSEI}, year = {2021}, date = {2021-03-18}, abstract = {ROSEI, Peter: „Das Märchen vom Glück“, Salzburg Wien 2021 Eine Geschichte, die angenehm und leicht zu lesen ist. Ein flüssiger Stil. Aber auch das Thema hat einen Tiefgang. Das Glück liegt woanders. Es liegt im Westen. Die beiden Menschen, die dem Märchen zum Glück nacheilen kommen aus Szombathely und Brünn. Beides sind Städte, die nicht weit von der österreichischen Grenze weg sind. Andras kommt aus Szombathely und Eva aus Brünn. Andras arbeitet in einem Supermarkt. Er sortiert und schlichtet Waren. Er macht einen guten Job und der Filialleiter schickt ihn zu einer Weiterbildung. Im Prater lernt er zwei Mädchen kennen. Mit einer – Lena – zieht er später zusammen. Es wird seine Liebe. Sie bekommt ein Kind, gesteht ihm aber, dass es nicht von ihm ist. Das Baby noch im Bauch, erkrankt sie an Krebs und stirbt. Aus Brünn kommt Eva. Sie ist Kellnerin im Zentrum der Stadt. Vor ihrem Arbeitsantritt betet sie in einer nahegelegenen Kirche um einen liebenden Mann. Viele hat sie. Bei einem, der sie nach Venedig einlädt, stellt sich heraus, dass er verheiratet ist. Ein anderer ist gewalttätig und droht sie umzubringen. Sie sucht einen Liebhaber und betet zu Gott, dass sie ihn findet. „Das Beste ist immer nur so lange das Beste, bis sich was Besseres findet.“ (Seite 117) Rosei stellt in diesem Buch mehrere skurrile Personen vor. Sie reihen sich wie eine Perlenschnur aneinander. Der Dichter hat sie genial beschrieben. Wie in einem Zirkus treten die einzelnen Personen auf. Den Reigen begann wie gesagt Andras, der aber bald aus dem Kreis der handelnden Personen abtritt. Eva wird ab diesem Zeitpunkt zur Leitfigur des Romans. Bei ihr und vor ihr treten weitere Verehrer und Liebhaber auf, die sich abwechseln. So kommt sie auch nach Wien, wo sie wieder ihrem Beruf als Kellnerin nachgeht. Einer ihrer Kontakte ist Andras. Er ist ein anderer Typ, als sie es sich erwartet, aber sie kommen zusammen. Letztlich muss sie sein Begräbnis organisieren. Ein weiteres Verhältnis ist ein Adeliger, der ihr ein Geschäft in der Wiener Innenstadt in bester Lage vermittelt und dann ein Galerist, der selbst gerne Künstler wäre. „Natürlich – wie jedes Kind war ich ein geborenes Genie. Das ist mir dann nach und nach abhanden gekommen.“ (Seite 111) Es ist eine Beziehung mit viel Abstand und unregelmäßigen Treffen. Langsam wird es aber mehr. Die handelnden Personen werden älter. Sie stellt ihm ihre Eltern vor. Bei der Rückfahrt im Zug trifft er seine Entscheidung. Offen bleibt es aber, ob es eine feste Beziehung oder eine Trennung wird. Der Leser muss es selbst entscheiden. Der Liebhaber definiert es in den letzten Zeilen des Buches so: „Er sah sozusagen Eva als Ganzes, als Mensch, wie man sagt – und da fühlte er etwas, das er – wie er es auch drehen und wenden wollte – das er, obwohl er jetzt doch wusste, was es war, unbenannt ließ, weil ihm beikam, und mit einem Mal ganz gewiss, dass es so sicherer, ja ganz sicher bewahrt war.“ (Seite 169) Hat Eva das Glück in Wien gefunden? Andras nicht. }, keywords = {Aufstieg, Glück, Liebe}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{TURRINI2021, title = {Die Minderleister}, author = {Peter TURRINI}, year = {2021}, date = {2021-03-15}, abstract = {TURRINI, Peter: „Die Minderleister“, Berlin 2011 Turrini schrieb das Drama „Die Minderleister“ im Jahr 1987. Das war der Höhepunkt einer Krise in der Stahlindustrie. Stahlwerke im Ruhrgebiet wurden geschlossen und die österreichische VOEST führte Massenentlassungen durch. Turrini lässt sein Stück in und um ein Stahlwerk spielen. Ein sogenannter „Ordner“ geht durchs Werk und schreibt Arbeiter, die Minderleister sind, auf eine Liste. Dazu gehören jene, die zu lange am Klo sitzen, oft fehlen oder langsam arbeiten. Diese Listen sind die Basis für Kündigungen. Die Zeit ist hart und die Arbeiter trinken viel Alkohol. Die Hauptperson Hans ist ein vorbildlicher Arbeiter. Er baut mit seiner Frau Anna ein Einfamilienhaus. Sie will ein Kind und kauft eine Kinderzimmereinrichtung. Dann kam die Katastrophe: sie, eine Arbeiterin in einer Waschmaschinenfabrik, die geschlossen wird, wird gekündigt. Die Produktionsstätte wird nach Spanien verlagert, wo Arbeitskräfte dort billiger sind. Aber auch Hans muss gehen. Sieht das nicht ein, weil er ja gute Arbeit leistet. Er diskutiert mit der Personalchefin. Sie bietet ihm Geld an, das er ablehnt. So muss auch er die Firma verlassen. Das Haus wird versteigert, weil die Kredite nicht mehr bedient werden können und sie ziehen in eine Baracke für Arme. Aus Geldnot heraus stellt sich Anna für einen Pornofilm zur Verfügung. Als dies aufkommt, üben Hans und seine Kollegen an dem Produzenten, einem Jugoslawen, Rache. Sie stecken ihm ein Stahlrohr über den Penis und erhitzen dieses mit einem Schweißbrenner. Hans fährt nach Wien und sucht den zuständigen Minister auf. Er bittet ihn um Arbeit. Die Beiden finden sich sympathisch und der Minister interveniert im Stahlwerk, sodass Hans wieder eingestellt wird. Diesmal als Ordner. Nun muss er die Listen schreiben. Das fällt ihm sehr schwer. Er bekam aber auch eine billige Werkswohnung und seine Anna ist schwanger. Auf Grund des neuen Jobs meiden ihn alle. Er lädt seine ehemaligen Kollegen zum Abendessen ein. Keiner kommt. Nur Shakespeare, der Werkbibliothekar kommt. Er spricht zwischen den einzelnen Szenen des Stücks immer wieder geistige Sprüche. Er ist der Intellektuelle. Hans ist verzweifelt und er schreibt sich selbst auf die Liste, um gekündigt zu werden. Er feiert den Abschied mit allen und am Ende stürzt er sich in den Stahlkessel und verbrennt im flüssigen Eisen. Shakespeare philosophiert, was aus Hans geworden ist: „Eine kunstvolle Lampe über dem Bett eines Reichen? Ein Zaun, aus Maschendraht zwischen zerstrittenen Nachbarn? Eine Zange, ein Waggon? Ist er ein Türschild mit fremdem Namen? Ein Brückenpfeiler im reißenden Fluss?“ (Seite 124) Turrini hat selbst einmal in einem Stahlwerk gearbeitet und kennt die Szene und das Milieu. Er selbst sieht sich auf der Seite der Arbeiter. Er ist ein überzeugter Linker. Auch, wenn es diese immer weniger gibt. „Sollte ich einer der wenigen übriggebliebenen Linken sein, werde ich diese Position auch weiterhin mit mir teilen. Die Frage nach der Gerechtigkeit bleibt für mich das Entscheidende.“ (Seite 135) }, keywords = {Krise, Kündigungen, Stahlindustrie}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SLUPETZKY2021, title = {Der letzte grosse Trost}, author = {Stefan SLUPETZKY}, year = {2021}, date = {2021-03-14}, abstract = {SLUPETZKY, Stefan: „Der letzte grosse Trost“, Hamburg 2016 Der Großvater war im Dritten Reich groß geworden. Mit seiner Fabrik hatte er Gas für die Konzentrationslager produziert. Nach dem Krieg wurde er zwar verurteilt, aber bald wieder freigelassen. Mit dieser Erbsünde haderten der Vater und der Sohn. Der Großvater ist verschwunden. Bei einer Bergwanderung hat er sich allein von der Hütte, wo er mit Freunden nächtigte, aus aufgemacht und wurde nie mehr gefunden. Der Vater starb an einem Herzinfarkt. Der Sohn kann das nicht glauben und denkt, der Vater lebt noch. Er habe den Tod nur vorgetäuscht. Die Geschichte ist aus Sicht von Daniel, einem der beiden Söhne des Vaters, erzählt. In seiner Jugend hatte er viele Frauen. Der Tod des Vaters hat ihn aber verändert. Als dann noch seine Mutter in eine Nervenheilanstalt kam brach sein Vertrauen in die Welt weiter zusammen. Sein Bruder war der stärkere. Er hatte sich nach Amerika abgesetzt. Das Leben verändert dann eine Krankenschwester, die seine Mutter betreute. Zuerst nahm sie ihn nur in ihrem Auto am Heimweg mit, bis sie schließlich zusammenzogen. Sie brachte ihn wieder auf den Boden der Realität zurück. Dabei war sie als Frau nicht sein Typ. „Obwohl er früher einen androgynen Frauentyp bevorzugt hatte, fand er ihre Rundungen, die mit Erfolg der Altersschwerkraft trotzten, wunderschön. Als wäre sein Geschmack mit ihrem Körper mitgewachsen.“ (Seite 227) Auch ihre Vergangenheiten waren unterschiedlich. Als sie von ihm schwanger wird ziehen sie zusammen. Sie entscheidet, dass sie in die Wohnung der Mutter ziehen und sie übernahm die Pflege der Mutter. Es sei die Pflicht der Kinder die Eltern bei Bedarf zu pflegen. Erst nach der Geburt von Zwillingen willigt auch sie ein, die Mutter in ein Heim zu geben. Das Leben verändert ein Brief, der aus Israel kam. Seine Tante, die Schwester seines Vaters, hatte sich als Jüdin mit ihrem Mann abgesetzt. Sie hatte die Vergangenheit der Familie abzuschütteln versucht. Einzig das Elternhaus verband sie. Der Bruder bewohnte es mit seiner Familie und zahlte für die zweite Hälfte, die der Schwester gehörte, Miete. Aber auch das wollte sie nicht mehr und die Familie musste aus der schönen Villa. Sie übersiedelten in eine Stadtwohnung. Im genannten Brief wird von der Tante mitgeteilt, dass ihr Mann gestorben sei und das Haus, das inzwischen schon viele Jahre leer stand, verkauft würde. Im Keller seien noch Dinge seiner Familie, die er sich holen möge. Nach einem Besuch bei der Mutter im Heim bleibt er eine Nacht im alten Haus. Mit drei Weinflaschen betrinkt er sich und liest in einem aufgefundenen Tagebuch des Vaters. Nochmals zieht die Vergangenheit mit dem Vater vorbei. Mit seinen Buben fuhr er, als diese großjährig wurden, einige Tage weg. Mit dem Bruder ging es nach London und mit ihm nach Venedig. Erstmals kam er dem Vater näher. Wenige Tage, nachdem sie nach Hause kamen starb der Vater an einem Herzinfarkt. Eine Welt brach für Daniel, so hieß der Sohn, zusammen. Aus dem Tagebuch erfährt er, dass sich das Leben des Vaters nach einer Geschäftsreise nach Venedig veränderte. Er hatte wegen einer Fischvergiftung den Zug nach Wien versäumt. Einen Zug, der am Heimweg einen Unfall hatte, der viele Tote und Verletzte nach sich zog. Das Schicksal – beziehungsweise der faule Fisch – hatten ihn bewahrt. Daniel kann aber nicht glauben, dass der Vater gestorben ist. Er schmiedet Pläne ihn zu suchen. Er bereitet alles genau vor. Seine Kinder sollen selbstständig sein. Als sein Vater starb war er 22. Jahre alt. So alt sollen auch seine Kinder sein, wenn er verschwindet. Alles ist gut vorbereitet. Ein falscher Pass, eine berufliche (er ist Fotograf) Dienstreise auf einem Kreuzfahrtschiff. Mit seiner Frau reist er einige Tage vorher in Venedig, wo das Schiff ablegt. Ein geheimes Abschiednehmen. Alles hat er vorbereitet. Die Frau wird mit dem Zug nach Wien zurückfahren, um am nächsten Tag ihren Dienst im Krankenhaus anzutreten. Er wird mit dem Kreuzfahrtschiff unterwegs sein und dann verschwinden. So, als wäre er ins Meer gefallen und vermisst. Es kommt aber anders. Marion – so der Name der Frau – findet in seinem Reisegepäck das Tagebuch des Vaters, in dem er alles notiert hatte. Schon in der Kabine am Schiff registriert er, dass das Tagebuch fehlt. Rasend verlässt er das Schiff und findet seine Frau, die ihm einen Faustschlag versetzt. Es kommt zur Aussprache. Er bricht zusammen und weint. „Das Weinen ist ein Akt der Reinigung, ein Akt der Anteilnahme an sich selbst.“ (Seite 250) }, keywords = {Erbsünde, Nationalsozialismus, Tod}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{NICHOLSON2021, title = {Nalas Welt. Ein Mann, eine Straßenkatze und eine Freundschaft, die alles ändert}, author = {Dean NICHOLSON}, year = {2021}, date = {2021-03-10}, abstract = {NICHOLSON, Dean: „Nalas Welt. Ein Mann, eine Straßenkatze und eine Freundschaft, die alles ändert“, Köln 2020 In einer Literatursendung im Fernsehen sah ich einen Bericht über dieses Buch. Da mich Radfahrer, die weite Strecken fahren interessieren kaufte ich es, ohne mir viel davon zu erwarten. Noch dazu von so einem schrägen Vogel, der mit einer Katze reist. Als ich dann zu lesen begann konnte ich gar nicht mehr aufhören. Es war so spannend, dass ich am liebsten in einem Zug das ganze Buch gelesen hätte. Ein Schotte brach mit seinem Freund mit dem Rad zu einer Weltumrundung auf. In Bosnien entzweiten sich die beiden. Dean fuhr allein weiter. Er fand eine ausgesetzte kleine Katze, die er rettete. Er nahm sie für seine weitere Reise mit. Mit einem Instagram Account machte er auf seine Katze und sich aufmerksam und bekam viele Follower. Die Sache wurde sehr bekannt und er ein Star. Er blieb aber der Einfachheit und Schlichtheit treu; schlief weiter im Zelt und fuhr mit seinem Rad. Von Bosnien radelte er über Montenegro und durch Albanien weiter nach Griechenland. In Santorin jobbte er als Kanuführer um wieder Geld für seine Reise zu haben. Von Griechenland setzte er in die Türkei über, durchquerte diese und besuchte Georgien und Aserbaidschan. Eine Weiterreise durch den Iran brach er ab und fuhr nach Ankara und Istanbul zurück. Über Bulgarien und Serbien kam er nach Budapest. Es war Winter und manchmal nicht so einfach. Trotzdem nächtigte er oft im Zelt, auch wenn es schneite. Für die Weiterreise durch Russland brauchte er ein Visum und flog nach London, um in der russischen Botschaft ein Visum zu bekommen. Ein einjähriges Visum war genehmigt. Nach dem er mehrere Tage seinen Pass abgeben hätte müssen und der Rückflug nach Budapest gebucht war verzichtete er auf das Visum und reiste ab. Am nächsten Tag schloss Ungarn die Grenzen wegen COVID19. Über seine Netzwerke konnte er ein Haus einer Familie beziehen, die umgekehrt in England festsaß. Hier endet das Buch. So wie so vieles, hat auch diese Reise die Pandemie gestoppt. Schaut man in den diversen Medien vorbei, so sieht man, dass Dave ein sehr geschäftstüchtiger Mann ist. Er verkauft Wandkalender, T-Shirts, Taschen, Bücher … ja sogar Essbesteck aus Bambus. Das Buch gibt auch einen Einblick, welchen Einfluss digitale Medien haben können: Millionen Follower in Instagram, Facebook, Twitter. }, keywords = {Katze, Radfahrer, Weltumrundung}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{JELUSICH2021, title = {CAESAR}, author = {Mirko JELUSICH}, year = {2021}, date = {2021-03-06}, abstract = {JELUSICH, Mirko: „Caesar“, Wien 1929 Jelusich war ein engagierter österreichischer Nationalsozialist und damals anerkannter Schriftsteller. Die sowjetische Besatzung stellte ihn mehrmals unter Anklage. Es kam aber zu keiner Verurteilung. Seine Bücher hatten eine hohe Auflage und Beliebtheit bei den Lesern. So ist es interessant im Nachhinein in diese Welt eintauchen zu können. Bei historischen Themen, wie dem über den römischen Imperator, hat so eine politische Ausrichtung aber keine Auswirkung. Aus dieser Zeit bleibt aber der romantisierende, ausgeschmückte und langatmige Romanstil. Umgekehrt ist es aber doch ein Thema, das dem nationalsozialistischen System genehm war: ein Diktator, der Krieg führt … Das Leben Cäsars wird in 72 Kapitel beschrieben. Es sind Momentaufnahmen. Mit diesen Blitzlichtern muss der Leser, wie bei einem Puzzle, alles zusammensetzen. Diese einzelnen Geschichten sind aber sehr detailliert und verständlich beschrieben. Es beginnt mit dem Buben Caius, den seine Mutter sucht. Er rauft unerlaubt mit den Straßenbuben. Der Vater hatte Angst, dass er ein Stubenhocker wird. Schon im nächsten Kapitel tritt dem Leser der Jüngling Caius entgegen. Dieser erlebt den Regenten Sulla und beginnt sich politisch zu engagieren. In einem reichen Kaufmann findet er einen Förderer. In der Politik engagiert er sich als Vermittler zwischen verfeindeten Parteien und bringt sich zunehmend selbst ins Gespräch. Er steht auf der konservativen Seite, obwohl er ein Revolutionär war und ist. „Die Konservativen berufen sich auf ihre Tradition. Tradition ist der Rechtstitel, unter dem sie sich ihre Würden anmaßen, Tradition der Vorwand, unter dem sie sich knechten, Tradition ihr zweites Wort. Jawohl, auch ich bin ein Anhänger der Tradition: ich achte sie, ich ehre sie, ich liebe sie. Aber, das ist ja eben das Unglück, dass die Konservativen keine Tradition haben.“ (Seite 100/101) Er versucht die egozentrische Parteienwirtschaft aufzubrechen und stellt sich gegen etablierte und herrschende Politiker. Die Beschreibung des Lebens wird vom Autor in drei Abschnitte geteilt: • Caius Julius • Caesar • Imperator Im ersten ist die Jugend und das Werden des Mannes Cäsar in Schlaglichtern beschrieben. Cäsar wird durch geschickte, diplomatische Vorbereitung Konsul. Viele Menschen setzen viel Hoffnung ihn in. Er soll die Republik mit ihren sinkenden Werten wieder verbessern. Mehrmals beleuchtet der Autor auch den privaten Bereich. So etwa seine Heirat mit einer um vieles jüngeren Frau, die seine Tochter sein könnte. Sie aber hat Angst vor ihm und verweigert ihm die Hochzeitsnacht. Seine Frau stirbt und später heiratet er wieder eine junge Frau. Mit einer Freundin hat er aber einen Sohn, der ihn am Ende ermorden wird. Nach Ablauf seiner Jahre als Konsul zieht er für das römische Reich in den Krieg, aus dem viele Kriege werden. Hochs und Tiefs durchwandert er. Siege und Niederlagen. Freunde und Feinde begleiten sein Leben. Kriege in Gallien und gegen die Germanen halten ihn mehrere Jahre von der Heimat fern. Im weit entfernten Rom sitzen viele Neider, die ihm Schwierigkeiten machen wollen. Er pariert sie genauso, wie er im Kriegsführen seinen Gegnern Parole bietet. Er kämpft gegen Germanen, fällt zwei Mal in England ein und schlägt sich in Spanien und Ägypten. In Ägypten verliebt er sich in Kleopatra und verbringt zwei Jahre mit ihr. Zwei Jahre, die vielleicht seine schönsten waren und an die er sich oft erinnert. Mit einem Krieg und der Besetzung Alexandrias beendet er seinen Ägyptenaufenthalt. Sein Herz aber bleibt bei Kleopatra. Manche seiner Kriege sind brutal. So lautet etwa ein Befehl: „Alles Leben wird vernichtet, kein Weib, kein Kind geschont – nicht einmal das Vieh auf der Weide. Sengt, brennt, mordet nach Herzenslust! Mit Eisen und Feuer will ich diesen Schandfleck aus dem Angesicht der Erde tilgen!“ (Seite 300) Am Höhepunkt seiner Macht ist er sich derer auch bewusst: „Ich bin der Herr der Welt! Ich! Ich! Wenn es mir beliebt, halte ich den Erdball und hebe ihn zu den Sternen empor; wenn es mir beliebt, lasse ich ihn aus meiner Hand fallen, unbesorgt darum, ob er zerschellt oder nicht! Das hat mich allein zu kümmern und niemanden sonst! Denn von heute an gibt es nur noch einen Willen: Caesars Willen!“ (Seite 400) Am Ende wird der alternde Imperator vorgestellt. Wie er müde und zweifelnd ist. Wie er sieht, dass er zwar Dinge verändert hat, aber diese nicht wirklich angenommen wurden. Letztlich findet er, dass er dem Volk „Freiheit“ gegeben hat. Einen Besucher fragt er, was dieser unter Freiheit versteht. Der antwortet „Tun und lassen können, was man will.“ (Seite 454) Cäsar aber verbessert ihn „Tun und lassen können, was man darf.“ (Seite 455) Cäsar ist im Alter einsam und allein. In schlaflosen Nächten fragt er sich „Was will ich eigentlich?“ So detailgenau manche Szenen des Lebens beschrieben werden, so wenig wird über den Tod und die Ermordung Cäsars durch Brutus erzählt. Dass sein Leben dem Ende zu geht wird anhand eines Alptraums erzählt. Noch einmal zieht sein Leben an ihm vorbei. Er sieht, dass es dem Ende zu geht. Auch seine Frau tritt noch auf und will ihren Gatten vor dem Gang zum Senat warnen. Sie hatte einen Traum, in dem sie ihren Mann am Markt blutend sah und wie sich die Leute ihre Hände in diesem Blut wuschen. }, keywords = {Caesar, Diktator, Imperator, römische Reich}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{ROTH2021, title = {Das doppelköpfige Österreich, Essays, Polemiken, Interviews}, author = {Gerhard ROTH}, year = {2021}, date = {2021-02-26}, abstract = {ROTH, Gerhard: „Das doppelköpfige Österreich, Essays, Polemiken, Interviews“, Frankfurt 1995 Das Buch ist Mitte der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts erschienen und enthält Essays, Interviews, Briefe und Polemiken des Dichters Gerhard Roth. Primär geht es um anscheinende Schwachstellen Österreichs. Um diese aufzuzeigen ist dem Dichter kein Argument zu schade. So wurde er auch immer wieder als Nestbeschmutzer des Landes bezeichnet. Aber er überzeichnet die Dinge. Jetzt – im Jahr 2021 – mit Abstand zu den Geschehnissen wirkt so manches lächerlich, überzogen und ausschließlich polemisch. So lässt er etwa keine Möglichkeit aus den ehemaligen Bundespräsident Waldheim lächerlich zu machen. Als bekennender Sozialist (obwohl er an anderer Stelle schreibt, er sei ein „Nullgruppler“, also keiner Partei zugehörig) nimmt er primär die rechten Parteien aufs Korn, wenngleich er auch Mängel in der SPÖ sieht. Die Beiträge sind im Buch in sechs Abschnitten zusammengefasst. Unter dem Titel „Antworten auf das österreichische Selbstverständnis“ greift er auf Figuren wie den Herrn Karl oder beschreibt die Situation in Form von Karikaturen. Im Abschnitt „Gespenster, Konflikte und Repliken“ geht Roth direkt in Konfrontation zum Vizekanzler Erhard Busek von der ÖVP. Ein Briefwechsel der beiden wird abgedruckt, bei denen natürlich der Dichter als Initiator, das letzte Wort hat. Aber auch die „eigenen“ sozialistischen Minister werden bloßgestellt. Im Kapitel „Der Schein siegt“ wird Innenminister Löschnak wegen der Abschiebung von kosovarischen Migranten an den Pranger gestellt. Er bezeichnet den Minister als einen „bürokratischen Apparatschik in eigener Angelegenheit (vergleichbar mit einem Lipizzaner, der sich selbst abrichtet)“ (Seite 114) Auch die Kultur Österreichs kommt an den Pranger. Es ist teilweise ein Rundumschlag. Bruno Kreisky und Thomas Bernhard wird ein eigener Abschnitt mit dem Titel „Sonnenkönig und Menschenfeind“ gewidmet. Als Sozialist definiert Roth Kreisky so: „Kreisky war ein kluger, gebildeter – und auch schlauer Mann. Eine Begegnung mit ihm war immer anregend – auch wenn er monologisierte – man blickte nicht zu ihm auf, sondern man mochte ihn.“ (Seite 140) Der Autor hatte sich viel mit Irrenhäusern und Guggings Bewohnern beschäftigt. Dementsprechend auch ein Niederschlag in diesem Anekdoten-Buch. Dem ehemaligen Jugoslawienkrieg wird das Kapitel „Rat Smrt“ gewidmet, wobei man lernt, dass (sowohl auf Serbisch, als auch auf Kroatisch) Rat Krieg heißt und Smrt Tod. Auch für diesen Krieg gibt der Autor Österreich die Schuld. Die Wurzeln für diese Auseinandersetzung seien von der österreichischen Monarchie gelegt worden. Den Abschluss des Buches bilden dann verschiedenste Interviews mit Gerhard Roth. Es ist also eine Selbstdarstellung und ein Wiederholen von bereits in anderen Medien Publiziertem. Ein Ausdruck der Unzufriedenheit mit dem eigenen Heimatland. }, keywords = {Kritik, Österreich, Polemik, Politik}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{GANGHOFER2021, title = {Tarantella}, author = {Ludwig GANGHOFER }, year = {2021}, date = {2021-02-23}, abstract = {GANGHOFER, Ludwig: „Tarantella“, Novelle, Stuttgart 1899 Meine Eltern haben die Bücher Ganghofers mit Leidenschaft gelesen. Daher war es für uns Kinder eine „No Go Literatur“. Erst jetzt im Alter habe ich positive Kritik über Ganghofer gelesen und meine Schwester schenkte mir dieses Buch aus dem Jahr 1899. Eine Novelle, die sich in der Nähe von Neapel abspielt. Die erzählende Person – der Dichter – beschreibt die Region und die Schönheit der Landschaft. Auch sein Kontakt mit den Einheimischen des Dorfes. So lernte er ein bettelndes Mädchen kennen. Er sah sie tanzen. Ihre Mutter war eine berühmte Tänzerin und wurde nach einem Unfall gelähmt. Sie trainierte die Tochter zum typischen Tanz, dem Tarantella. Als in der besten Tanzgruppe ein Streit des Hauptpaares zu einer Trennung führte und die Truppe plötzlich ohne Tänzerin dastand vermittelte der Fremde das Mädchen. Ihr erster Auftritt war ein voller Erfolg. Sie ist dem „Vermittler“ sehr dankbar und prostet ihm zu „Auf eure Gesundheit, Herr! Hundert gesunde Jahre wünsch ich euch … ohne die bösen Tage, die ihr nicht haben wollt!“ (Seite 162) Einer der Künstler der Truppe – Mommino – verliebte sich in sie. Auch sie fühlte sich zu ihm hingezogen und die Tarantella, die sie leidenschaftlich tanzte, widmete sie ihm. Einer der Zuschauer des Abends, ein reicher Ausländer, war begeistert von Nannina, der jungen Tänzerin. Schon während der Vorführung hatte er kräftig applaudiert. Letztlich ging sie mit ihm. Sie fuhren nach Capri. Dort musste sie immer für ihn tanzen. Er beschenkte sie mit Kleidern und gab ihr Geld für die Mutter. Als sie zurück ins Dorf kam, zeigte sie all ihre Erwerbungen Mommino am Hauptplatz, dessen Herz vor Liebe gebrochen war. Nannina trennte sich vom ausländischen Liebhaber. Viel Geld hatte sie von ihm bekommen und alles der Mutter gegeben, die sich neu eingerichtet hatte und sich Dinge leistete, von denen sie lange geträumt hatte. Auch eine Magd stand ihr zur Seite und gegen Bezahlung vertrieb ein Bub die Vögel im Garten, damit sie nicht die Früchte des Hausbesitzers fraßen. Nannina wollte wieder zurück zur Tanzgruppe, aber deren Chef verwehrte es. Nannina suchte Unterstützung beim Erzähler dieser Geschichte. Gemeinsam versuchten sie den Chef der Tanztruppe zu überreden. Ergebnislos. Da tanzte Nannia unaufgefordert. Das Publikum war begeistert. Letztlich sang sie auch noch. Ein Lied vom Tod. Sie hatte es sehr inbrünstig vorgetragen und im Anschluss an die Vorstellung gab es noch einen Streit mit Mommino, der sie aber ablehnte. Dann beging sie Selbstmord. Mommino kündigte seinen Job und ermöglichte durch eine großzügige Spende an die Kirche, dass Nannina als Selbstmörderin ein kirchliches Begräbnis bekam. Letztlich rechnete er noch mit der Mutter ab. Er gab ihr all seine Ersparnisse, damit sie ein schönes Leben führen könne. Im Gegenzug musste sie ihm das Geld des ausländischen Verführers geben. Dieses Geld verbrannte er. Das war – wie er sagte – die halbe Rechnung, denn anschließend ging er ins Hotel, wo sie am Vortag eine Vorführung hatten und ermordete einen Kellner. Als ihn die Polizei abführte sang er ein Liebeslied. Eine sehr romantische Geschichte, die im Ziel der Zeit und in der Ausdrucksform Ganghofers noch emotioneller wirkt. Ich brauchte einige Zeit, um mich in die Art des Buches einzulesen. In die doch verschiedenen Buchstaben, bei denen ein s so ähnlich aussieht wie ein f. Auch die Rechtschreibung ist anders. Ware heißt hier Waare. Die Tat wird noch mit h geschrieben: That. Auch der Stil ist ein anderer als in unserem Jahrhundert. Romantisch und ausgeschmückt werden die Dinge erzählt. Dazu viele Redewendungen und Vergleiche. Als der Maurer Mommino bei Regenwetter, als am Bau nicht gearbeitet wurde, von Zeche zu Zeche eilte sagte er „Da schont man den Sessel zu Hause, aber nicht das Geld im Sack.“ (Seite 278) Nannina bereute, das was sie getan hatte und Ganghofer lässt sie sagen „Denn hätt ichs gewußt … bei meiner ewigen Seele, Seniorr, lieber hätte ich mir das Fleisch aus meinen Armen gebissen und hätt es der Mutter gekocht, wenn ich gewußt hätt, was ich euch anthu … euch und mir!“ (Seite 253) Als das dünne Mädchen in den Kleidern ihrer Vorgängerin stand meinte einer der Tänzer „Sie ist freilich ein Fisch, der nur Gräten hat, aber sie wird schwimmen.“ (Seite 122) Damit meinte er, dass ihr Busen viel kleiner war als jener der Vorgängerin. Als man ihr das Kleid anpasste sagte der Chef der Gruppe „Und jetzt stecken sie das magere Ding hinein! Die wird drin aussehen wie ein Kinderfuß im Schlappschuh der Großmutter!“ (Seite 120/121) Aber, es ist interessant ein 100 Jahre altes Buch zu lesen und zu erfahren, wie man damals formulierte und wie damals der Geschmack der Leser war. Mit über 100 Jahren ist das Buch schon eine Rarität. Ein schöner Einband und geschmackvolle Abbildungen ergänzen den Text. }, keywords = {Liebesaffairen, Neapel, Romantisch}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{EDELBAUER2021, title = {DAVE}, author = {EDELBAUER, Raphaela}, year = {2021}, date = {2021-02-17}, abstract = {EDELBAUER, Raphaela: „DAVE“, Stuttgart 2021 Frau Edelbauer ist eine neue Generation der Schriftstellerzunft. Schon der letzte Roman war anders als alles bisher oder derzeit Geschriebene. Viel Fantasie. Wunderschöne Formulierungen. Bringt so eine junge Dichterin ein gutes Buch heraus zweifeln die Experten oft, ob ein Folgeroman auf diesem Niveau gelingen kann. Mit DAVE hat Edelbauer noch eine Steigerung geliefert. Ja, sie hat ihre Fantasie und ihre Formulierkunst noch weiter gesteigert. Ich habe das Buch andächtig gelesen. Nicht schnell und zwischendurch. Wenn ich nur ein kleines Zeitfenster zum Lesen hatte, ließ ich das Buch liegen. Ich versuchte es ausgeglichen und entspannt zu lesen, ja zu genießen. DAVE ist ein Roman mit einer neuen Dimension. Er ist mit naturwissenschaftlichem Wissen gespickt. Hier hätte ich eine Anregung für den Verlag: Nicht Jeder hat so viel Naturwissenschaftswissen abrufbar. Ein Anhang mit Erklärungen würde einen Beitrag zum besseren Verstehen bieten. Wobei man aber nicht alles verstehen muss. Man kann sich einfach durch die Geschehnisse treiben lassen. Die Hauptakteure des Romans sind ein Mann namens Syz und ein Computer namens DAVE. Der Planet Erde ist unbewohnbar geworden. In einem riesigen Gebäude haben sich elitäre Menschen – wie in eine Arche Noah – zurückgezogen. Sie entwickeln hier einen Supercomputer, eben DAVE. Tausende Menschen programmieren an ihm. Es soll die erste Künstliche Intelligenz werden, die mit einem eigenen Bewusstsein ausgestattet werden soll. Daneben will man auch die umgebende und zerstörte Welt wieder bewohnbar machen. „Unendliche Intelligenz und die Kapazität“ (Seite 15) soll alle Probleme lösen und so eine friedliche Welt erzeugen. Dieser Computer soll Gott ähnlich werden. „Wir haben vergessen, dass wir aus dem einen großen Bewusstsein kommen, können uns nicht an unsere göttliche Natur erinnern. In Jesus wurde Gott Mensch, in DAVE wird der Mensch wieder allmächtig, und zwar durch unendlich gesteigerte Denkleistung …“ (Seite 44) Edelbauer lässt einem der Proponenten des Romans auch sagen, dass wir Menschen kein Schöpfungsakt eines Gottes sind. „Wenn Gott uns zusammengesetzt hätte, Stück für Stück inklusive jenes unverbrüchlichen Kerns, in dem das Selbstbewusstsein schon angelegt ist und er uns jede unserer Geistesfunktionen planvoll verliehen hätte, dann wäre unser Selbstbewusstsein ja gar nicht unseres, sondern seins. Wir wären nur Extensionen seines Geistes.“ (Seite 362) Mit DAVE soll der IQ gegenüber dem eines Menschen mit 100 um das 1000-fache gesteigert werden. Daneben soll das lineare Zeitdenken ersetzt werden. „Orthogonale Zeit ist ein Gegenkonzept zu unserer linearen – Dick meinte, wie die Rillen einer LP gehe Chronologie im Kreis herum und alles, was schon geschehen sei und noch geschehen werde, sei auf der Platte gleichzeitig vorhanden, selbst wenn sie die Nadel gerade an einer anderen Stelle befände.“ (Seite 166) Eine Theorie, die sich an die Jordankurve anlehnt. Vieles soll gelöst werden „Es geht entweder um Unsterblichkeit oder um eine Uranusexpedition, um Robotik, die Heilung von Krebs, das Ende des Alterns, die Transzendent, die Weltschau, die kognitive Allmacht, das Ende der Menschheit, das Ende der Geschichte oder aber alles davon.“ (Seite 181) Als Kind war Syz am Funktionieren von Lebewesen interessiert. In der Schule sezierte er einen Frosch. Er interessierte sich weniger an der „Mechanik“ der Lebewesen als an deren Gehirn, in dem er Ähnlichkeiten zu einem Computer sah. Syz ist nur ein kleiner Programmierer, der aber Karriere machen will. Letztlich wird er – von einem Algorithmus auserwählt – zum Abbild DAVEs. In vielen Sitzungen versucht man das Empfinden, das Bewusstsein von Syz in den Riesencomputer zu programmieren. DAVE wird Syz. Dieser bekommt aber Zweifel. Philosophische und ethische Überlegungen bringen ihn dazu dieses Projekt zu torpedieren. Er trifft auf Freunde und Menschen, die schon vor ihm sich Gedanken gemacht hatten. Er versucht auszubrechen und verlässt auch die „Arche“, um mit neuen Aufträgen, dieses Projekt zum Scheitern zu bringen, zurückzukehren. Ausgestattet mit dem Programm eines Vorgängers, dem man DAVE nachbauen wollte und der ebenfalls Zweifel bekam, will er in letzter Sekunde dieses unmögliche Projekt stürzen. In diesem Aspekt wird das Buch zu einer Abenteuergeschichte. Mit viel Spannung und Dramatik erzählt Edelbauer ein Finale, wie man es als Leser nicht erwarten würde und wie auch ich, der Rezensent, es nicht verraten will. Jeder soll es sich selbst erlesen. Es wäre sonst so, als würde man in einem Kriminalroman den Täter im Vorhinein bekanntgeben. Auf alle Fälle ist es ein interessantes Buch. Eines, das ich wirklich empfehlen kann. Eines, wie ich es schon lange nicht gelesen habe. }, keywords = {Computer, KI, Neue Welt}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{OBAMA2021b, title = {BECOMING. Meine Geschichte}, author = {Michelle OBAMA}, year = {2021}, date = {2021-02-05}, abstract = {OBAMA, Michelle: „Becoming. Meine Geschichte“, München 2018 Eine Frau, die aus bescheidenen Verhältnissen kommt und ganz nach oben gelangt. Die Tochter einfacher Leute. Mitglied einer schwarzen Familie und aufgewachsen in einem nicht sehr angesehenen Bezirk von Chicago. Ihr älterer Bruder ist ihr Mentor und Beschützer. Die Familie gibt ihr Nestwärme. Die Eltern engagieren sich für die Kinder und beide studieren an einer angesehenen Universität. Michelle kommt ganz nach oben. Wird Rechtsanwältin und lernt dabei einen Jus-Studenten kennen, der in ihrer Kanzlei ein Praktikum macht. Sie wird seine Betreuerin und letztlich seine Geliebte und spätere Ehefrau. Sie sind zwei gänzlich verschiedene Typen. Michelle ist ein Familienmensch. Sie ist in der heilen Familie aufgewachsen und sieht darin ihr Ideal. Alles muss genau und geordnet sein. Barack, ihr Mann stammt aus einer geschiedenen Ehe. Den Vater aus Kenia, der Student in Hawaii war, lernt er nicht kennen. Er hatte seine Frau, die Mutter Obamas, verlassen und kehrte nach Afrika zurück. Die Mutter heiratete wieder. Diesmal einen Indonesier. Mehrere Jahre lebte sie mit Barack in Indonesien, schickt den Buben aber dann heim zur Großmutter, wo er zur Schule ging. Auch er schlägt sich im Studium durch, verfolgt aber nicht die Rechtsanwaltslaufbahn, sondern engagiert sich in sozialen Organisationen. Als die beiden zusammenziehen verstärkt sich die Verschiedenheit noch. In der gemeinsamen Wohnung bekommt er dann ein eigenes Zimmer für seine vielen Bücher und dort kann es unaufgeräumt sein. Es wird seine Höhle. Eine Höhle, wie er sie in allen Häusern, die sie bewohnten, bekam. Beide wollten aber eine Familie. Zwei Kinder – Mädchen - kamen zur Welt. Barack und Michelle waren liebevolle Eltern. Obwohl Brack weiter seinen eigenen Interessen nachging. Die Familie war ihm wichtig, aber auch sein soziales und später politisches Engagement brauchte Zeit und Energie. Wie Barack Politiker, Senator und dann Präsident Amerikas wurde schildert Michelle Obama in diesem Buch aus dem Blickwinkel einer Frau. Einer Frau, die sich um die Kinder kümmern muss, die ihre Karriere zu Gunsten des Mannes zurückstecken muss, die viele Tage und Wochen allein mit den Kindern ist. Der Mann ist auf Jagd nach Wählerstimmen, bei Versammlungen oder Sitzungen. Daneben schreibt er noch ein Buch, zu dem er sich für einige Wochen nach Indonesien zurückzieht. Die Ehe kriselt. Sie gehen in eine Eheberatung. Michelle erwartet davon, dass ihr Mann wieder mehr zu Hause sein würde. Aber das Gegenteil war der Fall. Sie musste ihren Mann akzeptieren, wie er war und selbst einen neuen Lebenssinn finden. Das Buch beginnt mit einem Prolog. Geschrieben im März 2017; also nach der Zeit im Weißen Haus. Die Familie wohnt in einem eigenen Haus in Washington. Sie sind nicht nach Illinois zurückgekehrt. Sie ist wieder allein. Der Mann ist unterwegs. Umtriebig wie vorher. Den Buchtitel „Becoming“ verwendet die Autorin auch für die einzelnen Kapitel des Buches. In „Becoming Me – Ich werden“ erzählt sie von ihrer Kindheit und Jugend. Mit „Becoming Us – Wir werden“ - über ihre Partnerschaft und Entstehung der Ehe mit Barack. „Becoming More – Mehr werden“ -, dann über die Präsidentschaft und deren Probleme. Das Leben im Weißen Haus wird durch diesen Bericht einer breiten Öffentlichkeit anschaulich gemacht. Es ähnelt mehr einem Gefängnis als einem freien, demokratischen Wohnhaus. Überall sind Sicherheitsbeamte. Kein Weg darf allein gemacht werden. Fenster können nicht geöffnet werde. Selten ist man allein. Der Mann ist kein Familienvater mehr, sondern ein 24-Stunden-Beamter. Michelle will nicht nur die lächelnde Gattin des Präsidenten sein. Sie will selbst Aktivitäten voranbringen und engagiert sich für Jugendliche und Kriegsveteranen. Immer wieder versucht sie aus dem Korsett der Rolle der First Lady auszubrechen, aber sie ist es und muss ihre Rolle erfüllen. Beim Lesen spürt man die Veränderungen dieser Frau. Im letzten Kapitel lernt man eine andere Frau kennen als jene in den ersten Abschnitten. Vor allem im Abschnitt, in dem sie ihren Aufenthalt im Weißen Haus schildert, gibt es viele Rechtfertigungen ihres Lebens. Dinge, die in der Öffentlichkeit anders gesehen wurden, als sie sie geplant hatte. Oder eine nachherige Korrektur. Sie verschweigt aber auch keine Fehler, wie sie etwa der englischen Königin die Hand auf die Schulter gelegt hatte. Eine Rückkehr in ein normales Leben ist nach dem Amt eines amerikanischen Präsidenten nicht möglich. Security Beamte sorgen weiter für die Sicherheit der Familie. Das Buch ist sehr flüssig geschrieben und angenehm zu lesen. Es zeigt den Werdegang einer schwarzen Amerikanerin. Mit welchen Hindernissen diese Menschen noch immer kämpfen müssen. Sie, die es geschafft hat, setzt sich aber für mehr Gerechtigkeit ein; auch wenn dies beim nachfolgenden Präsidenten Trump einen Rückschlag erlitten hat. }, keywords = {Amerika, First Lady, Karriere, Schwarze, USA}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HASSLER2021, title = {Jedem das Seine}, author = {HASSLER, Silke TURRINI, Peter}, year = {2021}, date = {2021-01-24}, abstract = {HASSLER, Silke, TURRINI, Peter: „Jedem das Seine. Ein Volksstück“, Innsbruck Wien 2016 In den letzten Kriegstagen des Jahres 1945 wurden Gefangene aus verschiedenen Lagern in Richtung Westen getrieben; weg von den anrückenden sowjetischen Militärs. Sie gingen mit der Bezeichnung „Todesmärsche“ in die Geschichte ein. Die beiden Autoren beschäftigte dieses Thema schon länger. Vor allem, weil „diese Greueltaten an Juden geschahen direkt vor den Augen der Menschen und nicht in Konzentrationslagern, von denen angeblich niemand etwas gewusst hat.“ (Seite 102) Sie wählten für die Umsetzung dieses Themas eine Tragikomödie, in der sie die Zuschauer und Leser zuerst zum Lachen bringen, um sie dann am Ende mit den tatsächlichen Schrecknissen zu konfrontieren. Das Stück besteht – so Peter Turrini – aus einer Mischung von Erfundenem und Vorgefundenem. Manche Personen gab es wirklich; andere wurden dazu gedichtet. Das Stück spielt in der Scheune eines Bauern, in der eine Gruppe jüdischer Häftlinge gefangen gehalten wird. Einer von ihnen ist Schauspieler. Er will die triste Stimmung, der zum Tode verurteilten heben und schlägt vor die Operette „Wiener Blut“ aufzuführen. Für die erschöpften und ausgehungerten Menschen ein schier unvorstellbares Unterfangen. Dann tritt eine Magd des Bauernhofs und die Bäuerin auf. Sie bringen den Häftlingen zu essen und beteiligen sich am Einstudieren der Operette. Ein altes Klavier wird hervorgeholt, auf dem ein alter Häftling spielt. Ein Geiger ist unter den Gefangenen und die Magd bringt ihre Gitarre, an der einige Saiten fehlen. Auch die Bäuerin beteiligt sich. Neben einem Suppentopf bringt sie ihre Zither. Der Bauer ist als überzeugter Nationalsozialist beim Volkssturm engagiert. Für ihn ist - als er in den Stadl kommt – die Situation eine Katastrophe. Er ist politisch für die Sache verantwortlich und sieht auch das Risiko, das er und seine Frau eingehen. Heftig opponiert er gegen diese Operettenaufführung. Letztlich überzeugt ihn die Ehefrau und er holt seine Ziehharmonika und spielt mit. Als der Dorfgendarm in den Stadl kommt verteidigt der Bauer die Situation. Es sei sein privater Stadl und da könne er machen, was er wolle. Ein Bub kommt und schreit, dass Hitler gestorben sei. Das bedeute doch, dass der Krieg aus sei. Die Operette wird auszugsweise aufgeführt. Das Stück endet aber anders: „Auf der Rückseite der Bühne erscheint folgender Text: In der Nacht auf den 2. Mai 1945 wurde der Stadel von betrunkenen Nazioffizieren und einigen Dorfbewohnern angezündet. Alle jüdischen Häftlinge sind verbrannt, keiner von ihnen hat überlebt.“ (Seite 67) Silke Hasler argumentiert diesen Schluss so: „Für uns ist der Schluss ganz wichtig, weil er die Realität zeigt, nicht, was wir gerne hätten, sondern was tatsächlich vorgefallen ist.“ (Seite 104) Mit der Magd und der Bäuerin bleibt aber auch ein positiver Aspekt im Raum stehen: „Es gibt Menschen, die helfen, und es gibt Menschen, die sich für das Schicksal anderer nicht interessieren.“ (Turrini, Seite 110) Das Stück wurde von zwei Personen – Hassler und Turrini – geschrieben. Sicher kein einfaches Unterfangen. Turrini sagte dazu „Wir streiten auf Augenhöhe. Anders geht es gar nicht, sonst nimmt man die Argumente des anderen nicht ernst.“ (Seite 105) Die Beiden haben zwar schon lange zusammengearbeitet, aber jeder für sich geschrieben und vom Partner die Anregungen angenommen (oder auch nicht). In diesem Fall musste es aber so sein, dass beide mit einer Formulierung zufrieden waren. Das brachte sicherlich noch eine weitere Qualitätssteigerung; obwohl beide schon auf hohem Niveau schreiben. }, keywords = {Juden, Kriegsende, Todesmarsch}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Peter2021, title = {Tod und Teufel}, author = {TURRINI Peter}, year = {2021}, date = {2021-01-23}, abstract = {TURRINI, Peter: „Tod und Teufel“, Wien 1990 Das Stück ist in einem Theaterheft des Burgtheaters aus dem Jahre 1990 abgedruckt. Am Antiquitätenmarkt bekam ich es zum mehrfachen Neupreis. Turrini setzt sich in diesem Theaterstück mit dem Tod und dem Teufel auseinander. Konkret geht er die Sünde suchen. Dabei landet er bei einer arbeitslosen Kassiererin, die ihn in die sexuelle Sünde einführt. Der Pfarrer ist verrückt danach, die Sünde zu finden. Da er auch seine Predigten im Dorf darauf aufbaut schickt der Bischof einen Pater zu ihm. Eigentlich wollte sich der Pfarrer aufhängen, aber nach dem Gespräch steigt er aus der Schlinge. Rudi, ein arbeitsloser junger Mann verlässt das Dorf. Auch der Pfarrer fährt in die Hauptstadt, wo sich ihre Wege mehrmals kreuzen. In der Stadt kommt er zu einem Nachtklub. Der Türsteher bietet ihm verschiedenste Sexutensilien an. Am frühen Morgen trifft er wieder auf Rudi. Diesmal mit der arbeitslosen Kassiererin, die mehrfach wegen Ladendiebstahls vorbestraft ist. Ein junger Journalist will mit ihnen ein Interview machen. Der Pfarrer zieht bei der Kassiererin ein. Die Wohnung hat keine Möbel. Nur einen Kasten. Zum Schlafen Matratzen am Boden und einen Haufen gestohlener Waren. Es gibt keinen elektrischen Strom. Das E-Werk hat die Lieferung eingestellt, weil keine Rechnungen bezahlt wurden. Sie will ihn verführen, um ihm die Sünde zu zeigen. Nach heftigem Alkoholkonsum gelingt es. Währenddessen trifft Rudi eine Schauspiellehrerin. Er möchte zum Film. Er stellt sich als ungeeignet heraus. In einer Werbeagentur findet eine Party mit namhaften Persönlichkeiten statt. Rudi verschaffte sich als Aushilfskellner einen Zugang und so Kontakt zu einem Filmemacher. Mit seiner Pistole nimmt er die Tochter des Medienmannes als Geisel um engagiert zu werden. Ein Waffenhändler findet Gefallen an ihm. Die Tochter kommt zu Rudi zurück und hantiert mit der Pistole. Versehentlich löst sich ein Schuss und sie stirbt. Rudi flüchtet in die Wohnung der Kassiererin. Der Pfarrer will Rudi helfen und dessen Unschuld beweisen und geht zum Waffenhändler. Dort wird dem Kriegsminister gerade ein neues Gewehr vorgeführt. Ein Gewehr, das sich selbst das Ziel sucht, egal wie genau der Schütze zielt. Es wird auf die Pupille eingestellt. In einem Menü kann man wählen welcher Menschentyp erschossen werden soll. Man stellt ein „Araber“ und ein Araber wird getroffen. Alle versuchen sich am Gewehr. Auch der Pfarrer wird gebeten. Letztlich haben sie sieben Menschen ermordet, die von Dienern ins Zimmer gebracht werden, wo dann ein Essen abgehalten wird. Der Pfarrer wird immer verrückter und er verschanzt sich nackt in einem offenen Schließfach am Bahnhof. Die Polizei will ihn festnehmen. Rudi eilt zu Hilfe und zückt seine Pistole. Dabei erschießt er einen der zwei Polizisten. Mit dem Pfarrer flüchtet er in die Wohnung der Kassiererin. Das Haus wird von Polizisten und Scharfschützen umstellt. In einem Gefecht stirbt Rudi. Der Pfarrer nagelt sich an einen Kasten wie ein gekreuzigter Christus. Die Kassiererin flüchtet. Obwohl das Stück streckenweise sehr skurril wirkt, enthält es viel Wahres. Der verrückte Pfarrer sagt etwa „Der Himmel ist auf die Erde gefallen. Es gibt keine Sünde, es gibt keine Vergebung mehr. Die Menschen haben Gott die Sünde abgekauft, er kann ihnen nichts mehr vergeben. Gott ist zu seinen Ebenbildern herabgekommen. Die Säulen des Himmels sind zerbrochen. Der Himmel ist auf die Erde gefallen. Das Himmelreich ist unter uns.“ (Seite 75) }, keywords = {Gott, Pfarrer, Sünde}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{CANETTI2021, title = {Das Augenspiel. Lebensgeschichte 1931 - 1937}, author = {CANETTI, Elias}, year = {2021}, date = {2021-01-21}, abstract = {CANETTI, Elias: „Das Augenspiel, Lebensgeschichte 1931-1937“, Frankfurt 2015 Drei autobiografische Bücher hat Canetti geschrieben. „Das Augenspiel“ ist das letzte und zeigt den Schriftsteller, wie er ein etwas selbstbewusster Autor geworden ist. In den Jahren 1931 bis 1937 – auf die sich dieses Buch bezieht – wohnte und wirkte Canetti in Wien. In den vorliegenden Berichten wird Wien als eine kulturell pulsierende Stadt beschrieben. Namhaften Künstler und Persönlichkeiten ist Canetti begegnet und in diesen Erzählungen charakterisiert er sie. „Es gab etliche Menschen in Wien, mit denen ich damals umging, die ich öfters sah, denen ich mich nicht verweigerte, und sie zerfielen in zwei einander entgegengesetzte Gruppen. Die einen, es waren vielleicht sechs oder sieben, bewunderte ich für ihre Arbeit und den Ernst, mit dem sie zu ihr standen.“ (Seite 119) Die anderen waren „die eben das Entgegengesetzte vertraten, die für Geld, Ruhm und Macht zu allem bereit waren. Auch von ihnen war ich fasziniert, allerdings auf ganz andere Weise.“ (Seite 120) Viel Respekt hatte er vor Hermann Broch und wurde letztlich zu seinem Freund. Anna Mahler, die Tochter des Musikers Mahler, war seine Geliebte. Sie, eine Bildhauerin, verließ ihn aber. Die Freundschaft aber blieb bestehen. So machte sie ihn mit dem Bildhauer Wotruba bekannt, der letztlich ein guter Freunde Canettis wurde. Die Mutter Anna Mahlers wird als arrogant und überheblich dargestellt. Sie war es auch, die ihn Canetti keinen würdigen Schwiegersohn und Mann für ihre Tochter sah. Auch nach der Trennung verehrte Canetti Anna: „Die Leuchtkraft des Ruhms, der um Anna lag, war so groß, dass ich nichts Übles von ihr geglaubt hätte.“ (Seite 74) Annas Atelier lag in der Operngasse, gegenüber der Wiener Oper. Viele Künstler kamen bei ihr vorbei und viele von ihnen hat sie in Portrait-Köpfen verewigt. Fritz Wotruba wer ein „harter“ Mensch. So wie er feste Steine bearbeitete war auch sein Umgang mit der Sprache. Er verwendete tiefen Wiener Dialekt. Canetti besuchte ihn oft in seinem Atelier unter den Stadtbahnbögen. Auch bei ihm zu Hause – er wohnte bei der Mutter und kleinen Schwester – war er geladen. Wotrubas Lebensgefährtin war sprachlich das Gegenteil. Sie sprach nur Hochdeutsch und auch nach Jahrzehnten in Wien nahm sie keinen Wiener Akzent an. Verehrung und Respekt brachte Canetti Herrn Dr. Sonne entgegen, dem das zweite Kapitel des Buches gewidmet ist. Seine Freundin Veza war von Dr. Sonne nicht so begeistert und nannte ihn „Siebenmonatskind“, weil „er nicht voll ausgebildet war, dass ihm zu einem kompletten, normalen Menschen etwas fehle.“ (Seite 134) Trotzdem blieb er Canettis Vorbild. 1933 führten ihn dann Reisen nach Straßburg – wo er sich länger aufhielt -, Zürich und Paris. Hitler war inzwischen in Deutschland an die Macht gekommen und Bücher wurden öffentlich verbrannt. Dies brachte Canetti zu einem Werk, in dem er Spiegel verbietet. In Zürich lernte er bei einer Lesung James Joyes kennen und verachten. Die in diesem Buch behandelte Zeitspanne betrifft jene, in der Canetti in Wien wohnte. Mit dem Teil 4 führt er in seinen Wohnbezirk Grinzing ein. Unabhängig von den biografischen Informationen bekommt man einen Einblick in das Leben der Intellektuellen dieser Zeit. So traf er Alban Berg noch wenige Wochen vor dessen Tod im Café. In unmittelbarer Nachbarschaft zu seinem Haus wohnte die Familie des Zeitungsherausgebers Benedikt. Die Familie war ihm anfangs suspekt und unsympathisch. Durch den Kontakt mit der Tochter wird er von der Familie aufgenommen. Man „köderte“ ihn mit einer Einladung, an der auch „das Dreigestirn der Wiener Décadence um die Jahrhundertwende: Schnitzler, Hofmannsthal und Beer-Hofmann“ (Seite 238) teilnahmen. Thomas Mann gab er ein Manuskript für ein Buch zur Begutachtung. Nach vier Jahren bekam er eine Antwort. Grinzing, in dem Stadtteil er wohnte, war und ist das Heurigendorf Wiens. Das hatte auch auf Canetti Einfluss: „In die Heurigen ging ich – von Zeit zu Zeit, nicht häufig – mit Freunden und besonders mit Besuchern, die aus dem Ausland kamen.“ (Seite 258) Die Fahrt mit der Straßenbahn der Nummer 38 in das Stadtzentrum liebte er. „Es war keine lange Strecke, ich befuhr sie von Endstation zu Endstation, keine halbe Stunde lang. Aber die Fahrt hätte auch länger dauern können, es war eine interessante Strecke…“ (Seite 259) Im letzten Abschnitt des Buches wird seine Bekanntschaft mit dem Maler Kokoschka in Prag und der Tod seiner Mutter in Paris beschrieben. Die biografische Beschreibung endet 1937. Wien wurde dann mit dem Anschluss ans Deutsche Reich um all diese Persönlichkeiten, die man im Buch kennenlernt, beraubt. So auch Canetti, der sich nach London absetzte. }, keywords = {Biografie, Canetti, Wien}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{STREERUWITZ2021, title = {Der Abe3nd nach dem Begräbnis der besten Freundin}, author = {STREERUWITZ, Marlene}, year = {2021}, date = {2021-01-15}, abstract = {STREERUWITZ, Marlene: „Der Abend nach dem Begräbnis der besten Freundin“, Frankfurt 2008 Als ihre beste Freundin starb war sie in Amerika. Sie wollte nicht heimfahren, weil die Freundin sonst das nahende Ende registrieren würde. Das Buch beginnt mit der Heimfahrt vom Begräbnis. Im Auto kommen ihr Gedanken zum Begräbnis. Warum etwa der Mann das Lied „I did it my way“ spielen ließ. Wollte er ihr damit sagen, dass der Krebs durch ihr vieles Rauchen kam; also ihre Schuld? Sie ging nicht zum Leichenschmaus. Dem Schweinsbratenessen und lustig sein wollte sie entgehen und fuhr heim, obwohl sie dort hungrig ankam. Viele Gedanken zum Tod der Freundin. Lilli – so hieß die Freundin – hatte „das Sterben gelernt wie eine Fremdsprache. Sie hat das gemacht wie alles andere auch. Begabt und mit Einsatz.“ (Seite 12) Die Freundin hatte viele Liebhaber. Sie weiß nicht wie viele es waren, hat aber alle im Tagebuch vermerkt. Sie, die Autorin, war ihr Schmiere gestanden. Hat Ausstellungen besucht und einen Bericht geschrieben, während die Andere mit einem Liebhaber in einem Bett lag. Um zu Hause vor dem Ehemann zu rechtfertigen wo sie war, las sie die Zusammenfassung der Freundin über die Ausstellung. Die chauvinistischen Unternehmen der Freundin unterstützte sie, weil sie sich selbst nicht traute auch so etwas zu machen. Die Freundin hatte viele Liebhaber gehabt. Einen hätte „sie den Kindern vorstellen wollen. Mit diesem Mann hatte sie das Gefühl gehabt, sie müsse das alles in Eines zusammenführen. In einen Lebensstrom. In dem hätte der Ehemann dann keinen Platz gehabt.“ (Seite 20) Jetzt war sie „gegangen“. „Voran. Sie hat es hinter sich. Hinter sich gebracht. Und warum man so viel Angst vor etwas hat, was niemand anderer je erfahren wird. Zu ihren vielen Geheimnissen noch dieses eine. Wie war das. Der letzte Gedanke. Das letzte Gefühl. Eine letzte Empfindung. Und wusste sie. Weiß man. Dass es das ist. Und schlief sie wirklich. Oder war sie in das Sterben gelähmt nur ruhig in ihrem Bett.“ (Seite 46) Zwei Jahre und sieben Monate hatte sie gegen den Krebs angekämpft. Großartig der Satz „Sie war so damit beschäftigt, das Sterben ernst zu nehmen, dass sie den Tod übersehen hat.“ (Seite 26) Zwölf Stunden wollte die Autorin an die verstorbene Freundin denken und am Ende der zwölften Stunde steht ein Gedicht, das so endet: mein lieber bruder besuche mich verlorenes kind und nimm mich mit und heim in meiner mutter silbermatte scheibe und zeige mir wo ich ein bleiben find }, keywords = {Begräbnis, Sterben, Tod}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{(Hg)2021, title = {Wunderwelt Ötscher. Kostbares aus Kultur und Natur}, editor = {Kulturregion Niederösterreich (Hg)}, year = {2021}, date = {2021-01-14}, abstract = {Kulturregion Niederösterreich (Hg): „Wunderwelt Ötscher. Kostbares aus Kultur und Natur“, Sankt Pölten 2015 Der Ötscher hat mich immer schon fasziniert. Ich weiß nicht warum. Er steht so mächtig über seinen ihn umgebenden kleineren Bergen und ist weithin sichtbar. Wenn ich von Krems nach Sankt Pölten fahre sehe ich ihn schon. Fährt man die Westautobahn nach begleitet er die Autofahrer. Im Alpenhotel in Gösing, wo ich schon mehrere Urlaube gemacht hatte, steht er schon beim Aufstehen vor dem Hotelfenster. Ein mystischer Berg. Pfarrer Franz Jantsch zählte ihn zu einem Punkt eines magischen Dreiecks. Im vorliegenden Bildband wird er aus verschiedensten Blickwinkeln beschrieben. Da geht es um die Holzfäller der Gegend, die erste Besteigung mit einer sehr interessanten schriftlichen Dokumentation, die Mariazellerbahn und deren Bau und Bräuche der Region. Viele Abbildungen – alte und neue – vermitteln dann noch mehr, als es Worte können. Ein sehr schönes Buch. }, keywords = {Berg, Niederösterreich, Ötscher}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{OBAMA2021, title = {Ein verheißenes Land}, author = {OBAMA, Barack}, year = {2021}, date = {2021-01-12}, abstract = {OBAMA, Barack: „Ein verheißenes Land“, München 2020 Obama ist kein Anfänger beim Schreiben eines Buches. Er tat es schon in Zeiten, in denen er noch nicht so populär war. Er tat es, um Geld zu verdienen. Bei diesem Buch verdient er noch mehr. Das typische Einkommen eines Ex-Politikers. Noch dazu erschien dieses Buch gemeinsam mit einem seiner Frau. Die deutschsprachige Ausgabe stimmte sie aufeinander im Designe ab; ja, der deutsche Verlag verkaufte die beiden Bücher auch im Paket. Um es spannend zu machen beginnt der Autor bei dieser, seiner Selbstbiografie, mit ersten Eindrücken aus dem Präsidentenbüro, aus dem White House. Erst langsam nähert er sich seiner eigenen Geschichte und erzählt aus seinem Elternhaus, woher er kommt (Hawaii), dass sein Vater ein Afrikaner war, den er aber nicht kannte, weil er seine Mutter früh verließ und nach Kenia zurückkehrte. Er wurde von seiner berufstätigen Mutter und hauptsächlich von seiner Großmutter aufgezogen. Dazwischen war er – seine Mutter wurde dorthin versetzt – in Indonesien, wo seine Mutter wieder einen Einheimischen heiratete. Auch diese Ehe ging zu Bruche und die Mutter kehrte mit ihm und seiner Halbschwester wieder nach Hause zur Großmutter zurück. Obama erzählt dann von all seinen Jobs und seiner Familie. Wie er seine Frau kennengelernt hat, wie sie eine Familie gründeten und wie er dann zur Politik kam. Beide – Herr und Frau Obama – haben sich aus einfachen Verhältnissen hochgearbeitet und gute Positionen erreicht. Barack aber wollte mehr. In einer „Zeit, in der der bloße Gedanke an einen Schwarzen US-Präsidenten genauso abwegig erschienen wäre wie die Vorstellung von einem Schwein, das fliegt.“ (Seite 291) Aber sein Ehrgeiz führte ihn über die Position eines Senators letztlich zum Sieger als Präsidentschaftsanwärter der Demokraten und als solcher auch ins Weiße Haus. Er rechtfertigte dieses sein Ziel damit, dass „wir alle tief in unserem Inneren die Ersten sein und für große Leistungen gefeiert werden wollen.“ (Seite 111) Die Übersiedlung der Familie mit zwei Mädchen war ein tiefer Einschnitt im Leben. Viele Dinge konnten nicht mehr gemacht werden. Im Weißen Haus stand ihnen zwar eine Infrastruktur zur Verfügung, die an ein Märchenschloss erinnerte: mehrere Tausend Quadratmeter Wohnraum, ein Fitnesscenter, ein Pool, ein Tennisplatz, ein Kino, eine Kegelbahn, eine Arztpraxis … ABER sie konnten sich nicht mehr frei bewegen und waren immer überwacht. Ein Lebensabschnitt auf 1000 Seiten geschildert ist schon ein Stück harter Arbeit für den Leser. Viele Details und Namen sind für Europäer nichtssagend und unverständlich. Aber man bekommt ein Gefühl für den Hergang und die Entwicklung des Menschen Barack Obama. Wie es keine leichte Entscheidung für ihn und seine Frau war, dass er in die Politik ging. Zuerst als Senator von Illinois und erst später – als Unbekannter – als Präsidentschaftskandidat. Neu für uns Europäer ist auch der Hergang der Vorwahlen, die innerhalb der eigenen Partei ausgefochten wird. Mit welcher Härte Gleichgesinnte gegeneinander antreten. Wieviel Geld schon für diese interne Auswahl aufgewendet wird. Obama begann mit etwa 200 Mitarbeitern. Am Ende der mehrjährigen Wahlkampagne hatte er mehr als 1000 Mitarbeiter. Bei Themen, wie der Gesundheitsreform gibt Obama in diesem Buch auch eine historische Einführung, wie sich dieses Gebiet in Amerika und international entwickelt hat. Gleich nach Antritt seines Amtes muss er landesinterne Probleme, wie eine Wirtschaftskrise lösen. Die amerikanische Autoindustrie braucht riesige Beträge um vor dem Aus gerettet zu werden. Die Banken müssen unterstützt werden. Hilfeleistungen kamen den Reichen zugute. Alles Aktionen, die er als „sozialistischer“ Kandidat nur schwer mit seiner Überzeugung vereinbaren konnte. Ein soziales Gesundheitssystem – „Obamacare“ – war nur schwer und mit vielen Abstrichen durchzusetzen. Die Benachteiligung der „Nichtweißen Bevölkerung“ war ein anderes Anliegen, das er aus eigener Erfahrung kannte. Bei seinen internationalen Berichten gibt er zu jedem Land einleitend einen Überblick. Hier zeigt sich – trotz der Sympathien dieses Präsidenten – die Überheblichkeit der USA gegenüber dem Rest der Welt. Über europäische Politiker wie Angela Merkel und Sarkozy spricht er etwas abschätzig. Auch stellt er viele Dinge als Erfolg seines Einsatzes dar. So etwa die Bewältigung der europäischen Finanz- und Immobilienkrise mit der Verschuldung Griechenlands. Irgendwie ist es eine „Coca-Cola Politik“, bei der alle Länder so sein müssten, wie es sich Amerika vorstellt. Vieles hatte er sich als Präsident vorgenommen, aber in der Realität musste er Kompromisse eingehen und Abstriche machen. Obama lernte erst im Amt, dass Fakten weniger erfolgreich in der öffentlichen Meinung sind als Emotionen, was ihm als zielgerichteter Realist schwerfiel. Er, der keine Kriege wollte, war dann mehrfach verwickelt: im Irakkrieg, der zehn Milliarden Dollar pro Monat kostete, in Afghanistan, im Libyen, Jemen. Die USA standen im Konflikt zwischen Israel und Palästina auf der Seite Israels. Viele der Sponsoren für den Wahlkampf Obamas kamen aus diesen Wirtschaftskreisen. Er wusste aber, dass da ein Unrecht gegenüber den Palästinensern passierte. Ein innerer Konflikt, den er, jetzt wo er nicht mehr verantwortlicher Präsident ist, öffentlich definiert. Trotz der 1000 Seiten hält der Autor den Leser bei der Sache und baute immer wieder Spannung auf, die zum Weiterlesen animiert. Irgendwie liest sich das Buch wie eine Rechtfertigung des Ex-Präsidenten. Was er weswegen gemacht hat und wie es angenommen wurde. Auch Misslungenes wird angesprochen. Es ging ihm auch um die nachträgliche Auslobung von Erfolgen, die öffentlich nicht gefeiert wurden. In den ersten Jahren der Präsidentschaft Obamas trat der Bauunternehmer Trump durchaus positiv für ihn auf, wenn er sagte „Alles in allem glaube ich, dass er einen sehr guten Job gemacht hat.“ (Seite 935) Als aber dann klar wurde, dass er selbst Präsident werden will, änderte sich sein Ton und er kam – so wie wir es auch dann später während seiner eigenen Präsidentschaft kennengelernt haben – mit Lügen und unwahren Behauptungen. So sagte er zu den Medien, dass nur ein in Amerika geborener Staatsbürger amerikanischer Präsident werden könne. Obama sei kein amerikanischer Staatsbürger. Auf niedrigem Niveau wurden hier Behauptungen aufgestellt, die die Boulevardmedien aufgriffen. Er berichtete, dass die Geburtsurkunde verschwunden sei. „Unser gegenwärtiger Präsident kam aus dem Nichts … Die Personen, die angeblich mit ihm zur Schule gingen, haben ihn dort nie gesehen, sie wissen nicht, wer er ist.“ (Seite 934) Auch seine Aufnahme in die Universität wurde angezweifelt, weil er nur miese Noten in der Schule gehabt habe. Trotz großer Verantwortung musste sich Präsident Obama gegenüber diesen Lügen rechtfertigen. Das Buch gliedert sich in 7 Kapitel, die mit dem Wahlkampf als Senator beginnen und mit einem Kapitel über internationale Konflikte endet. Ganz am Schluss kommt es zur militärischen Operation, in der Osama bin Laden ermordet wird. Viele Menschen sind dem Autor beim Erstellen des Buches beigestanden. In der Danksagung werden über 5 Seiten Namen aufgezählt, die geholfen haben. Das Buch endet – trotz 1000 Seiten Länge – nach zwei Jahren Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Das zeigt schon, dass weitere dicke Bücher von Barack Obama erscheinen werden. }, keywords = {Amerikanischer Präsident, Obama, USA}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Gerhards2020, title = {In Church, Leo Zogmayer – Kunst für liturgische Räume}, author = {Albert Gerhards, Stephan Winter}, editor = {Albert Gerhards, Stephan Winter}, year = {2020}, date = {2020-12-31}, abstract = {GERHARDS, Albert; WINTER, Stephan (Hg): „In Church, Leo Zogmayer – Kunst für liturgische Räume“, Regensburg 2020 Ich habe eine Biografie des Künstlerfreunds Leo Zogmayer schon im Vorjahr zu seinem 70. Geburtstag erwartet. Aber wie sich mit dem vorliegenden Buch zeigt ist Leo auch in dieser Beziehung anders. Es ist keine Beschreibung seiner Person, sondern seiner Kunst. Schon im Vorwort stellen die beiden Herausgeber klar, dass Leo Zogmayer anders ist. Auf die Frage, wie er an ein neues Werk herangeht sagte er: „Der Dirigent Sergiu Celibidache wurde gefragt, wie er sich vorbereitet, bevor er auf die Bühne geht, um ein Konzert zu dirigieren; und er hat gesagt: `Ich mache mich leer.´ Für wirklich kreatives Agieren ist es nötig, dass ich offen bin und frei bin für etwas, das sich zeigt. Für Intuition, Inspiration, für die Hilfe, die ich da brauche. Das ist aus meiner Sicht `Kreativ´. Nicht was ich schon gut kann. Es geht ums Schauen, Hören – so frei wie möglich.“ (Seite 5) Im ersten Kapitel kommt es zu einem Dialog zwischen Leo Zogmayer und dem Bischof von Innsbruck Hermann Glettler, in dem man viel von Zogmayer s Einstellung zur Kunst und zum Leben generell. Etwa, dass man nur im Jetzt und nicht in der Vergangenheit oder Zukunft leben kann. Das drückte er auch mit seiner Uhr „Jetzt“ aus. Was immer die Zeiger anzeigen: es ist das Jetzt. Er sieht seine Kunst als Realität. Schon zu Beginn des Studiums hat er sich für eine Akademie entschieden, die nicht im Surrealismus lehrte. Er bevorzugte schon immer die wirkliche Welt und hier sind ihm auch die Pausen wichtig, die Leere. Etwas „schön“ zu bezeichnen findet er nicht als Anerkennung. Für ihn kommt „schön“ von schauen und meint sichtbar machen. Also etwas Reales darstellen. Der Theologe Albert Gerhards geht dann auf die einzelnen sakralen Projekte von Leo Zogmayer ein. Bei all den Projekten „geht es keineswegs um Accessoires, sondern um etwas Umfassendes oder um das Ganze.“ (Seite 26) Für ihn, den Autor dieses Kapitels, ist das 20. Jahrhundert das spannendste in der Geschichte des sakralen Bauens. Es ist schwierig hier in all die einzelnen Projekte einzugehen. Es geht vom Umbau der gotischen Kirche Maria Geburt in Aschaffenburg über die Kirche Sankt Franziskus in Bonn über zwei Projekte in Brüssel Nicht immer sind seine Projekte so geblieben, wie er sie installiert hatte. Die Gemeinschaft des Klosters Karmel Sankt Josef in Innsbruck hat später den Sakralraum wieder umgestaltet. „Der Konvent war offensichtlich anderer Meinung. Ein Jahr nach Fertigstellung wurde schon wieder umgebaut. Anstelle der Stühle baute man ein massives Chorgestühl ein, eine Art Lettner mit Kreuz und Tabernakel in der Mitte teilt nun den Raum, der völlig zugestellt wirkt.“ (Seite 74) Aus vielen Langhauskirchen und Basilikas machte er durch seine Einrichtung Zentralbauten, bei denen das Geschene, der Altar, in der Mitte unter den Gläubigen ist. Seine Räume werden schlicht gestaltet und geben den Kirchenbesuchern Platz um Mystischen und zum Nachdenken ohne abgelenkt zu werden. Das größte Projekt Zogmayers geht auf das Jahr 2013 zurück und ist immer noch nicht umgesetzt. Es ist der Umbau der Sankt Hedwigs Kathedrale in Berlin. Bei einem öffentlichen Wettbewerb hat Zogmayer mit den Architekten Sichau & Walterunter mehrreren hundert eingereichten Vorschlägen den ersten Platz errungen. Und das sehr klar, weil dser zweite Platz nicht vergeben wurde. Dafür der dritte Platz an zwei Bewerber. Leo Zogmayer bringt die Kuppelkirche wieder in eine zentrale Form zurück. Viele Diskussionen mit der Kirchengemeinde und in der Öffentlichkeit verzögern die Umsetzung. Im Kapitel „Wie nach einer langen Reise“ setzt sich der 2018 verstorbene Kardinal Karl Lehmann mit dem Verhältnis von Religion und Kunst auseinander. Zogmayer hat sich viel mit Worten als Kunstinstrument auseinandergesetzt. Dem trägt der Autor Stephan Winter im Kapitel „If you celebrate it, it´s art“ auseinander. „Eine Kunst wie die Leo Zogmayers wirkt in einem Zeitalter wachsender, zunehmend perfider organisierter Abgrenzungs- und Exklusionsmechanismen zwischen Individuen, sozialen Gruppen, Gesellschaften und Kulturen eminent humanisierend.“ (Seite 133) Abschließend muss ich sagen, dass all diese meine Worte nicht ausreichen, um das vorliegende Buch zu beschreiben. Eine Rezension ist ungeeignet Kunst darzustellen. Kunst braucht Bilder. Ein Buch – wie dieses – kann dem gerecht werde. Es bringt Abbildungen, die mehr sagen als viele Worte. Eine textliche Zusammenfassung, wie es eine Rezension sein sollte, kann dies schon gar nicht. }, keywords = {Kircheneinrichtung, Leo Zogmayer, Sakrale Kunst}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{RIGLER2020, title = {Diese Komödie ist eine Tragödie. Werk und Leben des Schriftstellers Peter Turrini}, author = {Christine RIGLER}, year = {2020}, date = {2020-12-27}, abstract = {RIGLER, Christine: „Diese Komödie ist eine Tragödie. Werk und Leben des Schriftstellers Peter Turrini“, Innsbruck Wien 2019 Ich glaubte vieles über Peter Turrini zu kennen. Unsere Wege kreuzten sich mehrmals im Leben und ich versuchte kein Theaterstück ungesehen und kein Buch von ihm ungelesen zu lassen. Aber hier habe ich wieder viel Neues gelernt und gelesen. Nun ja, die Autorin – Christine Rigler – ist als Literaturwissenschafterin und Leiterin des Archivs der Zeitgenossen an der Donau-Universität Krems sehr nahe an Peter Turrinis Werken dran, denn sie verwaltet in diesem Archiv auch den Vorlass von Peter Turrini. Noch in meiner Zeit als Vizerektor der Donau-Universität hatte ich Peter Turrini zu einer Lesung nach Krems geholt. Jetzt sind all seine Manuskripte und Werke dort gelandet. So schließt sich der Kreis – die Jordankurve. Die hier vorliegende Biografie ist sehr gut gelungen. Das sage ich, auch wenn ich als Fan von Turrini voreingenommen bin. Die Autorin gliedert sie in acht Kapitel, beginnt aber nicht auf der Zeitachse mit der Geburt und Kindheit des zu Beschreibenden, sondern mit der Geburt seiner Dichterschaft und dem Entstehen seiner ersten Werke. Ende der 60er Jahre begab er sich zu einem typischen Hippieleben auf die griechische Insel Rhodos. Dort erprobte er aber nicht nur die damalige Drogenszene, sondern schrieb auch sein erstes Stück „Rozznjogd“. Schlagartig (deswegen der Vergleich mit einer Geburt) wurde er bekannt und zum Dichter. Das Stück provozierte. Im Programmheft stellte er sich vor: „ich komme aus maria saal in kärnten. Wer bei uns kalbsbraten ißt stößt zweimal, wer schweinsbraten ißt, dreimal auf. Dies brachte mich auf die idee, vom katholizismus zum free jazz zu konvertieren. um dem würgegriff der ländlichen liebenswürdigkeit zu entgehen, ging ich nach wien.“ (Seite 15) Das Stück war ein Schock für die Wiener Theaterwelt, obwohl es Turrini nicht so gewollt hatte: „Nein, ich will das Publikum nicht schockieren, sondern durch den Schock zu einem Denkvorgang anregen.“ (Seite 23) In die Jugend und Kindheit geht die Autorin erst im zweiten Kapitel ein und beschränkt sich nicht nur in der Erzählung von Fakten des zu Biografierenden und dessen Vorfahren, sondern auch welche Eindrücke und Erfahrungen seinen Werdegang als Dichter beeinflussten. So die Familie Lampersberg, die ihm eine andere Welt erschloss. Sein Vater, ein aus Italien stammender Kunsttischler, hatte nie Anschluss an die Dorfgemeinschaft bekommen. Er blieb ein Fremder. Peter definierte es so, dass sein Vater ein italienischer Einwanderer war, „welcher es nie bis an den Stammtisch der Einheimischen schaffte.“ (Seite 215) Darin ist auch begründet, dass es in vielen Stücken den Bezug zu Flüchtlingen und Fremden gibt. Aber auch die Klassengesellschaft findet sich in späteren Werken wieder. Sein Vater gehörte nicht der konservativen Bauernschaft an. Er war dem linken Lager zuzuschreiben. Nach der Hauptschule besucht Peter Turrini die Handelsakademie, deren Fachgebiet ihn absolut nicht interessiert, aber die Eltern in diesem Beruf – vor allem im Bankensektor – eine sichere Einkunftsquelle sahen. Mehr interessierte sich der Schüler Turrini für Projekte wie seine Schülerzeitung, in der er etwa die nationalsozialistischen Lehrer anprangerte und fast aus der Schule geworfen wurde. Er aber gibt nicht auf und schrieb in einer Folgeausgabe „Niemals sind wir jedoch gewillt, in die Fußstapfen demokratischer Leisetreter zu steigen.“ (Seite 58) Peter Turrini hatte immer einige Jahre mit einem bestimmten Wiener Theater intensiver zusammengearbeitet. Dem trägt auch die Autorin dieser Biografie Rechnung, indem sie jeweils ein Kapitel dem Volkstheater (1963-1973), eines dem Burgtheater unter Claus Peymann und letztlich eines dem Theater in der Josefstadt widmet. Zu Beginn muss der junge Schriftsteller auch noch jobben und nimmt die verschiedensten Berufe an. Bei einem, dem italienischen Schreibmaschinenhersteller Olivetti, kreuzten sich unsere Wege. Turrini – er war Schreibmaschinenvertreter - sagte später zu mir „Beim Schreiben der Verkaufsberichte habe ich das Dichten gelernt.“ Turrini war inzwischen mit einer jungen Schauspielerin (Susanne Liebermann) verheiratet und sie trat in seinem Einpersonenstück „Kindsmord“ auf. Mit seinen ersten Stücken – darunter auch „Sauschlachten“ erlangte er Bekanntheit, zweifelte aber an der gesellschaftspolitischen Wirksamkeit des Theaters. Er wandte sich dem Schreiben für Film und Fernsehen zu. Christine Rigler widmet dieser Epoche (1973 – 1980) das vierte Kapitel des Buches. In dieser Phase entstanden die beiden Fernsehserien „Alpensaga“ und „Arbeitersaga“. Als Sympathisant der KPÖ kritisiert er einerseits in der Alpensaga den Bauernstand mit deren politischer Heimat und in der Arbeitersaga auch die sozialistische Partei. Die „Alpensaga“ entstand durch kollektives Schreiben und Zusammenleben mit Wilhelm Pevny und dem Filmregisseur Dieter Berner. Sie gründeten eine Wohngemeinschaft, um dem Konzept der traditionellen Kleinfamilie zu entkommen. Die Zusammenarbeit der Künstler hielt länger als die Wohngemeinschaft. Die Produktion der „Alpensaga“ war mit vielen Stolpersteinen und Schwierigkeiten bestückt. „Es war ein Kulturkampf, den wir uns heute nicht mehr vorstellen können.“ (Seite 115) Enttäuscht kam er 1980 wieder zum Theaterschreiben zurück: „Reumütig stehe ich vor der verlassenen Geliebten Theater und bitte um Gnade.“ (Seite 125) Freunde stellten ihm ein Landhaus im Weinviertel zur Verfügung, wo neue Stücke wie „Josef und Maria“ entstanden. In der Abgeschiedenheit wurde er wieder kreativ. Dazwischen kam es zu einer Amerika- und Russlandreise mit Dichterkollegen wie H.C. Artmann und Helmut Qualtinger. Nach Israel reist er zur Aufführung seines Stücks „Der tollste Tag“. An einen Freund in Amerika schrieb er in der Nachschau, dass ihn die Sowjetunion mehr beeindruckte als Amerika und er die Menschen dort ehrlicher empfand. 1983 schuf sich Turrini einen eigenen Rückzugsort am Rand der Stadt Retz, wo er gemeinsam mit dem Ehepaar Berner, Hilde Berger und Rudi Palla ein Renaissancehaus erwarb. Um der Gemeinschaft beim Schreiben zu entkommen, stellte ihm ein Pater – der spätere Erzbischof von Wien Kardinal Christoph Schönborn eine Zelle im Dominikanerkloster Retz zur Verfügung. Politische Engagements brachten ihn nach Wien: die Protestbewegung gegen den Bau eines Kraftwerks in den Hainburger Donauauen und die Wahl von Kurt Waldheim zum Bundespräsidenten. Mit Claus Peymann kam die Schaffensperiode am Burgtheater. Obwohl Peymann ein schwieriger „eckiger“ Mensch ist, engagierte sich Turrini für seine Vertragsverlängerung. Peymann kam nach Wien, als sich Turrini dem Film und Fernsehen abwandte. Die Interessen der Beiden trafen sich und brachten viele Stücke hervor. Auch hier blieb die Kritik der konservativen Gesellschaft nicht aus. In diese Phase fiel auch ein Libretto zu einer Oper, die Friedrich Cerha komponierte und die in der Wiener Staatsoper aufgeführt wurde. Nachdem Peymann Wien verlassen hatte suchte auch Turrini eine neue Schaffensstätte und fand sie mit dem neuen Direktor des Theaters an der Josefstadt Herbert Föttinger. Das konservative Vorstadttheater wandelte sich und engagierte sich für zeitgenössische Gegenwartsdramatik. In dieser Zeit trat auch seine langjährige Gefährtin Silke Hassler in sein Leben. Sie ist auch seine Dichterkollegin, mit der gemeinsam viele Stücke und Texte entstanden. „Wir streiten nie über Alltagsfragen. Aber der Silke und mir ist jede Formulierung, die wir noch nicht gut finden, jede Leidenschaftlichkeit wert. Lieber schneide ich mir einen Finger ab, als dass ich einen Satz stehen lasse, von dem ich nicht überzeugt bin.“ (Seite 201) Letztlich kommt in den letzten Seiten des Buches auch das Archiv der Zeitgenossen an der Donau-Universität und deren Leiterin, die die Autorin dieser Biografie ist, zu Wort. Sie beherbergt den Vorlass von Peter Turrini und das war die Basis für das vorliegende Buch. Turrini – jetzt auch Großvater – zog sich vollständig ins Weinviertel und ein eigenes, umgebautes Presshaus zurück. Selbst bei gesundheitlichen Problemen, wie nach einem Herzinfarkt und einer Operation diktierte er noch im Krankenhaus Texte für das Stück „Fremdenzimmer“. Das Buch ist sehr zeitnah und erwähnt auch die Aufführung der Oper „Schuberts Reise nach Atzenbrugg“ im April 2020 in München, zu der Turrini das Libretto schrieb. Aufgehört hat er auch nicht sich politisch zu engagieren und zeigt nicht zu goutierende politische Bewegungen kritisch auf. }, keywords = {Biografie, Turrini}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HEILMANN2020, title = {Die Seidenstrassen-Illusion. Mythen und Realitäten eines eurasischen Superkontinents unter chinesischer Vorherrschaft}, author = {HEILMANN, Sebastian}, year = {2020}, date = {2020-12-22}, abstract = {HEILMANN, Sebastian: „Die Seidenstrassen-Illusion. Mythen und Realitäten eines eurasischen Superkontinents unter chinesischer Vorherrschaft“, Zürich 2020 Der Titel klingt kritisch und typisch europäisches mit dem Hinweis „das böse China“. Der Autor der in der Vontobel Stiftung erschienen Publikation ist aber ein ausgewiesener Chinaexperte. An der Universität Trier hat er einen Lehrstuhl für „Politik und Wirtschaft Chinas“ inne. Von 2013 bis 2018 war er Gründungsrektor eines der angesehensten Chinaforschungsinstitute, dem MERCIS (Mercator Institute for China Studies) in Berlin. Das zog mich an die Studie zu lesen und ich wurde überrascht. Sie ist einerseits kritisch, wägt aber alle Alternativen ab und gibt so einen informativen Überblick über Chinas Expansionspolitik. Es beginnt mit einem historischen Rückblick. China verwendet den Begriff „Seidenstraße“. Dieser wurde 1838 von einem deutschen Geographen geprägt. Chinas Präsident Xi Jinping griff den alten Begriff wieder auf. Erstmals erwähnte er ihn bei einer Rede in Kasachstan. Die alte Handelsstraße – die nie eine durchgehende war – soll mit modernen Mitteln wiederbelebt werden. Der Name verbindet viele Projekte unter einem Umbrella. Von der Definition gibt es mehrere „Seidenstraßen“: • die landbasierte Seidenstraße, • eine maritime Seidenstraße, • eine digitale Seidenstraße und • eine Weltraum-Seidenstraße mit einem chinesischen Satellitennetz. Dabei geht es nicht nur um den Handel und Transport von Gütern, sondern auch um Kooperationen, Förderungen der Wohlfahrt der Staaten entlang der Seidenstraße. Dazu bedient sich China verschiedener Instrumente: ungehinderter Handel, Finanzkooperationen, Vernetzung, Infrastrukturausbau. Dieses Projekt erhielt 2017 durch die Aufnahme in die Parteiverfassung höchste Priorität. Der Studienautor kommt zu dem Schluss, dass es sich primär um eine wirtschaftliche Aktivität handelt. Die außenpolitischen Organisationen Chinas sind nicht beteiligt und das Militär würde nur im Fall von Spannungsfällen zugezogen. Typisch auch die Vorgehensweise für China: das Projekt ist nicht detailliert im Voraus definiert. Dadurch hat es die Möglichkeit laufenden Änderungen angepasst zu werden. Eine Vorgangsweise, wie sie auch innerhalb Chinas oft angewendet wird. Man behält sich Flexibilität in der Hinterhand. Klar ist aber, dass China damit seine Vormachtstellung auf der Welt dokumentieren will. Man will auf Augenhöhe der USA agieren und dies mit einer intensiven Industrie- und Handelspolitik. Daher gibt es viel Gegenpropaganda speziell aus den USA, die von einer Schuldenfalle Chinas spricht. Heilmann kann dem aber nicht folgen, da das Risiko mehr auf chinesischer Seite liegt, weil die Hauptinvestitionen in ärmeren Staaten passiert. Da chinesische Betriebe diese Aktivitäten auch für ihre Geschäfte nützt und ihre interne Situation aufbessert wird der Umweltgedanke vorerst noch unterbelichtet behandelt. China hat landesintern strenge Umweltauflagen verordnet unter denen viele Technologien nicht mehr verwendet werden dürfen. Firmen exportieren diese jetzt in arme Länder. So wie in China selbst Kohlekraftwerke stillgelegt werden, baute man neue in Ländern wie Pakistan. Klar ist aber auch, dass durch eine Hebung des Lebensstandards in Entwicklungsländern die Abgaswerte unserer Erde steigen. Der wirtschaftliche Aufstieg Chinas, der in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts begann ist einzigartig. Dieses Modell versucht man auch auf andere Entwicklungsländer umzulegen. Dabei ist die Umwelt – so wie landesintern –zweite Priorität. China rollt seinen Einflussbereich über Eurasien auf. Dabei geht sie um wirtschaftliche Komplementarität unter Wahrung des gegenseitigen Respekts. Bedingt durch den Konflikt mit den USA kam es zunehmend zu mehr Kooperationen mit Russland. Bei der Uneinigkeit der EU werden individuelle Verträge mit einzelnen Staaten wie Portugal, Griechenland und Italien abgeschlossen. Alles in allem eine sehr ausgewogene und faktenbezogene Darstellung der Situation. }, keywords = {China, Seidenstraße, Wirtschaft}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{ROTH2020, title = {Eine Reise in das Innere von Wien. Die Archive des Schweigens}, author = {Gerhard ROTH}, year = {2020}, date = {2020-12-16}, abstract = {ROTH, Gerhard: „Eine Reise in das Innere von Wien. Die Archive des Schweigens“, Frankfurt 2015 Es ist dies der letzte Band des siebenbändigen Zyklus „Die Archive des Schweigens“. Mit viel Recherchearbeit präsentiert der Autor Wien im Untergrund in neun Kapitel. Wien aus einer anderen Perspektive. Unbekannt und „untergründig“. So sind die k.u.k. Hetztheater in Vergessenheit geraten. In Anlehnung an die römischen Gladiatorenspiele wurden hier verschiedene Tiere gegeneinandergehetzt. Die Arena war aber nicht so pompös als im antiken Rom. Lediglich Holzbauten, die im 18. Jahrhundert entstanden und später wieder verschwanden. In der Geschichte „Die zweite Stadt“ geht Roth auf die unterirdischen Gänge Wiens ein, die in manchen Belagerungen, wie den Türkenkriegen, die Stadt gerettet hatten. Heute sind es die weitverzweigten Kanalanlagen, die Wien unterminieren. Roth geht in seinen Schilderungen auch in die Umgebung und berichtet über die Seegrotte, dem unterirdischen See eines ehemaligen Gipsbergwerks in der Hinterbrühl. Den Künstler der psychiatrischen Anstalt Gugging wird ein eigenes Kapitel gewidmet. Vielen Besuchen waren notwendig, um diese Geschichte zu schreiben. Mit dem Juden Berger wandert Gerhard Roth durch die Wiener Leopoldstadt und lässt sich ehemalige, jüdische Einrichtungen zeigen und erklären. Ein Stadtbezirk, der (fast) verschwunden ist. So weiß Roth zu berichten, dass nur mehr 500 Juden in der Leopoldstadt leben. Während des 3. Reiches waren 100.000 ausgewandert und 60.000 wurden in KZs ermordet. Immer wieder gab es Verbote und Verfolgungen der Juden in Wien, aber immer wieder wurden sie gebraucht und bekamen eingegrenzte Rechte zugesprochen. Manchmal gab es auch innenpolitische Zwiste, wie etwa der Wiener Bürgermeister Karl Lueger judenfeindlich vorging („Wer a Jud ist, bestimm i“) und ihnen Kaiser Franz Josef dagegen freundlich gegenüberstand. In der Reichskristallnacht wurden von den 95 Bethäuser 49 zerstört und heute existieren nur mehr elf. Im Kapitel „Das Graue Haus“ wird man als Leser in die Vorgänge eines Gefängnisses eingeweiht. So erlebt man den Weg der Aufnahme eines Untersuchungssträflings. Aber auch alte Einrichtungen, wie die Köpfmaschine wird beschrieben. Von 1938 bis 1945 wurden noch 1184 Hinrichtungen vorgenommen. „Die Hitlervilla“ ist ein Obdachlosenheim, in dem auch Adolf Hitler während seines jugendlichen Wienaufenthalts wohnte. Heute beherbergt es etwa 400 Männer. Nach vielen Besuchen erzählt Roth die Schicksale einzelner Insassen und deren Leben. Auch die „Aufseher“, deren Job kein leichter ist, kommen zu Wort. Alkohol, Drogen und Raufereien müssen sie schlichten. Im ehemaligen „Narrenturm“, den 1784 Kaiser Josef II zur Unterbringung von abnormen Menschen bauen ließ, befindet sich heute das „Pathologisch-Anatomische Bundesmuseum“. Es beherbergt über 42.000 menschliche, aber auch tierische Präparate. Im Mittelalter galten Missbildungen noch als Wunder. Später wurden sie in Schaubuden vermarktet oder – wie im Dritten Reich – ermordet. Die ausgefallensten Kreaturen werden hier im Museum zur Schau gestellt: Menschen mit drei Köpfen, mehreren Armen, zusammengewachsene Kinder etc. Eine sehr übersichtliche Geschichte des Stephansdom wird auf zirka 50 Seiten geboten. Baugeschichtliches und Theologisches, aber auch Sagen und Überlieferungen werden wiedergegeben. Der umfangreichste Teil des Buches wird dem Heeresgeschichtlichen Museum gewidmet. Gleich zu Beginn erfährt man, dass es als Kaserne und Produktionsstätte für Kriegsmaterial nach der Revolution von 1848 gebaut wurde. Heute beherbergt es ein Kriegsmuseum, wo man vieles über Waffen und Kriege erfahren kann. Dieser Abschnitt vermittelt Informationen auf mehreren Ebenen: • Mit dem Autor erlebt man eine virtuelle Führung durch das Museum. • Er erzählt über die Geschichte Österreichs und ihrer Kriege. • Die Geschichte des Museums selbst wird ebenfalls ausführlich abgehandelt. Also eine mehrfache Information. Einige Beispiele: - Zwischen dem Kaiser und seinem Feldherrn Wallenstein gab es Eifersüchteleien. Der Kaiser setzte ihn ab, musste ihn aber bei neuerlicher Kriegsgefahr wieder in den Dienst rufen. „Als Wallenstein geheime Friedenverhandlungen mit dem Gegner aufnahm, wurde er das zweite Mal abgesetzt, diesmal geächtet und aufgrund einer Verschwörung, die man in Wien gegen ihn anzettelte, am 25.2.1634 zu Eger ermordet.“ (Seite 201) - Im 30-jährigen Krieg überlebten von den 18 Millionen Einwohnern des deutschsprachigen Raums nur 7 Millionen! - Unter Maria Theresia wurde das Heer in Österreich verstaatlicht. Dadurch mussten Unterkünfte (=Kasernen) gebaut werden. Der Sohn Maria Theresias, Josef II, löste das teilweise durch Umwidmung von Klöstern in Kasernen. - In der 23-jährigen Kriegsführung Napoleons starben vier bis fünf Millionen Menschen. Napoleon war der Schwiegersohn des österreichischen Kaisers und gleichzeitig sein Feind, gegen den er Krieg führte. - Kaiser Franz Joseph hatte 51 Titeln. - Im ersten Weltkrieg kämpften auf österreichischer Seite 8 Millionen Soldaten, von denen eine Million „fiel“ und zwei Millionen verwundet wurden. Alleine an der Front in den Dolomiten fielen 500.000 Österreicher und eine Millio0n Italiener. Beachtlich auch die Größe des Museumsareals. 1908 bestand es aus 138 Steinbauten, 93 Baracken. Es beherbergte 18 Fabriken, die Militärprodukte erzeugten. Nach dem Ende der Monarchie überlegte man das Museum den USA zu verkaufen. Letztlich zerstörte man aber die vielen unterirdischen Gänge, die eine Verbindung zur Hofburg und nach Schönbrunn herstellten und führte die Anlage nach dem Zweiten Weltkrieg zivilen Zwecken wie der Post- und Telegraphenverwaltung und den Bundestheatern für Kulissenwerkstätten zu. Ja, es gab sogar Tennisplätze, auf denen ich selbst noch spielte. Über vieles macht sich Roth auch lustig. So bringt er einen Vergleich der exerzierenden Soldaten mit Gruß- und Demutsbewegungen von Vögeln. Das Buch ist kein Roman und auch literarisch nicht so hochstehend, aber es vermittelt viele Informationen, die in mühevoller Kleinarbeit zusammengetragen wurden. }, keywords = {Hitler, Juden, Militär, Stephansdom, unterirdische Plätze, Wien}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{INNERHOFER2020, title = {Schöne Tage}, author = {Franz INNERHOFER}, year = {2020}, date = {2020-12-10}, abstract = {INNERHOFER, Franz: „Schöne Tage“, München 2020 In diesem Roman arbeitet der Autor seine eigene Kindheit auf. Als uneheliches Kind kommt der Protagonist Holl zu seinem Vater. Die Mutter kann ihn nicht erhalten, obwohl sein Stiefvater nett zu ihm wäre. Er muss zum Großbauern, dem leiblichen Vater. Der benützt ihn aber als billige Arbeitskraft. Nicht nur das Schicksal des Kindes wird beschrieben, auch die Zustände auf einem Bauernhof Mitte des 20. Jahrhunderts. Der 6-jährige hat Angst vor den Tieren und die ihm angeordnete Arbeit ist ihm eigentlich zu schwer. Nicht nur, dass er von seinem Vater schlechter behandelt wird als seine Halbbrüder, die ehelichen Kinder des Vaters, muss er sich für Prügel noch bedanken. Elf Jahre arbeitet er als Hilfsarbeiter am Bauernhof. Oft darf er nicht in die Schule gehen, weil er arbeiten muss. War er als Kind oft nahe daran sein Leben zu beenden, weil es so elend war, bekam er mit zunehmendem Alter mehr Selbstbewusstsein und widersprach seinem Vater und der Stiefmutter bis er sich letztlich mit 17 Jahren lossagt und eine Lehre als Schmied annimmt. Eine neue Welt öffnet sich für ihn. Man erlebt durch dieses Kind aber auch das Leben am Bauernhof. Welchen Status wer hatte. Dass Knechte und Mägde wie Sklaven behandelt wurden. Als aber ein neuer Knecht als Arbeiter an den Hof kommt, der bei der Gewerkschaft war, gab es mehr Widerstand und Arbeitsbedingungen werden verbessert. Dies brachte auch das Kind Holl aus der Tretmühle des Sklaventums zur Selbstständigkeit. Dieses Buch ist nicht nur ein Roman, sondern auch ein Zeitdokument. }, keywords = {Bauerntum, uneheliches Kind, Versklavung}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{ELSNER2020, title = {Das chinesische Jahrhundert. Die neue Nummer eins ist anders}, author = {Wolfram ELSNER}, year = {2020}, date = {2020-11-30}, abstract = {ELSNER, Wolfram: „Das chinesische Jahrhundert. Die neue Nummer eins ist anders“, Frankfurt 2020 Gleich in der Einleitung macht der Autor klar, dass er lange kein Interesse an China hatte und auch sehr skeptisch war. „Noch vor etwa 15 Jahren hätte ich keinen Cent auf Chinas Zukunft gewettet.“ (Seite 13) So wie er sich langsam an dieses Thema annäherte und aus westlicher Sicht fast ausschließlich negativen Statement begegnete, führt er den Leser des Buches heran. Er stellte bewusst die negativen Schlagzeilen der europäischen und amerikanischen Zeitungen als Titel einzelnen Abschnitten voran, um diese dann mit Fakten und Zahlen zu hinterlegen. Dabei habe ich viel gelernt, obwohl ich glaubte vieles über China zu wissen, war ich doch in den letzten Jahrzehnten jedes Jahr ein oder mehrmals dort. Bei jedem meiner Besuche hatte ich zwar schon den Eindruck, dass sich vieles geändert hatte. Dass nach einem halben Jahr schon wieder einige neue Hochhäuser standen und der Bau der Metro in „meiner“ Stadt Wuhan in wenigen Jahren durchgezogen wurde. Ein Wiener Studienkollege, der bei den Wiener Stadtbetrieben arbeitet meinte „Da brauchen wir in Europa länger für die Planung, als dort für die Umsetzung des Projekts.“ Aber all meine Eindrücke waren gefühlsmäßig. Dieses Buch untermauerte dieses, mein Gefühl mit Fakten. Auch habe ich daraus gelernt, dass man mit eigenen Erfahrungen, die einige Zeit zurückliegen, vorsichtig sein muss. Sie sind überholt. Wenn Jemand vor Jahren in China war, der glaubt oft, China zu kennen und erzählt seine Erfahrungen weiter. Diese Erfahrungen sind aber meist schon lange überholt und China schaut nach 3 oder 5 Jahren anders aus. Wir westlichen Menschen können uns eine so schnelle Veränderung gar nicht vorstellen. Deswegen empfehle ich dieses Buch und möchte einige Erkenntnis exemplarisch wiedergeben. Es sind durchwegs Fakten. Dies ist auch deswegen wichtig, weil westliche Journalisten generell nur an negativen Meldungen interessiert sind und demnach auch über China (fast) nur Negatives berichten. Das ist schade, weil wir Europäer dadurch wenig über die wirklichen Veränderungen erfahren. Auch ist die Betrachtungsweise aus westlicher Sicht immer so, dass ein Abgleich der Kulturen stattfindet und sich die im Osten denen im Westen angleichen sollen. Aber welche Kultur ist besser? Der Autor bringt sehr sachlich die Situation der Uiguren und Tibeter und damit eine andere Sichtweise als die meisten europäischen und amerikanischen Medien. Aber auch keine propagandistische der Chinesen. Und jetzt einige Fakten, die ich bisher vermisste: • 2017 wurden 1000 Kohlekraftwerke geschlossen. • In 4 Jahren wurden 150 Kohlekraftwerke stillgelegt und durch Gas- und Solarenergie ersetzt. • 400.000 Elektrobusse waren 2019 in Betrieb. • 2017 waren weltweit mehr als die Hälfte der E-Autos in China zugelassen. In großen Städten werden keine Autos mit Verbrennungsmotoren zugelassen. In 2 Jahren wurde 1 Million Diesel-LKWs aus dem Verkehr gezogen. Ab 2050 soll es keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr geben. • 200 – 300 Millionen E-Bikes und 4 Millionen Low-Speed-Elektrofahrzeuge. • China arbeitet an batteriefreien E-Mobilitätskonzepten. Z.B. Induktionsstrom in der Fahrbahn aus Solarenergie. • Stahlkapazität im Umfang von 65 Millionen Tonnen wurde zurückgenommen. • Städte sind fast durchgehend mit WLAN versorgt. 92% aller Einkäufe werden mit dem Mobiltelefon getätigt. • Humanressourcen in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften mit 4,7 Millionen Absolventen (USA 600.000). • Zu den Schulden des chinesischen Staates: diese sind durch eigene Bankeinlagen gedeckt. Chinas Zentralbank ist um 50% geringer verschuldet als alle westlichen Industrieländer. Chinesen sparen 45% ihres Arbeitseinkommens. China verschuldet sich bei den eigenen Banken mit eigener chinesischer Währung. China hat keine nennenswerten Schulden bei der Weltbank und IWF. • Ist China verlässlicher Handelspartner? Das Forsa-Institut hat dazu 2019 2000 Führungskräfte befragt, die China verlässlicher als die USA oder Großbritannien einstuften. • Zwischen 2013 und 2016 wurden 13 Millionen nachhaltige, neue Arbeitsplätze geschaffen • Die Chinesen kopieren den Westen? Dazu die Firma Bosch: aus den chinesischen Niederlassungen bekommen wir mehr Innovationen als aus europäischen. • Steuern sind niedrig: 1300 Euro Monatseinkommen = 3%; Spitzensteuersatz ab 14.000 Euro pro Monat = 28%. Steuereinnahmen über Körperschaftssteuern der Unternehmen sind höher als Lohn- und Einkommenssteuereinnahmen. • 2050 = kohlenstofffreie Wirtschaft. 2020 = weltgrößter Erzeuger erneuerbarer Energie. 2022 40% der weltweiten sauberen Energie (WEF). Pariser Klimaziele für 2020 wurden bereits 2017 erreicht. • China ist das streikfreudigste Land der Welt. Streiks zu verschiedensten Themen: Einkommen, Lebensbedingungen, fehlende Innovation in einem Betrieb, etc. • 60% der Bevölkerung soll zukünftig in Städten wohnen. Eine Dezentralisierung von Behörden hat begonnen. • Aufforstung: 4 Millionen Hektar Wald neu pro Jahr. • Erste Null Energie Häuser aus dem 3D Drucker aus recycelten und natürlichen Materialien. • 30 Kategorien von Inhalten sind offiziell im chinesischen Netz verboten. Darunter Pornografie, Gewaltverherrlichung, Kriegsspiele, Rassismus, Nationalismus. Google, Facebook u.a. wurden gesperrt, weil sie diese Verbote nicht umsetzen konnten. Auf Grund der unterschiedlichen Kultur sind auch die Zugänge zu Problemlösungen unterschiedlich. In China wird etwas Neues einmal ohne Regulierung gestartet und dann mit praktischen Erfahrungen reguliert. Im Westen wird vorab reguliert. Generell hat sich die Zensur verändert. Internetplattformen sind voll mit Kritik, die dann von den Behörden aufgearbeitet wird. Im letzten Kapitel versucht der Autor Schlüsse zu ziehen. Warum gelang es in nur 35 Jahren (1978- 2012) China von einem Entwicklungsland zu einer führenden Industrienation zu werden? Was ist China? Kommunismus? Kapitalismus? Diktatur? Sozialistische Marktwirtschaft? Marktwirtschaftlicher Sozialismus? Chinesische Kapitalisten unterliegen den Vorgaben der Politik. Sie müssen sich den nationalen Entwicklungszielen unterordnen. Obwohl die größten und strategisch wichtigsten Unternehmen staatlich sind, werden KMUs wegen ihrer Innovationsfähigkeit gefördert. „Die politischen Vorgaben für die Märkte sind es, die die Märkte in China flexibel, innovativ, funktionsfähig und nützlich machen…“ (Seite 310) Zur Frage der Diktatur meint der Autor, dass „die chinesische Gesellschaft auf Netzwerk-Strukturen beruht, von der Familie über den Clan, die Dorfgemeinschaft, das persönliche berufliche Netzwerk (Guanxi), die älteren arbeitsbezogenen Netzwerke (Shequ), und natürlich darüberliegend die digitalen sozialen Netzwerke, und wie damit eine außergewöhnliche soziale Mobilisierung und politische Partizipation in einwohnerbezogenen, arbeitsplatzbezogenen, sozialpolitischen und eben auch allgemeinen politischen Fragen hervorgebracht und systematisch gefördert wurde.“ (Seite 311) Das Aufrechterhalten der Todesstrafe wird noch mit der konfuzianischen Ethik begründet: „Ein Mörder muss seine Tat mit dem eigenen Leben bezahlen.“ Generell wurde mit dem neuen Punktesystem ein Bestrafungs- und durch Gutpunkteerwerbung Wiedergutmachungssystem eingeführten. Wie kann es weitergehen? Man ist sich bewusst, dass eine Konsumökologie westlichen Stils mit 1,3 Milliarden Menschen nicht möglich ist. Unsere Erde würde das nicht aushalten. Xi Jinping beantwortet das selbst: „Wir wollen kein luxuriöses, verschwenderisches Leben. Wir wollen ein gutes Leben für alle.“ Dem Buchtitel entsprechend endet das letzte Kapitel mit der Definition „Peking muss lernen, in einer Zeit zu führen, in der die USA konfus und paranoid sind. Dazu mag gehören, Angriffe von einigen US-Politikern zu tolerieren, während man heimische Reformen durchführt und den Klimaschutz vorantreibt.“ (Seite 335) Ich habe schon lange kein Buch mehr mit so vielen Innovationen und Ideen gelesen. Dabei waren es keine Zukunftsabsichten, sondern Fakten über das Land China. }, keywords = {China, Weltherrschaft, Wirtschaft}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{KASPER2020, title = {Christsein und die Corona-Krise. Das Leben bezeugen in einer sterblichen Welt. Mit einem Geleitwort von Papst Franziskus}, editor = {KASPER, Walter; AUGUSTIN, George (Hg)}, year = {2020}, date = {2020-11-22}, abstract = {KASPER, Walter; AUGUSTIN, George (Hg): „Christsein und die Corona-Krise. Das Leben bezeugen in einer sterblichen Welt. Mit einem Geleitwort von Papst Franziskus“, Ostfildern 2020 Corona. Da müssen sich alle zu Wort melden und ihre Meinung wiedergeben. Auch Theologen. Hier eine christliche Gruppe. Gott sei Dank nicht zu konservativ. Keine Verschwörungstheorien und Gottesstrafdrohungen. Sachliche Darstellungen, die teilweise auch in anderen Fachbereichen und Wissenschaften verwendet werden könnten. Manche der Autoren nützen die Pandemie um auf die katholischen Messages hinzuweisen und diese durch Corona zu verstärken. Interessant einer – Mark-David Janus aus New York -, der selbst erkrankt war und seine Eindrücke schildert, wie er es erlebt hat. Davon erfährt man ja wenig. Die Regierungen vermitteln uns nur täglich Daten von Verstorbenen, Erkrankten und Hospitalisierten. Wie das aber für den Einzelnen aussieht erfährt man selten. Ich denke, das wäre auch das Effizientere. Wir sind alle Individuen. Und wie wir etwas erleben können, das ist wichtiger als Zahlen, zu denen ohnehin der Bezug fehlt. }, keywords = {Christsein, Corona-Krise, COVID19, Theologie}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{TURRINI2020d, title = {C´est la vie. Ein Lebens-Lauf}, author = {Peter TURRINI}, year = {2020}, date = {2020-11-20}, abstract = {TURRINI, Peter: „C´est la vie. Ein Lebens-Lauf“, Wien 2014 Eine Autobiografie des Dichters Peter Turrini. Es wäre nicht Turrini, wenn dies nicht nur ein normaler Lebenslauf wäre. Die Lebensbeschreibung setzt sich aus verschiedensten Textsorten zusammen: Texten, Gedichten, Tagebucheintragungen, Briefen und Gesprächen. Dem Untertitel „Lebens-Lauf“ werden seine Tiefs und Hochs des Lebens gerecht. Turrinis Lebensgefährtin Silke Hassler definiert es so: „Ein Begriff, der durchaus mehrdeutig ist, denn es ist nicht nur der Lauf eines Lebens mit all seinen Höhen und Tiefen, es ist vor allem die Geschwindigkeit, der Höllenritt eines Künstlers zwischen Triumph und Niederlage, Euphorie und Depression, Demütigung und Glücklichsein.“ (Seite 173) Silke Hassler ist nicht nur die Lebensgefährtin und Geliebte Turrinis, sie ist auch eine ausgezeichnete Kennerin des Schriftstellers Turrini. Schon als Schülerin las sie unter der Schulbank Turrinis „Rozznjogd“. In einem Nachwort zum Buch gibt sie eine ebenso geniale Beschreibung des Lebens von Turrini – wenn auch auf andere Art – wieder. Sie legt ihren Schwerpunkt auf die verschiedenen Werke. Sie beschreibt seine Phasen als Dramatiker, Gedichteschreiber, Romanautor und Fernsehfilmautor. „Zehn Jahre lang machte Turrini Fernsehfilme, aber am Ende war er ein Resignierender. Er, der den Menschen schreckliche, aufrüttelnde, traurige und komische Geschichten erzählen wollte, landete mit diesen zwischen Wetternachrichten, Lkw-Staus und Werbung für Fischstäbchen. Die Fernbedienung, dieses Mordinstrument gegen alles Literarische, unterbrach seine Geschichten, zerstückelte sie. Keine Chronologie, keine Biographie, kein Anfang, kein Höhepunkt, kein Finale, war mehr möglich.“ (Seite 168) Reumütig kehrte er zum Theater zurück, weil er da zumindest für ein oder zwei Stunden das Publikum alleine hatte. Er meint auch „Das Schönste am Theater ist, dass man immer wieder alles neu erfinden kann. Am Theater kann man alles behaupten, es muss nur interessant weitergehen. … Im Theater ist alles möglich, besonders das Gegenteil. Es ist keine Ordnung zu bringen.“ (Seite 139) Turrini beschreibt sein Leben von der Geburt weg – deren Uhrzeit nicht gesichert ist – bis zu einem möglichen Tod. Normalerweise kann eine Autobiografie nicht den Tod des Beschriebenen enthalten, weil er sein Leben ja selbst schreibt. Turrini wendet aber den Trick an und beschreibt einen möglichen Tod. So werden die letzten Eindrücke vor dem Aus-der-Weltscheiden beschrieben: „Die einzige Frage, die mich jetzt noch beschäftigt, ist ob ich dem Anlass entsprechend angezogen bin. Ist der Anzug, den ich anhabe, nicht zu salopp für meinen nahenden Tod? Wirkt dieses Hemd nicht etwas zu sportlich? Soll ich die Schuhe ausziehen und ein eleganteres Paar anziehen? Soll ich mich vorher noch rasieren oder gehört das zum Service des Beerdigungsunternehmens? Soll ich vorher noch aufs Klo gehen?“ (Seite 154) Von Kindheitserzählungen, Jugendträumen, ersten Liebeserfahrungen und ersten dichterischen Erfahrungen, die durch einen Komponisten des Dorfes unterstützt wurden, wird ein bunter Bogen über Gelegenheitsarbeiten hin zum Theater gezogen. Die Beschreibung eines Lebens, die kein Anderer besser und origineller hätte schreiben können als er selbst. Man erfährt auch Neues und Privates über Turrini. Trotzdem warnt Silke Hassler den Leser am Schluss: „Aber verfallen sie nicht in den Irrtum, dem Dichter Peter Turrini alles über den Dichter Peter Turrini zu glauben. Seine Sätze sind nicht immer ganz wahr, mitunter übertrieben, oftmals dramatisch, aber eines sind sie ganz gewiss: Sie sind immer wahrhaftig!“ }, keywords = {Autobiografie, Peter Turrini, Silke Hassler}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{THALLER2020, title = {Land und Leute. Eine zeitgeschichtliche Photodokumentation über die Gemeinden Großsölk, Kleinsölk und St. Nikolai}, author = {THALLER, Heribert; KOLLER, Sepp}, year = {2020}, date = {2020-11-19}, abstract = {THALLER, Heribert; KOLLER, Sepp: „Land und Leute. Eine zeitgeschichtliche Photodokumentation über die Gemeinden Großsölk, Kleinsölk und St. Nikolai“, Schladming 2003 Eine sehr gute Dokumentation über dieses Tauerntal, das erst sehr spät erschlossen wurde. Ein sehr gutes Geschichtsdokument über die Art, wie die Leute dort lebten und heute leben. Die beiden Autoren haben viel Arbeit im Zusammentragen der vielen Fotografien investiert. Sachlich wurden sie gegliedert nach den Gemeindeteilen Stein an der Enns, Großsölk, Kleinsölk und Sankt Nikolai. In den einzelnen Kapiteln wurde die Forstwirtschaft, der Bauernstand, die Jagd und Fischerei, das Handwerk, das Gewerbe und der Handel und Katastrophen abgehandelt und schön mit Bildern illustriert. Es zeigt auch, dass die Bevölkerung der Sölktäler bereitwillig mitgearbeitet hat und Material zur Verfügung gestellt hat. So entstand dieses schöne Zeitdokument, wo ich auch viele Ahnen und Verwandte finden konnte, ist doch mein Vater 1919 in der Sölk geboren.  }, keywords = {historische Fotografien, Sankt Nikolai, Sölk}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SCHOLL2020, title = {Die weiße Rose}, author = {Inge SCHOLL}, year = {2020}, date = {2020-11-18}, abstract = {SCHOLL, Inge: „Die weiße Rose“, Frankfurt 2018 Eine Radiosendung („Im Gespräch“ auf Ö1, ORF) mit der Autorin des Buches motivierte mich es nochmals zu lesen. In der Mittelschule bekam ich es von einem Schulkollegen geschenkt. Es hat mich gewundert, dass er es mir schenkte. Wir hatten keine innige Freundschaft. Ich hatte es damals wie ein Abenteuerbuch gelesen. Heute beim „Wiederlesen“ hat es einen gänzlich anderen Eindruck hinterlassen. Eine Gruppe Münchner Studierender baute die Aktion „Weiße Rose“ zum Widerstand gegen die Diktatur Hitlers auf. Sie produzierten Flugblätter und beschrieben Wände mit Parolen gegen das Regime. Sie bezahlten ihre Aktionen mit dem Leben. Inge Scholl, die Schwester zweier Hingerichteter erzählt in diesem Buch den Hergang des Geschehens und die Beweggründe des Engagements ihrer Geschwister. Interessant auch die dem Buch im Anhang beigegebenen Augenzeugenberichte: der Gefängnispfarrer, der sie vor der Hinrichtung noch sprach, ein Verhörbeamter, der mit Hochachtung von den tapferen jungen Menschen spricht, ein Gerichtsreferent, der Verteidigungsanwalt, ein Zellengenosse, ein Kriminalobersekretär der Gestapo (Vernehmungsbeamter) und Freunde der Hingerichteten. Jetzt, wo ich es mit mehr Verständnis gelesen habe, wurde mir auch klar, warum mir mein Klassenkamerad das Buch geschenkt hat. Sein Vater war ein politischer Gefangener aus Griechenland. Er war im Gefängnis Stein eingekerkert. Als die Sowjetarmee näher rückte, wurden im Gefängnis die Sträflinge erschossen. Sie mussten sich am Rand einer ausgehobenen Grube aufstellen und wurden dann so erschossen, dass sie gleich in die Grube fielen. Als der Vater meines Schulkollegen das registrierte, ließ er sich – noch bevor die Maschinengewehrsalve ihn erreichte, in die Grube fallen. Dort lag er dann zwischen Toten. In der Nacht schlich er sich heraus und ging in seiner Sträflingskleidung in die Stadt. Bei einem Haus klopfte er an. Man nahm ihn auf und versteckte ihn. Die Tochter heiratete ihn nach dem Krieg und der Sohn war mein Schulkollege. }, keywords = {Hitlerregime, Widerstand}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Fang2020, title = {Wuhan Diary. Tagebuch aus einer gesperrten Stadt}, author = {Fang Fang}, year = {2020}, date = {2020-11-15}, abstract = {FANG, Fang: „Wuhan Diary. Tagebuch aus einer gesperrten Stadt“, Hamburg 2020 Die chinesische Schriftstellerin Fang Fang wohnt in Wuhan und hat über die 76 Tage der Sperre der Stadt einen Blog betrieben, den es später auch als Buch gab. Ich habe die deutsche Version gelesen. Das Tagebuch beginnt mit 25. Jänner 2020, also zwei Tage nachdem Wuhan von der Außenwelt abgeriegelt wurde. Obwohl ich durch meine Freunde aus Wuhan laufend informiert wurde, habe ich hier wieder Neues erfahren. Gleich zu Beginn zeigt sie auf, dass durch so eine Aktion das Image einer Stadt national und international negativ beeinflusst wird. Wir in Österreich hatten dies mit dem Schi-Ort Ischgl, wo sich viele beim Apres Ski infiziert hatten und den Virus dann weiterverbreitet hatten. Die Absperrung „hat zur Folge, dass sich das Augenmerk des ganzen Landes auf Wuhan richtet, dass die Stadt abgeriegelt ist und dass Menschen aus Wuhan überall auf Zurückweisungen stoßen.“ (Seite 17) Zu Beginn gab es dieselben Probleme, wie später in anderen Ländern: es gab zu wenig Masken; man unterschätzte die Gefahr; Mediziner waren überfordert; Spitäler überfüllt… ABER: „Ich habe das Gefühl, dass die Not uns zusammenschweißt. … Die Generation der in den Achtzigern Geborenen hat es weiß Gott nicht leicht.“ (Seite 27) Die Jungen waren es, die in Freiwilligengruppen die Versorgung der weggesperrten Haushalte versorgte. Fang erzählt auch viele sehr einfache Dinge, wie etwa, dass ihre Tochter alleine wohnt, aber nicht kochen kann. Sie ging immer auswärts Essen oder ließ sich einladen. Jetzt stand sie vor der Situation selbst zu kochen. „Kurz darauf ruft sie an, um sich von mir Rat zu holen, wie man Chinakohl zubereitet. Meine Tochter hat noch nie am Herd gestanden. … Dass sie jetzt ihre Küche in Betrieb setzt, muss als Fortschritt gelten, man könnte das als einen unerwarteten Ertrag der Situation verbuchen.“ (Seite 30) Erstaunlich, dass sie auch die politische Führung der Provinz kritisiert und deren Fehlinformationen aufzeigt. Andererseits ist sie auch staatsloyal: „Egal wie viele Versäumnisse sich die Regierung zu Beginn hat zuschulden kommen lassen, momentan können wir nichts anderes tun, als ihr zu glauben. Wir sollten zumindest versuchen, ihr Vertrauen zu schenken. Wem sollte man denn sonst in diesen Zeiten vertrauen? Auf wen können wir uns noch stützten?“ (Seite 53) Beim Lesen lernt man auch, dass es nicht nur das diktatorische Verhalten der Regierung ist, sondern, dass auch die Chinesen selbst sehr diszipliniert mit der Situation umgingen und wirklich zu Hause blieben. „Noch immer predige ich Tag für Tag Verwandten und Freunden: nicht vor die Tür gehen, nicht vor die Tür gehen. Nach so vielen Tagen, die wir in unsere vier Wände eingesperrt sind, kommt es auf ein paar Tage auch nicht mehr an. Eintöniges Essen, und wenn schon! Nach dem Ende der Epidemie schlemmen wir uns durch all die Restaurants, von denen wir jetzt träumen. Für uns das Vergnügen, für die Restaurants das Geld.“ (Seite 57) Als der Arzt, der die Krankheit schon vorhergesagt hatte und bestraft wurde, weil er diese Information publik gemacht hatte, starb (er hatte sich bei seiner Arbeit im Krankenhaus angesteckt), gab es eine Aktion, bei der die Einwohner der Stadt alle Lichter ausgeschalten haben und mit Taschenlampen oder Smartphones einen Lichtstrahl gegen den Himmel schickten; zur Erinnerung an den Verstorbenen. Interessant auch aus der Perspektive eines Haushalts zu erfahren, wie die Versorgung mit Lebensmitteln erfolgte; dass sich Gruppen von Freiwilligen bildeten, die dies organisierten. Die Chinesen – zumindest jene aus der Umgebung der Autorin – verhielten sich äußerst diszipliniert und taten keinen Schritt vor die Haustür. Nur deswegen war es möglich, dass das Virus in der Stadt besiegt werden konnte. Bei allen Fehlern, die zu Beginn gemacht wurden, hat man mit äußerster Disziplin die Stadt wieder in den ursprünglichen Zustand zurückgeführt. Davon könnten / sollten die westlichen Länder lernen. Aber das hat nicht (nur) mit der Qualität und Vorgangsweise der Regierungen zu tun, sondern auch mit der Einstellung und Disziplin ihrer Einwohner. Auch die Hilfe von außen: 16 chinesische Provinzen (von der Größe mit europäischen Ländern vergleichbar) haben das Patronat für verschiedene Bezirke der Stadt Wuhan übernommen und dies mit Lebensmitteln und Hilfestellungen versorgt. 40.000 medizinische Mitarbeiter kamen aus anderen Provinzen nach Wuhan zur Hilfeleistung. In Europa und der Europäischen UNION fehlte diese Nachbarschaftshilfe. Vom raschen Bau der Behelfskrankenhäuser wurde weltweit berichtet. Im Tagebuch von Frau Fang erfährt man, dass erstklassige Restaurants (die ja für das normale Publikum geschlossen waren) gekocht haben und viele Patienten besser gegessen haben als zu Hause oder sonst in ihrem Leben. Interessant aber auch, wie engagiert die Zivilgesellschaft agierte. Journalisten zeigten Fehler auf und berichteten teilweise kritisch. Das Buch war vor allem für den Westen von Interesse, weil sich die Leser Informationen über den Lock Down der Stadt Wuhan erwarteten. In China ist es nicht erschienen. Im Gegenteil: es gab viele Anfeindungen. Als ich es fertig gelesen hatte fragte ich mich „War es wert ein Buch zu sein?“ Es sind viele Wiederholungen, wie es eben bei Tagebucheintragungen ist. Viele unwichtige Dinge, die aber der Tagebuchschreiberin im Augenblick wichtig erschienen. Das Schreiben des Tagebuchs war im Zuge der Quarantäne auch ein psychologisch wichtiger Akt. So kam es eben zur unsystematischen Faktenwiedergabe. Je länger der Shutdown andauerte, umso länger wurden die Tagesberichte. Generell ist es kein faktenorientierter sachlicher Bericht über die Situation, sondern eine Eindrucksschilderung einer alleinlebenden Frau, die Informationen über das Internet und Telefon von Bekannten, Freunden und eigenen Internetrecherchen bekommt. Die Berichte sind einerseits sehr Regierungsfreundlich (immerhin war Frau Fang Vorsitzende des Schriftstellerverbands der Provinz Hubei), andererseits aber auch kritisch, wobei sich die Kritik auf Zurufe bezieht. }, keywords = {COVID19, Quarantäne, Sperre, Tagebuch, Wuhan}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Peter2020, title = {Fremdenzimmer. Ein Volksstück}, author = {TURRINI Peter}, year = {2020}, date = {2020-11-09}, abstract = {TURRINI, Peter: „Fremdenzimmer. Ein Volksstück“, Innsbruck Wien 2018 Turrini beschreibt in diesem Stück das Aufeinandertreffen eines syrischen Flüchtlings mit einem älteren Wiener Paar. Er ist frühpensionierter Briefträger und sie eine ehemalige Kellnerin. Sie hatte einen Sohn, der verschollen ist. Wie es eben der Mutterinstinkt in sich hat, hält sie für den verschollenen Sohn immer noch ein Zimmer bereit. Er könnte ja heimkommen. Plötzlich aber steht ein junger Syrier im Raum und ersucht sein Mobiltelefon aufladen zu dürfen. Dier Frau zeigt sich hilfebereit und will ihn aufnehmen. Auch sei das Zimmer des verlorenen Sohnes frei. Der Lebensgefährte zeigt seine Ausländerfeindlichkeit und will das nicht. Es kommt zum Streit der beiden. Das Paar repräsentiert die Stimmung der Österreicher gegenüber den ankommenden Flüchtlingen aus dem Nahen Osten. Zuerst eine Willkommenskultur und dann zunehmend eine Abneigung. Aber auch innerhalb der eigenen Gesellschaft hat sich viel verändert. Herta, die Frau des Stücks, sagt es so: „Überall ist es kalt. Am Gang, bei den Nachbarn, auf der Straße, alle sind fremd zueinander. Wahrscheinlich ist es auf der ganzen Welt so, alles kalt.“ Sie fragt den Flüchtling „Wie ist es dort, wo du herkommst, in deinem Land? Auch kalt? Bei euch ist ja Krieg und das ist ja die kälteste Kälte.“ (Seite 36) So ist auch die Beziehung zu ihrem Mann. Obwohl der Flüchtling kein Deutsch spricht und Herta fast kein Englisch versteht, meint sie zu ihm „Es ist schön, dass ich mit dir ein bissel reden kann. Mit dem Gustl geht das ja schon lange nicht mehr. Streiten ja, reden nein. Und Streiten ist ja kein Reden.“ (Seite 38) Um der Kälte zu entkommen sinniert sie, dass sie nach Griechenland fahren könne, sich dort als Flüchtling verkleiden, alle Dokumente wegwerfen um als Flüchtling ins eigene Land zurückzukehren. Da würde ihr mehr Wärme entgegenschlagen. Die drei Personen erzählen sich dann ihre Lebensgeschichten. Die Frau, die aus Kärnten nach Wien kam und als Kellnerin arbeitete. Der Mann, der eigentlich Tischler gelernt hatte und dann pragmatisierter Briefträger wurde. Weil er die Briefe, deren Adressen er nicht lesen konnte, an Asylanten verteilte wurde er in Frühpension geschickt. Und Samir, der Syrer, erzählt, dass er aus einer reichen Familie, die ein Schmuckgeschäft besitzt, aus Damaskus stammt. Bei einem Bombenangriff kamen seine Mutter und die Geschwister ums Leben. Der Vater gab ihm Schmuckstücke und schickte ihn auf die Reise nach Europa. Er wolle mit seiner eigenen Mutter nachkommen. Samir erzählt seinen Leidensweg der Flucht. Jetzt soll er abgeschoben werden und er wird polizeilich gesucht. Diese Gespräche bringen die drei näher. Als dann die Polizei kommt um ihn abzuholen simulieren sie einen Flug. Gustl, der ein Flugzeugmodellbauer ist, sitzt auf einem Sessel vorne und seine Frau und Samir auf zwei Sesseln hinten. Sie wollen das Land im Flugzeug verlassen, aber die Tür wird von der Polizei aufgebrochen. Hier endet das Stück. Turrini hat mit „Fremdenzimmer“ versucht das Aufeinandertreffen von Fremden und Einheimischen zu beschreiben. Die letztliche Verbundenheit der Drei, des Fremden und der zwei Einheimischen, definiert Turrini in einem Gespräch so: „Wir sind alle Flüchtlinge, wir werden bodenlos, weil wir unser Land verlassen, weil wir unseren Beruf verlieren, weil wir nicht mehr wissen, ob wir den Partner lieben oder nicht, weil unser Selbstwertgefühl schwindet, weil wir zunehmend überflüssig werden. Es gibt keinen sicheren Boden mehr unter unseren Füßen. Insofern haben die drei Hauptfiguren meines Stücks zwar keine gemeinsame Sprache, aber eine große Verlorenheit verbindet sie miteinander.“ (Seite 106/107) }, keywords = {Asyl, Flüchtling, Fremde, Krieg, Syrien}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @article{NUSSBAUMER2020, title = {GLOBO: Eine neue Welt mit 100 Menschen}, author = {Andreas EXENBERGER Stefan NEUNER Josef NUSSBAUMER}, year = {2020}, date = {2020-11-08}, abstract = {EXENBERGER Andreas, NEUNER Stefan, NUSSBAUMER Josef: „GLOBO: Eine neue Welt mit 100 Menschen“, Innsbruck 2020 Um den Studierenden die großen Probleme besser zu veranschaulichen habe ich schon zu Beginn der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts die Welt auf 100 Einwohner heruntergebrochen. Als ich vom Buch GLOBO hörte war es eine Pflichtliteratur für mich und ich muss gestehen, die drei Autoren haben diese Betrachtungsweise noch diffiziler und genauer. Auch zeigen sie die Veränderungen der letzten Jahre auf. 2015 1945 1915 1815 Nordamerika 5 2 1 Lateinamerika 8 2 1 Europa 10 8 7 3 Afrika 16 3 2 1 Asien 61 19 13 10 Summe 100 34 24 14 Auf das Niveau des Dorfes heruntergebrochen werden auch die aktuellen großen Probleme wie die Bevölkerungsexplosion und der Klimawandel thematisiert. Das Soziale ist den Studienautoren ein großes Anliegen und sie legen einen Schwerpunkt hinein. So machen sie dem Leser bewusst, dass die Gesundheitsausgaben in Nordamerika primär privat finanziert wird. In Westeuropa und Ostasien aber öffentlich finanziert wird. Von der Summe der Ausgaben sind riesige Unterschiede. Nur Nordamerika, Europa und Ostasien haben ein annehmbares Niveau. Welche Sprachen werden wo gesprochen, wie ist das Bildungswesen in den verschiedenen Erdteilen, wann heiraten Menschen und wie ist die Wasser- und Energieversorgung Bei einem Vergleich des Wirtschaftswachstums zwischen 1950 und 2010 wird klar ersichtlich, dass Asien der große Gewinner ist und Europa stagniert. Aus der Statistik, die zeigt in welchen Sektoren gearbeitet wird, geht klar hervor, dass der Bereich Landwirtschaft und Industrie stagniert und Dienstleistungen zunehmen. Obwohl die Jahresarbeitszeit sind seit dem 19. Jahrhundert weltweit angenähert hat und überall um 2000 Arbeitsstunden pro Jahr liegt. Dem Sozialen folgend werden Einkommensungleichheiten, CO2 Ausstoß, Klimawandel, Militärausgaben, Rechtsstaatlichkeit und Gleichberechtigung der Geschlechter viel Raum gewidmet. Basierend auf diesem Zahlenwerk erarbeiten die Autoren Zukunftsziele, die von Armutsbekämpfung bis Nachhaltigkeit in 17 Forderungspunkten zusammengefasst wird. Im Anhang hat man sich die Mühe gemacht, den 100 repräsentativen Personen ein Gesicht und einen Lebenslauf zu geben. Sie sind in einem Sample definierte Menschen, die so die Gesamtheit der Weltbevölkerung darstellen soll. Ein schwieriges Unterfangen, weil eine Person für 73,5 Millionen Menschen stehen muss. Auf alle Fälle ein interessanter Versuch die Geschehnisse der Welt verständlich zu erklären. }, keywords = {Erde, Gesellschaft, Wirtschaft}, pubstate = {published}, tppubtype = {article} } @book{TOKARCZUK2020c, title = {Letzte Geschichten}, author = {Olga TOKARCZUK}, year = {2020}, date = {2020-11-03}, abstract = {TOKARCZUK, Olga: „Letzte Geschichten“, Zürich 2020 Bedingt durch den im Jahr 2020 vergebenen Literaturnobelpreis werden ihre Werke bekannt gemacht. Schon 2004 entstand dieser Roman in polnischer Sprache. In Deutsch gab es 2006 eine Neuausgabe. 2020 brachte der Kampa Verlag mehrere ihrer Bücher – so wie dieses – in deutscher Sprache auf den Markt. Der Roman gliedert sich in 3 Teile. „Das reine Land“ nennt sich der erste. Er handelt von einer Reiseführerin, die polnische Gruppen nach Wien, Prag und Berlin führt. Eine Rundreise. Das Reisebüro nennt sich „Herz Europas“ oder „The Heart of Europe“. Die Reiseführerin heißt Ida. Auf der Heimfahrt mit einer Reisegruppe aus Wien gibt es noch eine Nächtigung in Polen. Die Reiseleiterin und die Besitzerin des Hotels kennen sich gut. Da Ida noch das Elternhaus – die Eltern sind verstorben und das Haus verkauft – besichtigen will, borgt ihr die Wirtin ihr Auto. Es ist ein verschneiter Winterabend und Ida übersieht eine Kurve und landet im Schnee an einem Baum. Das Auto ist kaputt und sie verwirrt. Zu Fuß schlägt sie sich zu einem alleinstehenden Haus durch. Ein altes Ehepaar wohnt hier und gibt ihr Quartier. Deren Sohn ist Tierarzt und Tiere, die er eigentlich einschläfern müsste bringt er zu den Eltern, wo sie eines natürlichen Todes sterben können. Ida verbringt mehrere Tage und Nächte in dieser Gesellschaft, bis sie sich losreißt und zurück zum kaputten Auto geht. Sie will heimfahren. Beim kaputten Auto, in dem sie die Scheinwerfer nochmals einschaltet endet die Geschichte. „Parka“ ist der zweite Teil und handelt ebenfalls von einem älteren Ehepaar, das in einem einsamen Haus oben auf einem Berg wohnt. Der Mann liegt im Sterben, die Frau pflegt ihn. Als er dann an einem Abend stirbt, legt sie sich gewohnt neben ihm nieder. In der Einsamkeit hatte sie den Bezug zur Zeit verloren. Sie fragt sich „Oder ist es vielleicht Mittwoch? Hab ich nicht ein Blatt zu viel abgerissen? Vielleicht hab ich vergessen, das vorige Blatt abzureißen? Woher soll ich wissen, welcher Tag es ist? Nur den Sonntag kann ich erkennen, dann läuten die Glocken im Tal, und wenn die Luft feucht genug ist, dringt der Klang zu uns herauf, vom Echo zerstückelt.“ (Seite 129) Wie sie so neben dem toten Ehemann liegt philosophiert sie über das Sterben und den Tod. „Wann beginnt ein Mensch zu sterben? Es muss so einen Augenblick im Leben geben, wahrscheinlich ist er kurz und unauffällig, aber geben muss es ihn. Das Erklimmen, die Entwicklung, der Weg hinauf muss einen Höhepunkt erreichen, von dem aus dann der Abrutsch beginnt. … Es muss einen solchen Moment geben, aber wir kennen ihn nicht.“ (Seite 133) Die alte Frau, die Witwe denkt auch über sich selbst nach: „… je älter ich bin, desto mehr liegt hinter mir, und desto weniger tut sich im Jetzt. Wir haben viel Zeit. Die Zukunft verschwindet unmerklich, verweht, schmilzt.“ (Seite 134) Die Vergangenheit zieht nochmals in ihrem Kopf vorbei. Das Ehepaar kam aus einem anderen Teil Polens, der jetzt nicht mehr zu Polen gehört. Grenzen wurden verschoben. „Eines Nachts machte sich die Grenze auf den Weg und fand sich an einem völlig anderen Ort wieder. Und es stellte sich heraus, dass wir auf der falschen Seite waren. Und da der Mensch nicht ohne Grenzen leben kann, mussten wir uns auf die Suche nach ihr machen. Der Mensch braucht grenzen wie die Luft.“ (Seite 139) Sie haben ihr Leben an diesem neuen Ort, einem Haus am Berg, gemeinsam verlebt. Er pflegte den Gemüsegarten und sie kümmerte sich um Tiere. „Das war der zweite Unterschied zwischen mir und Petro: Er war ein Pflanzentyp, ich ein Tiertyp. Und der erste Unterschied war: Er war alt und ich jung.“ (Seite 142) Er war der genaue Mensch und sie hatte den Überblick. „Man konnte sehen, dass er alles zweimal machte, einmal im Kopf, einmal in Wirklichkeit. So lebte er zweimal.“ (Seite 188) Als er gestorben war fragte sie sich „Und wie ist es jetzt – welches Leben ist er gestorben? Das probeweise Leben oder das richtige?“ Sie haben wenig Kontakt zu den Menschen unten im Tal. Als der Mann stirbt war die Straße zugeschneit. Die alte Frau konnte keine Hilfe holen. Mit ihren Füßen tritt sie einen Hilferuf in den Schnee. Es strengte sie an und brauchte mehrere Tage. Tage, an denen sie mit dem toten Mann noch zusammenlebt und in denen viele Erinnerungen hochkommen. Wie sie ein Teil der Sowjetunion wurden und sie ihren Mann, der Pole war, verstecken musste. „Dann saß Petro fünf Monate in einem Verschlag unter dem Stallboden.“ (Seite 171) Dann übersiedelten sie in den polnischen Teil nach Westen. Was sie tragen konnten nahmen sie mit. Es wurde ein Neuanfang. Der dritte Teil titelt sich „Der Magier“. Eine Frau reist mit einem kleinen Buben in Malaysia zu einer entlegenen Insel. Sie schreibt – und hier knüpft dieses Kapitel indirekt an das erste an – an einem alternativen Reiseführer und besucht diese entlegene und abgelegene Insel. Mit einem alten Schiff kommen sie. Bungalows stehen am Hügel. Nur wenige Gäste sind anwesend: japanische Taucher, vier holländische Frauen, ein verliebtes Paar und der, dem Kapitel den Namen gebende Magier. Ein älterer Mann, der in der benachbarten größeren Insel, auf der es luxuriöse Hotels gibt, als Magier aufgetreten ist. Sein Gesundheitszustand erlaubte es nicht mehr seiner Arbeit nachzugehen. Er zog sich auf diese ruhige Insel zurück. Sein Manager stornierte drüben alle bestehenden Verträge. Der Frau ist der Greis unsympathisch. Dem Buben aber gefiel er. Der Magier lernt ihm Zauberkünste und borgt ihm sein Zauberbuch. Letztlich kommt es im Finale zu einem Auftritt der Beiden vor dem kleinen Hotelpublikum. Der Bub ist begeistert. Für den Alten war es aber der letzte Auftritt. Am nächsten Tag wird sein Leichnam abtransportiert. Die Frau verlässt mit dem Buben die Insel. Drei unterschiedliche Frauen werden zwischen den Deckeln dieses Buches vereint. Sie zeigen verschiedene Charaktere aus verschiedenen Kulturen. }, keywords = {Frauen, Geschichten, Malaysia, Polen}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{KRENEK2020, title = {Die drei Mäntel des Anton K.}, author = {Ernst KRENEK}, year = {2020}, date = {2020-10-27}, abstract = {KRENEK, Ernst: „Die drei Mäntel des Anton K.“, Hürth bei Köln 2020 Der Komponist und Musiker Ernst Krenek zeigt sich hier als Schriftsteller. Er erzählt in dieser Novelle die Probleme, die er hatte, als er von einer Amerikatour wieder nach Österreich zurückkam und Österreich nicht mehr existierte. Österreich zum Ostgau des Deutschen Reiches wurde. So wie es nach einem längeren Auslandsaufenthalt ist, blieb viel Post unbeantwortet liegen und ein eingeschriebener Brief lag am Postamt zur Abholung. Dazu musste er sein Dokument – seinen Reisepass – vorweisen. Der Postbeamte akzeptierte aber den österreichischen Pass nicht mehr. Auch wenn er den Komponisten gut kannte, durfte er ihm auf Grund des nicht gültigen Passes den Brief nicht aushändigen. Herr K. – so nennt der die Figur - wollte nun die Gültigkeit seines Passes testen und fuhr in ein Nachbarland. Das ging problemlos. Als er dann aber wieder zurück in seine Heimat wollte funktionierte es nicht. Sein Heimatland – vormals Österreich – müsse zustimmen, dass er einreisen dürfe. „Die Regierung dieser Wahlheimat verordnete, dass Menschen, die dem Ursprungsland des K. angehörten und Pässe dieses Landes führten, fortan nur noch eingelassen werden sollten, wenn sie von den neuen Herren dieses Ursprungslandes eine schriftliche Erlaubnis erhalten hatten, dass sie in jenes Ursprungsland ungehindert zurückreisen dürften.“ (Seite 32/33) Die Sache wird aber noch komplizierter und zeigt die Verhältnisse in dieser Zeit (1938). Als er in einem Kaffeehaus sitzt wird sein Mantel vertauscht. Er geht mit einem falschen weg. Auch oftmaliges Nachfragen verhilft ihm nicht zum eigenen Mantel, in dem sich wichtige Dokumente für seine Anerkennung befanden. Im „falschen“ Mantel findet er eine Adresse. Sie ist in einem anderen Land und spontan entscheidet er dort hinzufahren. Er hat zwar keinen Namen, aber eine Adresse. Dort trifft er eine zwielichte Frau an. Sie verweist ihn an ein Café in der Stadt, wo er den Mantelträger finden könne. Man erwartet ihn schon und bietet ihm einen gefälschten Pass an. Dabei wäre fast „sein“ Mantel gestohlen worden. Das Café wird von einer Polizeirazzia überfallen. Alle sind geflüchtet. Er blieb als einziger Gast zurück. Die Polizei nahm ihn zu Verhören auf der Wachstube mit. Dort bekommt er einen Referenzbrief, um ihn sein Land zurückreisen zu können. Man gibt ihm auch einen neuen Mantel. Beim Konsulat seines letzten Landes versucht er ein Durchreisevisum zu bekommen, was ihm der Konsul verweigert. Es kommt zu einer langen Diskussion. Letztlich wird er zu einem Arzt geschickt, der feststellen soll, ob er gesundheitlich dazu in der Lage ist. Der Arzt hält ihn für verrückt und schickt ihn weiter zu einem Radiologen. Am Weg dorthin findet er zufällig im Mantel – seinem dritten - ein wichtiges Dokument, das er in seinem Heimatland vorlegen muss. Viele Amtsstuben hatte er schon besucht und sein Heimatland war nicht mehr das, was er sich vorstellte. Er zerreißt das Dokument und wirft es in einen Fluss. Ähnliche Situationen, wie sie Krenek selbst erlebt hatte, wurden in dieser Novelle verarbeitet. Für demokratische Verhältnisse heute unvorstellbar: Jemand fährt auf Dienstreise nach Amerika und als er zurückkommt existiert sein Heimatland rechtlich nicht mehr. Auch der Reisepass ist ungültig geworden. Über viele bürokratische Hürden versucht er wieder in seine Heimat zu kommen, aber auch die „nicht deutschen Vertretungen“ sind nicht behilflich. Selbst die Durchreise durch ein Nicht-Deutsches Land wird nicht erlaubt. Was ist Realität und was ist Erfindung? In der Einleitung des Herausgebers wird sehr schön aufgezeigt, was Krenek in dieser Zeit erlebte und wann er diese Novelle schrieb. Im Buch selbst werden ja keine Städte genannt und auch der Name des Betroffenen ist anonym „K“. Aber dahinter steckt auch eine klare Absicht. Der Autor nimmt Bezug auf Franz Kafka und dessen fragmentarischen Roman „Der Prozess“ und sich selbst. In der Novelle zitiert er Kafka bei einem Gespräch mit einem Konsul „Denn es scheint mir nachgerade, als sei ich in eine Maschinerie geraten, die mich nie mehr loslassen soll und die in beängstigender Weise an die Alpträume jenes Autors erinnert.“ (Seite 20) Krenek kam 1938 von einer Amerikatournee nach Europa zurück. Er reiste auf einem modernen Schiff, der „Normandie“, die erst 1935 in Betrieb gegangen ist. Am 7. März verließ er in Le Havre das luxuriöse Schiff und fuhr über Paris nach Brüssel. In Brüssel erfuhr er von der Annexion Österreichs. Eine Rückkehr nach Österreich war für ihn nicht mehr möglich und er begann Vorbereitungen zu einer Auswanderung in die USA zu treffen. Aber in den folgenden Monaten hatte er noch viele internationale Termine zu absolvieren. Nach Brüssel reiste er nach Amsterdam zur Uraufführung seines zweiten Klavierkonzerts. Von dort ging es nach London. Um aber von England nach Holland zurückzukehren verlangte die niederländische Polizei einen Nachweis, dass Krenek jederzeit nach Österreich (Deutschland) einreisen könne. Er musste in London viele Amtswege gehen um diese Reise antreten zu können. Im Mai fuhr er nach Schweden und auch das neutrale Schweden verlangte eine „deutsche Rückreisebewilligung“. Schwierig war es auch seinen Sommeraufenthalt in der Schweiz zu realisieren. Im Juni 1938 war die Uraufführung seines Bühnenwerks „Karl V“ in Prag. 1934 wurde diese Aufführung an der Wiener Staatsoper durch nationalsozialistische Intrigen verhindert. Krenek wollte bei der Uraufführung in Prag dabei sein. In London ging er mehrmals zur tschechischen Botschaft. Das Ticket für die Fahrt nach Prag war schon gebucht und wurde wieder storniert. Krenek konnte der Uraufführung nicht beiwohnen. Das alles war viel Frust. Frust, den er sich durch Schreiben von der Seele fernhielt. Diese Schreibtheraphie führte zur Novelle der drei Mäntel. Er begann mit dieser Erzählung am 19. Mai 1938 und beendete sie am 7. August. Die Geschichte wurde in Hotelzimmern in Warschau, Helsinki und auf einem schwedischen Schiff von Göteborg nach London geschrieben. Die Realität führt das Ehepaar Krenek aber am 19. August 1938 mit dem Schiff „Ausonia“ von Le Havre nach New York. Als er in New York eintrifft sagt er als gläubiger Mensch „Lieber Gott, gib dass das gut ausgeht.“ Das Ernst Krenek Institut in Krems hat diese Publikation möglich gemacht. Die Novelle „Die drei Mäntel des Anton K.“ liegen sowohl in Englisch, als auch in Deutsch vor. }, keywords = {Deutsches Reich, Ernst Krenek, Imigration, Musik, Nationalsozialismus}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Jakob2020, title = {Mit 14 Jahren im KZ – Das Leben des Marcello Martini: Vom Todesmarsch zur Versöhnung. Aus den Erinnerungen des letzten Überlebenden im Konzentrationslager Hinterbrühl}, author = {MITTERHÖFER Jakob}, year = {2020}, date = {2020-10-25}, publisher = {Kral Verlag}, abstract = {MITTERHÖFER, Jakob: „Mit 14 Jahren im KZ – Das Leben des Marcello Martini: Vom Todesmarsch zur Versöhnung. Aus den Erinnerungen des letzten Überlebenden im Konzentrationslager Hinterbrühl“, Mödling 2020 In der Seegrotte, einem Schaubergwerk, wurden ab 1944 Flugzeuge für die Deutsche Armee gefertigt. Ursprünglich in Wiener Neustadt produziert, verlegte man die Fertigung in das unterirdische Bergwerk, um so vor den Bombenangriffen der alliierten Truppen sicher zu sein. Ein See im Bergwerk wurde ausgepumpt und das ergab Werkshallen. Die Firma Henkel bekam für ihre Arbeit KZ-Häftlinge zur Verfügung gestellt. Das Lager befand sich oberhalb des Bergwerks und war eine Außenstelle des KZs Mauthausen. Nachdem im Jahr 1945 die sowjetischen Truppen näher kamen wurde das Lager geräumt. Die nicht gehfähigen Häftlinge ermordet und die anderen zu Fuß nach Mauthausen geschickt. Alle 1000 Meter wurde einer erschossen. Wer nicht mehr mitkam wurde ermordet. In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts begann ein Mittelschullehrer aus Baden mit seinen Schülern zu recherchieren und die Geschichte aufzuarbeiten. Die Hinterbrühler Bevölkerung wusste „von Nichts“ und war über diese Kampagne nicht sehr erfreut. Der Hinterbrühler Pfarrer Franz Jantsch unterstützte diese Kampagne. Er gründete ein Komitee mit namhaften Persönlichkeiten und Menschen, die ihm behilflich waren. Ich gehörte zu dieser Gruppe. Wir engagierten uns und erwarben jenen Teil des Grundstücks, auf dem sich das Krankenlager und das Massengrab befanden. Mit Spenden und dem Verkauf einer Lithographie des Malers Rudolf Hausner wurde der Ankauf finanziert und damit eine Gedenkstätte geschaffen. Sie wurde mehrmals geschändet, aber inzwischen besucht die Bevölkerung den Ort mehrmals im Jahr, um der Geschehnisse zu gedenken. Zu diesen Gedenkfeiern kam auch ein einstiger Häftling: Marcello Martini aus Italien. Der damalige Pfarrer Pater Jakob Mitterhöfer lernte ihn kennen. Seine Italienischkenntnisse – er studierte in Rom – halfen ihm eine Freundschaft aufzubauen. 2019 verstarb Herr Martini und Pater Jakob begann seine Geschichte aufzuschreiben. Ein wichtiges Zeitzeugnis. Der damals 14-jährige Marcello wurde in der Nähe von Florenz gefangen genommen. Sein Vater war Kommandant einer Untergrundorganisation gegen die deutschen Besatzer. Der Bub Marcello bediente eine Funkstation, die die amerikanischen Truppen informierte. Bei der Gefangennahme der Familie konnte der Vater fliehen. Der Sohn kam ins Konzentrationslager Mauthausen. Später in das Flugzeugwerk Wiener Neustadt und letztlich 1944 in das Untergrundwerk in der Hinterbrühl. Anschaulich werden die Behandlung und das Leben der Häftlinge beschrieben, die Pater Jakob – der Autor des Buches – von Martini noch zu Lebzeiten bekam. Am Ostersonntag, den 1. April 1945 wurde das Lager geräumt und die Häftlinge marschierten in einem 7-tägigen Marsch ohne Verpflegung von der Hinterbrühl bei Mödling nach Mauthausen – über 200 Kilometer. Marcello überlebte das, Dank des solidarischen Zusammenhalts der italienischen Flüchtlinge. Nach der Befreiung durch die Amerikaner dauerte es noch länger, bis der Bub wieder in normales Leben zurückkehren konnte. Traumatisiert brauchte er lange, um das Erlebte zu verkraften und zu verarbeiten. Er wird auf Intervention der Mutter wieder in die Schule aufgenommen, maturiert, studiert und wird ein anerkannter Flugzeugbauer. Er schwieg aber über diese seine Erlebnisse. Seine Schwester überredete ihn später Mauthausen und die Hinterbrühl zu besuchen. Nun begann er über diese Zeit zu reden. Er hielt Vorträge in Schulen und besuchte regelmäßig die KZ-Gedenkstätte in der Hinterbrühl. Als letzten Willen verfügte er, dass ein Teil seiner Asche am Gedenkplatz, den er „Sacrario“ nannte, beigesetzt werde. Die Marktgemeinde Hinterbrühl ernannte ihn posthum zum Ehrenbürger und Pater Jakob Mitterhöfer schrieb dieses Buch. Es ist keine leichte Literatur, aber es ist wichtig, dass diese Geschehnisse nicht vergessen werden. }, keywords = {Gefangene, Hinterbrühl, KZ, SS}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{BRANDSTETTER2020c, title = {Überwindung der Blitzangst - Kurzprosa}, author = {Alois BRANDSTETTER}, year = {2020}, date = {2020-10-22}, abstract = {BRANDSTETTER, Alois: „Überwindung der Blitzangst – Kurzprosa“, Frankfurt Berlin Wien 1971 Es ist das erste Buch Brandstetters. Er war knapp über 30 Jahre als er es geschrieben hatte. Ein Entrepreneur. Ein stilistisch anderer Brandstetter als er es heute ist. Progressiv. Modern. In diesem Buch sind 47 Texte zusammengefasst. Es geht meist um das Leben am Land. Um das Leben in seiner oberösterreichischen Umgebung. Ein Zeitzeugnis, wie es damals war. Konservativ und katholisch geprägt. Ausgefallene Geschichten. Es beginnt schon mit einer originellen Beschreibung seines eigenen Lebenslaufes und seinen Erfahrungen im Internat und in der Hauptstadt Linz. Brandstetter wurde im Jahr 1938, als Hitler in Österreich die Macht übernahm, geboren. So widmet er auch Hitler Geschichten in diesem Buch. Etwa eine satirische Verbindung zum Stift Lambach. Später hat er als Kind den Zweiten Weltkrieg und die Bombardierungen miterlebt. In der Kurzgeschichte „Attnang“ erinnert er sich, dass vor allem strategische Orte, wie der Eisenbahnknotenpunkt in Attnang bombardiert wurden. Heute in einer Zeit der Mobilität und Migration sind andersfarbige Menschen zur Selbstverständlichkeit geworden. Als 1945 die amerikanischen Truppen einmarschierten waren Schwarze – Brandstetter nennt sie der Zeit entsprechend noch „Neger“ - eine Sensation. Der Krieg hinterließ auch Menschen mit Behinderungen. In einer der 47 Geschichten beschreibt er den Nachbarn, der eine Beinprothese hat, die den kleinen Buben interessierte. Den Titel bekam das Buch von der Beschreibung der Angst vor Gewittern. Wie etwa Bauern schwarze Kerzen aufstellten, die vor einem Blitzeinschlag schützen sollten. Vieles ist Zeitgeschichte und wert, dass es festgehalten wurde. }, keywords = {Kurzgeschichten, Leben am Land, Oberösterreich}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{TOKARCZUK2020b, title = {Die grünen Kinder - Bizarre Geschichten}, author = {Olga TOKARCZUK}, year = {2020}, date = {2020-10-19}, abstract = {TOKARCZUK, Olga: „Die grünen Kinder – Bizarre Geschichten“, Zürich 2020 2019 bekam sie den Literatur-Nobelpreis. 2018 wurde dieses Buch erstmals in polnischer Sprache publiziert. Jetzt gab es auch eine deutsche Übersetzung. Es sind zehn Erzählungen. Die Autorin nennt sie „bizarre Geschichten“. Sie nimmt dabei Bezug auf die ständige Veränderung der Welt. Sowohl auf der Zeitachse, als auch geografisch wird der Leser in ihren Geschichten verführt. Die Geschichte, die dem Buch den Namen „Die grünen Kinder“ gab spielt im 17. Jahrhundert. Ein französischer Gelehrter ist zu Gast beim polnischen König und unternimmt mit diesem Reisen. Auf einer dieser Reisen durch kriegsgeschädigte Gebiete entdecken sie zwei Kinder, die in der Wildnis alleine aufwuchsen. Sie waren grün, wie das Moos des Waldes. Der Franzose verletzte sich und blieb in einem Gutshof mit den Kindern und seinem Diener zurück. Hier konnte er die Kinder untersuchen und studieren. Ein Passagier in einem Transatlantikflug erzählt der Autorin, wie er die Angst vor einem Gespenst, vor dem er sich als Kind immer gefürchtet hatte, erst im Alter überwinden konnte. Im Kapitel „Eingemachtes“ wird ein Mann vorgestellt, der noch mit 50 Jahren alleinstehend bei der Mutter wohnt. Sie wollte ihn loshaben „Alle jungen Vögel verlassen irgendwann ihr Nest, das ist der Lauf der Dinge, die Eltern haben sich ihre Erholung verdient. Überall in der Natur ist das so. Warum quälst du mich? Du solltest schon längst deine Sachen gepackt haben, ausgezogen sein und dein eigenes Leben leben.“ (Seite 49) Als die Mutter stirbt ist er auf sich alleine gestellt. Er durchsucht alles, findet aber keine Erbschaft, nur unzählige Einmachgläser. Von denen ernährt er sich weiter. Geht keiner Arbeit nach. Sitzt vor dem Fernseher mit Bier und den Einmachspeisen. Bis zum Ländermatch Polen gegen England, zu dem er marinierte Pilze aß. Das waren seine letzten. Er verstarb. Da er keine Familie hatte organisierten die Freundinnen der verstorbenen Mutter das Begräbnis. In der Geschichte „Nähte“ geht es um einen Mann, einem Witwer, der alles anders sieht, als es in Realität ist: • Die Socken haben Nähte von den Socken zum Bund hinauf. • Briefmarken sind nicht rechteckig, sondern rund. Das ihm die Zeit immer schneller vergeht erklärt ihm die Nachbarin so: „Das heißt, die Zeit vergeht nicht wirklich schneller, nur hat sich unser Denken abgenutzt, und deshalb begreifen wir die Zeit nicht mehr so wie früher. … Wir sind wie alte Sanduhren, wissen sie mein Lieber? … Da werden die Sandkörner, weil sie so oft schon durchgerieselt sind, ganz rund geschliffen, und dann rinnt der Sand immer schneller durch die Uhr. Alte Sanduhren gehen immer vor. … Genauso ist es mit unserem Nervensystem, es hat sich abgenutzt, es hat sich erschöpft, die Reize laufen hindurch wie durch einen Nudelseiher, deshalb kommt es uns so vor, als würde die Zeit schneller vergehen.“ (Seite 61/62) Ein Besuch: Vier Frauen, sogenannte Egone, bekommen Besuch. Das Verhalten zwischen den Gastgebern, di e ein dreijähriges Kind haben, und zwei Besuchern wird beschrieben. Was allerdings Egone sind kann auch Google nicht herausfinden. Unter dem Titel „Eine wahre Geschichte“ berichtet sie von einem Mediziner, der bei einem internationalen Kongress einen Vortrag hielt. Bis zum Galaempfang am Abend ging er in der Stadt spazieren und sah, wie eine Frau stürzte. Als Arzt kam er ihr zu Hilfe. Niemand half ihm. Als die Polizei kam und ihn blutverschmiert sah, nahmen sie ihn fest. Nach Eintreffen der Rettung ließ man ihn kurz los und er lief davon. Wie ein wildes Tier wurde er verfolgt beziehungsweise musste sich verstecken, kam nicht in sein Hotel hinein …. In der Geschichte („Das Herz“) eines Ehepaares, das jedes Jahr den Winter im Fernen Osten verbringt und dem nordeuropäischen Winter entflieht bekommt der Mann in China ein neues Herz transplantiert. Im Folgejahr fliegen sie wieder nach China und in eine entlegene Gegend. Sie lernen ein Kloster in den Bergen kennen, das ihre Einstellung verändern sollte. Aber nicht wesentlich. Sie wechseln nur von China nach Thailand, um im Frühjahr wieder in die Heimat zurückzukehren. Unter dem Titel „Transfugium“ wird erzählt, wie sich eine Frau in eine andere Welt transferieren lässt. Feierlich sollte es sein. Die Familie – die Eltern, die Halbschwester und ihre Kinder – kommt. Ein Arzt erklärt es. Eine Sciencefiction Geschichte. Olga Tokarczuk vermischt gerne mehrere Geschichten in einer Erzählung. So auch im Bericht „Der Berg der Heiligen“. Den Rahmen gibt eine Psychologin, die mit ihren Computerprogrammen und Untersuchungen an Kindern ein Zukunftsszenarium über die Entwicklung der jeweiligen Testperson abgeben kann. „… mit hoher Wahrscheinlichkeit ließ sich vorhersagen, wie sich ein Mensch entwickeln, in welcher Weise sich seine Persönlichkeit ausformen würde.“ (Seite 151) Ein Schweizer Institut engagierte sie, um eine Gruppe Adoptivkinder zu untersuchen. Sie wohnt in einem Nonnenkloster, in dem eine Mumie eines Heiligen ausgestellt ist. Im 17. Jahrhundert hat ein findiger Papst damit begonnen Menschen aus den Katakomben als Heilige in die Welt zu verkaufen. So kam auch eine Mumie des Heiligen Auxentius in dieses Schweizer Kloster. Detailliert wird dieser „Heiligenhandel“ beschrieben. „Bei „Kalender der menschlichen Feste“ wird über einen Monarchen (?) oder Heiligen(?) berichtet, der stirbt und wieder erwacht. Ein Team von Medizinern betreut ihn. Er ist schon über 300 Jahre alt. Er wurde vor 312 Jahren in der Wüste gefunden. Jährlich wird von seinem Tod und seinem Wiedererwachen im Fernsehen berichtet. Auch gibt es das Gerücht, dass er alle 70 bis 80 Jahre sein Geschlecht ändert. Die Geschichte wird aus der Sicht von Ion, einem Masseur des Heiligen berichtet. Das Land hat seine eigenen Feiertage. In jedem Jahr werden aus dem Volk Auserwählte selektiert, die dann gefeiert und dem Volk vorgestellt werden. Letztlich wird der Heilige gestohlen. Man drapiert eine Puppe und zeigt sie. Im Fernsehen überträgt man seine Erwachung aus dem Vorjahr. Eine Geschichte eines unrealen Landes und doch könnte es in jedem existierenden Land passieren. Keine Geschichte ist wie die andere. Olga Tokarczuk entführt in unterschiedliche Geschichten – bizarre, wie sie es nennt. }, keywords = {Bizarre Geschichten, Nobelpreisträgerin, Polen}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Turrini2020c, title = {Gemeinsam ist Alzheimer schöner}, author = {Peter Turrini}, year = {2020}, date = {2020-10-16}, abstract = {TURRINI, Peter: „Gemeinsam ist Alzheimer schöner“, Innsbruck Wien 2020 Ältere Schriftsteller können oft nicht aufhören mit dem Schreiben, auch wenn es nicht mehr so läuft wie in ihrer besten Zeit. Bei Peter Turrini (entschuldige, dass ich sage „älterer Schriftsteller“) muss man sagen „Bitte hör nicht auf!“ Ein sehr gutes Thema, interessant aufbereitet und sprachlich einmalig formuliert. Die handelnden Personen sind ein älteres Ehepaar im Rollstuhl und zwei Altersheimleiter. Das Ehepaar spielt verschiedene Phasen ihres Lebens. Anschließend fallen sie wieder in ihren Alterszustand zurück und sitzen im Rollstuhl. Im Theaterstück – so die Anleitung – leitet Musik die jeweilige Situation ein. Ich habe es nur als Buch gelesen, die Zusatzinformation ist aber wichtig um sich in die jeweilige Stimmung zu versetzen. Die einzelnen Phasen beginnen mit dem Verliebtsein und führen bis ins hohe Alter. Die Liebe in der Jugend formuliert Turrini etwa mit der Aussage des Mannes so „Weißt du, wie es mir geht? Kaum habe ich das Telefon aufgelegt, würde ich am liebsten gleich wieder anrufen.“ (Seite 13) Oder der folgende Dialog: „Sie: Soll ich zu dir kommen, obwohl es mitten in der Nacht ist? Er. Wann immer du erscheinst, ist Sonnenaufgang. Sie. Sehr romantisch. Ich ziehe mir nur schnell etwas an und bin in einer halben Stunde bei dir. Er: Wenn du es schnell wieder ausziehst, bin ich in einer halben Stunde in dir. Sie: Du weißt, dass es nicht so schnell geht bei mir. Du musst mir vorher die eiskalten Füße anwärmen. Sonst muss ich beim Sex immer daran denken, wann sie endlich warm werden.“ (Seite 14) Ein Wort zu den zwei Heimleitern. Der erste ist ein sehr jovialer, freundlicher Mann, der sich von den Heimbewohnern auch mit Vornamen oder Spitznamen anreden lässt. Er zerbricht an seinem Stil und begeht Selbstmord. Er wird von einem akademischen, sachlichen Manager abgelöst. Eine interessante Charakterdarstellung zweier, so unterschiedlicher Menschen. Das Ehepaar spielt dann eine weitere Rolle ihres Lebens, wo er ein angesehener und reicher Industrieller geworden ist und die Firma seines Vaters übernommen hat. Sie sind reich und haben außereheliche Verhältnisse. Sie leben an der Oberfläche. Ohne Tiefgang. So meint „Er“ über „Sie“ „Vor unseren Gästen bist du immer charmant und herzeigbar. Du kannst wunderbar Konversation machen und dir würde nie ein unflätiges Wort über die Lippen kommen. Obwohl du mich hasst, erweckst du vor anderen den Eindruck, als hätten wir eine äußerst harmonische Ehe.“ (Seite 34) Im Gegenzug sagt „Sie“ über ihn „Du bist für niemanden eine Freude und für niemanden eine Hoffnung, nicht einmal für deinen Sohn. Und der hätte seinen Vater so gerne bewundert. Aber du hast nie Zeit gehabt für ihn, nicht einmal die Zeit, dir seine Bewunderung anzuhören.“ (Seite 35) Als sich die beiden Alten ihre Medikamente gegenseitig aufzählen, lässt der Dichter ihnen ein Theaterstück inszenieren, in dem die einzelnen Medikamente auftreten, so als seien sie historische Theaterfiguren. Da der Sohn die teure Seniorenresidenz nicht mehr zahlt – oder zahlen kann – muss das Ehepaar in ein einfaches, kleines Zimmer übersiedeln. Sie vergessen immer mehr. Sprechen sich oft mit „Sie“ an, ja letztlich verlieben sie sich wieder, ja, er macht ihr einen Heiratsantrag – obwohl sie ja verheiratet sind: „Er: Könnten sie sich vorstellen, mich in absehbarer Zeit zu heiraten? Sie: Warum nicht gleich? Sie könnten ihren Antrag wieder vergessen.“ (Seite 79) Ich habe hier öfter zitiert um einen Eindruck zu vermitteln. So schöne Texte kann man nicht beschreiben, man muss sie selbst hören oder lesen. }, keywords = {Alte Menschen, Alzheimer}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{STREERUWITZ2020c, title = {Nachwelt.}, author = {Marlene STREERUWITZ}, year = {2020}, date = {2020-10-15}, abstract = {STREERUWITZ, Marlene: „Nachwelt.“, Frankfurt 2006 Am Cover nennt sich das Buch „Roman“, auf der Innenseite dann „Ein Reisebericht“. Eigentlich ist es ein Tagebuch eines Amerikaaufenthalts. Zehn Tage werden genau beschrieben. Vom 1. bis zum 10. März 1990. Die Protagonistin und Hauptperson des Romans, der Berichterstattung, ist Margarethe. Die Amerikaner nannten sie Margaux. Es dürfte sich um die Autorin selbst handeln. Sie befand sich in Kalifornien, um über Anna Mahler, der Tochter Alma Mahlers und des berühmten Musikers, der Annas Vaters ist, zu schreiben. Stilistisch gehört der Roman zu den früheren Werken von Streeruwitz - es ist ihr zweiter Roman -, in denen sie mit kurzen Sätzen formuliert. In diesem, ihrem „Reisebericht“, werden alle Details festgehalten, auch dass sie „nochmals aufstehen und aufs Klo gehen musste.“ (Seite 94) Vielleicht lag das detaillierte Berichten auch daran, dass sie bei diesem Amerikaaufenthalt oft alleine war. Nur unter Tags hatte sie Treffen mit Leuten, die ihr über Anna Mahler berichteten. Sie rückte mit einem Aufnahmegerät an und hielt alles Gesagte fest. Auch im Buch wird es wiedergegeben, wenn etwa der 88-jährige Witwer über seine Anna berichtet. Er erzählt wie er Anna in Wien kennengelernt hatte. „Zweifelsohne war ich wahnsinnig verliebt in sie. Sie hatte andere Affären. Sie ging damit ganz offen um. Sie war mit Zolnay verheiratet. Aber die Ehe war in Auflösung.“ (Seite 79) Als Hitler in Österreich einmarschierte mussten sie flüchten. Zuerst nach London und dann nach Amerika. Obwohl Anna Klavierspielen lernte, wollte sie – wegen des berühmten Mahler Vater – Nichts mit Musik zu tun haben und wurde Bildhauerin. Ihr Ziel war es „Schönheit herzustellen.“ In Amerika angekommen war sie eine Ausländerin. Die Geschichte wiederholt sich immer wieder. Flüchtlinge im 21. Jahrhundert werden ähnlich behandelt wie die Migranten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Anna war von London nach Amerika gekommen. Sie wurde in der Schule wegen ihres englischen Akzents gehänselt. „Sie war eine Ausländerin und eine Jüdin und das Kind eines berühmten Vaters.“ (Seite 84) Alle Mahler Frauen hatten nur Töchter „Alma hatte nur Töchter gehabt. Anna Töchter. Alma, die Enkelin, Töchter. Anna, die Urenkelin, eine Tochter Alma.“ (Seite 33) Neben den Recherchen über Anna Mahler wird auch die Lebensgeschichte der Protagonistin (der Autorin) beschrieben. Ihre in Österreich zurückgebliebene Tochter, der Ex-Ehemann und der Geliebte, der nicht mitkommen wollte oder nicht mitkommen konnte. Hier in Amerika kommt sie auch selbst zum Nachdenken; über sich. So wird es ein Verweben von zwei Geschichten: jene der Autorin, der Erzählerin und jener von Anna Mahler. Auch sind es verschiedene Generationen, die da zu Wort kommen. Eine wirkliche Anna Mahler Biografie wurde es nicht, aber trotzdem kann man aus den Interviews mit Leuten, die Anna Mahler noch selbst erlebt hatten viel Neues erfahren. Einige Auszüge der Personsbeschreibung Anna Mahler: • „Wenn Anna sprach, dann war das ein Vortrag. … Sie wollte für etwas anerkannt werden, was sie gemacht hatte. Sie wollte von der Nachwelt erinnert werden, als jemand, der etwas getan hatte.“ (Seite 137) • „Sie war zart, aber sie war stark wie ein Stier.“ (Seite 138) • „Ich habe Anna nie krank gesehen.“ (Seite 140) • „… und jeder ist gekommen mit Büchern für Autogramme. Aber es waren Bücher über ihren Vater. … das muss sie geärgert und gekränkt haben, … dass die Leute den Ruhm ihres Vaters auf sie übertragen haben.“ (Seite 186/187) • „Aber ihr Herz war jung. Sie war ein junger Mensch. Sie hat auch nie über Krankheit gesprochen. Sie hat sich nie beklagt.“ (Seite 187) • „She was a Weltbürger“ Sie sagte über sich selbst „Nobody should write a sentence about me.“ (Seite 189) • „Sie war eine sehr unerfüllte Person und sie war nicht glücklich mit sich selbst.“ (Seite 247) • „Ja. Anna war wirklich links. Sie lebte Kommunismus.“ (Seite 249) • Sie hatte neben ihren Ehen auch ein Verhältnis mit dem österreichischen Bundeskanzler Schuschnigg. • Österreich hasste sie. England und Italien liebte sie. • Einer der Ehemänner, Ernst Krenek, sagte der Autorin „Die zweite Symphonie … ist gewidmet der Anna Mahler.“ (Seite 270) • Sie unterrichtete an der UCLA, wurde aber nach einigen Jahren nicht mehr engagiert. „Sie hatte kaum Theorien. Sie war nicht akademisch.“ (Seite 324) Sie war eine Künstlerin, eine Bildhauerin. • „Ich meine, sie ging nie wirklich zur Schule, sie lernte nie richtig schreiben. Sie hielt beim Schreiben die Feder so nach innen wie den Stift beim Zeichnen. ... ihr Schreiben war eine Art unleserlicher Form zu zeichnen. Die Briefe waren interessant anzusehen.“ (Seite 331) Einerseits wollte Anna Mahler von ihrem Vater unterschieden werden, andererseits hat sie trotz 4 Ehen immer den Namen Mahler behalten. Marlene Streeruwitz mischt hier mehrere Geschichten zu einer Melange: • Ihr zehntägiger Aufenthalt in Los Angelos, bei dem sie viel Zeit alleine hat. Zeit zum Nachdenken über ihr eigenes Leben. • Anna Mahler, die sie mit Interviews von Zeitzeugen beschreiben lässt. • Das Leben der Leute, die sie in Amerika trifft und deren Schicksale. • Ihr eigenes Leben und ihre eigenen Probleme. Die großen und die kleinen. Letztlich bleibt es ein Reisetagebuch. Über viele Seiten schildert sie Straßen, die sie gefahren ist. Das erinnert an den Griechen Markaris, der in seinen Romanen auch seitenlang Fahrten in der Stadt Athen schildert. Unwichtigkeiten. }, keywords = {Anna Mahler, Bildhauer, Biografie, Kalifornien}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{TURRINI2020b, title = {Im Namen der Liebe - Gedichte}, author = {Peter TURRINI}, year = {2020}, date = {2020-10-10}, abstract = {TURRINI, Peter: „Im Namen der Liebe“, Frankfurt 2018 Die erste Version dieses Gedichtbandes erschien 1993. Mit seiner Lebensgefährtin Silke Hassler als Herausgeberin erschien es im Jahr 2005 neu mit neuen Gedichten ergänzt. Die Gedichte spannen einen Bogen von der feurigen Liebe über erste Konflikte, Streit, Trennung und letztlich wieder zum positiven Teil, der Sehnsucht. Die Herausgeberin sagt es sehr schön: „Die Gedichtsammlung beginnt mit der Beschreibung des hingebungsvollen und nicht enden wollenden Glücks einer noch frischen Liebe, erzählt von den ersten Trübungen, steigert sich über den Betrug und die Lüge zur kämpferischen Auseinandersetzung, führt in die Verzweiflung, Zerstörung und den Irrsinn und endet schließlich in der Erschöpfung und Resignation der Liebenden.“ (Seite 125) Als doch positiver Mensch möchte ich ein Gedicht aus dem ersten Abschnitt hier wiedergeben: „Am Ende des Horizontes Brennt ein Feuer. Ich verständige sämtliche Feuerwehren Der Umgebung und eile mit ihnen an den Ort des Brandes. Dort brennt kein Haus. Kein Stadel, kein Strohhaufen. Dort stehst du. Du zeigst auf dein brennendes Herz lächelst und forderst mich auf auch das meine zu entzünden. Ich hätte ja genug Feuerwehren mitgebracht.“ }, keywords = {Gedichte, Liebe, Liebesgedichte, Turrini}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{BRANDSTETTER2020b, title = {Lebensreise}, author = {Alois BRANDSTETTER}, year = {2020}, date = {2020-10-08}, abstract = {BRANDSTETTER, Alois: „Lebensreise“, Salzburg Wien 2020 Ich habe einen zweifachen Bezug zu Alois Brandtstetter: • Er war an der Universität Klagenfurt der Chef meines Bruders und • ich hatte ihn zwei Mal zu einer Lesung in meiner Heimatgemeinde, wo ich Kulturveranstaltungen organisierte. Der anerkannte Dichter Alois Brandstetter ist 80 Jahre alt und blickt auf sein Leben zurück. Anekdoten und Erzählung aus Kindheit und Jugend aus seinem oberösterreichischen Geburtsort und Betrachtungen des weiteren Lebens. Den Rahmen gibt er der Erzählung mit einer Reise auf den Spuren seines Namenspatrons Aloysius. Ältere Menschen sind oft mehr vergangenheits- als zukunftsorientiert. Sie erzählen gerne aus „der guten alten Zeit“. So auch der Autor, der seinen achtzigsten Geburtstag hinter sich hatte, als er das Buch schrieb. Auch der Titel „Lebensreise“ sagt schon, dass es eine Rückschau seines Lebens ist. Es sind aneinandergereihte Eindrücke und Erzählungen. Teilweise wirken sie chaotisch und nicht zusammengehörig. Aber mit seinem Namenspatron, dem heiligen Aloisius, bringt er wieder Systematik hinein. Oft sind diese Übergänge aber lange Eselsbrücken. Die heutige Generation ist Google-orientiert. Das heißt es wird nur das nachgeschaut, was man gerade fragen will. Aktiv kommt keine Information aus Google heraus. Dieser Erzählband ist aber wirklich ein erzählendes Werk und man erfährt Dinge, nach denen man nicht gefragt hätte. Brandstetter ist ein bekennender Katholik und viele seiner Erzählungen haben einen religiösen Hintergrund. • Über die Linkskatholiken meinte er, der konservative Autor, dass sie „oft mehr links als katholisch sind.“ (Seite 21) • Was mir bisher noch nicht aufgefallen ist berichtet Brandstetter: „in vielen katholischen Kirchen in Österreich hat die Kirchenleitung etwa den Orthodoxen – den Griechisch-orthodoxen, den Serbisch-orthodoxen oder Russisch-orthodoxen – Benützungsrechte eingeräumt.“ (Seite 53) • Er klärt auch auf, dass katholische Priester bei der Wandlung anstelle von vergorenem Wein, auch Traubensaft verwenden können. Ich kenne zwar keinen Priester, der damit die Messe liest, aber es war interessant zu hören (zu lesen). • Dass der Erzbischof von Paris – Jean-Marie Lustiger – von dem ich während meines Paris-Aufenthalts viele Abendmessen erlebt habe, Jude war und zum katholischen Glauben konvertierte, erfuhr ich hier. • Mein Bruder war Mönch im Benediktinerstift Sankt Paul und so habe ich die Holzschnitte des Mönchs Lobisser kennengelernt. Brandstetter ergänzt dies für mich: „In Sankt Paul war es dann ein hübsches Mädchen, das er portraitierte und auch als Modell in vielen Genrebildern verewigte, mit dem er auch in einer Expositur, einem Atelier des Stiftes, lebte, bis er sie nach seinem Austritt aus dem Orden heiratete.“ (Seite 213) Beim Lobissers-Fall meint er auch „Es gibt wohl doch auch im Falschen das Richtige?“ • Die aktuelle Situation der Kirche bringt er mit seiner Heimatgemeinde: „60 Prozent der Katholiken in Pichl besuchten laut einer Besucherzählung damals, in meiner Jugend, den Gottesdienst, heute sind es angeblich nur noch 5 Prozent.“ (Seite 382) Auch so manche Formulierung bringt den Leser zum Schmunzeln: • „Und über die Metaphysiker dachte Kant, sie seien Denker, die Ochsen melken und ein Sieb darunter halten!“ (Seite 9) • Über Kaiser Maximilian berichtet er, dass dieser testamentarisch festgelegt hatte, dass er nach seinem Tod geschoren werden soll, dass ihm die Zähne gebrochen werden sollen und dass er in seinem Sarg mit Asche und Kalk überschüttet werden soll. Das entspräche dem Sprichwort „in Sack und Asche Buße tun“. • Wenn man den Namen „München“ ausspricht denkt man wenig an den Hintergrund. Brandstetter nennt ihn: er kommt von „bei den Mönchen“. Immer wieder kommt auch der Pädagoge und der Germanist durch, wenn er etwa erklärt, dass das griechische Wort Sarkophag eigentlich „Fleischfresser heißt. Die Leichen werden aufgefressen. Viel Schrulliges wird auch geschildert. Den Abfall König Heinrichs VIII. von Rom vergleicht er mit dem heutigen BREXIT, dem Austritt Englands aus der Europäischen Union. Seine Beziehungen zu vielen österreichischen Dichterkollegen unterlegt er auch mit lustigen Informationen, wie etwa, dass Marlen Haushofer in einem Jahr 286 Fehlstunden in der Schule hatte. „Martin Walser hat den Schriftsteller als einen Menschen definiert, der unzufrieden ist und dem „etwas fehlt.““ (Seite 188) – Brandstetter ist ein Schriftsteller. Der Kreis der Erzählung kommt immer wieder zu Aloysius, dem Heiligen, zurück, endet aber mit der, im Jahr 2020 ausgebrochenen COVID19 Pandemie. Auch das sehr persönlich: er besuchte ein chinesisches Restaurant. Dieses war leer. Er war der einzige Gast. Später erfuhr er, dass es wegen COVID19 gemieden wurde. Er wartete ängstlich zwei Wochen, ob er sich angesteckt habe… }, keywords = {älterer Dichter, Dichter, Kirche, Leben, Rückblick}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @article{CAESAR2020, title = {Der gallische Krieg}, author = {Gaius Julius CAESAR}, year = {2020}, date = {2020-10-01}, abstract = {CAESAR, Gaius Julius: „Der gallische Krieg“, München 1968(?) Für meine Lateinmatura – ich musste sie nach einem HTL Abschluss und einem geisteswissenschaftlichen Studium nachmachen – las ich das Buch in Latein. Jetzt im Alter „leistete“ ich es mir und las die deutsche Übersetzung. Caesar war nicht nur ein guter und bekannter Herrscher und Feldherr, er war auch Schriftsteller. Im vorliegenden Buch beschreibt er seinen Einsatz als Feldherr im 9 Jahre dauernden Krieg gegen Gallien. Jedem Kriegsjahr widmet er ein Kapitel (er bezeichnete es als „Buch“). Vor Kurzem habe ich eine Biografie Prinz Eugens gelesen und die Schilderung der Schlachten hat sich in den über 1500 Jahren wenig geändert. Der Senat Roms hatte Caesar mit der Eroberung Galliens beauftragt. In diesen Buchbeschreibungen kann man die einzelnen Feldzüge sehr detailliert nachverfolgen. Sie sind aus dem Blickwinkel des Feldherrn und Autors geschrieben; also subjektiv. Gallien bestand aus verschiedensten Stämmen, mit denen Caesar Krieg führen oder verhandeln musste. Die Namen der Stämme sind heute in Vergessenheit geraten. Manche von ihnen waren Verbündete, andere stolze Kämpfer. Gleich im ersten Buch wird beschrieben, wie den Helvetiern ihr Land zu klein geworden war und sie auswanderten um neues Gebiet zu erobern. Caesar stellte sie und trieb sie in ihr angestammtes Gebiet zurück. Basierend auf diesem Erfolg begann er im Folgejahr mit der schrittweisen Eroberung Galliens. Als Vorwand für den ersten Angriff nahm er den Aufstand der Belger. In acht Büchern werden die verschiedensten Kriege, die Caesar gegen die Gallier geschlagen hatte, vom Feldherrn selbst beschrieben. Ausgenommen ist lediglich das achte Buch, das er nicht mehr selbst verfasst hat. Er war schon berühmt und berichtet in seinem letzten Satz „Als meine Erfolge durch meine Berichte in Rom bekannt wurden, wurde ein Dankfest von zwanzig Tagen abgehalten.“ (Seite 186) Als Student musste ich diese Kriegsberichte in Latein lesen. Ob das aber wirklich junge Menschen interessiert? Für eine Militärakademie vielleicht. }, keywords = {Caesar, Gallische Kriege}, pubstate = {published}, tppubtype = {article} } @book{Betriebsges.m.b.H.2020, title = {DONAU, Menschen, Schätze & Kulturen – Eine Reise vom Schwarzen Meer zur Schallaburg}, editor = {Schallaburg Betriebsges.m.b.H.}, year = {2020}, date = {2020-09-30}, abstract = {Schallaburg Betriebsges.m.b.H. (Hg): „DONAU, Menschen, Schätze & Kulturen – Eine Reise vom Schwarzen Meer zur Schallaburg“, Schallaburg 2020 Im Zuge der Jahresausstellung der Schallaburg entstand dieses Buch, das im Zuge von COVID 19 eine stärkere Funktion bekam. Bedingt durch die Pandemievorsorgemaßnahmen hat das Buch über die Ausstellung eine höhere Bedeutung. Der Ausstellungsbesuch kann so zu einem „Homeoffice-Besuch“ werden. In zehn Etappen wird die Donau von ihrer Mündung ins Schwarze Meer bis Melk – dem nächsten Punkt zur Schallaburg – beschrieben. Es wird hier nicht nur eine Reise am Fluss beschrieben, sondern auch die sozialen, historischen und kulturellen Hintergründe. Also mehr als eine Kreuzfahrt. Bei einer schönen Landschaft, wie es das Donautal ist, sind auch die Bilder des Buches wichtig und bedeutsam. Wer also die Ausstellung nicht besuchen konnte, kann hier nachlesen und nacherleben. }, keywords = {Donau, Schifffahrt, Schwarzes Meer}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SEETHALER2020, title = {Der letzte Satz}, author = {Robert SEETHALER}, year = {2020}, date = {2020-09-27}, abstract = {SEETHALER, Robert: „Der letzte Satz“, München 2020 Seethaler stellt den Musiker und Komponisten Gustav Mahler am Ende seines Lebens dar. Es beginnt mit einer Schifffahrt über den Atlantik, bei der über verschiedene Dinge nachdenkt. So erfährt man als Leser, dass Mahler beim Komponieren Anleihen bei Vogelstimmen nahm. Vögel, die er gar nicht kannte und ihnen eigene Namen gab. „Er nannte sie Einsinger, Schwarzhäubchen oder Wilde Dirn.“ (Seite 17) Schöne Gedanken kamen auf, wie etwa sein Bezug zur Tochter und Ehefrau Alma, wenn es heißt „Aber ich habe Glück. Dort draußen läuft ein Glück im Gras herum, und hier drinnen sitzt ein anderes mit mir am Tisch. Ich habe alles, was ich mir wünsche. Ich bin ein glücklicher Mann.“ (Seite 19) Er liebte seine Alma, wusste aber nicht, wie es mit ihr aussah. „Sie ist mein Glück. Ich weiß nicht, ob ich sie verdient habe. Du kannst dir die Liebe nicht verdienen.“ (Seite 55) Alma war wesentlich jünger. Er lernte sie bei einem Wiener Gesellschaftsabend kennen. Vier Monate später heirateten sie in der Karlskirche. Nur sieben Personen waren anwesend. Ganz so glücklich war dieses Leben dann doch nicht. Seine Frau verliebte sich in einen Baumeister. Es kam zu Auseinandersetzungen. Mahler litt sehr darunter. Alma blieb aber bei ihm. Nun, für die Ehe blieb bei ihm, dem Workoholiker wenig Zeit. In seiner ersten Saison nach der Hochzeit leitete er 54 Aufführungen und an die hundert Proben. Daneben noch die Administration der Wiener Oper. 1907 demissionierte er in Wien und übersiedelte mit Familie nach New York um für die Metropolitan Opera zu arbeiten. In seiner Verzweiflung, die von ihm geliebte Frau zu verlieren, fuhr er nach Holland um Prof. Sigmund Freud zu treffen. Aber auch der konnte ihm nicht helfen. Nach einem vierstündigen Gespräch attestierte der Arzt Freud „An ihrer Persönlichkeit wurde vielleicht ein bisschen gerüttelt. Ansonsten sind sie putzmunter und vor allem kein kleines Kind mehr.“ (Seite 100) Mit auf der Schiffsreise neben seiner Frau Alma auch die Tochter Anna. Die ältere Tochter war früh gestorben. Auch daran dachte er bei dieser, seiner letzten Überfahrt über den Atlantik. Bei den vielen Fahrten über das Meer nützte er die Zeit, um sich für die bevorstehenden Konzerte vorzubereiten. Seine Frau ließ eine Büste von Rodin in Paris anfertigen. Mahler wollte das nicht und ließ es widerwillig über sich ergehen. Rodin drückte ihm zum Abschied die Hand. Sie erschien Mahler „so hart und trocken, als wäre sie selbst aus Stein gehauen.“ (Seite 40) Mahler plagten verschiedenste Schmerzen, die aber beim Dirigieren verschwunden waren. Zur Musik fand er schon als Kind, als man ihm Holzklötze auf die Klavierpedal schraubte, damit er sie beim Spielen erreichte. Ein Jahr vor seinem Tod dann die Uraufführung der 8. Symphonie in München. Dazu hatte man eine eigene Halle für 4000 Besucher gebaut. Diese Symphonie sollte das Größte werden. Seine Agentur nannte es „die Symphonie der Tausend“. Das Orchester umfasste 180 Musiker, dazu ein Chor mit 500 Sängern und ein Kinderchor mit 350. Eine Münchner Tageszeitung schrieb „Das Werk grenzt nicht nur an Größenwahn. Es will ihn auch übersteigen.“ Er setzt sich gedanklich zunehmend mit dem Tod auseinander. Dämonen erschienen ihm. „Ich hätte noch so viel mehr komponieren können. Es fühlt sich an, als hätte ich gerade erst angefangen, dabei ist es schon wieder zu Ende. So ist es also mit dem Sterben, dachte er. Stillhalten und warten.“ (Seite 30) Viele Erinnerungen kamen ihm beim Aufenthalt an Deck. Er hatte Fieber. Brach dann auch zusammen und wurde vom Schiffspersonal in die Kabine gebracht. Der Schiffsjunge, der ihn immer bediente tritt im letzten Kapitel des Buches wieder auf. Er arbeitete dann im Hafen als Arbeiter. Beim Besuch einer Gastwirtschaft stößt er auf eine Zeitung, die das Bild Mahlers trägt. Er kann nicht Englisch und bittet den Wirten ihm vorzulesen, worum es geht. Der Wirt berichtet: Mahler war gestorben. „Das Begräbnis fand am zweiundzwanzigsten Mai statt. Es war eine ganze Menge Leute da. Viele Berühmtheiten. Seine Frau war nicht dabei.“ (Seite 124) Robert Seethaler beschreibt die letzten Monate des Künstlers, lässt diesen aber in seine eigene Lebensgeschichte zurückblicken und gibt so dem Leser Einblick von der Kindheit bis zum Tod, wobei der Tod selbst erst durch den Schiffsjungen, der ihn auf der letzten Atlantikquerung betreute, ausgesprochen wird. Das Buch ist keine Biografie. Dazu wäre es zu lückenhaft. Es ist ein Roman, der sich auf ein Zeitfenster beschränkt. }, keywords = {Alma Mahler, Gustav Mahler, klassische Musik, Musik}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{ANDRUCHOWYTSCH2020, title = {Donau}, author = {ANDRUCHOWYTSCH, Juri; VELIKIC, Dragan; KISS, Noemi; HVORECKY, Michal}, year = {2020}, date = {2020-09-23}, abstract = {ANDRUCHOWYTSCH, Juri; VELIKIC, Dragan; KISS, Noemi; HVORECKY, Michal: „Donau“, Wien 2020 Dieses kleine Buch ist zur Ausstellung „Donau – Menschen, Schätze & Kulturen“ auf der Schallaburg erschienen. Vier Autoren aus Ländern, die an die Donau grenzen haben einen Beitrag geschrieben. Es beginnt mit Andruchowytschs „Die Dekodierung des Flusses“. Ein historischer Beitrag, der Bezug nimmt auf die Besetzung der Tschechoslowakei im Jahr 1968. Der Autor war damals acht Jahre alt, als in seinem Ort Panzer auf Zugwaggons verladen wurden. Die Einwohner dachten an Krieg. Die Panzer wurden aber in die Tschechoslowakei geschickt um das, sich vom Kommunismus lossagende Land und deren Regierung wieder gefügig zu machen. Eine Besetzung durch den Warschauer Pakt. Truppen in der Stärke einer Viertel Million Mann aus der UdSSR, Polen, der DDR, Ungarns und Bulgariens marschierten ein und übernahmen alle wichtigen Einrichtungen. Das Besondere und der Grund, warum dieses Ereignis in einem Buch mit dem Titel „Donau“ vorkommt liegt daran, dass diese militärische Operation „Donau“ genannt wurde. Man wollte den östlichen Teil Europas vom Westen abgrenzen. Die Donau steht dafür, dass sie mehrere Sprachfamilien miteinander vereint: Germanisch, Slawisch, Urgo-Finnisch und Romanisch. Die Donau quert Europa vom Westen nach Osten. Die Militäraktion sollte „Mitteleuropa“ zerstören und eine klare Trennung zwischen „West“ und „Ost“ bringen. Die zweite Geschichte – von Dragan Velikic – mit dem Titel „Die Donau und ich“ stammt aus Belgrader Sicht. Sie beginnt mit dem Untergang des Schiffs „Nis“ im Jahr 1952 (kurz vor der Geburt des Autors) und endet mit einer Fahrt auf der wieder gehobenen, renovierten und mit neuem Namen versehen „Nis“, die jetzt als Ausflugsschiff „Kovin“ heißt. Als Kind war der Autor vom Wasser der Donau fasziniert und dachte, dass ihre Wellen Zeichen einer Schrift seien. Die Wellen schreiben etwas auf, dass dann auf den Grund versinkt und dort archiviert wird. „Es gibt so etwas wie ein Gedächtnis des Wassers. Eine Unzerstörbarkeit des unendlichen Wasserarchivs.“ (Seite 16) Dieser Ansicht hing auch der Fotograf Günter Schön nach, der Wasser einfror und mit dem Elektronenmikroskop fotografierte. Bunte und unterschiedliche Bilder entstanden. Auch für die Autorin Ingrid Bergner lässt in ihrem Roman „Der Rollatormann“ ihren Protagonisten daran glauben, dass Flüsse verschiedene Sprachen sprechen. Da der Autor aus Serbien kommt auch ein serbisches Sprichwort: „Die Donau ist ein Weg ohne Staub“ (Seite 18). Ja, die Donau war in seinem Land Jahrhunderte die Grenze des osmanischen und des Habsburger Reiches. Kulturen, die noch heute ihre Spuren sichtbar machen. Die Ungarin Noemi Kiss erzählt von einem Spaziergang am Silvestertag auf einer Donauinsel. Dabei erinnert sie an die, durch den Kraftwerksbau beim Eisernen Tor, untergegangene Insel Ada Kaleh. Sie war ein (umstrittenes) türkisches Hoheitsgebiet, das noch aus der osmanischen Zeit geblieben ist. Mit ihr ging ein Teil der orientalischen Kultur unter. Sehr schön die Geschichte des Slowaken Michal Hvorecky, der aus der Sicht eines 199 Jahre alten Fisches die Veränderungen der Donau erzählt. „Ich stamme aus dem Schwarzen Meer. Vor einhundertneunzig Jahren bin ich das erste Mal in die Donau gekommen um mich fortzupflanzen, ein starkes Verlangen hat mich hierhergetrieben.“ (Seite 29/30) Bedingt durch den Kraftwerksbau wurde ihm der Weg zwischen Schwarzem Meer und dem Oberlauf der Donau abgeschnitten. Er war zur Zeit der Absperrung in der Wachau und konnte nicht mehr zurück. Als er dann im hohen Alter gefangen und in ein Aquarium gesteckt wird glaubt er, das sei sein Lebensende. Die Wissenschaft aber verwendet ihn dazu, dass er jungen Fischen den Weg zum Schwarzen Meer zeigt. Die Kraftwerke haben jetzt Durchgänge, die auch für ihn neu sind. Neu, wie so vieles: „Viele Stellen an der weiteren Strecke erkannte ich nicht wieder, so sehr hat sich die Natur unter dem Einfluss der steigenden Temperaturen verändert.“ (Seite 41) Jede der Geschichten ist anders. Jede aber ist schön. Leider werden im Buch die Autoren nicht vorgestellt. Zumindest deren Herkunft wäre für das bessere Verstehen der Geschichten von Vorteil. Das tut aber der Qualität der Beiträge keinen Abbruch. Das Buch kann von beiden Seiten gelesen werde: von der einen Seite in Deutsch und von der anderen in der jeweiligen Sprache des Autors. }, keywords = {Donau, Schallaburg}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{BERGNER2020, title = {Der Rollatormann}, author = {Ingrid BERGNER}, year = {2020}, date = {2020-09-22}, abstract = {BERGNER, Ingrid: „Der Rollatormann“, 2020 Manchmal lese und rezensiere ich ein Buch aus Gefälligkeit. So auch dieses. Aber manchmal – so auch hier – entpuppt es sich als gutes Buch. Also nicht nur eine Gefälligkeit, ein netter Lesegenuss. Es geht um einen älteren Mann, der sich nach einem Krankenhausaufenthalt, den er geschwächt beendet, einen Rollator kauft. Er hat keinen Computer und keinen Internetzugang. Das Krankenhauspersonal hilft ihm bei der Recherche und er wählt ein außerordentliches Sondermodell. Ein „Rollator Ferrari“, auf den er sehr stolz ist und den er wie einen Freund behandelt; Dinge mit ihm bespricht und ihn liebevoll behandelt. Im Laufe der Geschehnisse im Buch lernt man die gesamte Familie des Rollatormannes – genannt Sebastian – kennen. Seine Frau, die eigentlich einen anderen geliebt hatte, den sie aber verließ und letztlich aus Vernunftgründen Sebastian geheiratet hatte. Er aber liebt und verehrt sie, auch wenn die Beziehung nach 40 Jahren verändert ist. Romana – so heißt die Frau – lässt sich von ihm verwöhnen. Er kocht und pflegt sie. Bedingt durch den Krankenhausaufenthalt – dessen Grund der Leser aber nicht erfährt – verändert sich dieser Zugang etwas. Er ist selbst nicht mehr so mobil. Sie haben zwei Kinder: einen Sohn und eine Tochter. Die Tochter und die zukünftige Schwiegertochter kümmern sich um das Ehepaar. Mit Hilfe des Rollators kommt für Sebastian etwas Mobilität zurück. Dabei gibt es auch Rückfälle und er muss mehrmals vom Krankenwagen oder Passanten heimgebracht werden. Die Autorin zeigt sehr schön die Gedankenwelt älterer Menschen auf. Wie sie pessimistisch werden und bei vielen Dingen nur das Negative sehen. Manches gefällt ihnen nicht und grantelnd arbeiten sie dagegen. So gefällt Sebastian die neue Nachbarin nicht. Alles Neue kann für ältere Menschen ein Problem werden. Als sie noch einen Hund bekommt, will er den vergiften. Vergiftet wird aber ein anderer: der Hund des Briefträgers. Aber auch die Nachbarin selbst will er weghaben. Sie ist ihm zu rechthaberisch. Schon seine Schwiegermutter – die er anscheinend nicht geliebt hatte – mordete er, indem er Schmierseife auf die Stiegen strich und sie zu Tode stürzte. Dieselbe Methode wendete er bei der Nachbarin an. Letztlich wird der Mord aber nicht aufgedeckt und das Buch endet mit einem multiplen Happy End. Der Witwer übersiedelt nach Neuseeland und findet wieder eine Frau und die Sebastian findet seinen Frieden mit seiner Roxana, wobei der Rollator „Speed Jazz Oskar“ der Dritte im Bunde dieser Familie ist. Der Rollator ist ein wichtiger Partner für Sebastian geworden, was auch seine Frau akzeptiert, wenn sie sagt: „Ich kann mir ein Leben ohne ihn gar nicht mehr vorstellen. Er ist einer unserer treuesten Freunde geworden. Auf ihn ist Verlass. Wir haben ihn nun schon über ein Jahr, obwohl du überhaupt keine Gehhilfe mehr benötigst.“ (Seite 288) }, keywords = {alter Mann, Mörder, Rollator}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{JORDAN2020, title = {Der Klang der Stille}, author = {Philippe JORDAN}, year = {2020}, date = {2020-09-16}, abstract = {JORDAN, Philippe: „Der Klang der Stille“, aufgezeichnet von Haide Tenner, Salzburg Wien 2020 Für alle Liebhaber klassischer Musik ein schöner und wichtiger Beitrag. Der junge Dirigent Jordan zeigt aus seiner Sicht sein Engagement und seine Arbeit auf, wobei es sich nicht um eine Biografie, sondern um eine Beschreibung der Arbeit und des Denkens in Bezug auf Musik des Dirigenten Jordan geht. Begonnen wurde das Buch in einer sehr intensiven Periode, als Jordan noch die Doppelfunktion eines musikalischen Leiters einer Oper und eines Symphonieorchesters hatte. Die Corona-Krise und viele Veranstaltungsabsagen brachten aber Zeit dieses Buch fertig zu stellen. Für Philippe Jordan ist Musik ein Blick in eine andere Dimension. „Musik erinnert uns daran, dass es etwas gibt, das man mit dem Verstand nicht begreifen kann und auch nicht erklären kann.“ (Seite 11) Sein Vater war Dirigent und so erlebte er diesen Beruf von Kindheitstagen an. Er lernte früh Klavierspielen und trat schon als Sängerknabe auf. Zu Hause in Zürich wurde neben deutsch auch englisch gesprochen. Die Mutter kam als Flüchtling nach Wien und wuchs in Irland auf. Seine Lehrjahre verbrachte er mit Barenboim und bereits mit 27 Jahren wurde er Chefdirigent der Oper in Graz. Hier lernte er den Umgang mit der Oper, die für ihn „die größte Form der Kunst“ ist. „Wenn in der Oper alles stimmt – Sänger, Dirigent, Orchester, Chor, Regie, Bühnenbild und manchmal auch noch Tanz -, dann ist es für mich die größte Kunstform überhaupt.“ (Seite 61) 2004 dirigierte er erstmals an der Opéra National in Paris und wurde später deren Intendant. Sehr interessant dann der Abschnitt im Buch, in dem er seinen persönlichen Zugang zu den einzelnen Komponisten beschreibt. • „Mozart hat mich von Beginn meiner Laufbahn an begleitet, und ich kann mir ein Leben ohne seine größten Meisterwerke nicht vorstellen. Mozart schrieb für mich die himmlischste, die vollkommenste Musik, die je ein Mensch geschaffen hat.“ (Seite 76) • Puccini: Als junger Dirigent dirigierte er viele italienische Opern. Seine erste war Puccinis Tosca in Ulm. „Ich halte Giacomo Puccini für einen der besten Musikdramatiker und La Boheme für eine der besten Opern, die je geschrieben wurden; eine perfekte Mischung von großartigem Theater, guter Dramaturgie, Melodien voller Schmelz und einer Orchestration, die in ihrer Qualität Wagner und Strauss jederzeit vergleichbar ist.“ (Seite 79/80) • „Richard Strauss ist für mich eine Herzensangelegenheit.“ (Seite 92) Außer der Frau ohne Schatten hatte er alle Werke dirigiert. Die größte Emotionalität entwickelt Jordan beim Rosenkavalier. • Wagner: In seinen ersten zwei Jahren in Paris setzte er den gesamten Ring-Zyklus um. Für die Entwicklung eines Orchesters sei Wagner sehr wichtig. Der Ring behandelt für Jordan die großen Menschheitsthemen. „Es geht um Politik, um Wirtschaft, um Religion und Erlösung, um Verrat und Treue und um das Weltende. Sogar um Ökologie, um die Frage, wie man die Welt einmal hinterlassen wird, und natürlich um Macht und Liebe.“ (Seite 107) Für einen Dirigenten sei der Ring so etwas wie ein Ritterschlag. Im Zusammenhang mit Wagner meint er „Musik macht uns bewusst, dass es etwas Größeres, etwas Göttliches gibt, etwas Universelles, etwas, das in uns ist.“ (Seite 111) Im Abschnitt über Schubert und dessen Musik gesteht Jordan, dass er früher an eine andere Dimension nach dem Tod glaubte, das aber abgelegt habe. „Es fällt einem schwer zu glauben, dass der Tod eines Menschen so ist wie bei einem Baum, der abgehackt wird und bei dem damit alles zu Ende sein scheint. Je länger ich lebe, desto weniger Grund sehe ich jedoch, daran zu glauben, dass es nach dem Tod noch etwas anderes gibt. Wir können fast bis ans Ende des Universums schauen, betreiben Quantenphysik, Astronomie und Medizin, aber wir wissen immer noch nicht, was nach dem Tod passiert.“ (Seite 149) Aus der Sicht des Dirigenten spricht er auch über Dinge wie Akustik. Dass etwa in Bayreuth die Musik aus dem abgedeckten Orchestergraben über eine Klangschale kommt. Es gibt also für das Publikum keinen direkten Klang. Alles kommt als Reflexion. Das wieder erzeugt eine Verzögerung, die eine Zusammenarbeit zwischen Dirigenten und Sänger extrem schwierig gestaltet. Wagner wird auch das längste Kapitel im Buch gewidmet. Als Jordan in Paris Musikdirektor wurde fand er ein Orchester vor, das primär für die Oper arbeitete. Er führte Konzerte ein und gab damit dem Orchester mehr Selbstbewusstsein. Selbstkritisch sieht er auch seine Entwicklung, wenn er sagt: „Ich glaube, dass viele Dirigenten ihren Beruf in den ersten Jahren vorrangig für sich selbst ausüben, weil man mit Musik einen Teil von sich ausleben kann – ich gehöre jedenfalls dazu. Im Laufe der Zeit ändern sich die Motive – ich gehe schon lange nicht mehr für mich ans Pult, sondern mit dem Gefühl, eine Aufgabe zu haben und anderen etwas zu geben. Das ist eine neue Qualität in meinem Leben.“ (Seite 145) • Schubert: In seiner ersten Saison in Wien führte er einen Schubert Zyklus ein. Schubert sei für ihn am besten mit anderen Komponisten in einem Konzert kombinierbar. „Schubert muss liebevoll musiziert, liebevoll gearbeitet werden, braucht große Qualität im Zusammenspiel der Streicher, in der Homogenität des Klanges, in der Intonation der Holzbläser und in der Phrasierung.“ (Seite 147) • Bach wird heute fast ausschließlich von Barock-Ensembles gespielt. Jordan ist aber der Meinung, dass auch ein Symphonieorchester Bach „schlanker und entschlackter spielen kann“. Eine Freundin sagte ihm „Wenn man Bach hört, hat man das Gefühl, in dieser verrückten Welt wird doch wieder alles gut.“ Er meint, dass speziell in der heutigen Welt von Corona, einem amerikanischen Präsidenten Trump, der Klimaveränderung und vielen Tagesproblemen mit Bachs Musik wieder Zuversicht einkehren kann. „Bach ist und bleibt für uns Musiker unser tägliches Brot.“ (Seite 154) • Beethoven war Jordans zentrales Projekt, als er nach Wien übersiedelte. Er hört bei Beethoven heraus, dass der Komponist selbst Pianist war. Gerade bei Beethoven ist es ihm auch wichtig, den Musikern Bilder zu geben, was ausgedrückt werden soll. So wie Beethoven findet Jordan in der Stille der Natur seine Energie. • Bruckner: Die Annäherung an diesen Komponisten war ein steiniger Weg und auch in diesem Kapitel des Buches hagelt es schon noch Kritik, neben aller Wertschätzung. Bruckners symphonische Musik sei aus dem Orgelspiel heraus entwickelt. Sie sei auch nicht so katholisch und religiös, wie allgemein angenommen wird. Er findet sie eher mystisch und spirituell. In Bruckners Musik stecke viel vom Teufel und nicht nur vom Heiligen. „… in der Achten steigert es sich so, dass man es fast nicht mehr aushält. Man kann die Ewigkeit nicht ansehen, das blendet und brennt, wie wenn man zu lange in die Sonne schaut.“ (Seite 171) • Brahms klingt „immer gut, aber darum geht es nicht, sondern um die Frage, was er uns zu sagen hat.“ (Seite 181) • Schumann: Zum Violinkonzert meint Jordan „Ich bin sicher, dass Schumann an diesem Werk weitergearbeitet hätte, wenn sein Gesundheitszustand es zugelassen hätte und er nicht ins Sanatorium eingeliefert worden wäre. Die schleichende Geisterkrankheit ist aus dem Werk schon zu lesen.“ (Seite 189) Er gesteht aber zu, dass er dieses Werk trotz seiner Problematik mag. „Er instrumentiert ungewohnt, aber nicht schlecht.“ (Seite 190) • Strauss: Österreichische und süddeutsche Orchester spielen Strauss authentischer als andere Orchester. „Der Wiener Klang ist heller, sinnlicher, süßlicher, geschmeidiger und beweglicher.“ (Seite 194) Im Buch kommen nicht nur sachliche Fakten vor, sondern es menschelt auch. So nimmt Jordan im Kapitel „Strauss“ und dessen Don Quixote Bezug auf seine eigene Erfahrung und die der Allgemeinheit, wenn er sagt: „Viele Menschen kämpfen jeden Tag gegen Windmühlen. Meine Windmühlen sind der Opernbetrieb. Das ist ein täglicher Kampf, bei dem man manchmal Sternstunden erlebt, manchmal aber auch für seine Visionen und Ideale kämpfen und oft auch Kompromisse eingehen muss. Jeder hat seine Windmühlen, vielleicht ist mir deswegen Don Quixote näher als das Heldenleben. Don Quixote ist ein Antiheld, der sich mit viel Fantasie, Leidenschaft und Idealismus durch die Welt kämpft. Ich glaube, der junge Richard Strauss wusste das nur zu gut.“ (Seite 195) • Britten: Im Gedenkjahr 2018 (für die Ereignisse 1918 und 1938) dirigierte er Krieg und Frieden, wobei er sich mit Kriegsmusik „immer schwer“ tat. „Immer wenn Rührtrommeln und Trompeten erklingen, wird Musik für mich sehr eindimensional, sehr martialisch.“ (Seite 198) Er lehnt auch jede Form von Gewalt ab und ist froh, dass er nie einen Militärdienst ableisten musste. „Ich kann mir nicht vorstellen, eine Waffe zu benützen, selbst um mich zu verteidigen, hoffe aber, auch nie in diese Situation zu kommen. In Amerika kenne ich Menschen, die mir stolz ihren Waffenschrank zeigen. Darüber kann man nicht diskutieren, das ist eine andere Weltanschauung.“ (Seite 201) • Mahler: Seine Liebe zu Mahler entstand sehr früh, als er als Sängerknabe in der dritten Symphonie das „Bim-Bam“ sang. In der ersten Gymnasiumklasse wurde vom Schulorchester die erste Symphonie aufgeführt, bei der er das Schlagzeug und die Pauke schlug. In Graz dirigierte er dann seine erste Mahler-Symphonie. Seinen Bezug zu Solisten nennt er „ein Geben und Nehmen“, also eine Kooperation, wenngleich zu manchen Musikern mehr Bezug besteht. Primär arbeitet er mit Solisten zusammen, die er als Partner sieht. Mit 35 Jahren wurde er Musikdirektor der Pariser Oper. Anschließend war er sechs Jahre Chefdirigent der Wiener Symphoniker und 2020 kam er wieder nach Wien an die Oper zurück. Er beschreibt die Umstellung von einem Programm-Opernhaus zu einem – wie Wien – Repertoire-Haus. Er plädiert für ein auswendig Spielen, weil er sich da selbst besser zuhören kann. Beim auswendigen Dirigieren kann er schon vorausschauen und Musiker vor ihrem Einsatz direkt anschauen. Zum Komponieren fühlt er sich noch nicht berufen. Er schreibt, aber für sich selbst. „Ich komponiere ausschließlich für mich selbst, es tut mir gut, und ich wünschte, ich hätte mehr Zeit dazu.“ (Seite 233) Unter der Überschrift „Was ist Erfolg?“ sagt er klar, dass dieser mit Qualität zusammenhängt. So sei etwa die siebente Symphonie von Beethoven ein programmierter Erfolg gewesen. Erfolg kann aber auch unterschiedlich gesehen werden. So zeigt er den Zugang zur Musik von amerikanischen und europäischen Sängern auf, die unterschiedliche Akzente und Schwerpunkte für ihre Arbeit setzen. Oft wird gesagt, dass klassische Musik primär für ältere Menschen ist und daher diese Musik aussterben werde. Jordan sieht es einfach: auch die Jungen werden alt und kommen später in Konzerte. In Schallplatten und CDs sieht er keine Konkurrenz zu Konzerten. „Ein Raum kann vibrieren wie ein großer Cellokasten, das schafft klangliche Sensationen, die eine Aufnahme nie erzeugen kann.“ (Seite 241) Obwohl es um Musik geht sagt er im letzten Kapitel, dass Stille das Größte, Schönste und Stärkste für ihn sei. In der Stille sei man am stärksten bei sich selbst. Die Stille sei auch ein wichtiger Faktor in der Musik, die vor allem der Dirigent durch Einsätze erzeugen kann. Ein interessantes Buch, bei dem der Leser hinter den Seelenvorhang eines Dirigenten sehen darf und damit vielleicht so manches Konzert besser versteht. }, keywords = {Dirigent, klassische Musik, Philippe Jordan}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{KERN2020, title = {Romy. Ein Leben zwischen zwei Welten}, author = {Isabella Maria KERN}, year = {2020}, date = {2020-09-06}, abstract = {KERN, Isabella Maria: „Romy. Ein Leben zwischen zwei Welten“, Berlin 2020 Das Buch ist kein Roman, sondern ein Sachbericht eines jungen Mannes, der sich – weil zweigeschlechtlich zur Welt gekommen – in eine Frau verändern lässt. Die Autorin zeigt in ihrer Erzählung die psychischen und physischen Probleme, die dieser Mensch dabei hat. Sie – die Autorin – ist sein / ihre Begleiterin in allen Stadien der Umwandlung. Die erzählende Person ist eine Krankenschwester, die diese Situation zum ersten Mal in ihrem Leben hat und diesen Prozess, des Mannes zur Frau, beschreibt. Die Autorin war selbst Krankenpflegerin und kann daher einen detaillierten und realistischen Bericht liefern. Sie gibt auch einen Einblick in ihr persönliches Leben. Wie sie lebt, mit wem sie lebt. Auch fällt das Schreiben dieses Buches mit ihrer beruflichen Veränderung zusammen: sie quittierte den Beruf der Krankenschwester und widmete sich ausschließlich der Schriftstellerei. Sie beklagt aber auch den Einsatz des Computers in der Medizin und Krankenpflege. Einer der Gründe, warum sie den Berufswechsel vornahm. „Aber immer wieder kam ich zu dem Schluss, dass man mit dieser Technik dem Pflegepersonal ein Körnchen Verantwortung nahm, den PatientInnen das Recht auf Sonne verweigerte und dem Kranken die Entscheidung zu läuten, falls die Sonne zu sehr blendete, abnahm.“ (Seite 107) Gemeint waren damit der Einsatz des Computers und die automatisierten Jalousien. Der hier beschriebene Mensch, der vorher Richard und dann Romy hieß, hatte aber mehr psychische als physische Probleme. Dies führte auch zur Operation und völligen Umwandlung in eine Frau. Aber auch das reichte ihr dann nicht. Sie wollte die hübscheste Frau sein und weitere „Schönheitsoperationen“ folgten: das Kiefer wurde verschmälert und Haare wurden verpflanzt. Sie scheute keine Mühe und Geld um fraulicher als Frauen zu sein. Trotz allem wollte sie immer wieder nicht mehr leben und stürzte ihre Umgebung in Besorgnis. Die Autorin begleitete und beschützte sie, wann immer sie konnte. Brachte sie zu Ärzten, fuhr mit, wenn sie in ein Spital musste und besuchte sie in ihrem Haus. Romy versuchte mit vielen Beziehungen zu Männern ihre Fraulichkeit zu bestätigen und hatte eine Unzahl an sexuellen Kontakten. Alles half nicht, um ihre Psyche zu beruhigen. Alleine ihre Arbeit als Krankenpflegerin gab ihr Halt. „Ihr Arbeitsplatz gibt ihr Sicherheit und Stabilität, denn es ist der einzige Ort, an dem sie ihre tief verwurzelte Verzweiflung in Versenkung schiebt, um ihre Kompetenz und Intelligenz hervorzuheben, die in der Tat außergewöhnlich sind.“ (Seite 204) Das Buch endet mit dem Entschluss von Romy zu einer psychiatrischen Rehabilitation in die Schweiz zu fahren. Die Autorin entlässt sie in ihre Selbstständigkeit und bleibt als Schreibende zu Hause. Im Nachsatz des Buches erfährt man als Leser noch, dass „Romy als Krankenschwester auf ein Kreuzfahrtschiff“ (Seite 344) ging. Isabella-Maria Kern überlegt, ob dies der Stoff für ein weiteres Buch werden könnte. }, keywords = {Frau, Geschlechtsumwandlung, Mann, Psyche}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Bryla2020, title = {Roter Affe}, author = {Kaska Bryla}, year = {2020}, date = {2020-08-23}, abstract = {BRYLA, Kaska: „Roter Affe“, Salzburg Wien 2020 Der Name der Autorin ist polnisch. Sie selbst ist in Wien geboren. Aufgewachsen ist sie in Wien und in Warschau. Dieses Leben in zwei Kulturen, in zwei Welten drückt sich auch in ihrem Roman „Roter Affe“ aus. Nicht nur, dass er in Österreich und Polen handelt, werden manche Dialoge nicht übersetzt. In der deutschen Ausgabe des Buches gibt es polnische Sätze, die man als deutschsprachiger Leser nicht versteht, aber auch nicht verstehen muss. Man fühlt, was ausgedrückt werden soll. Es gibt 5 handelnde Personen: Mania und Tomek, Ruth, Zahit und Marina. Sie teilen sich auch das Erzählen im Buch und man liest das Geschehen aus verschiedensten Blickwinkeln. Es beginnt mit Tomek und Mania, die schon als Kinder befreundet sind und gemeinsam aufwachsen, obwohl sie unterschiedlichen Familien angehören. „Auch wenn sie beide in Österreich geboren wurden, hatte Tomek das polnische R im Deutschen behalten – und Mania nicht.“ (Seite 43) Die Mutter hat Polnisch zu schreiben verlernt und Deutsch überhaupt nicht mehr gelernt. „Eine doppelte Analphabetin sei sie geworden.“ (Seite 70) Mania lebt mit einer Freundin zusammen und ist nach ihrem abgeschlossenen Studium Gerichtspsychologin geworden. Sie macht eigenartige Gutachten, nach denen sich mehrere Patienten umbringen. Ihre Freundin, eine Computerhackerin löscht Dinge aus dem Netz, die unangenehm sein könnten. Mania hat auch Flüchtlingen aus Syrien geholfen und einen davon – Zahit – bei ihrem Kindheitsfreund Tomek untergebracht, der mit einem Hund und Tomeks Freundin zusammenwohnt. Tomek hat sich mit seiner Freundin von Wien nach Warschau aufgemacht, wo sie beide (wie Romeo und Julia) ihrem Leben ein Ende bereiten wollen. Mania will ihn retten. Ruth kann die Position des Mobiltelefons feststellen. Der drogensüchtige Syrer will und kann nicht alleine in Wien zurückbleiben und so fahren sie zu dritt mit einem Auto und dem Hund nach Warschau Tomek zu suchen. Eine riskante Reise, weil Zahit keine Aufenthaltsgenehmigung hat und als Drogenhändler polizeilich gesucht wird. In Polen angekommen wird die aktuelle Situation beschrieben: „… kleine, graue Gebäude aus kommunistischen Zeiten standen dicht an dicht mit mafiösen Villen und bewiesen, dass sich im Osten Europas die Gleichzeitigkeit von Vergangenheit und Gegenwart noch nicht aufgelöst hatten, um in die Zukunft des Westens überzugehen.“ (Seite 184) Als politzisch aktive Frau beschreibt die Autorin auch die gesellschaftliche Situation Polen: „Es war das Jahr 2016, ein Jahr nach den Wahlen, die das Land in ein rechtes und ein rechtsextremes Lager gespalten hatten. Im Sommer 2015 … war Tomek nach Warschau gefahren und hatte Interviews geführt. Bei den Älteren herrschte Wut und Angst, bei den Jungen eine stolze Gleichgültigkeit.“ (Seite 185) Tomek und seine Freundin haben inzwischen den Keller eines Abbruchhauses bezogen um ihr Leben zu beenden. Sie erzählen sich Geschichten. Wie es sich für Polen gehört auch eine eines Pianisten, der romantische Musik von Chopin spielt. Aber es werden alle gerettet, obwohl – in Warschau angekommen – die Wiener Suchgruppe einen schweren Autounfall hat. Die Mutter Manias eilt zu Hilfe. Der Hund erlöst Tomek und holt die sich ertränkte Freundin aus einem See. Es wirkt fast wie ein Happy End. Dem ist aber nicht so. Sobald Tomeks Freundin nach langer Zeit aus dem Krankenhaus entlassen wird, begeht sie Selbstmord. Ruth zieht mit dem Syrier zusammen und Mania fliegt mit einer Sexarbeiterin, die sie in Polen kennengelernt hatte, nach Indien. Sie versucht dort ihren leiblichen Vater zu finden Ihre Begleiterin fragt sie im Flugzeug „`Und was machen wir, wenn wir ihn gefunden haben?´ Mania zögerte. `Darüber habe ich noch nicht nachgedacht´, antwortete sie erstaunt.“ (Seite 227) Kaska Bryla studierte in Wien Volkswirtschaft und am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. In Leipzig gründete sie 2015 die Literaturzeitschrift „Autor_innennetzwerk PS-Politisch Schreiben“. Im Monatsmagazin „an.schläge“ arbeitete sie als Redakteurin. 2013 erhielt sie das „STARTStipendium“ und 2018 den Exil Preis für Prosa. Seit 2016 gibt sie Kurse zu kreativem Schreiben in Gefängnissen und für Menschen mit Migrationshintergrund. 2019 inszenierte sie in Leipzig die Reihe „Szenogramme“. Der vorliegende Roman „Roter Affe“ ist 2020 als ihr erster Roman erschienen. www.kaskabryla.com }, keywords = {Böse, Gut, Macht, Polen, Psychologie}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{STREERUWITZ2020b, title = {Jessica, 30.}, author = {Marlene STREERUWITZ}, year = {2020}, date = {2020-08-12}, abstract = {STREERUWITZ, Marlene: „Jessica,30“, Frankfurt 2010 Das Buch hat drei Kapitel. Jedes Kapitel hat nur einen Satz. Einen unendlichen Satz. Beim Lesen kann man nur schwer Luftholen. Normal holt man beim Punkt – auch wenn man leise liest – Luft. Das fehlt hier. Man wird atemlos. Auch in der Beschreibung im Buchdeckel heißt es „In drei atemlosen Kapiteln folgen wir dem Gedankenmonopol einer jungen Frau“. Heute kann man solche Texte im Labor schon von einem Computer schreiben lassen. Er liest die Gedanken eines Menschen und schreibt sie nieder. So ungefähr ist auch dieses Buch geschrieben. Alles was sich die Proponentin denkt und sieht wird zu Worten. Eine Modeerscheinung? Auch von Erika Pluhar gab es so ein „Ein-Satz-Buch“. Ich glaube bald wird das nicht mehr modern, sondern algorithmisch sein. Von einem Rechner geschrieben. Nur Dialoge – primär zwischen Jessica und ihrem Liebhaber, einem Politiker – verlassen diesen Schreibstil. Die Hauptperson des vorliegenden Romans ist die 30-jährige Jessica. Sie ist eine junge und intelligente Frau. Mit einem Doktoratsstudium und einem Amerikaaufenthalt hinter sich. Sie jobbt in einer Zeitschrift als Freiberufliche. Daneben hat sie ein Verhältnis mit einem verheirateten Politiker. Diese Beziehung muss daher heimlich geführt werden, was es seelisch nicht so einfach macht. Der Liebhaber ist ein Politiker. Er verbringt Abende mit Jessica. Er kommt aus einer konservativen Partei und hält politisch das Familienbild hoch. Selbst geht er fremd. Jessica kommt auch hinter andere Beziehungen. Sie trennt sich von ihm. Sie fühlt sich von ihm ausgenützt und will sich revanchieren. Sie will ihn öffentlich zum Abdanken als Politiker bringen. Die Autorin verwendet dazu Fakten, die nicht der Realität entsprechen. Dass sich Schriftsteller politisch engagieren ist legitim und wichtig. Hier wurden aber Grenzen überschritten. Selbst einem politischen Gegner sollte man ein Minimum an menschlicher Würde belassen und nicht, wie von Streeruwitz die langjährige Bildungsministerin definiert wird als „primitiv, dass sie alles übernehmen kann, die ebnet jedes Fachgebiet zu einem Volkslied ein, eine Wölfin im Lodenjanker ist die, wo nehmen diese Menschen alle ihre Berechtigung her, diese Frau, die ist dumm und ungebildet, eine sadistische Volksschullehrerin halt, und die hat keine Sekunde das Gefühl, dass sie der Aufgabe vielleicht nicht gewachsen ist …“ (Seite 185) Ich will hier nicht Partei für eine ehemalige Politikerin ergreifen, ABER hier wurde – so wie bei anderen Passagen – die rote Linie überschritten. Auch dass politische Ereignisse direkt angesprochen werden und teilweise auch erfunden und unterstellt sind, geben dem Roman ein Ablaufdatum. Einen Politiker anpatzen hat nur Wirkung, solange dieser aktiv ist. Die Autorin beschreibt negative Moral und benimmt sich selbst gegenüber lebenden und im Roman handelnden Personen unmoralisch. Sie nennt es „Umverteilung“: „imgrund mache ich doch nur eine Art Umverteilung von Moral, ich verschiebe Moral dahin, wo es sie nicht genug gibt.“ (Seite 243) Leider hat sie vergessen auch etwas von dieser Moral sich selbst zuzuschieben. Es werden aber nicht nur Politiker angegriffen, sondern auch Institutionen wie die Kirche. „aber das ist ja das Interessante, das ganze Katholische hat dieses Land mit keinem Moralkompass ausgestattet, das ganze Katholische ist nur in eine diffuse Hegemonialität aufgegangen, wer Recht hat, das ist klar, was richtig ist, das ist diesem Recht unterworfen, und dann ist das Puff auch nicht falsch, wenn es die richtigen Betreten haben..“ (Seite 228). Sie behauptet weiter, dass Politiker für Freudenhausbesuche Partei- und Steuermittel verwenden. Ja selbst den Besuch eines Bischofs im Puff stellt sie als Behauptung auf. Selbst jenem Bombenattentäter, der Roma ermordet hat unterstellt sie, dass er dies im Auftrag der österreichischen Volkspartei gemacht habe. Und Sex muss immer dabei sein. Vielleicht erhoffte sich die Autorin mit diesen Passagen mehr Leser? Vor allem die Männer kommen bei diesen Szenen nicht gut weg und sind die Erpresser und diejenigen, die Vorteile und Genuss haben. Da muss man schon viele negative Erfahrungen haben, um so zu denken. Sie gesteht es auch selbst ein, wenn sie sagt „da kann man über Männer nicht mehr freundlich denken, da kriegt man schon einen Hau auf die aggressivere Seite.“ (Seite 250) Frust zieht sich durch das ganze Buch. Auch Jessica ist mit ihrem Leben unzufrieden, aber die Schuld liegt immer bei den Anderen. Etwa, dass sie keine Fixanstellung in dem Zeitschriftenverlag bekommt, für den sie als freiberufliche Autorin schreibt. Sie meint, sie habe der Chefin des Verlags alle Ideen („die hat mir 1.000 Ideen geklaut“ – Seite 193) für ihre Zeitschrift gegeben. Selbst wurde sie dafür nicht belohnt. Sie fühlt sich als die bessere und nicht erkannte Journalistin. Über ihre Chefin sagt sie: „aber investigativen Journalismus, den kann sie sowieso nicht brauchen, das Spannendste, was sie in ihrem Blatt da bringen kann, ist wenn sich in einer Chanel-Boutique ein Versace-Gürtel findet, das ist das Spannendste, was sie sich vorstellen kann (Seite 211) Das Buch ist sehr schwer zu lesen. Es ist, als wären alle Gedankenflüsse der Proponentin in Worten von einem Rekorder aufgezeichnet und wir Leser müssen das lesen. Die wichtigen und unwichtigen Dinge. Viel Müll und sehr viele Behauptungen, mit denen Menschen verletzt werden. Wenn das das Ziel und die Aufgabe der österreichischen Literatur ist, dann schaut es nicht gut aus für unser Land. Es ist schade, dass eine so begabte Schriftstellerin sich auf solch niedriges Niveau begibt. In vorangegangenen Romanen – wie „Verführungen“ – hat sie sich ganz anders präsentiert. }, keywords = {Intrigen, Politik, Sex}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HANDKE2020c, title = {Zdenek Adamec}, author = {Peter HANDKE}, year = {2020}, date = {2020-08-04}, abstract = {HANDKE, Peter: „Zdenek Adamec“, Berlin 2020 Dieses Stück – Handke nennt es „Eine Szene“ – wurde 2020 im Rahmen der Salzburger Festspiele uraufgeführt. Das Wort „Szene“ passte in die Zeit der Corona Pandemie, in der Theaterstücke keine Pausen haben dürfen. So wie in dieser „Szene“. 2003 hat sich ein 18-jähriger Tscheche am Wenzelsplatz in Prag mit Benzin übergossen und angezündet. Es war kein Protest wie einige Jahre vorher gegen die Besetzung durch die Sowjetarmee. Es war auf den ersten Blick eine unbedeutende Zeit. Niemand wusste wogegen er protestiert. Peter Handke greift dieses Ereignis auf, ohne es aber zu direkt zu schildern. Er sucht Gemeinsamkeiten, Dinge, die es überall und von vielen geben kann. Warum hat Zdenek Adamec das getan, das auch andere getan hätten können? Angeblich hat ihn seine Mutter nie alleine gelassen. „… Mutter Adamec, heißt es, (hat) ihren Sohn noch als Fünfzehn-, wenn nicht Sechzehnjährigen an der Hand zur Schule geführt, und zwar bis vor die Schwelle zum Klassenzimmer, wenn nicht bis vor die Schulbank?“ (Seite 31) Als kleines Kind hatte sie ihn einmal beim Beerenpflücken in einen Kochtopf gesetzt und vergessen. Er war – so erzählt Handke – ein sehr guter Schüler, der später zu einem Computerfreak wurde. Er war ein Einzelgänger. Hat diese verfehlte Erziehung zu diesem Selbstmord geführt? Auch diese öffentliche Selbsthinrichtung blieb die eines Einzeltäters. Im Abschiedsbrief, den er „an die ganze Welt“ gerichtet hatte nennt er ‚Geld‘ und ‚Macht‘ als die Erzfeinde der Menschheit. Das Stück wird von sieben Personen gesprochen, wobei Handke in seiner Einführung offen lässt wer die Personen sind und wie sie sind. Sie sollen nur verschieden sein. Gemischt. Jung und Alt. Frauen und Männer. Einheimische und Zugereiste. Inländer und Ausländer. Obwohl der Selbstmord im März passierte lässt es Handke in seinen Regieanweisungen offen welche Jahreszeit in der Aufführung sein soll. Es geht ihm primär um das allgemein Gültige dieses Vorfalls. Literarisch ist es ein brillantes Werk eines Altmeisters der Dichtung. Alle Worte wohl gesetzt. „Es ist eine Zeit für Hauptsätze, und es ist eine Zeit für Nebensätze. Und es ist ein Ort für kurze Sätze, und es ist ein Ort für lange Sätze. Und es ist eine Zeit und ein Ort, und es ist ein Zeitmaß, und es ist ein Ortsmaß für ein Mischen von kurzen und langen Sätzen, für ein Kombinieren und Verschachteln von Haupt- und Nebensätzen.“ (Seite 30) Peter Handke hat mit diesem Stück einen unbedeutenden Selbstmörder auf die Bühne geholt und damit eine Situation unserer Gesellschaft aufgezeigt. }, keywords = {Protest, Selbstverbrennung, Tschechien}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{VOGT2020, title = {Leben beschreiben. Über Biografie und Autobiografie}, author = {Werner VOGT}, editor = {Vomtobel-Stiftung}, year = {2020}, date = {2020-08-03}, abstract = {VOGT, Werner: „Leben beschreiben. Über Biografien und Autobiografien“, Zürich 2019 Der Autor beleuchtet die verschiedenen Arten von Biografien. Das Leben sei ein Unikat und solle festgehalten werden. Nicht nur von berühmten Menschen, sondern jede Lebensgeschichte sei erhaltenswert. Einerseits sei das Schreiben von Biografien eine Tradition, andererseits aber auch in Eitelkeit begründet. Für den Leser erzeugt es Neugier. Jeder Biografierte will seriös dargestellt werden. Solange die Geschichte von Lebenden oder über Lebende geschrieben wird ist sie oft geschönt und lässt negative Seiten aus. Dichtung und Wahrheit liegen eng beisammen. Andererseits wird das Leben von Verstorbenen oft auch verklärt wiedergegeben. Autobiografien dagegen sind oft einer psychologischen Therapie entsprungen. Sie würden nach einer Seelenheilung völlig anders aussehen. Prominente machen mit Autobiografien oft enormes Kapital. So etwa die Gattin des ehemaligen amerikanischen Präsidenten Obama. Sie erhielt alleine für das Schreiben ihrer Biografie einen Vorschuss von 65 Millionen Dollar. Für eine Lesung aus ihrem Buch bekommt sie bis zu 800.000 Dollar. Der Autor bringt dann 5 exemplarische Lebensgeschichten: • Julius Caesar (100-44v.Chr.) Er steht als Beispiel, dass er als Einzelperson verherrlicht wird, so als hätte er keine Menschen um sich gehabt, die ihn zu seinem Ruhm brachten. Er war ein wichtiger Feldherr prägte „die Historie des Römischen Reiches nachhaltig… Caesars Name wurde nach seinem Tod zur Funktionsbezeichnung der römischen Herrscher und lebt im Wort ‚Kaiser‘ oder ‚Zar‘ noch jahrhundertelang weiter, obwohl das Römische Reich schon längst zusammengebrochen ist.“ (Seite 32) Er bewegte in seinen 56 Lebensjahren mehr als andere Politiker und Feldherren. Schon als 25-jähriger schlug er seine erste Schlacht gegen Piraten in Griechenland, die ihn vorher festgenommen hatten. Neben seinen militärischen Erfolgen (auch vielen Niederlagen) war er ein überzeugender und glaubwürdig wirkender Mensch. Er machte nicht nur Geschichte, er schrieb auch über Geschichte und konnte so seine eigene Biografie mit beeinflussen. • Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) „Unter Johann Wolfgang Goethes Freunden zirkulierte der Witz, der Dichter sei in einem früheren Leben kein Geringerer als der römische Diktator und Imperator Julius Caesar gewesen.“ (Seite 38) Aber selbst heute – zwei Jahrhunderte später - wirkt er noch als moderner Mensch. Er war ein Leistungsverweigerer. Er verwehrte sich gegen eine traditionelle Berufslaufbahn und blieb ein Alternativer. Von ihm stammt auch die Formulierung „Dichtung und Wahrheit“, die gerade bei Biografien Anwendung findet. Er war ein Frauenheld. Speziell nach seiner Italienreise war er aufgeschlossener. Noch heute sind 14.000 Liebesbriefe an verschiedene Frauen, die er verehrte vorhanden. 1788 begegnet er einer 23-jährigen Fabriksarbeiterin. Er nimmt sie als Hausgehilfin auf und es wird eine 18-jährige wilde Ehe, bis er sie auch ehelicht und als legitime Ehefrau aufnimmt und sie gesellschaftlich zur „Frau Geheimrat“ macht. Die Gesellschaft reagiert auch darauf. Johanna Schopenhauer formulierte es so: „Ich denke, wenn Goethe ihr seinen Namen gibt, können wir ihr wohl eine Tasse Tee geben.“ (Seite 42) Goethe war ein genialer Dichter und gerade bei ihm kann man nicht unterscheiden zwischen seinem Leben und seinem Werk. • Winston Churchill (1874-1965) Er war eine Sturzgeburt und gehörte nicht dem Hochadel an, was es ihm erlaubte 1940 Premierminister zu werden. Er war ein Familienmensch (Familie mit 5 Kindern) und der Autor nennt es, er sei „wie ein Kranich“. Churchill prägte nicht nur die Geschichte seines Landes, sonders auch die Europas. Er war ein schlechter Schüler und seine Leistungen reichten nicht für ein Universitätsstudium. So ging er zur Armee, deren Aufnahme er erst im dritten Anlauf schaffte. In mehreren Kriegen – wie im Kubaaufstand und den Burenkriegen - war er aktiv. Letzterer verschaffte ihm Ruhm, weil es ihm gelang aus der Kriegsgefangenschaft zu fliehen. „Churchill packte in sein 90-jähriges Leben so viel wie zehn hart arbeitende Karrierepolitiker – und mehr: Im Telegrammstil sieht dies so aus: - 60 Jahre Member of Parliament - 8 verschiedene Ministerien zwischen 1905 und 1929 - 2 Perioden als Premierminister (1940-1945, 1951 – 1955) - Ein umfangreicheres Oeuvre als William Shakespeare und Charles Dickens zusammen - Literaturnobelpreis (1953) - 600 Ölbilder als Hobbymaler“ (Seite 45) Die Engländer nennen dies „larger than life“. Daneben hatte er immer Appetit, trank und rauchte viel. • Jean Rudolf von Salis (1901-1996) Eine nicht so bekannte Schweizer Persönlichkeit. Ein Adeliger der speziell während des Zweiten Weltkriegs journalistisch die Weltlage kommentierte und sich einen Namen machte. • Marilyn Monroe (1926-1962) Viele Menschen sind nach ihrem Tod nicht mehr präsent. Marilyn Monroe ist es nach kurzem Leben noch lange. 263 Bücher wurden über sie geschrieben. Noch heute offeriert Amazon 10.000 Produkte mit dem Namen Monroe. Sie stammte aus einfachen Verhältnissen. Ihre Kindheit war „ungewollt, ungeliebt, geschlagen, sexuell missbraucht, ins Waisenhaus abgeschoben – kurzum, Tristesse, wohin man schaut.“ (Seite 53). Als 16-jährige rettete sie sich in eine Ehe und wird zum Model und zur Schauspielerin. Ihre Marke war „Sexbombe“ verquickt mit vielen Männerverhältnissen und Ehen wie mit dem Schriftsteller Arthur Miller. Sie war ihrem erreichten Leben nicht gewachsen und beendete es selbst. Jedes Leben hat einen Beginn und ein Ende. Später beurteilt man Lebensläufe anders. Julius Caesar wird im 21. Jahrhundert anders bewertet als vor 2000 Jahren. Immer stellt sich die Frage „Wieviel Wahrheit ist in einer Autobiografie“. Goethe nannte seine „Dichtung und Wahrheit“. Er nannte dies „das eigentlich Grundwahre“, was nicht auf Fakten beruhen musste. „Eine Biografie „erweckt das Vergangene zum Leben, und dadurch kann sich zeigen, was daran Wahrheit ist.“ (Seite 57) }, keywords = {Autobiografie, Biografie, Johann Wolfgang von Goethe, Julius Caesar. Winston Churchill, Marilyn Monroe, Rudolf von Salis}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{TURRINI2020, title = {Ich liebe dieses Land. Stück und Materialien}, author = {Peter TURRINI}, year = {2020}, date = {2020-08-02}, publisher = {Suhrkamp}, abstract = {TURRINI, Peter: „Ich liebe dieses Land – Stück und Materialien“, Frankfurt 2001 Ein Nigerianischer Flüchtling kam nach Deutschland. Er sprach nur einen Satz in deutscher Sprache: „Ich liebe dieses Land“. Das Stück spielt im ersten Akt in einer Gefängniszelle. Der Nigerianer Beni ist mit Handschellen gefesselt. Eine Putzfrau reinigt die Zelle und versucht mit ihm ins Gespräch zu kommen. Sie selbst ist Polin. Ebenfalls einmal geflüchtet. Ein Arzt untersucht ihn, ob er eventuell im After Rauschgift schmuggelt. Die Putzfrau Janina versucht ihm deutsch beizubringen, spricht aber selbst nur schlecht. Immer wieder kommen polnische Wörter dazwischen. Auch ein Psychologe untersucht Beni. Der zuständige Wachebeamte trinkt in Benis Anwesenheit eine Kiste Bier aus. Er trinkt dabei jede Flasche mit verbundenen Augen und versucht die Marke zu erraten. Als er dann betrunken ist schlägt er Beni nieder. Ein Journalist mit einer Fotografin versucht mit dem Gefangenen einen Bericht zu machen. Das wird ihm nicht leicht gemacht „Nur wenn wir zum Tier werden, zum stummen Vieh, erreichen wir einen gewissen Grad an Menschlichkeit. Erst wenn die Deutschen erfroren im russischen Schnee liegen, wenn ihnen die Wasserwerfer die Sätze aus dem Mund gespült haben, wenn sie zu Tausenden stumm auf den südlichen Stränden liegen und schweigen, weil ihnen die Hitze die Sprache verbrannt hat, haben sie Anmut.“ (Seite 32) Der letzte Besucher im ersten Akt ist der Polizeipräsident mit seiner Frau. Sie sind kostümiert. Kommen von der Love-Parade. Sie sind angeheitert, betrunken. Die Frau fährt Beni in den Hintern. Der wehrt sich und schlägt die Frau nieder. Der Ehemann freut sich. Selbst hätte er sich das nicht getraut. Zum Dank lässt er Beni frei. Der zweite Akt spielt in der Wohnung der Putzfrau. Sie hat ihn aufgenommen und verpflegt ihn. Dann stürmt aber die Polizei die Wohnung. Der Polizeipräsident lässt ihn festnehmen. Im dritten Akt ist er mit zwei Männern in einer Gefängniszelle. Ein kleiner, sehr aktiver Mann und ein Bankbetrüger, der wiederum fast Nichts redet. Der kleine Mann versucht eine Kommunikation Beni. Da hören sie die Putzfrau draußen nach Beni rufen. Das Zellenfenster liegt zu hoch um hinaussehen zu können. In einem Brief an den Verleger definiert Turrini dieses Stück so: „Wenn sie mich fragen, was die Quintessenz meines neuen Stückes ist, dann antworte ich Ihnen auf die einfachste Weise: Alle Ausländer wollen nach Deutschland rein, alle Deutschen wollen aus Deutschland raus.“ (Seite 65) Mehrere Briefe Turrinis ergänzen das Buch. An Claus Peymann, an den Bürgermeister seiner Geburtsstadt Maria Saal, der ihm die Ehrenbürgerschaft geben wollte, aber im Gemeinderat keine Mehrheit bekam und ein Brief an Jörg Haider. Turrini, der ein engagierter Gegner der Freiheitlichen Partei ist, hat diesen Brief sehr höflich, aber auch sehr direkt verfasst. Ein literarisches Stück. Dann noch interessante Interviews und eine in Japan gehaltene Rede der Freundin Turrinis Silke Hassler. }, keywords = {Asylwerber, Deutschland, Fremde, Nigeria}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{IRVING2020c, title = {Bis ich dich finde}, author = {John IRVING}, year = {2020}, date = {2020-08-01}, abstract = {IRVING, John: „Bis ich dich finde“, Zürich 2007 Ein moderner Casanova des 20./21. Jahrhunderts. Er nennt sich Jack Burns. Irving beschreibt seinen Werdegang von Kindheit bis zum erfolgreichen Schauspieler. Bei über 1000 Seiten muss der Autor schon interessant schreiben, um den Leser bei der Stange zu halten. Viele Themen werden dabei angesprochen, bei denen Sachkenntnis notwendig ist. So etwa beim Tätowieren. Sein Vater „sammelt“ Tattoos auf seinem Körper aus verschiedenen Ländern und deren berühmten Tätowierern. Seine Mutter ergriff diesen Beruf und hielt sich zu Beginn so finanziell – ohne den verschwundenen Kindesvater – über Wasser. Später wird sie mit dieser Arbeit eine anerkannte „Künstlerin“, obwohl sie und ihr Sohn kein einziges Tattoo auf ihren Körpern haben. Als der Bub dann in die Schule geschickt wird und später auch in einem Internat wohnt, wird er Ringer. Auch hier ist viel Sachwissen über diese Sportart verarbeitet. Der Bub Jack hatte schon in der Schule in Laienstücken mitgespielt und macht anschließend eine Schauspielausbildung. Mit Hilfe seiner Freundin Emma – die zweite wichtige Proponentin des Romans – kommt er nach vielen Auftritten bei Sommertheatern ins Filmgeschäft. Dies ist ein Buchabschnitt für Cineasten. Filme und Schauspieler werden besprochen. Der Buchautor John Irving hatte im Jahr 2000 für ein Drehbuch einen Oscar bekommen. Im vorliegenden Buch lässt er seiner Hauptfigur Jack diese Ehre erlangen. Und letztlich zieht sich Sexismus durch das ganze Buch. Die ersten Erlebnisse als Junge und später als erwachsener, attraktiver Mann, der Verhältnisse mit vielen Frauen hatte. Oft mit älteren. Seine Mutter wiederum hat ein lesbisches Verhältnis und wohnt mit dieser Frau wie in einer Ehe zusammen. Die Partnerin ist wohlhabend und ermöglicht so das Studium von Jack und einen gehobenen Lebensstandard seiner Mutter. Zurück zu Emma. Sie ist eine, um einige Jahre ältere Schülerin, die ihn – Jack – aufklärt und dieses sexuelle Verhältnis das ganze Leben aufrechterhält, ohne mit ihm wirkliche sexuelle Beziehung zu haben. Eine Lebensfreundschaft. Emma stirbt als berühmte Drehbuchautorin und vermacht ihrem Freund alle Rechte; ja sie sorgt für seine schriftstellerische Karriere über ihren Tod hinaus vor. Durch Emma hat sich seine Beziehung zur lesbischen und mit Emmas Mutter zusammenlebenden Mutter etwas distanziert. Erst als sie im Sterben lag kümmerte er sich wieder. Nach ihrem Tod begann er wieder nach dem Vater zu suchen. Er fuhr dieselben Städte, die er mit seiner Mutter als kleiner Bub besuchte um den Vater zu finden wieder ab. Hier erfuhr er, dass ihn seine Mutter immer belogen hatte. Sie hatte den Vater erpresst. Sie wollte ihn zurückhaben. Nicht der Vater war der schlechte Mensch, sondern die Mutter. Der Vater galt – so wurde ihm berichtet - ein gläubiger Mensch. Eine nostalgische Fahrt, die aber ohne Erfolg blieb. Erst als sich eine ehemalige Lehrerin bei ihm meldete und ihm mitteilte, dass er eine Schwester habe, die ihn kontaktieren wolle veränderte sich alles. Über sie bekam er den Kontakt zum Vater, der in einer Nervenanstalt in der Schweiz war. Der Vater – ein begeisterter und anerkannter Organist - litt an einer Nervenkrankheit und sein musizieren wurde eingeschränkt und schmerzhaft. Jack selbst hatte schon mehrere Jahre Behandlungen bei einer Psychologin in Kalifornien. Mit dieser einschneidenden Lebensveränderung, die das Auffinden seiner Schwester und seines Vaters brachte, brauchte er keine psychologische Betreuung mehr. Sein Leben kam in normale Bahnen. So wird der Höhepunkt des Buches das Zusammentreffen mit dem Vater, der auch ihn immer gesucht hatte. Alles in allem ist es ein sehr trivialer, frivoler und skurriler Roman. Ich denke, der Autor Johan Irving ist sich selbst dessen bewusst. Er ist eben ein „Erfolgsschriftsteller“, was nicht gleichzusetzen ist mit Qualität. Im vorliegenden Roman beschreibt er so einen Autor: „Dong McSwiney, ein nicht besonders guter kanadischer Romancier und Drehbuchautor“ (Seite 895). Einige Seiten weiter meint er „das Drehbuch sei der letzte Mist“ (Seite 918). Ich denke, er hat damit auch sein eigenes, dieses Buch gemeint. Oder ist es doch ein gutes Buch? Zumindest von den vielen angerissen Themen sehr umfangreich. }, keywords = {Einzelkind, Organist, schauspieler, Vater-Beziehung}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{PALMEN2020, title = {Du sagst es}, author = {Connie PALMEN}, year = {2020}, date = {2020-07-18}, abstract = {PALMEN, Connie: „Du sagst es“, Zürich 2016 Die niederländische Schriftstellerin Connie Palmen gibt dem bereits verstorbenen englischen Dichter Ted Hughes mit diesem Roman eine Stimme. Teilweise ist es auch eine Rechtfertigung darüber, dass sich seine amerikanische Frau Sylvia Plath das Leben genommen hatte. Von der Thematik also ein einfach gestrickter Roman: eine Rechtfertigung eines schuldbewussten Mannes. Schriftstellerisch aber großartig. In dieser Hinsicht eines der besten Bücher, die ich in letzter Zeit gelesen habe. In jungen Jahren lernen sich die beiden – Sylvia Plath und Ted Hughes – kennen. Sie Amerikanerin, für ein Auslandsstipendium in England weilend, lernt ihren Mann kennen, der schriftstellerisch schon am Weg der Anerkennung ist. Sie als Studentin hatte auch schon viel publiziert, der große Erfolg blieb aber noch aus. Nach relativ kurzer Zeit des Kennens heiraten sie heimlich und weihen die Eltern und Freunde erst später ein. Als Künstler führen sie ein nomadisches Leben; verbringen Jahre in Amerika und dann wieder in England. Immer wieder siedeln sie um. Ihr sorgloses Leben wurde mehr konservativ, als das erste Kind – eine Tochter zur Welt kam. Trotzdem blieb die interne Konkurrenz der beiden um Publizität ringenden Künstler. Die intensive Liebe verband sie aber. Sie waren sich nahe. „… alles was sie sah und fühlte, genauso erfuhr, als sähe und fühlte es selbst. Ihr Schmerz war mein Schmerz, ihre Ängste waren meine Ängste, nur reagierte ich anders darauf.“ (Seite 157) Obwohl er nur wenige Jahre älter war, sah sie ihn ihm einen Vaterersatz. Ihr Vater war ein Familientyrann und starb früh. Zur Mutter hatte sie eine nicht so gute Beziehung und schreckte nicht davor zurück dies auch in ihren Büchern zu beschreiben. Hass und Liebe lagen in der Ehe von Hughs und Plath eng beisammen. Als er wohlgelaunt nach einem erfolgreichen Interview von BBC heimkam war die Eingangstür blockiert. Die eifersüchtige Frau hatte all seine Manuskripte zerrissen. Die Ehe wird – trotz des zweiten Kindes – immer getrübter und letztlich trennten sie sich einmal auf Zeit, um zu sich selbst zu finden. Er meinte, „dass sie ein geniales poetisches Selbst befreit hatte, ungehört, neu, originell, schockierend. Die Glasglocke war gelüpft, der gefolterte Panikvogel konnte singen und ich konnte mich von dem Zwang losmachen, Vater und Gott in einem sein zu müssen.“ (Seite 233) Die als Pause gedachte Trennung entfernte aber mehr. Hughes hatte in London eine Freundin, die für ihn aber nur ein ihn anziehendes Sexobjekt war. Sylvias Hass gegen ihren Mann wurde immer aggressiver. Sie lebte zuerst alleine in ihrem Haus am Land und siedelte dann mit den Kindern nach London, wo auch ihr Mann wohnte. Sie begann wieder viel zu schreiben, ließ aber in vielen Geschichten und Gedichten ihren Hass gegenüber dem verlassenen Mann durchblicken. Sie wollte zwar eine Scheidung, reichte diese aber nie ein. Er hoffte immer noch auf ein Zusammenfinden. Als er eines Tages einen Abschiedsbrief erhielt eilte er umgehend zu ihrem Haus. Die Post war in der Zustellung schneller als sie beim Handeln. Sie zerriss den Brief. Der Selbstmord war vereitelt, aber im Februar 1963 bekam er den Anruf mit dem Satz „Deine Frau ist tot.“ (Seite 253) All die Freunde und Verwandten, die in London eintrafen nahm er nur wage wahr. Er kümmerte sich routiniert um die zwei Kinder und hielt die Nachricht des Todes der Mutter von ihnen fern. Am Grab bat er dann die Trauergäste ihn noch alleine zurück zu lassen. „Um dem Schmerz ein Ende zu machen, sang ich leise die letzte Strophe von ‚Waltzing Matilda‘ für meine Braut und bat sie um Vergebung für alles, was ich selbst falsch gemacht hatte.“ (Seite 266) Es war zwar Selbstmord, aber er kam nicht davon los, dass er Mitschuld habe. Viele gaben ihm auch die Schuld. Gerade in einer Zeit des aufkeimenden Feminismus fanden sich Frauen um ihn zum Mörder zu machen. Die innere Liebe und dieser Hass von außen wurde zu einer Zerreißprobe, der er mit der Aufarbeitung ihrer Texte und deren Veröffentlichung entgegentrat. Nach dem Tod kam er nicht los von ihr. Zwar heiratete er seine Freundin und bekam ein Kind von ihr, es war aber nicht mehr die Liebe wie mit Sylvia. Er bezeichnete sich als „Passant, der jeden Augenblick – ohne Erklärung oder Entschuldigung – entschwinden konnte, war in seiner Ungreifbarkeit der unzertrennliche Ehemann einer toten Geliebten.“ (Seite 273) Als sich diese zweite Frau auf dieselbe Art und Weise wie seine erste Frau – den Kopf in das Backrohr des aufgedrehten Gasherdes steckend – aus dem Leben schied, zerbrach er ein weiteres Stück. Schließlich heiratete er eine Bauerstochter, die keine Ambitionen mit Literatur, Depressionen und Todessehnsüchten hatte. Sie war „eine Frau, die die Kinder und mich rettete, und nicht ich sie.“ (Seite 274) All sein restliches Leben versuchte er Sylvias Tod und diese gescheiterte Beziehung zu ergründen. „In den Jahren nach ihrem Tod und jetzt, da ich mit der Poesie das Loch abzudichten versuche, das ihr Selbstmord in mich geschlagen hat, in einem posthumen Dialog das Gespräch mit ihr führe, das wir nie mehr führen konnten, … kommt mir dieses Bild immer wieder, wie wir dort zum letzten Mal zusammen im karmesinroten Wohnzimmer am Feuer saßen und durch die Glut der Flammen sichtbar wurde, wie unsere Worte verflossen, zu einem Körper, einem Geist, einer sprachlichen Vermählung.“ (Seite 237/238) In seinen letzten 30 Jahren schrieb er Gedichte über Sylvia, die er aber privat hielt. Schon todkrank gab er sie zur Veröffentlichung frei. Diese 88 Gedichte aus „Birthday Letters“ waren auch ein wichtiger Leitfaden für die Autorin Connie Palmen für das vorliegende Buch. }, keywords = {Dichter, Ehepaar, Liebe, Selbstmord}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{BRANDSTETTER2020, title = {Am Zug. Neue Texte übers Bahnfahren}, author = {Alois BRANDSTETTER and Karl-Markus GAUß and Daniel KEHLMANN, and Michael KÖHLMEIER and Kurt PALM and Erika PLUHAR and Julya RABINOWICH and Peter ROSEI and Eva ROSSMANN and Gerhard ROTH and Tex RUBINOWITZ and Susanne SCHOLL and Julian SCHUTTING and Ilija TROJANOW and Anna WEIDENHOLZER}, year = {2020}, date = {2020-07-11}, abstract = {BRANDSTETTER, Alois; GAUß, Karl-Markus; KEHLMANN, Daniel; KÖHLMEIER, Michael; PALM, Kurt; PLUHAR, Erika; RABINOWICH, Julya; ROSEI, Peter; ROSSMANN, Eva; ROTH, Gerhard; RUBINOWITZ, Tex; SCHOLL, Susanne; SCHUTTING, Julian; TROJANOW, Ilija; WEIDENHOLZER, Anna: „Am Zug. Geschichten übers Bahnfahren“, Sankt Pölten, Salzburg, Wien 2014 Hier hat der Residenzverlag unter dem Rahmenthema „Bahnfahren“ 15 zeitgenössische österreichische, oder in Österreich eingebürgerte Autoren vereint. Jede und jeder von ihnen berichtet in einem etwa zehnseitigen Beitrag von einer Bahnfahrt. Oft sind es Auszüge aus anderen Erzählungen oder Romanen oder auch nur eine „Resteverwertung“ von noch unveröffentlichten Manuskripten. Es sind Geschichten von Bahnfahrten aus verschiedensten Weltteilen. Sie sind aber keine Eisenbahn-Expertenberichte. Die Literatur behält die Oberhand und der Zug selbst gibt nur den Rahmen vor. In der heutigen Berichterstattung stehen ja negative Meldungen an oberster Stelle und auch Literaten folgen diesem Modetrend. Angenehm sah ich, dass sich diese Mode in den Beiträgen dieses Buches nicht durchgesetzt hat. Als Beispiel möchte ich die junge Linzer Autorin Anna Weidenholzer zitieren, wenn sie von einem Bahnhof schreibt: „Die Bänke sind schlecht, sie sind früher besser gewesen. Ich spreche nicht gern davon, dass es früher besser gewesen ist, ich komme mit der Gegenwart im Allgemeinen gut zurecht. Man könnte es folgendermaßen ausdrücken: Es ist alles sauberer geworden, es liegt keine Wurst mehr herum, wir haben Lehnen, die uns voneinander trennen, die uns unsere ordnungsgemäßen Sitzbereiche zuweisen. Wir haben Personal, das über unsere Sicherheit wacht. Wir haben ein großes Angebot von Lebensmitteln und sonstigem Bedarf.“ (Seite 80) Oder Kurt Palm meint unter Bezugnahme auf die Geschwindigkeit des Zuges „Die zwanzig Minuten, die man im Railjet auf der Strecke von Wien nach Salzburg „gewinnt“, sind für ein Leben doch vollkommen irrelevant. Was macht man mit dieser Zeit?“ (Seite 152) }, keywords = {Bahnfahren, Kurzgeschichten, Zug}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HAUSHOFER2020c, title = {Bartls Abenteuer}, author = {Marlen HAUSHOFER}, year = {2020}, date = {2020-07-09}, abstract = {HAUSHOFER, Marlen: „Bartls Abenteuer“, Berlin 2015 Dieses Buch habe ich gekauft, um meine Sammlung aller Haushofer Romane zu vervollständigen und es meinen Enkelkindern vorzulesen. Es geht um das Leben einer Katze. Als ich aber zu lesen begann gefiel es mir. Die Autorin denkt sich – mit menschlichen Instinkten – in das Leben einer Katze hinein. Wie die Katze in einer Familie aufgenommen wird und was sie so im Laufe der Zeit erlebt. Haushofer muss selbst eine Katzenbesitzerin gewesen sein, sonst könnte sie so eine Geschichte nicht schreiben. Das Buch ist demnach kein (nicht nur) Kinderbuch, sondern auch für Erwachsene und im Speziellen für Katzenbesitzer und Katzenliebhaber geschrieben. }, keywords = {Katzen}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{STREERUWITZ2020, title = {Verführungen}, author = {Marlene STREERUWITZ}, year = {2020}, date = {2020-07-06}, abstract = {STREERUWITZ, Marlene: „Verführungen“, Frankfurt 1996 Eine junge Frau – Helene – erzählt ihr Leben. Jung hat sie geheiratet und hat zwei Kinder. Der Mann hat sie verlassen ohne sie finanziell zu unterstützen. Als Teilzeitkraft verdient sie sich, kommt aber finanziell nicht zurecht. Der Job ist einer sehr machoistischen Umgebung. Den Mann sieht sie mit ihrer besten Freundin. Selbst zweifelt sie an einem Verhältnis mit einem Mann. Sie versucht es mit einem verheirateten und geht mit ihm in ein Stundenhotel. Ein schwedischer Musiker nützt sie aus. In ihrer Verliebtheit sieht sie das nicht. Ihrem Job muss sie nachgehen, weil sie das Geld braucht. Zusätzlich verkauft sie geerbte Schmuckstücke, um das Leben mit den Kindern finanzieren zu können. Sie muss sparen. Auch ihre Eltern sind ihr keine Hilfe. „Am Dienstag hatte sie Kaiserschmarren zum Abendessen gekocht. Sie hatte ein Ei weniger genommen als im Rezept vorgeschrieben. Alles andere hatte sie zu Hause gehabt. Für das Frühstück hatte sie die letzte Packung Haltbarmilch aufgemacht und über die Cornflakes geschüttet. Aber auch die Cornflakes waren zu Ende. Brot, Eier und Schinken waren einzukaufen. Zahnpasta war ausgegangen. Helene hatte die Tube mit dem Messerrücken ausgequetscht, um den Kindern Zahnpasta für ihre Zahnbürsten zu geben. Sie selbst hatte die Zähne mit Salz geputzt.“ (Seite 182) Mit vielen Problemen hat sie als Alleinerzieherin zu kämpfen. Sie wohnt noch in der Wohnung ihres Exmanns, aber gemeinsam mit dessen Mutter, was sehr problembehaftet ist. Obwohl ihre beste Freundin durch Selbstmord stirbt (einmal hatte sie sie gerettet) geht die Geschichte noch ganz gut aus. Zwar kein Happyend, aber sie findet einen Rechtsanwalt, der ihr zu ihrem Recht verhilft und der Exmann zu Zahlungen verpflichtet wird. In dieser Situation kündigt sie ihren unangenehmen Halbtagsjob, meldet sich arbeitslos und beginnt einen Computerkurs, um fehlende Qualifikationen nachzuholen. Generell skizziert die Autorin sehr gut, wie das Leben einer verlassenen Ehefrau als Alleinerziehung aussehen kann. Streeruwitz erzählt sehr detailgenau die Situation dieser Frau. In einem sehr konstruierten Stil mit kurzen Sätzen und Satzteilen. Mit den Stakkato-Sätzen drückt sie die Überfordertheit der Proponentin Helene aus. Ein sehr guter Roman. Sowohl stilistisch als auch thematisch. }, keywords = {Alleinerzieherin, Wien}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HAUSHOFER2020b, title = {Begegnung mit dem Fremden - Erzählungen}, author = {Marlen HAUSHOFER}, year = {2020}, date = {2020-06-18}, abstract = {HAUSHOFER, Marlen: „Begegnung mit dem Fremden – Erzählungen“, München 1991 Die Schriftstellerin Haushofer ist erst relativ spät entdeckt worden. Ich bin ja nicht nur ein Leser, sondern auch ein Sammler und so ist es mein Ziel von den bekannten neueren österreichischen Autoren alle Bücher zu besitzen. Dieses von Haushofer habe ich nur mehr antiquarisch bekommen. Es sind Erzählungen aus dem Alltag der Autorin. Sie war eine konservative, bürgerliche Frau. In ihren Gedanken und Schreibarbeiten gab sie sich aber sehr liberal und kritisch. In den vorliegenden Erzählungen gibt sie ein Spiegelbild ihrer Zeit, der Zeit vor und nach dem Zweiten Weltkrieg. Typisch dafür die Geschichte „Der Sonntagsspaziergang“. Der Familienvater entscheidet nach dem Mittagessen einen gemeinsamen sonntäglichen Spaziergang zu machen. Alle Anderen hatten anderes geplant, aber das Familienoberhaupt – der Patron - bestimmte. Die Geschichte erzählt dann den Ablauf der Wanderung: jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Haushofer hat eine sehr detailgenaue Erzählkunst. Jede Kleinigkeit wird beschrieben. Auch Gedanken. So etwa in der Geschichte „Der Bruder“, in der sie nicht nur ihr (?) Verhältnis zum Bruder, sondern auch ihre nächtlichen Gedanken, in denen sie verstorbene Menschen trifft, ausführlich schildert. Eine Abrechnung mit nicht mehr Lebenden und eine Wiederherstellung der eigenen inneren Balance zu diesen. Realität und Fantasie verschmelzen „Wenn ich mich auf die linke Seite drehe, höre ich mein Herz laut schlagen; rechts kann ich nicht liegen, immer den Rücken zur Wand, immer den Feind im Auge behalten. Auf dem Rücken schläft kein Mensch ohne hässliche Träume. Und ich will nicht träumen, ich will schlafen, mit Leib und Seele, besonders aber mit Seele.“ (Seite 147) Die Erzählungen gehen auch in ihre Jugendzeit zurück, wie etwa in „Der Drache“, in dem sie das Verhalten einer Lehrerin schildert. Den Titel erhielt das vorliegende Buch von der Erzählung „Begegnung mit dem Fremden“. Da kommt wieder ihr eigenes Leben zum Vorschein. Der konservative Ehemann hat Menschen eingeladen, die er dienstlich braucht, die aber ganz anders sind als sie selbst. Es ist eine Belastung für das Ehepaar. Die Gäste trinken und rauchen viel. Die Unterhaltung ist primitiv. Letztlich wirft sie aber der Mann hinaus und verzichtet auf deren Unterstützung. Ein mutiger Schritt, den sie von ihm nicht erwartet hätte. Das Buch ist eine Zeitreise in eine konservative Welt vor fast 100 Jahren. Auch der Schreibstil spiegelt diese Zeit wider. }, keywords = {20. Jahrhundert, Bürgerlich, Erzählungen}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{ACHLEITNER2020, title = {flüchtig}, author = {Hubert ACHLEITNER}, year = {2020}, date = {2020-06-14}, abstract = {ACHLEITNER, Hubert: „flüchtig“, Wien 2020 Einerseits sagt der Autor, er habe für dieses Buch seinen wirklichen Namen genommen, damit man ihn als schon sehr bekannten Sänger nicht bevorteilt. Er will sehen, ob er als Buchautor und Romanschreiber ankommen kann. Andererseits wird in der Vermarktung nie darauf vergessen, dass er Hubert von Goissern ist. Mit diesem Namen ist es eben kein Risiko für den Verlag. Es gibt drei Personen, die sich als Haupthandelnde herausstellen. Da ist einmal Maria, eine schon etwas ältere Bankangestellte, die aus ihrem ehelichen Leben ausbricht, den Job kündigt und abhaut. Ihr Mann Herwig weiß nicht wo sie ist. Er ist Mittelschullehrer und hat sie als junge Lehrerin kennengelernt. Sie ist mit seinem Auto weggefahren. Am Weg lernt sie eine junge Frau (Lisa), die ihre Tochter sein könnte kennen und fährt mit ihr zu Hippieveranstaltungen und dann – um den Sommer zu verlängern – weiter nach Griechenland. Zwar zieht sich als Rahmen die Trennungsgeschichte von Maria und Herwig durch, aber dazwischen siedelt der Autor verschiedenste Themen an, von denen man nicht klar ersieht, wie sie zur Geschichte gehören: • Da ist eine Erzählung und Erklärung über den Berg Athos. • Durch Herwig bekommt der Leser Kontakt mit einem Drogenhändler. • Warum auch eine Diskussion über Österreichs Innenpolitik und den jungen Bundeskanzler im Roman Einzug hält ist gerade nicht literarisch. • Die Neigung des Musikers Hubert von Goisern schlägt mit musikalischen Erklärungn an verschiedenen Stellen zu Buche. Am Nachhaltigsten ist sie der Person Herwig als Musiklehrer zugeschrieben. • Themen wie „Wem gehört die Welt“ wirken wie ein sich in den Roman verirrter Aufsatz. Maria und ihre junge Begleiterin landen nach Saloniki auf einer, dem Berg Athos gegenüberliegenden Insel. Die beiden Frauen trennen sich und Maria bleibt bei einem alten Fischer, mit dem sie auch ausfährt. Hier kommt eine Vorstellung des Berg Athos und eine sehr detaillierte Beschreibung der Bootsfahrt entlang der Küste, wie sie jeder Pilger erlebt. Das Buch ist eine Erzählung. Gegen Ende, mit einem Brief Marias, den sie ihrem zurückgebliebenen Mann schreibt, wird es literarisch. Ein Text mit hohem Tiefgang. Letztlich endet das Buch mit einem Happy End, das aber nicht kitschig ist. }, keywords = {Athos, Griechenland, Trennung}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{KÖHLMEIER2020, title = {Rosie und der Urgroßvater}, author = {Monika HELFER Michael KÖHLMEIER}, year = {2020}, date = {2020-06-08}, abstract = {HELFER, Monika; KÖHLMEIER, Michael: „Rosie und der Urgroßvater“, München 2013 Ein Dichterehepaar schreibt gemeinsam ein Buch. Das scheint interessant. Mit diesem Zugang habe ich es auch gelesen. Der aus Hohenems stammende Urgroßvater der kleinen Rosie wohnt in New York. Das in Amerika aufgewachsene Kind besucht ein Mal pro Woche ihren Uropa, der ihr dann Geschichten aus seiner alten Heimat Vorarlberg und der Stadt Hohenems erzählt. Das ist der Rahmen des Buches, in den dann verschiedene Geschichten gestellt wurden. Die Gesellschaft der kleinen Stadt wird erzählt, wie Juden und Christen nebeneinander wohnten und wie sie auch friedlich mitsammen auskamen. Das Dichterehepaar entführt den Leser mit den einzelnen Märchen in die Vergangenheit. Es ist kein wirkliches Kinder-Märchenbuch, aber für Erwachsene sind die Erzählungen sehr flach. Interessant wäre, wie dieses Buch entstanden ist. Wer welche Rolle beim Schreiben übernommen hat. }, keywords = {Judentum, New York, Vorarlberg}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HAUSHOFER2020, title = {Der gute Bruder Ulrich - Märchen-Trilogie}, author = {Marlen HAUSHOFER}, year = {2020}, date = {2020-06-05}, abstract = {HAUSHOFER, Marlen: „Der gute Bruder Ulrich – Märchen-Trilogie“, Innsbruck 2020 Märchen sind Erfindungen, unreale Geschichten. Auch die bekannte österreichische Schriftstellerin Haushofer übte sich darin und präsentierte diese drei Märchen. Sie sind aber irgendwie grausig. Sie zeigen das Böse. Ob dies für Kinder ist? Andererseits soll man den Kindern auch die Realität des Lebens nahe bringen. In der ersten Geschichte – „Das Waldmädchen“ – wird gezeigt, wie ein Mädchen alleine im Wald ohne Eltern und ohne Verwandte aufwächst. Nur ein verwandter Räuber besucht sie jeweils, um bei ihr zu überwintern. Im Frühjahr zieht er wieder auf seine Beutereisen aus und kommt erst im späten Herbst wieder. Um dem Mädchen Abwechslung zu bieten bringt er ihr einen zamen Wolf, der sie beschützt. Ein König findet das Mädchen bei seiner Jagd, findet es schön und nimmt es mit auf sein Schloss, wo er sie heiratet. Eine konträre Welt für die junge Frau. Der König versucht ihr alle Wünsche zu erfüllen. Erst als sie ein Kind bekommen wird sie wieder glücklich. In der zweiten Geschichte gibt eine Nixe ihre Tochter einem reichen Müller, der mit seiner Frau keine eigenen Kinder bekommen kann. Das Ehehpaar blüht mit dem Kind auf. Die Nixe aber holt sich das Kind zurück. Dieses ist aber im Wasser nicht mehr glücklich und letztlich kehrt sie wieder zu ihrer Stiefmutter, der Müllerin zurück. „Der gute Bruder Ulrich“ zeigt, wie man Unzufriedenheit nur schwer stillen kann. Eine Königsfamilie bekam kein Kind und war unglücklich. Als dann die Königin doch einen Sohn gebar war sie sehr glücklich und starb. Der Sohn kam zu einer Amme, die selbst einen Buben hatte. Ein Umsturz vertrieb das Königshaus. Der Prinz konnte aber unerkannt bei der Amme im Wald überleben. Nach Jahren kamen Reiter und suchten den Prinzen, denn die Feinde waren besiegt und der Prinz sollte die Regentschaft übernehmen. Er wurde als König nicht glücklich und versuchte immer wieder Dinge aus seiner Zeit im Wald zu holen. Er fand sich nicht schön und sein Bruder war hübsch. Er bat ihn seine Schönheit zu übergeben, was dieser tat. Auch als der Bruder eine Frau hat verlangte der junge König nach ihr. Bis hin, als ihn der Tod holen wollte bat er seinen Ziehbruder Ulrich für ihn zu sterben, was dieser auch tat. Aber auch das machte ihn nicht glücklich. Letztlich zog er als Bettler verkleidet durch die Lande und starb glücklich am Grab seines Ziehbruders. }, keywords = {Kinderlos, Märchen, Schicksale}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Brezina2020, title = {Auch das geht vorbei}, author = {Thomas Brezina}, year = {2020}, date = {2020-05-30}, abstract = {BREZINA, Thomas: „Auch das geht vorbei. Glücklich bleiben in schweren Zeiten“, Wien 2020 Die Corona-Krise hat nicht nur körperliche Gesundheitsauswirkungen, sondern bei vielen Menschen leidet auch die Seele und die Psyche. Der Autor Thomas Brezina ist bekannt als „Schnellschreiber“ in Sachen Ratschlägen zu Sorgen und Angst. So reagierte er auch auf die Corona-Krise, schrieb in drei Tagen ein Buch dazu und verschenkte es letztlich als eBook. Ich denke, es wird auch nach vielen Jahren noch eine gute Dokumentation sein und aufzeigen welche Sorgen manche Menschen hatten. Brezina rät die Situation zu akzeptieren. Jammern und Bedauern kostet nur Energie, die man vielleicht besser für das Immunsystem einsetzt. „Es ist wie es ist“. So solle man sich eine „Nachrichten-Diät“ verordnen. Nicht alle Meldungen ansehen und sich von den Medien in Panik versetzen lassen. Als Beispiel bringt er eine 102jährige Freundin, die ein schweres Leben hinter sich hat, aber auch in dieser Situation positiv denkt. Sie erinnert mich an zwei Freunde von mir. Sie sind zwar noch nicht über 100, aber doch älter als ich – über 90 und über 80. Sie wirken aber wie 40-jährige. Voll Elan. Immer positiv. Immer nach vorne, in die Zukunft schauend. Der eine leitete eine Musikorganisation und organisiert Konzerte und Festivals und der andere leitet sein selbst aufgebautes Firmenimperium und ist daneben ein Forscher, Maler und Philosoph aktiv. Beide immer positiv und aktiv. Meine Vorbilder und geistigen Helfer. Beim Lesen dieses Buches wünschte ich mir, dass die beiden auch über 100 Jahre alt werden. Ein sehr egoistischer Wunsch, weil sie mir als Vorbilder erhalten bleiben. Zurück zu Brezina: Er empfiehlt auch in einer Pandemie, wie es derzeit Corona ist, so oft als möglich zu lächeln. Positive Menschen sind beliebter. Lachenden Menschen begegnet man gerne. Daher: Lächeln, auch wenn es einem nicht danach ist. Es ist ein kleiner Ratgeber in schwierigen Zeiten und so hat er auch Tipps wie diesen: Hinter jeden Buchstaben unseres Alphabets eine positiv erlebte Freude schreiben. Zur Angst meint er: Jeder hat Angst. Man macht sie kleiner, wenn man sie definiert. Etwa: Wovor fürchte ich mich. Im Zuge der COVID19 Pandemie „vor dem Verlust des Jobs“ oder „Vor der Krankheit“. Es wird auf die Probleme der Situation zu Hause während des Shutdowns eingegangen. Dass man die Tage auflockern muss. Humor hilft dem Jammern und der Verzweiflung zu begegnen. Vier Worte sollen alles leichter machen: Auch das geht vorbei. So auch der Buchtitel. }, keywords = {Krise, Tipps}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{ROHR2020, title = {Reifes Leben. Eine spirituelle Reise}, author = {Richard ROHR}, year = {2020}, date = {2020-05-29}, abstract = {ROHR, Richard: „Reifes Leben. Eine spirituelle Reise“, Freiburg im Breisgau 2012 Ein Franziskaner erklärt den Übergang von der ersten Hälfte des Lebens zur zweiten. Viele Weisheiten werden hier ausgedrückt. So meint er etwa „Wir reifen viel mehr …, wenn wir Fehler machen, als wenn wir alles richtig machen.“ (Seite 25) Er meint sogar, dass „Vollkommenheit der größte Feind“ sei. Ein erfolgreiches Unternehmen braucht einen „bösen“ und einen „guten“ Chef. Der eine gebe den Angestellten Sicherheit und der andere sage die harte Wahrheit. Es braucht im Leben Gesetze. Um uns aber weiterzuentwickeln müssen wir uns auch gegen Gesetze auflehnen. Er hält wenig von Formeln, Techniken und Ritualen. Dies sei nur das Gefäß, aber nicht der Content. Rohr teilt das menschliche Leben in zwei Hälften. In der ersten gehe es hauptsächlich um Sicherheit, Abgrenzung und Erfolg. Er nennt dies das Gefäß, das man für den zweiten Teil des Lebens aufbaut. Im 2. Lebensabschnitt kann man sich mehr erlauben und Abneigungen gegen Gesetze und Autoritäten aufbauen. Leichtigkeit und Gelassenheit zeichnet diese Generation aus – oder könnte sie auszeichnen. Nicht alle Älteren werden wirklich Ältere. „In diesem Stadium muss ich niemandem mehr beweisen, dass ich der Größte bin, dass meine Gruppe besser ist, dass mein Volk überlegen ist …“ (Seite 163) Regeln übertreten kann man sich im ersten Lebensabschnitt nicht so leicht leisten. Auch Fehler und Rückschläge sind wichtig, um wieder hoch zu kommen und auch diese Erfahrungen sind im zweiten Lebensabschnitt leichter verkraftbar. Das „Kommen“ und „Gehen“ ist in der Natur ein selbstverständlicher Vorgang. Bäume verlieren Blätter und produzieren wieder neue …Liebe und Tod sind auch in der Literatur die wichtigsten Themen. Hat man die erste Hälfte erfolgreich abgehandelt, so braucht man in der zweiten Hälfte nicht nach Erfolg gieren und um Aufmerksamkeit betteln. Das müsse man dann hinter sich haben. Man muss Nichts mehr schützen und verteidigen. „Wir werden mit einem inneren Drang oder Bedürfnis geboren, nach unserem wahren Selbst zu suchen – ob uns das bewusst ist oder nicht.“ (Seite 134) Im fortgeschrittenen Alter ist es leichter dem zu folgen als in jungen Jahren. Als moderner Christ wendet er das auch auf seine eigene Religion an und meint „Nur das wahre Selbst weiß, dass der Himmel schon jetzt da ist und sein Verlust die Hölle bedeutet – jetzt.“ (Seite 142) Der Autor meint auch, dass ohne Ältere die Gesellschaft sozial zugrunde gehen würde. Die Verleugnung des Todes hält aber die Welt am Laufen. Aber die Älteren sind auch noch knapp vor ihrem Tod sehr realistisch. Im englischen heißt das Buch auch „Falling Upward“ – also hinauffallen. }, keywords = {spirituell, Zweite Lebenshälfte}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HANDKE2020b, title = {Die Obstdiebin oder einfache Fahrt ins Landesinnere}, author = {Peter HANDKE}, year = {2020}, date = {2020-05-24}, abstract = {HANDKE, Peter: „Die Obstdiebin oder einfache Fahrt ins Landesinnere“, Berlin 2019 Die Handlung bezieht sich auf eine Reise im Umfeld von Paris. Die erzählende Person – der Autor selbst – verlässt sein Haus im Süden von Paris und fährt in eine nördliche Provinz. Detailgenau erzählt er seine Eindrücke. Als würde er mit einer ProCom Kamera reisen. Nur zeichnet er nicht ein Video auf, sondern erzählt und beschreibt das Gesehene. Bei seinen Beobachtungen werden in Personen Dinge hineininterpretiert, so als würde er sie alle kennen. „Eine Frau schlug ihren Hund, den Ersatz für den anderen, welcher, wegen Krebs oder Altersschwäche vor kurzem eingeschläfert worden war.“(Seite202) Zuerst geht er zu Fuß. Dann fährt er mit dem Zug ins Zentrum von Paris und weiter hinaus aufs Land. Irgendwann auf der Reise nimmt der Autor einen Tausch der Proponenten vor. Zuerst erzählt er selbst und nimmt nur Bezug auf die Obstdiebin. Beschreibt sie. Führt sie für den weiteren Teil des Buches ein, denn dann übernimmt sie die Erzählfunktion. Sie geht ein Stück mit einem Pizzaverkäufer. Alles – so scheint es in der Erzählung – ist dem Zufall überlassen. Wann es wo etwas zu essen gibt und wo sie eine Unterkunft finden. Drei Tage dauert die Wanderung, deren Ziel ein Familientreffen ist. In der Stadt, in der der jüngere Bruder arbeitet, treffen sie zusammen: Vater, Mutter, Bruder und sie, die Obstdiebin. Bei einem mittelmäßigen Dichter wäre es ein Reisetagebuch einer dreitägigen Wanderung durch die Provinz nördlich von Paris geworden. Bei Handke ist es ein literarisches Meisterwerk. Er sagt etwa nicht „Es sollte nicht dunkel, nicht Nacht werden“ sondern „Die Schwalben sollten den Fledermäusen nicht Platz machen.“ (Seite 550). Auf den 559 Seiten passieren wenige Handlungen, aber das Erzählerische, die Formulierungen sind Weltklasse. Ein verdienter Nobelpreisträger. Es ist wert ihn zu lesen. }, keywords = {Frankreich, Paris, Wanderreise}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{McCARTHY2020, title = {Der Zauberkreis}, author = {Mary McCARTHY}, year = {2020}, date = {2020-05-12}, abstract = {McCARTHY, Mary: „Der Zauberkreis“, Wien 1954 Der Schauplatz dieses Romans ist ein kleiner Ort – New Leeds – an der Ostküste Amerikas. Hier leben Leute, die sich aus der Hektik der Großstädte New York oder Boston aufs Land zurückgezogen haben. Oft hoch gebildete Menschen, die dann einfachen Arbeiten nachgingen oder von ihren Rücklagen lebten. Im Buch hat man den Eindruck, dass alle Menschen ohne Arbeit leben. Ein „Bienenstock von Untätigkeit“ heißt es auf Seite 155. Viele sind Alkoholiker und Hobby-Künstler. Der Autor stellt seinem Leser aber ausgefallene Persönlichkeiten vor. Die Hauptpersonen sind mehrere Ehepaare, die aus verschiedenen Gründen zusammentreffen, Darunter auch geschiedene, die in Gesellschaften wieder ihre getrennten Partner treffen. Dies wird im Roman psychologisch aufgearbeitet. Etwas wie es Martha, die geschieden ist und mit einem netten Mann zusammenwohnt geht, wenn sie ihren getrennten Ehemann trifft. Nach einer Party, bei der sie alleine war und zu viel getrunken hatte bringt sie der Ex-Mann nach Hause und es kommt zu einem Geschlechtsverkehr. Sie wird schwanger und ist sich nicht im Klaren, ob das Kind vom jetzigen Mann ist oder vom Ex-Mann. Verzweifelt sucht sie nach einer Abtreibung. Ein Freund hilft ihr mit Geld und Abtreibungsadresse. Nach Übernahme des Geldes ist sie fröhlich und zuversichtlich alles mit der geplanten Abtreibung wieder ins Lot zu bringen. Auf der Heimfahrt kommt es zu einem Verkehrsunfall und sie stirbt. Sie stirbt mit dem Kind im Bauch. Erst in den letzten 100 Seiten nahm der Roman „Fahrt auf“ und wurde abwechslungsreicher und interessanter. Action kam in die Langatmigkeit des Schreibers. Es ist eine sehr langarmige und detailgenaue Erzählung, die wenig an Spannung besitzt. }, keywords = {Abtreibung, Beziehungen, Liebesaffairen}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SCHLATTNER2020, title = {Mein Nachbar, der König. Verlassene Geschichten}, author = {Eginald SCHLATTNER}, editor = {Michaela Nowotnick}, year = {2020}, date = {2020-05-02}, abstract = {SCHLATTNER, Eginald: „Mein Nachbar, der König. Verlassene Geschichten“, herausgegeben von Michaela Nowotnick, Hermannstadt Bonn 2012 Schlatter ist ein anerkannter Schriftsteller der siebenbürgisch sächsischen Minderheit in Rumänien. Die Herausgeberin des vorliegenden Buches hat ihre Doktorarbeit über Schlattner geschrieben. Im Zuge dieser Arbeiten stieß sie auf einen Koffer mit alten Manuskripten, die teilweise von den Mäusen angefressen waren. Diese Geschichten publizierte sie. Sechs Erzählungen, zu denen sie im zweiten Teil des Buches Erklärungen des Entstehens abgibt. In der ersten Geschichte „Gefährte Rebhuhn“ nimmt Schlattner Bezug auf die Verhältnisse im Ceausescu System. Geschildert an Hand eines Vermessungsbüros, in dem er selbst als Student in den Ferien gearbeitet hat. Hier wird der politische Einfluss aufgezeigt. In der zweiten Erzählung „Gediegenes Erz“ zeigt er, wie die Sudentendeutschen unterdrückt sind und der Proponent – ebenfalls ein Student – seine Altersgenossen dazu aneifert wieder selbstbewusster aufzutreten. Sie organsierten sich wieder in ihren alten Erinnerungen. Eine Musikkapelle, eine Tanzgruppe und andere Organisationen entstehen, in denen sie auf ihre Gesellschaft hinweisen. In der Geschichte kommt es zu einem Fest, an dem auch Rumänen teilnehmen und die Sachsen mit Hochachtung sehen. Diese Geschichte wurde seinerzeit verboten. Schlattner saß im Gefängnis. Das Apfelbett ist eine lustige Geschichte. Ein junger Pfarrer wird mit seiner Frau in ein Dorf versetzt. Er will sehr sachlich und fromm auftreten. Seiner Frau gefällt das Konservative nicht und es kommt am Jahrmarkt zu einem Eklat. Der junge Pfarrer wird blamiert. Sie droht zur Mutter zurückzugehen. In der Nacht findet er seine junge Frau in einem Apfelregal im Keller schlafend und bringt sie zu Bett. Seine böse Predigt gegen die Frau wirft er in den Papierkorb und bereitet eine konservative vor. Dann zwei kleine Geschichten. „Jemand steht im Weg“: auf einer Wanderung im Winter trifft er auf ein weinendes Mädchen und bemüht sich um sie. „Eine Zigarette“ ist die Erzählung einer unbeantworteten Liebe. Der Verliebte irrt durch die Nacht. Eine Zigarette gibt ihm Trost. Die letzte Geschichte gab dem Buch den Namen „Mein Nachbar, der König“. Sie entstand nach der politischen Wende in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts und handelt nicht in Rumänien, sondern in Badgastein in Österreich. Ein rumänischer Bischof mit Anhang machte Urlaub in einem Hotel. Da kam es zu einem Zusammentreffen mit einer Frau aus der Schweiz, vom Genfersee. Ihr Nachbar ist der ehemalige König von Rumänien und sie erzählt den drei Rumänen wie er lebt. Diese Erzählung gibt dem Buch nicht nur den Namen, sie ist auch die beste. Alle 6 Geschichten geben Einblick in die Lebensweise der Minderheit der Schlesier in Rumänien. }, keywords = {Kurzgeschichten, Rumänien, Schlesier}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Pluhar2020, title = {Marisa. Geschichte einer Freundschaft}, author = {Erika Pluhar}, year = {2020}, date = {2020-04-27}, publisher = {insel verlag}, abstract = {PLUHAR, Erika: „Marisa. Geschichte einer Freundschaft“, Berlin 2017 Eine Biografie über die Schauspielerin Marisa Mell. Sie war eine Studienkollegin am Rainhard Seminar in Wien von Erika Pluhar. Die beiden waren ihr ganzes Leben – mit Abständen – verbunden. Einerseits war es nach dem Tod von Marisa ein Anliegen von Erika Pluhar eine Biografie zu schreiben, andererseits ist es sicher schwierig über jemanden, zu dem man eine freundschaftliche und innige Beziehung hat, zu schreiben. Aber auch da kommt für den Leser mehr Emotion durch als von einer sachlichen Abhandlung. Manchmal hat man als Leser auch das Gefühl, Pluhar schreibt angetrieben von schlechtem Gewissen und dass sie viele Dinge für ihre Freundin nicht gemacht hat. Die Autorin der Biografie und Marisa waren zwar Studienkolleginnen und Freundinnen, aber doch verschieden. Die eine, eine erfolgreiche Theaterschauspielerin und Autorin und die andere hatte ihre Stärke im Film. Jede machte Karriere und trotzdem kreuzten sich ihre Wege immer wieder. Erika Pluhar beschreibt des Leben Marisa Mells an Hand von persönlichen Begebenheiten. Bausteine, die das Leben ergeben. Sie scheut aber auch nicht davor zurück manche Dinge kritisch zu sehen. Marisa Mell ist verarmt gestorben. Pluhar war eine der wenigen Personen, die sich um die verarmte, leidende und sterbende Frau gekümmert hat. Sie hat – und das spürt man beim Lesen – selbst gelitten und ist ein Stück des Sterbens mitgegangen. Ein großer Teil des Buches handelt vom Sterbeprozess. Für mich persönlich war es auch ein Erinnern an meinen Freund, der im Buch E. genannt wird und Lebensgefährte Pluhars war. Ich habe mit ihm studiert und auch ein Buch mit ihm herausgegeben. Leider ist er zu früh in seinem späteren Wohnort Venedig gestorben. In diesem Buch stand er für mich wieder auf. }, keywords = {Biografie, Marisa Mell, Schauspielerin, Sterben}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{CAMUS2020, title = {Die Pest}, author = {Albert CAMUS}, year = {2020}, date = {2020-04-19}, abstract = {CAMUS, Albert: „Die Pest“, Hamburg 2020 Mit der COVID19 Pandemie erlebt dieser Roman wieder neues Leben. Viele Leute – so auch ich – lesen und hören es und ziehen Rückschlüsse auf die aktuelle Situation. Der Roman spielt in der algerischen Stadt Oran. Es ist die Heimatstadt der Frau des Dichters, weshalb er sie sehr genau beschreiben kann. Auch hat er selbst einige Zeit dort gearbeitet. Die Geschichte beginnt mit einem Rattensterben, das dann im zweiten Schritt auf den Menschen übergreift und die Einwohnerzahl der Stadt täglich reduziert. Camus verwendet den Arzt Dr. Bernard Rieux, der auch die Hauptfigur ist, als den Erzähler. An Hand eines Dutzends von Personen wird der Verlauf dieser Epidemie sehr anschaulich und direkt erzählt. Der Zugang der Kirche wird durch einen Pater dargestellt und jener der Juristen durch einen Richter. Den medizinischen Sektor deckt der erzählende Arzt selbst ab und die Verwaltung spiegelt der Gouverneur wider. Der Roman ist wie ein Drama in 5 Kapitel (Akte) gegliedert. Ich setze Akte in Klammer, weil es den Roman auch als Theaterstück gibt. Der Verlauf der Seuche geht von April (Frühling) bis Jänner (Winter). Im ersten Kapitel sterben die Ratten und die Pest bricht aus. Das zweite Kapitel spielt im Sommer und die Pest wird intensiver. Die Seuche erreicht im Spätsommer – beschrieben im dritten Kapitel – ihren Höhepunkt. Im Herbst, als es kühler wird – 4. Kapitel – sterben weiter Menschen. Ein Serum wurde gefunden und ein die Erkrankungs- und Sterberaten gehen zurück. Im letzten, dem 5. Kapitel, endet die Pest. Die im April begonnene Seuche endete im Jänner des Folgejahres. Die Frage, ob die Pest die Menschen der Stadt verändert haben wird, wird aufgeworfen. Es entsteht ein Dialog zwischen „ja“ und „nein“. Ob sie im Leben der Menschen Spuren hinterlassen wird bleibt offen. Der Roman selbst hat noch einen negativen Nachlauf: auf der einen Seite feiern die Einwohner schon das Ende auf den Straßen und andererseits verliert Dr. Rieux zwei Freunde. Einer stirbt noch als einer der letzten Pestkranken. Sein Hinübergehen wird sehr detailliert beschrieben. Ein anderer wird verrückt und schisst auf die feiernden Menschen. Und letztlich verliert er auch seine eigene Frau, die sich in einer Klinik außerhalb der Stadt befindet. Das Leben der Stadt beginnt aber wieder. Züge und Schiffe fahren wieder aus der Enklave hinaus und kommen herein. Menschen, die Monatelang getrennt waren finden wieder zusammen. Als Zeichen des Endes kommen auch die Ratten wieder hervor. Für manche Menschen kam das Ende der Pest zu schnell. }, keywords = {Epidemie, Pest, Seuche}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HENNING2020, title = {Die Tüchtigen}, author = {Peter HENNING}, year = {2020}, date = {2020-04-15}, abstract = {HENNING, Peter: „Die Tüchtigen“, München 2019 Auf Grund einer Verwechslung habe ich diesen Roman gekauft. Erst beim Lesen kam ich dahinter, dass dies nicht „mein“ Dichter ist. Eine einfache Allerweltgeschichte einer oberen Gesellschaftsschicht breitete sich mir aus. Als Nachkriegskind habe ich gelernt alles, was auf den Teller kommt aufzuessen. So habe ich eben auch diesen 670 Seiten starken Roman fertiggelesen und meine Corona-Quarantänezeit vertrieben. Vom Thema ist es aber nicht die richtige Literatur für eine verordnete Abgeschiedenheit. 4 Ehepaare feiern in einem holländischen, am Meer gelegenen Nobelhotel, den 50. Geburtstag einer Frau – Katherina - aus der Runde. Acht Personen sind vier Tage beisammen und lernen sich näher kennen, obwohl sie sich vorher schon Freunde genannt haben, merken sie, wie fremd sie sich sind. Das Buch ist in 5 Kapitel gegliedert. Eines ist jedem der Geburtstagstage gewidmet und das letzte – „Vier Tage später“- zeigt die Situation danach. Die einzelnen Kapitel sind in Unterbereiche gegliedert, in denen Tagebuchartig die einzelnen Probanden die jeweilige Situation widergeben. Bereit bei der Anreise – alle kommen aus Deutschland – werden sie dem Leser vorgestellt. Man lernt verschiedene Menschen kennen. Alle aus einer oberen Mittelschicht. Reiche Leute. Neureich. Viele von ihnen keine Intellektuellen. Reich gewordene Geschäftsleute, die dies auch durch riesige und schnelle Autos zeigen. Da ist Tom der Wertpapierhändler, der während des Hollandaufenthalts knapp einer Pleite entrinnt. Marc, der mit seiner Freundin kam und der – die Ringe bereits im Hosensack – während dieses Aufenthalts sich verloben will. Letztlich geht aber alles in Brüche und er stirbt bei einem Autounfall. Robert, der Mann des Geburt6stagskinds ist Pilot und Frauenheld. Normal erscheint nur das Ehepaar Feline, einer Lehrerin und Stefan, einem nervenkranken selbstständigen Toningenieur. Die Frau ist die starke und betreut ihren Mann Stefan wie ein „Riesenbaby“. Die Beiden halten noch die traditionelle Ehe und Treue hoch, obwohl im Zuge des Buches ein Seitensprung von Feline publik wird. In den vier Tagen finden laufend Beleidigungen und Streits statt. Zu guter Letzt kommt es am vorletzten Tag bei einem Bootsausflug fast zu einem Schiffsunglück, das alle sehr verändert hat. Es wird gestritten, obwohl man ja bei einer Geburtstagsfeier ist. Die doch schon älteren Paare versuchen es auch mit Drogen, die in Holland frei käuflich sind. Aber auch das bringt nur Negatives hervor. Dem Geburtstagskind ging es so, als sei sie am falschen Ort zur falschen Zeit: „Sie hatte plötzlich das Gefühl gehabt, in einem dieser sozialkritischen schwedischen Filme gelandet zu sein, in dem eine Gruppe von Leuten, die eigentlich vorhat, gemeinsam zu feiern, sich Zug um Zug als ein Haufen gestörter Psychofreaks erweist.“ (Seite 239) Wie erwähnt, im letzten Kapitel kommt jede der acht (sieben) Romanfiguren wieder zu Wort und schildern wie ihr Leben nach diesem Geburtstagswochenende aussieht. Diesen „Reigen“ beginnt Ann, die sich immer um ihren Vater sorgte. Während ihrer Abwesenheit verletzte er sich und kam ins Krankenhaus. Jetzt betreut sie ihn, den alten Mann, der sich indirekt auf sein Lebensende vorbereitet. „Ihr Vater wirkte auf sie wie jemand, dessen Leben zwar weiterlief, in dem die Zeit aber zum Stillstand gekommen war. Die Unterscheidung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft war zusammengebrochen, er war buchstäblich aus der Zeit gefallen.“ (Seite 633) Robert, dem Mann von Katherina ergeht es mit dem Vater anders: er hasst ihn. Selbst bei dem Versuch mit ihm gemeinsam seine Vorfahren in Schottland auszuforschen zerstreitet er sich und lässt seinen alten Herrn alleine fliegen. Er zieht es vor die drei geplanten Tage mit dem Vater lieber mit einer Geliebten zu verbringen. Die Ehefrau bereitet aber – ohne dass er es weiß – die Scheidung vor. Sie selbst hat drei Erfolgsbücher am Markt und der Verleger wartet auf das nächste Manuskript. Sie hat aber eine Schreibhemmung. Erst als sie die vergangenen Tage anlässlich ihres Geburtstags überdenkt sieht sie den Stoff für ein neues Buch und nennt es – so wie der Titel des vorliegenden „Die Tüchtigen“. Der Roman enthält viele Fakten und Emotionen. Aber alles im allem blieb es für mich trivial Literatur. Der Autor lässt die Qualität seines Buches der Hauptfigur des Romans, der Schriftstellerin Katherina, auf Seite 194 selbst definieren: „Sie schrieb etwas, das sowohl etwas von der „hohen“ Literatur hatte als auch vom anderen, von den Kritikern ungeliebten großen Bruder, der Unterhaltung.“ }, keywords = {Ehepaare, Geburtstagsfeier, Streit}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{NEUMANN2020, title = {Über allem und nichts}, author = {Gunther NEUMANN}, year = {2020}, date = {2020-04-03}, abstract = {NEUMANN, Günther: „Über allem und nichts“, Salzburg Wien 2020 Eine junge Pilotin erzählt aus ihrem Leben. Wie sie als Kind eine Einzelgängerin war, sich an die Sommerferien bei der Großmutter am bayrischen See erinnert. Sie studierte Naturwissenschaften. Wohnte mit einem Freund aus der Mittelschule zusammen. Später dann ihre Karriere von der Flugbegleiterin über die Copilotin zur Flugkapitänin. Ein typisch männlicher Beruf, in dem sie sich behaupten musste. Das private Leben blieb zurück. Freundschaften waren bei diesem Beruf schwierig. Der Dienst bei einer europäischen Billig-Airline verlangt von ihren Mitarbeitern das letzte. Auch Clara verausgabt sich und vernachlässigt ihr privates Leben. Viele Seiten des Buches nimmt das Herauskehren ihres Seelenlebens in Anspruch. Eine Frau, die nicht weiß welchen Mann sie vertrauen, lieben soll. Die nur eines im Sinn hat: Karriere als Pilotin großer Flugzeuge. Der innere Zwist frisst an ihr, verunsichert und destabilisiert sie. Sie hat Angst, dass ihre innere Unausgeglichenheit sichtbar wird und dabei ihre Karriere negativ beeinflussen könnte. Sogar vor den Maschinen und Computern fürchtet sie sich. „Wann wird es soweit sein, dass eine verpflichtende App das unterdrückte Zittern deiner Stimme und Mikrosensoren deinen biometrischen Status online an ein Kontrollzentrum weiterleiten? Dann bist du ein Datenpaket, ein Algorithmus wird mehr über dich wissen als du selbst; du wirst dich in einer Datenwolke auflösen, wirst ersetzt werden, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert, die Maschine wird dich nicht mehr brauchen und selbst fliegen, vielleicht verlässlicher als ein verrückter Copilot, der den Flieger in einen Berg crasht. Aber du bist ja jetzt schon eine Maschinenfrau, denkt sie im Cockpit, lacht noch fahrig, du siehst nicht einmal mehr die Wolkengebilde draußen, denkt sie, bevor ihr entfleischtes Ich im Taumel der aerodynamischen Gaukelei letzte Reste von Körperempfinden verliert.“ (Seite 123) Alles kam bei dieser Frau durcheinander. Nicht nur seelisch, auch körperlich. „Auf jeden Fall hatte sie keine tiefen Eindrücke mehr außer Bauchschmerzen, Hunger, Tag, Nacht, innere Uhr, Raster aus Rhythmen, ihr Stoffwechsel war durcheinander. Auf drei Tage Verstopfung folgte in Santo Domingo Durchfall …“ (Seite 118) Sie war nirgends zu Hause. Immer unterwegs. „Sie war unterwegs und kam nicht vom Fleck.“ (Seite 116) Bei ihren schlaflosen Nächsten denkt sie nach und erzählt dem Leser auch von ihren Großeltern. Der Großmutter die noch an das Deutsche Reich glaubte. Natürlich kommt auch der berühmte Pilot Saint-Exupéry zu Wort: „Liebe sei nicht, einander anzustarren, sondern in die gleiche Richtung zu schauen.“ (Seite 84) Das Problem ihrer Liebesprobleme liegt auch an ihrer technischen Ausrichtung „Zwischen Null und Eins war kein Platz für Gefühlsduselei. Sorgen galten den Turbinengeräuschen, nicht ihr.“ (Seite 20) Sie schaffte es letztlich Kapitänin zu werden. Doch dieser Höhenflug dauerte nicht lange: die Flugfirma ging pleite und sie verlor den Job. Jetzt stürzte sie noch tiefer. Schlaftabletten waren zu schwach um Schlaf zu bieten. Erst als sie sich entschied auf ein Ehe- oder Familienleben zu verzichten und sich dem Beruf des Fliegens zu widmen nahm sie einen Job in Tansania an und sie war seelisch geheilt. Stilistisch ist das Buch in kurzen Sätzen, manchmal nur Stichwörtern geschrieben. Ein Stil, der viel Information in wenig Worten vermittelt. Letztlich lässt sich der Inhalt aber mit zwei Sachbegriffen zusammenfassen: Flugzeugtechnik und Psyche. }, keywords = {Airline, Kapitänin, Liebesaffairen}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Irving2020, title = {Laßt die Bären los!}, author = {John Irving}, year = {2020}, date = {2020-03-28}, abstract = {IRVING, John: „Laßt die Bären los!“, Zürich 1987 Der Autor verbrachte 1962/1963, zwei Semester in Wien, wo er die Idee zu diesem Buch, seinem ersten Roman hatte. Den Hintergrund dazu verschaffte er sich durch viele Besuche im Tiergarten Schönbrunn und Cafés. Daneben fuhr er viel mit dem Motorrad. Auf diesen persönlichen Erfahrungen baut das vorliegende Buch auf. Der erste Teil des Buches handelt in den 60er Jahren in Wien. Zwei Studenten – einer war bei einer Prüfung durchgefallen – machen sich mit einem Motorrad auf den Weg nach Westen. Mit wenig Geld schlagen sie sich durch. Fischen und grillen die Beute. Stehlen und machen allerhand Unfug. Letztlich bekommen sie in Waidhofen an der Ybbs, wo sie in einem Hotel wohnen Probleme mit der Polizei. Einer von ihnen muss flüchten und fährt mit dem Motorrad nach Wien zurück. Der andere wird zur Zwangsarbeit – dem Transportieren von Bienenstöcken – verpflichtet. Der Freund aus Wien kommt zurück. Die Flucht wird aber zum Verhängnis. Im zweiten Teil – genannt Notizbuch – werden zwei Erzählungen ineinander verschachtelt. Einerseits plant der Motorradfahrende Kumpel die Freilassung von Tieren des Tiergartens Schönbrunn und andererseits erzählt er von seinem Vater, der aus dem ehemaligen Jugoslawien stammt und sich durch die Kriegsjahre mit verschiedensten Personalien durchschlug und letztlich im zerbombten Wien in einer leerstehenden Wohnung landete. Die Wohnungseigentümer kamen zurück und er wird mit der Tochter verheiratet. Das gemeinsame Produkt: der 1946 geborene Protagonist des Buches. Im Tiergarten verbringt er eine Nacht und fährt dann zurück zu seinem Freund nach Waidhofen, wo er auch sein – im ersten Teil beschriebenes – Lebensende findet. Dieser Teil verschachtelt die Kriegs- und Nachkriegszeit und die „Jetztzeit“ der 60er-Jahre dieser Erzählung. Irgendwie kommen die beiden Zeiten auch zusammen. Im dritten Teil des Buches erzählt sein überlebender Freund das Finale. Wie er nach dem Unfall gesund gepflegt wird und dann mit dem Zimmermädchen flieht. Sie hat das Motorrad sichergestellt und auch das Fahren der Maschine erlernt. Gemeinsam fahren sie quer durchs Land und wohnen im Freien. Ernähren sich von gefangenen Fischen. Als das Geld ausgeht fahren sie nach Wien. Sie verkauft einem Frisör ihren langen Haarzopf und sie sind wieder liquid. Sie fahren aber nicht ans Meer nach Italien – wo er hinwollte – und nicht in die Stadt hinein um einen Job zu suchen und ein gemeinsames Leben zu beginnen – wie sie es wollte -, sondern machen den Plan des verstorbenen Freundes zur Realität. Sie dringen in den Zoo ein, rächen sich an dem Nachtwächter und lassen viele Tiere frei. Es entstand ein unbeschreiblicher Aufstand, der dramatischer nicht beschrieben werden könnte, als es John Irving tut. Die weitere Zukunft des Pärchens, das getrennte Wege geht bleibt offen. Auch ein Happyend könnte möglich sein, wird aber nicht ausgedrückt. Es ist ein großartiger Roman, der in die Zeit des Zweiten Weltkriegs, die Nachkriegsjahre und die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts führt und einen Teil Österreichs beschreibt. Das Buch ist aber auch eine Art Geschichtsbuch. Interessant nur, dass wir Österreicher uns unsere eigene Geschichte aus dem Krieg und nach dem Krieg von einem Amerikaner – dem Dichter John Irving -, der als Student nur zwei Semester in Wien war - erklären lassen. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{IRVING2020b, title = {Laßt die Bären los}, author = {John IRVING}, year = {2020}, date = {2020-03-28}, abstract = {IRVING, John: „Laßt die Bären los!“, Zürich 1987 Der Autor verbrachte 1962/1963, zwei Semester in Wien, wo er die Idee zu diesem Buch, seinem ersten Roman hatte. Den Hintergrund dazu verschaffte er sich durch viele Besuche im Tiergarten Schönbrunn und Cafés. Daneben fuhr er viel mit dem Motorrad. Auf diesen persönlichen Erfahrungen baut das vorliegende Buch auf. Der erste Teil des Buches handelt in den 60er Jahren in Wien. Zwei Studenten – einer war bei einer Prüfung durchgefallen – machen sich mit einem Motorrad auf den Weg nach Westen. Mit wenig Geld schlagen sie sich durch. Fischen und grillen die Beute. Stehlen und machen allerhand Unfug. Letztlich bekommen sie in Waidhofen an der Ybbs, wo sie in einem Hotel wohnen Probleme mit der Polizei. Einer von ihnen muss flüchten und fährt mit dem Motorrad nach Wien zurück. Der andere wird zur Zwangsarbeit – dem Transportieren von Bienenstöcken – verpflichtet. Der Freund aus Wien kommt zurück. Die Flucht wird aber zum Verhängnis. Im zweiten Teil – genannt Notizbuch – werden zwei Erzählungen ineinander verschachtelt. Einerseits plant der Motorradfahrende Kumpel die Freilassung von Tieren des Tiergartens Schönbrunn und andererseits erzählt er von seinem Vater, der aus dem ehemaligen Jugoslawien stammt und sich durch die Kriegsjahre mit verschiedensten Personalien durchschlug und letztlich im zerbombten Wien in einer leerstehenden Wohnung landete. Die Wohnungseigentümer kamen zurück und er wird mit der Tochter verheiratet. Das gemeinsame Produkt: der 1946 geborene Protagonist des Buches. Im Tiergarten verbringt er eine Nacht und fährt dann zurück zu seinem Freund nach Waidhofen, wo er auch sein – im ersten Teil beschriebenes – Lebensende findet. Dieser Teil verschachtelt die Kriegs- und Nachkriegszeit und die „Jetztzeit“ der 60er-Jahre dieser Erzählung. Irgendwie kommen die beiden Zeiten auch zusammen. Im dritten Teil des Buches erzählt sein überlebender Freund das Finale. Wie er nach dem Unfall gesund gepflegt wird und dann mit dem Zimmermädchen flieht. Sie hat das Motorrad sichergestellt und auch das Fahren der Maschine erlernt. Gemeinsam fahren sie quer durchs Land und wohnen im Freien. Ernähren sich von gefangenen Fischen. Als das Geld ausgeht fahren sie nach Wien. Sie verkauft einem Frisör ihren langen Haarzopf und sie sind wieder liquid. Sie fahren aber nicht ans Meer nach Italien – wo er hinwollte – und nicht in die Stadt hinein um einen Job zu suchen und ein gemeinsames Leben zu beginnen – wie sie es wollte -, sondern machen den Plan des verstorbenen Freundes zur Realität. Sie dringen in den Zoo ein, rächen sich an dem Nachtwächter und lassen viele Tiere frei. Es entstand ein unbeschreiblicher Aufstand, der dramatischer nicht beschrieben werden könnte, als es John Irving tut. Die weitere Zukunft des Pärchens, das getrennte Wege geht bleibt offen. Auch ein Happyend könnte möglich sein, wird aber nicht ausgedrückt. Es ist ein großartiger Roman, der in die Zeit des Zweiten Weltkriegs, die Nachkriegsjahre und die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts führt und einen Teil Österreichs beschreibt. Das Buch ist aber auch eine Art Geschichtsbuch. Interessant nur, dass wir Österreicher uns unsere eigene Geschichte aus dem Krieg und nach dem Krieg von einem Amerikaner – dem Dichter John Irving -, der als Student nur zwei Semester in Wien war - erklären lassen. }, keywords = {Jugoslawien, Österreich, Tiergrten Schönbrunn, Wien, Zweiter Weltkrieg}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{WOLF2020, title = {König im Tal der Könige}, author = {Viktoria WOLF}, year = {2020}, date = {2020-03-20}, abstract = {WOLF, Viktoria: „König im Tal der Könige“, Frankfurt 1954 In der Quarantäne während des Corona Virus lese ich auch Bücher, die schon lange ungelesen im Regal stehen. Dieses hatte eine besondere Bedeutung, gehörte es doch – so sagt es die Inschrift am ersten Deckblatt – der schon lange verstorbenen Mutter meines Bruders. Die Autorin – eine geborene Deutsche mit jüdischen Eltern – emigrierte und wurde zur Amerikanerin. Auch ihr Name änderte sich durch zwei Eheschließungen. Zuerst hieß sie Wolf und in der zweiten Ehe Wolff. Ihr zweiter Mann meinte, sie könne sich nicht mehr neuvermählen, denn einen Wolf mit drei f gäbe es nicht. Das vorliegende Buch entführt nach Ägypten in die Zeit zu Beginn des Zweiten Weltkriegs. Eine junge Frau – si ist aus Russland über Umwege nach England emigriert – schlägt sich recht und schlecht durch Leben. Ausgelöst durch einen Unfall bekommt sie einen Job als Sekretärin für eine Ausgrabungsexpedition im Tal der Könige in Ägypten. Ihre Situation einer Migrantin definiert sie so, wie es auch heute noch Gültigkeit haben könnte: „Man zählt den Geburtsort, nicht das Gefühl. Wo also werde ich je wieder mitgezählt? Nirgends. Nicht einmal in Moskau, wo ich geboren bin. Auswandern geht rasch, aber Einwandern, das wird wohl niemals, niemals gehen. Fliehen ja; aber aufgenommen werden ...? Immer wieder wird dieses leere Lächeln kommen, dieses Achselzucken des Fremdseins und Nichtverstehgenwollens: „Ausländer“.“ (Seite 114/115) Das Land, in dem sie arbeiten darf – Ägypten -, begeistert sie. Ihr Chef definiert die Ägypter sehr einfach: „Sie konnten nicht glauben, dass das Leben mit dem Tod zu Ende sei. Ihr Totenkult ist eine Apotheose des Optimismus. Sie waren anders als später die Griechen, die ihre Leichen verbrennen ließen. Die Ägypter waren dreidimensionale Menschen. Die Griechen waren zweidimensional.“ (Seite 94) Sie arbeitete in der Wüste. Es war Sommer und Niemand ging da aus oder fuhr in diese heiße Gegend. „Dazu kam, dass dieses Leben in völliger Einsamkeit, ohne Ablenkung, ohne Lärm und ohne fremde Menschen unsere Nerven sensibler machte.“ (Seite 85) Letztlich verliebt sie sich in ihren Chef. Dieser grub bereits mehrere Jahre im Wüstensand um ein Grab zu finden. Für dieses Buch fand er ein sehr bedeutendes. Er wird ein gefeierter Mann in Ägypten. Große Feste werden gegeben. Auch seine Ehefrau, die sich schon mehrere Jahre nicht mehr um ihn kümmert kommt angereist. Das verschlechtert die Stimmung und zeigt die Probleme der jungen Verliebten gegenüber der Ehefrau des Geliebten. Der Freund wurde im Land und in seiner Branche berühmt. Damit kamen auch Neider, die ihm Probleme machten und verleumdeten. Grabbeigaben kommen am Antiquitätenmarkt zum Verkauf. Der Direktor des archäologischen Museums in Kairo beschuldigt das englische Team. Das Grab wurde beraubt. Die Proponentin versteckt sich mit Männern im Arbeitszelt nahe zum Grabeingang und tatsächlich: zwei Polizisten vom Ort stehlen im Auftrag des Direktors des Museums. Es kam zu einer Schießerei, bei der Sonja, die Hauptperson des Romans verletzt wurde und ins Spital nach Kairo kam. Der Roman hat letztlich ein kitschiges Happy End. Die Ehefrau stimmt einer Scheidung zu und das Liebespaar kann heiraten. }, keywords = {Ägypten, Ausgrabungen, Liebesgeschichte}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HANDKE2020, title = {Das zweite Schwert. Eine Maigeschichte}, author = {Peter HANDKE}, year = {2020}, date = {2020-03-16}, abstract = {HANDKE, Peter: „Das zweite Schwert. Eine Maigeschichte“, Berlin 2020 Bücher liest man, um in eine virtuelle Welt einzutauchen. Heute macht man dies oft in einem der Internetmedien, aber Bücher haben dieselbe Faszination. Man lebt mit, vom Dichter erfundenen, nicht realen Menschen und erlebt deren Leben. Bei Handke ist es aber mehr ein Genuss der Formulierungen und eine Faszination, die aus seinen Texten kommt. Lesen, nicht um des Inhalts willen, sondern um die Art wie es geschrieben wurde. Ein wahres Genusslesen. Der Inhalt tritt in den Hintergrund. Obwohl er im Content sehr detailgenau berichtet. Wie sich die Vögel verhalten, wenn er an ihnen vorbei geht. Es ist sein erstes Buch nachdem er den Nobelpreis bekommen hat. Sicher eine gute Sache für den Verlag. Viele Leute werden das Buch kaufen. Aber es ist ein gutes Buch. Wieder kommt die Mutter zu Wort. Eine Journalistin hat sie wegen ihres positiven Auftritts nach dem Anschluss Österreichs an das Hitler-Deutschland negativ beschrieben. Handke will sie rächen. Das Ziel der Rache kommt aber erst später im Lesen zum Vorschein. Vorher geht es ausschließlich um Aufbruch und Beschreibung der Umgebung seines Wohnorts in der Nähe von Paris. Die Stadt, die hinter den Hügeln, die der Dichter von seinem Fenster aus sehen kann, liegt. „Der höchste der Hügel, gerahmt vom Fensterkreuz zu seinen Füßen, blieb der höchste der Hügel, und der Name, der mir ursprünglich, unwillkürlich, im Spaß, für ihn gekommen war, blieb ihm über die Jahrzehnte, und inzwischen längst bei mir und in mich eingebürgert: „Der Ewige Hügel“, „Der Ewige Hügel von Vélizy“.“ (Seite 35) Vom nahegelegenen Bahnhof kann man in die Stadt fahren. Das Hotel am Bahnhof hat aber seine Funktion verloren. Es hat keine Gäste mehr. Nur Unterstandslose, unter die sich der Dichter mischt bewohnen es noch. „Seit inzwischen unvordenklich langem war das Hotel, samt Bar, des „Voyageurs“, der Reisenden, schräg gegenüber dem Bahnhof, weder Hotel noch Bar mehr. Die dritte und oberste Etage war umgebaut in Ein-Zimmer-Apartments, deren Bewohner man höchstens als ferne Silhouetten zu Gesicht bekam.“ (Seite 26) Als die Bar wieder geöffnet wird, gesellt sich auch der Dichter zu den Besuchern. Im vorliegenden Buch beschreibt er einige der Personen. Vor allem mit dem Hintergrund, sie zu einem Racheakt zu bewegen; quasi als Auftragsmörder für ihn zu agieren. Man erfährt auch Persönliches über den Dichter. Etwa, dass er nicht nur ein Schreiber, sondern auch ein intensiver Leser ist: „Kein Tag ohne Lesen in einem Buch, Buchstabieren, Entziffern.“ (Seite 60) In den ersten 90 Seiten geht es um „Späte Rache“, die er seiner Mutter schuldet. Er nennt es „verübte Wortschurkerei“ an seiner Mutter. Eine Journalistin hat sie als überzeugte Nazianhängerin hingestellt. Das wollte er, der Dichter rächen und brach zu einem Rachefeldzug auf. Im zweiten Abschnitt, dem „Zweiten Schwert“ spitzt sich das Drama zu. Mit einer Tramway und Bussen fährt er zum Tatort und die Wegstrecke wird detailliert beschrieben. Auch alle Menschen, die ihm begegnen, wie etwa ein pensionierter Richter, werden genau vorgestellt. Kinder in der Tram. Frauen, die ihn anschauen oder ignorieren. Der besagte Richter bestätigt ihn noch in seinem Rachefeldzug mit „Es lebe das Recht!“ (Seite 133) Letztlich landet er in einer Bahnhofsbar. Alle Menschen, die ihm am Weg dorthin begegnet sind finden sich ein (wirklich dichterisch!) Als er dann auf einem Wirtshausfernseher sein Opfer, die besagte Journalistin, sieht, kommt er zu einem Entschluss, denn ich hier nicht verraten will. Bei einem Kriminalroman sagt man auch nicht wer der Täter ist. Der Leser muss es selbst erlesen. }, keywords = {Beleidigung, Paris, Rache}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{TROST2020, title = {Prinz Eugen Eine Biographie}, author = {Ernst TROST}, year = {2020}, date = {2020-03-11}, abstract = {TROST, Ernst: „Prinz Eugen. Eine Biographie“, Wien 1996 Jeder Österreicher hat zwar in der Schule vom Feldherrn Prinz Eugen gelernt, ein ihm gewidmetes Lied gesungen und Touristen besuchen sein Sommerschloss Belvedere in Wien. Dass dieser Mann aber dem Kriegsführen nachging wie ein Arbeiter seinem Job in der Fabrik oder ein Manager seinen Aufgaben in einem Betrieb wird einem in dieser Biografie bewusst gemacht. Prinz Eugen entstammt zwar dem französischen Königshaus, eine Karriere wurde ihm in seiner Heimat aber nicht möglich gemacht, sodass er sich in den Dienst der österreichischen Herrschaft stellte und treuer als vielleicht so mancher Österreicher wurde. Sein ganzes Leben führte er Armeen und Kriege für die Österreicher und mit großem Engagement kämpfte er auch gegen seine eigenen Landsleute, die Franzosen. Der dauerhafte Einsatz im Krieg wird von Ernst Trost sehr prägnant beschrieben: „Seit der Türkenbelagerung Wiens 1683 wurde fast pausenlos irgendwo gekämpft – vom Mittelmeer und der Iberischen Halbinsel bis in die Weiten Russlands, Heere standen einander in Skandinavien gegenüber, am Rhein, in den Niederlanden, in Frankreich, in Oberitalien, Feldzüge führten nach Ungarn und in die Tiefen des Balkans.“ (Seite 228) „40 Jahre lang hatte er auf den Schlachtfeldern Europas den Bestand der Monarchie gesichert, ihr Gebiet um ein Vielfache vermehrt und ihre Großmachtstellung begründet.“ (Seite 285) Das vorliegende Buch erzählt von den zahlreichen Schlachten, deren Plätze der Autor während des Schreibens besuchte und so die Jetztzeit mit jener des angehenden 18. Jahrhunderts gegenüberstellt. Im ersten Kapitel wird auf den ersten Sieg Prinz Eugens in Zenta 1697 eingegangen. In Österreich musste er sich hochdienen und kämpfte lange Jahre mit dem Aufstellen fehlender, finanzieller Mittel. Seinen großen Namen machte er sich aber mit dem Vertreiben der Türken und namhaften Schlachten gegen sie. Damit veränderte er auch Städte wie Wien, die für ihre Einwohner schon zu klein geworden waren. Die Vertreibung der Türken brachte Frieden und die Möglichkeit außerhalb der Stadtmauern Häuser zu bauen und zu wohnen. Prinz Eugen setzte mit seinem Sommerschloss Belvedere selbst ein Zeichen dafür. Mit seinen Siegen wurde er eine europäische Berühmtheit. Der russische Zar bot ihm nach der Einnahme Polens die Königskrone für Polen an. Er aber lehnte ab und blieb dem österreichischen Kaiser treu. Im hohen Alter, als er nicht mehr an der Front stand, widmete er sich zunehmend seinen Schlössern und seiner Sammlerleidenschaft. Friedlich konnte er sterben. „Am nächsten Morgen als das Klingelzeichen des Prinzen ausblieb und auch sein Husten nicht zu hören war, betrat der Diener das Schlafzimmer. Er fand seinen Herrn, so wie er ihn in der Nacht hatte liegen gesehen. Prinz Eugen von Savoyen war tot, entschlafen, wie das Wort es sagt … Seine Züge strahlten Ruhe aus, sein Leben war widerstandslos, ohne ein Aufbäumen, ohne Schmerzen verbraucht. Ohne letzte Worte und ohne Testament.“ (Seite 331) }, keywords = {Feldherr, Kriege, Monarchie, Österreich}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SCHUTTING2020, title = {Blickrichtungen}, author = {Julian SCHUTTING}, year = {2020}, date = {2020-02-27}, abstract = {SCHUTTING, Julian: „Blickrichtungen“, Sankt Pölten-Salzburg-Wien2013 Schutting fasst in diesem Buch Reisegeschichten zusammen. Sie sind teilweise in einer sonderbaren Form geschrieben und Großbuchstaben werden durch Kleinbuchstaben ersetzt. Die Reiseberichte führen in verschiedenste Länder und Städte. Meist sind die Berichte aber negativ und stellen die Schlagseiten in den Vordergrund. In Moskau wird ausführlich über die Bettler berichtet und sich über die Bauten des Kremls lustig gemacht. In Sankt Petersburg wird von der Beisetzung der Zarenfamilie berichtet. Obwohl er in der Einleitung negativ über den Massentourismus schreibt, ist er selbst Teilnehmer solcher Gruppen, mit denen er durch Kiew, Moskau Vietnam und Moskau zieht. In Ägypten ist es eine traditionelle Nilkreuzfahrt, wie sie hunderttausende Touristen machen. Trotzdem versucht der Autor SEINE Reise als eine alternative hinzustellen – und wenn es nur um die Erzählung eines ausgebissenen Zahns in einem Fladenbrot geht. Aber auch das sind Dinge, die vielen Touristen passieren können. In Japan ist er überhaupt in einer deutschsprachigen Gruppe und besucht als solche Tempelanlagen und jammert über den Jetlag. Vietnam wird gar in nur einer Woche – inklusive Flügen – bereist. Da kann man ja wohl nicht mehr sagen, dass man die Eigenheiten des Landes erlebt hat. Im Iran fährt er in einer „Karawane“, bestehend aus Architekten, Fotografen und Literaten, nach Teheran, Schiras, Yasd und Isfahan auf ausgetretenen Touristenpfaden. Irgendwie schließt Schutting hier an den Zeittrend der Tageszeitungen an, für die nur negative Meldungen wichtig sind. So ist auch dieses Buch eine Ansammlung von negativen Erzählungen aus aller Welt. Es ist kein motivierendes Buch für den Leser. }, keywords = {Iran, Reiseberichte, Ukraine, Vietnam}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{WILDE2020, title = {Das Bildnis des Dorian Gray}, author = {Oscar WILDE}, year = {2020}, date = {2020-02-24}, abstract = {WILDE, Oscar: „Das Bildnis von Dorian Gray“, München 196? Es ist der einzige Roman des erfolgreichen irischen Schriftstellers aus dem 19. Jahrhundert und er gilt auch als sein Hauptwerk. Die Hauptfigur ist ein schöner junger Mann, der reich ist und nicht altert. Die körperlichen Veränderungen macht ein Portrait von ihm durch, das er dann wegsperrt, um nicht zu sehen, wie die Zeit nach ihm greift. Wilde nennt das Bild auch Spiegelbild der Seele. Der reiche, junge Mann führt ein lasterhaftes Leben. Letztlich ermordet er den Maler des Bildes, das seine Veränderungen aufzeigt. Diese Tat verkraftet er genauso wenig wie den Selbstmord einer jungen Schauspielerin, der er die Heirat versprochen und sie dann verstoßen hatte. Er begeht mit jenem Messer, mit dem er den Maler umgebracht hatte, Selbstmord. Stilistisch ist es ein Werk des 19. Jahrhunderts, das manche Passagen sehr detailreich und verspielt beschreibt. Die Struktur und das Schema des Romans sind aber großartig. Ein Roman der Weltliteratur, den man auch in hundert Jahren noch lesen wird. }, keywords = {Homosexuell, Irland, Oscar Wilde}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{WINKLER2020, title = {Der Stadtschreiber von Kalkutta}, author = {Josef WINKLER}, year = {2020}, date = {2020-02-21}, abstract = {WINKLER, Josef: „Der Stadtschreiber von Kalkutta“, Berlin 2019 Winkler schildert in diesem Buch seine Eindrücke von der indischen Stadt Kalkutta. Anscheinend einem Stipendium folgend hatte er in der Stadt ein Hotel bezogen. Er wurde personell umsorgt von einem Diener, der vor seiner Zimmertür wartete und einer Fremdenführerin, die ihn begleitet. Meist saß er aber alleine mit seinem Notizbuch, in das er mit einer Füllfeder seine Eindrücke schreibt. Dabei geht es um Erlebnisse am Markt. Den Handel mit Fleisch, Obst und sonstigen Waren. Er beobachtet Menschen und beschreibt sie für den Leser in stakkatoartigen Sätzen. Vieles wiederholt sich. Die einzelnen Kapitel erscheinen wie Tageserzählungen, die meist mit dem Hinweis auf das Aussehen des Notizbuchs enden. Vieles wiederholt sich. In manchen Kapiteln kommen dieselben Personen und dieselben Handlungen vor. Das Buch vermittelt das Gefühl, dass es als Tribut für den Stipendiums-Sponsor geschrieben wurde. Also ein „Abarbeiten“ einer Schuld. }, keywords = {Indien, Kalkutta}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{McEWAN2020, title = {Maschinen wie ich}, author = {Ian McEWAN}, year = {2020}, date = {2020-02-16}, abstract = {McEWAN, Ian: „Maschinen wie ich“, Zürich 2019 Die ersten Sätze eines Buches sollen einprägsam und stark sein. Diese Theorie habe ich einmal gelesen und Ian McEwan kommt dem sofort nach, wenn er beginnt: „Es war der Hoffnungsschimmer einer religiösen Sehrnsucht, es war der Heilige Gral der Wissenschaft. Unsere höchsten und niedersten Erwartungen wurden geweckt von diesem wahr gewordenen Schöpfungsmythos, diesem ungeheuerlichen Akt der Selbstverliebtheit. … Pathetisch gesagt strebten wir danach, unserer Sterblichkeit zu entrinnen, Gott mit seinem perfekten Ebenbild zu konfrontieren oder gar zu ersetzen. Praktischer gedacht wollten wir eine verbesserte, modernere Version unserer selbst schaffen und die Freuden des Erfindens genießen, das Hochgefühl wahrer Meisterschaft.“ (Seite 9) Im Buch geht es um das Zusammenleben mit einem Roboter, der sehr menschenähnlich ist. Charlie kaufte ihn von einer Erbschaft. Das Verhaltensprofil des neuen Weggefährten muss selbst eingegeben werden. Eine Charakterbeschreibung, die er sich mit seiner Nachbarin, die er verehrt teilt. So entsteht das Verhaltensprofil des Roboters. Der Roboter – ein männlicher, genannt Adam – mischte sich aber zunehmend in sein privates Leben ein. Er verliebt sich in dieselbe Frau wie Charlie, sein Besitzer. Letztlich erweist er sich aber als hilfreich, indem er mit Aktien zu handeln beginnt und das junge Liebespaar reich macht. Der Reichtum zerfließt aber am Ende. Adam, der Robotermensch wird immer selbstständiger und bringt die Geliebte seines Herrn – die er auch selbst verehrt – zur Anzeige, was in einer Kerkerstrafe endet. Das verdiente Geld – Charlie hatte es in bar in der Wohnung aufbewahrt – verschenkt der Roboter an hilfsbedürftige Organisationen und das vor der Hochzeit stehende Paar ist ruiniert. Das Haus, das sie kaufen wollten ist außer Reichweite und die Braut muss nach der Hochzeit ins Gefängnis. Vor Wut zertrümmert Charlie dem Roboter den Kopf und seine Rechnerleistung. Noch im Absterben gesteht er das wahre Ausmaß seiner Aktionen. Einen Buben, den das junge Paar adoptieren wollte bekamen sie nicht, weil die Frau vorbestraft war. Dazwischen wird vom Autor auch Zeitgeschichtliches aus England, wie der Falklandkrieg und die Regierungszeit von Premierministerin Thatcher, werden eingeflochten. Die Auseinandersetzung mit dem Verhältnis Roboter – Mensch wird großartig abgehandelt. Aber auch die emotionellen Seiten werden angeschlagen und geben dem Buch eine großartige Spannung. Viele abgehandelten Themen regen zum weiteren Nachdenken an. Ein Buch, das es wert ist gelesen zu werden. }, keywords = {England, Maschinen, Robotrer}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SCHNEIDER2020, title = {Das Geheimnis der Libellen}, author = {Anna-Maria SCHNEIDER}, year = {2020}, date = {2020-02-11}, abstract = {SCHNEIDER, Anna-Maria: „Das Geheimnis der Libellen“, Hinterbrühl 2019 Auf den ersten Blick ist es ein Kinderbuch. Schön, für das Niveau von Kleinkindern illustriert. Beim Lesen wird das Thema aber tiefgreifend und beschäftigt sich mit dem Tod und der Zeit danach. Die Autorin greift dabei auf das Beispiel der Libellen zurück. Die Großmutter erklärt einem Mädchen namens Lilli, wie Libellen entstehen, und dass sie ihren Körper abstreifen und als neues Lebewesen weiterleben. Als dann die Großmutter stirbt und ihre Eltern sehr traurig sind, erklärt sie ihnen an Hand der Libellen, dass die Großmutter weiterlebt. So können Kinder Erwachsenen den Weg zeigen. Auch dieses Buch. }, keywords = {Kinderbuch, Leben nach dem Tod, Tod}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{KLAR2020, title = {Himmelwärts}, author = {Elisabeth KLAR}, year = {2020}, date = {2020-02-05}, abstract = {KLAR, Elisabeth: „Himmelwärts“, Salzburg Wien 2020 Der Roman ist ein Sprachrohr der Andersdenkenden. Derer, die sich um die aktuelle rechte Politik Sorgen machen. Ja, sogar Vergleiche zwischen Brasilien und Österreich werden angestellt. Die Geschichte handelt auch in diesen beiden Ländern. Der Titel „Himmelwärts“ kommt vom Namen einer Bar, in der sich Menschen, die gesucht werden und untertauchen müssen treffen. Ausgefallene Gestalten. Menschen, die in die Haut anderer schlüpfen. Da ist Sylvia, die eine Füchsin war und in einem Menschenhaut geschlüpft ist. Aber am Ende fällt sie wieder in ihre alte Tierhaut zurück. Da ist Jonathan, dem Engelsflügel wachsen, die von der Medizin als Tumore bezeichnet wurden und ihm weggeschnitten, amputiert wurden. Jonathan lebt in Wien und arbeitet für eine NGO. Er übersiedelt nach Brasilien und wird mit den dortigen Problemen konfrontiert: Abholzung des Dschungelwalds, Unterdrückung der Einheimischen, Terror und Kriminalität. Er hat ein Verhältnis mit einem Mann. Homosexualität gab es immer schon und in der Literatur wurde sie nur etwas verhalten wie in Oskar Wildes „Dorian Gray“ angesprochen. Hier kommt das Thema sehr direkt und detailliert auf das Tapet. Es ist eine mythische, fantastische, ja märchenhafte Geschichte, bei der Menschen und Tiere ineinander verschmelzen. Sind denn nicht manche tierischen Eigenschaften auch solche von Menschen? Flüchtlinge und Unterdrückte sind oft Gehetzte wie Tiere … }, keywords = {Assylanten, Brasilien, Flüchtlinge, NGO, Österreich, Politik}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @booklet{Rainer2020, title = {1945. Der Beginn}, editor = {NOWAK Rainer}, year = {2020}, date = {2020-01-31}, abstract = {NOWAK, Rainer (Hg): „1945. Der Beginn. Die Presse“, Wien 2020 Ich bin selbst ein später geborener, der aber doch nicht die Auswirkungen – vor allem wirtschaftliche – des Zweiten Weltkrieges mitbekam. Das vorliegende Buch brachte mir aber mehr Verständnis für meine Eltern und deren Generation. Diese Publikation ist aber auch eine wichtige Aufklärung für junge und jüngere Menschen. Sie werden vielleicht nicht die Texte lesen, aber die Bilder und Fotos sind einprägsam und veranschaulichen, was die Nachkriegsgenerationen aus dem zerbombten Österreich machten. Vielleicht schrecken die heutigen Einwohner unseres Landes doch vor einem Nationalsozialismus und Extrempolitik zurück. Schön habe ich auch empfunden, dass den Frauen der Nachkriegszeit eine besondere Rolle zugeteilt wurde und zuerst über sie und erst später von den Politikern – die bisher im Mittelpunkt standen – berichtet wird. Dieses Heft wäre auch eine sehr gute und wichtige Aufklärungslektüre für Schulen. }, month = {01}, keywords = {1945, Nachkriegsbericht, Österreich}, pubstate = {published}, tppubtype = {booklet} } @book{CEMING2020, title = {Die verbotenen Evangelien – Apokryphe Schriften}, author = {CEMING, Katharina WERLITZ, Jürgen}, year = {2020}, date = {2020-01-21}, abstract = {CEMING, Katharina; WERLITZ, Jürgen: „Die verbotenen Evangelien – Apokryphe Schriften“, Wiesbaden 2004 Zu Beginn des Christentums gab es nur das Alte Testament. Die ersten Christen gaben dann Geschichten über Jesus und die Anfänge weiter und verwendeten diese auch in ihren Messfeiern. Mehrere Bistümer waren inzwischen entstanden. Unter der Federführung von Rom kam es dann zu einer Vereinheitlichung der Geschichten (Evangelien). Das Auswahlkriterium dazu war es, nur jene Erzählungen als offiziell gelten zu lassen, die von allen existierenden Bistümern verwendet wurden. So wurden viele ausgeschieden. Ein späteres Konzil bestätigte das dann auch. Dadurch sind ganze Abschnitte des Lebens Jesu ausgeschieden und in Vergessenheit geraten. Unter dem Titel „Apokryphe Schriften“ liegen sie vor und im Buch der beiden Autoren wird deren Hintergrund erklärt und beschrieben und auch die Originale abgedruckt. So hört man etwa vom Leben Maria und ihrer Beziehung zu Joseph und die Jungend Jesu, der da als schwer erziehbares Kind dargestellt wird, das die Eltern den Tempelpriestern zur Erziehung übergeben wurde. Aber auch sie waren nicht erfolgreich und schickten den Jungen zu seinen Eltern wieder zurück. Natürlich sind Nacherzählungen über Jesus, die erst hundert und mehr Jahre nachher entstanden sind kritisch zu sehen, aber sie werden durch dieses Buch wieder in Erinnerung gerufen. }, keywords = {Apokryphe Schriften, Evangelien}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{RUDIS2020, title = {Winterbergs letzte Reise}, author = {Jaroslav RUDIS}, year = {2020}, date = {2020-01-19}, abstract = {RUDIS, Jaroslav: „Winterbergs letzte Reise“, München 2019 Ein Pfleger fährt mit einem 99-jährigen Greis mit dem Zug durch Europa. Der alte Mann will nochmals alte Erinnerungen auffrischen. Einerseits liebt er – so scheint es zu Beginn – ehemalige Schlachtfelder wie Königgrätz und Austerlitz, die er besuchen will. Aber letztlich stellt sich heraus, dass er dem Fluchtweg seiner Geliebten folgen will. Sie war eine Jüdin und musste im Dritten Reich fliehen. Seine Familie goutierte den Umgang mit diesem Mädchen nicht. Er versprach seiner Geliebten ihr zu folgen, was er letztlich nicht tat. Im hohen Alter kommen das Schuldgefühl und die verflossene Liebe zurück. Er sucht die Strecke ab. Als Fortbewegungsmittel verwenden sie ausschließlich die Eisenbahn. Dabei geht es nicht um Reisegeschwindigkeit, wie so oft in der heutigen Zeit: „Alle wollen schnell am Ziel sein, doch wozu? Ich hasse schnelle Züge, ja, ja, am liebsten würde ich nur mit Lokalbahnen reisen.“ (Seite 447) Die befahrenen Strecken sind auch sehr detailliert beschrieben. Jeder Tunnel und jede Brücke werden angeführt. Deshalb kann ich das Buch speziell Eisenbahnfans empfehlen. Aber auch für „normale Reisende“ ist es nicht uninteressant. Allen großen europäischen Eisenbahnpionieren wie Ritter von Ghega wird gedacht. Neben den Eisenbahnen sind es die Krematorien, denen viel Platz gewidmet wird. Selbst Parallelen zwischen den Feuerhallen und der Eisenbahn und den Dampflokomotiven werden hergestellt. Krematorien werden als Fortschritt und modern gegenüber der traditionellen Erdbestattung dargestellt. Erstaunlich ist das ausgezeichnete Geschichts- und Geographiewissen des Autors. Nicht allgemein bekannte Dinge werden aufgezeigt. Ein Geschichtsbuch. Bedingt ist dies auch darin, dass der alte Mann einen Baedeker Reiseführer aus dem angehenden 20. Jahrhundert verwendet. Viele angegebene Hotels existieren nicht mehr. Bahnhöfe sehen anders aus. Und so wird es ein Geschichtsbuch, ein Zurückdrehen der Zeit zum Beginn des 20. Jahrhunderts, aber erlebt im 21. Jahrhundert. Interessant auch der Stil des Autors. Viele Stehsätze wiederholen sich im Buch. Zu Beginn erschien mir das beim Lesen lästig. Zunehmend empfand ich sie aber als nett. Stehsätze wie „Unterbrechen sie mich nicht“, obwohl der Pfleger Nichts gesagt hatte. Oder „Wo bin ich hängengeblieben?“ Typische Redewendungen eines alten Mannes. Trotz seines hohen Alters zeigt er weiterhin Interesse an Frauen und findet sich nicht als „durchsichtig“, wobei er mit diesem Wort meint, dass er von Frauen nicht registriert würde. Der Pfleger, dessen Beruf es ist Menschen so lange zu versorgen bis sie sterben, muss all diese Sterbefälle – er nennt sie „Überfahrten“ seelisch verkraften und sucht Zuflucht im Alkohol. Die Auswirkungen sind: „Mir war schlecht, in meinem Kopf dröhnten Hunderte von Bohrmaschinen und ich musste an meinen Vater denken, der immer sagte, der Kater ist die einzige Sicherheit, die man in Böhmen hat. Die einzige Sicherheit, die uns niemand wegnehmen kann. Das ganze Land kann besetzt sein. Das ganze Land kann wieder frei sein. Wir sollten kämpfen. Wir sollten feiern. Doch wir sind immer verkatert und so machen wir gar nichts. Denn wir sind verkatert, und das Einzige, was wir machen können, ist, das nächste Bier trinken.“ (Seite 191/192) Der ganze Roman wird aus der Sicht des Pflegers dargestellt. Dialoge finden primär zwischen dem alten Mann und seinem Pfleger statt. Ausgenommen sind spontane Treffen auf der Reise und der Kontakt mit der Tochter des zu Pflegenden. Die über 500 Seiten sind eine lange Wegstrecke zum Lesen, aber zunehmend wird man in den Bann gezogen. Immer wieder aufgelockert durch gute Formulierungen. So meint er, dass die Bezeichnung „Donaumonarchie“ für die „Österreichisch-Ungarische Monarchie“ nicht richtig sei, weil es auch andere wichtige Flüsse gegeben hat. Er schlägt daher den Begriff „Elbemoldaudonausavebosnamonarchie“ vor. Das Ziel der Reise sollte Sarajevo sein. Nachdem man nach Sarajevo nicht oder nur schwer mit dem Zug kommt endet die Reise in Zagreb. Die Beiden fahren nach Berlin zurück und von dort an die Ostsee, wo der alte Mann im Krieg Lokomotivführer war und sich der Raketen-Teststation des Dritten Reichs erinnert. Dort endet auch die Reise und wahrscheinlich – direkt wird es nicht angesprochen – das Leben des fast Hundertjährigen. }, keywords = {Altenpflege, Böhmen, Österreichisch-Ungarische Monarchie, Zugreise}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{ARNOLD2020, title = {Meine Flucht aus Brünn vor Kriegsende 1945. In Memorial der Laura Prohaska}, author = {ARNOLD, Gerfrid}, year = {2020}, date = {2020-01-05}, abstract = {ARNOLD, Gerfrid: „Meine Flucht aus Brünn vor Kriegsende 1945. In Memorial der Laura Prohaska“, Norderstedt 2017 Stilistisch ist es nicht so gut, aber historisch wertvoll. An Hand einer Frau und deren Familie beziehungsweise Vorfahren wird die Situation während und nach der österreichischen Monarchie in Tschechien aufgezeigt. Ihre Familie war deutschsprechend, wobei man für das tägliche Leben auch tschechisch sprach. Zum Ender Monarchie wurden sie Tschechen. Nach der Besetzung Hitlers wurden sie wieder Deutsch und als solche dann bei Kriegsende von den Tschechen und besetzenden Russen vertrieben. Speziell diese Wochen der Flucht hat Frau Prochaska in einem Kassabuch aufgeschrieben und der Autor des vorliegenden Buches hat diese Texte mit historischen Fakten ergänzt. Vieles über die Familie recherchierte er und das ergab – neben den Aufzeichnung von Frau Prohaska – ein sehr komplettes Bild der damaligen Situation. Tausende haben es erlebt (erlitten). Stellvertretend wird es in diesem Buch an Hand einer Frau wiedergegeben. }, keywords = {Ende 2. Weltkrieg, Flucht, Tschechien}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{TOKARCZUK2020, title = {Unrast}, author = {TOKARCZUK, Olga}, year = {2020}, date = {2020-01-03}, abstract = {TOKARCZUK, Olga: „Unrast“, Zürich 2019 „Unrast“ – treffender könnte der Titel gar nicht sein. Die Autorin liebt es zu reisen und in diesem Buch schreibt sie kurze, ganz kurze und längere Geschichten über ihre Reiseerlebnisse. Quasi ein geschriebenes Notizbuch. Auf den ersten Seiten glaubt man beim Lesen noch – so wie es am Umschlag angekündigt ist – einen Roman vor sich zu haben. Zunehmend zerfällt aber diese Definition und es wird eine Aneinanderreihung von Geschichten. Manche Erzählungen finden dann erst nach mehreren anderen Stories eine Fortsetzung. In solchen Momenten fragt man sich als Leser, ob nicht weniger mehr gewesen wäre. Auch ihrem Spezialgebiet, der Anatomie widmet sie viel Platz und Geschichten. „Mumifizierer“ kommen zu Wort. So gibt sie auch Briefe wieder, die die Tochter eines schwarzen Dieners von Kaiser Franz I. von Österreich geschrieben hatte. Ihr Vater wurde mumifiziert und in einem Museum ausgestellt. Sie bat den Kaiser um eine katholische Bestattung. „Auch der am niedrigsten gestellte Mensch hat das Recht auf eine Beerdigung, und stellst du nicht, indem du meinen Vater diese versagst, seine Menschlichkeit in Frage?“ (Seite 303) Als Polin und neue Literatur-Nobelpreisträgerin zollt sie mit der Erzählung („Chopins Herz“), wie Chopins Herz von Paris nach Warschau kam ihrer Heimat Rechnung. Aber auch moderne Themen greift sie auf und spricht vom „Netz-Staat“, der – bedingt durch Internet und Telekommunikation – keine Grenzen kennt. Die etwas längeren Geschichten sind luftig geschrieben und angenehm zum Lesen. So etwa wird ein emeritierter Professor mit dem Schwerpunkt der griechischen Antike aus der Sicht seiner 20 Jahre jüngeren Frau beschrieben. Obwohl sie ihren über 80-jährigen immer noch ehrt und auch pflegt meint sie „Männer brauchen Frauen nötiger als Frauen Männer“ (Seite 423) und sie meinte damit nicht, dass ihr Mann sie als Pflegerin braucht. Ganz im Gegenteil: er hat das Gefühl, dass sie ihn braucht. Sehr einfühlsam wird nachgezeichnet, wie der alte Herr noch seine Vorträge meistert und dabei jung wird und um Anerkennung hascht. „Niemand hat uns gelehrt zu altern, dachte sie, wir wissen nicht, wie das ist. Wenn wir jung sind, kommt es uns so vor, als suche diese Krankheit nur andere heim. Wir selber jedoch meinen aus nicht ganz geklärten Gründen, dass wir immer jung bleiben werden. Die Alten behandeln wir, als wären sie selber schuld, als hätten sie sich ihre Beschwerden wie Diabetes oder Sklerose selber eingehandelt. Dabei fallen dieser Krankheit, dem Alter, doch die Unschuldigsten zum Opfer.“ (Seite 443/444) Diese Erzählung sei nur exemplarisch etwas detaillierter beschrieben um die Aussagekraft von Olga Tokarczuk hervorzuheben. Ein Schwerpunkt des Buches bleibt aber die Konservierung von Menschen und Tieren. Noch im vorletzten Kapitel wird sie hier detailliert, indem sie „Schritt für Schritt“ die Konservierung mit Polymeren beschreibt. Als Leser würde ich mir von dem 457 Seiten starken Buch mehr Systematik erwarten und vielleicht die eine oder andere Geschichte ersparen wollen. Weniger wäre mehr und würde dem Ruf der Nobelpreisträgerin besser stehen. }, keywords = {Mumifizierung, Nobelpreisträgerin, Reisegeschichten}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{LOUIS2019, title = {Das Ende von Eddy}, author = {LOUIS, Edouard}, year = {2019}, date = {2019-12-16}, abstract = {LOUIS, Edouard: „Das Ende von Eddy“, Frankfurt 2019 Als der junge Dichter – er ist 1992 geboren – sein Manuskript bei einem Verlag einreichte gab man es ihm zurück, weil das Thema nicht in unser Jahrhundert passt. Ich denke so ähnlich geht es vielen Lesern. Man kann gar nicht glauben, dass es heute noch solche Armut geben kann. Der Autor verarbeitet im ersten Teil – „Picardie“ – seine Jugendzeit. Sein Verhältnis zur Mutter und zum Vater. Über die Mutter meint er „Sie war keine besonders mütterliche Mutter, sondern eine von jenen, die einfach zu früh Kinder bekommen haben.“ (Seite 54) Sein Vater war Fabriksarbeiter. Die schwere Arbeit machte ihn krank und er viel vom Krankenstand in die Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe ab. Für die fünfköpfige Familie bekam er 700 Euro pro Monat. Ihm selbst blieb der Alkohol und das Fernsehen. Allerdings die Rolle des Mannes, der das Sagen haben muss kam zum Vorschein, als seine Frau arbeiten ging und 1000 Euro in der Altenpflege verdiente. Der Vater meinte dann: 7oo Euro seien für 5 Personen genug, sie müsse nicht arbeiten gehen. Louis – im Buch nennt er sich noch Henry – beschreibt auch seine Beziehung zu Freunden und das sexuelle Erwachen. Sein Bezug zu Buben und das Misslingen eine Beziehung mit Mädchen aufzubauen. Der Leidensweg eines homosexuellen Jugendlichen. Verstärkt noch durch die ärmlichen Verhältnisse. Durch den Besuch einer Mittelschule in einer entfernten Stadt gelingt es ihm auszubrechen. Im „Zweiten Buch“ – „Scheitern und Flucht“ – wird beschrieben, wie es ihm gelingt neue Freundschaften, die seinen Veranlagungen entsprechen, aufzubauen. Er wohnt in einem Internat. Seine Mitschüler kommen aus besseren Gesellschaften und akzeptieren ihn. In der Heimatgemeinde haben ihn alle – weil er schwul war – geschlagen und verspottet. Hier – in der „Ferne“ – hat er die Situation und seine Veranlagung bewältigt. Im Epilog schließt er so das Buch: „“Na Eddy, immer noch so schwul?“ Die anderen lachen. Ich auch.“ (Seite 206) }, keywords = {arm, Homosexuell, Jugendlicher, Provinz}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{TOKARCZUK2019b, title = {UR und andere Zeiten}, author = {TOKARCZUK, Olga}, year = {2019}, date = {2019-12-09}, abstract = {TOKARCZUK, Olga: „UR und andere Zeiten“, Zürich 2019 Es ist ein Generationsroman. Die Generationen bewegen sich aber nicht nur innerhalb einer Familie, sondern die Autorin zieht in ihre geschichtliche Betrachtung ein kleines Dorf und dessen Einwohner ein. UR heißt der Ort und ist ein fiktives Dorf im Osten Polens. Das Wort „Zeiten“ im Titel bezieht sich in verschiedenen Kapiteln auf einzelne Personen. Es sind teilweise merkwürdige Menschen, die hier beschrieben werden. Kauze, wie ein Graf, der sein Leben dem Spiel widmet und dessen Mitarbeiter nur am Dach des Schlosses seine Zeit verbringt. Es kommen aber auch märchenhafte Figuren wie ein Wassermann oder ein Mann, der wie ein Tier im Wald lebt vor. Generell ist der Roman eine Verwebung von Märchen und historischen Geschichten. Die Erzählung beginnt im Jahr 1914, zeigt die Geschichte Polens an Hand dieses Dorfes und zieht sich durch das 20. Jahrhundert. Die Kapitel an sich sind sehr kurz gehalten, was dem Leser einen eigenen Stil abverlangt. Man muss genauer mitdenken um den Faden verfolgen zu können. Olga Tokarczuk bezeichnet diesen, ihren Roman als ein «metaphysisches Märchen», das von Geburt und Tod, Liebe und Hass, Glück und Leid erzählt. Er ist voll von Mythen und Provokationen, aber auch Grausamkeiten, wie etwa jenen aus dem Zweiten Weltkrieg. So wie einzelnen Personen Kapiteln im Buch gewidmet sind, findet die Autorin auch Platz für Dinge und philosophische Gedanken. So ein Ding ist etwa die Kaffeemühle, wo sie meint: „Die Menschen meinen, sie lebten intensiver als die Tiere und Pflanzen und erst recht als die Dinge. Die Tiere haben das Gefühl, dass sie intensiver leben als die Pflanzen und Dinge. Die Pflanzen träumen, dass sie intensiver leben als die Dinge. Doch die Dinge überdauern, und in diesem Überdauern ist mehr Leben als in allem anderen.“ (Seite 51) Über das Spiel des Grafen werden verschiedene Varianten erzählt, wie Gott die Welt erschaffen könnte. Grundsätzlich wird da gesagt „Wenn man nicht weiß, „wo“ Gott ist – und solche Fragen stellen die Menschen zuweilen -, muss man all das betrachten, was sich wandelt, was sich in keine Gestalt fügt, was sich auf und ab bewegt und verschwindet: Die Oberfläche des Meeres, den Tanz der Sonnenkorona, die Erdbeben …“ (Seite 141) Gott könnte es, so ist geschrieben, in vier Varianten geben: „Entweder Gott war und ist, oder … es gibt ihn nicht und hat ihn nie gegeben. Oder … es hat Gott gegeben und gibt ihn jetzt nicht mehr. Und … es gibt Gott noch nicht und er wird noch kommen.“ (Seite 166/167) Gewagt äußert sich die Autorin zur Veränderung der Kirche indem sie einen der Proponenten fragen lässt „Wie kann man denn Gott reformieren?“ Ein anderer antwortet: „Das kann man. Die Menschen ändern sich. Die Zeiten ändern sich. Autos, Raumschiffe … Gott kann manchmal, wie soll ich das sagen, etwas anachronistisch erscheinen, und selbst ist er zu groß, zu mächtig und damit gleichzeitig aber auch ein bisschen zu schwach, um sich den menschlichen Vorstellungen anzupassen.“ (Seite 256/257) Die menschliche Seite der Romanfiguren erlebt man bei den älteren Proponenten bis zu deren Tod, was Olga Tokarczuk sehr emotional und hinreißend beschreibt. Als Leser trauert man mit den Nachfahren mit. Dieser Roman erschien in polnischer Sprache 1996 und brachte der Autorin den internationalen Durchbruch, der mit dem Literatur-Nobelpreis für 2018 gekrönt wurde. }, keywords = {Geschichte 20. Jahrhundert, Nobelpreis, Polen}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{ZULEHNER2019, title = {Naht das Ende des Priestermangels? Ein Lösungsmodell}, author = {ZULEHNER, Paul M.}, year = {2019}, date = {2019-12-01}, abstract = {ZULEHNER, Paul M.: „Naht das Ende des Priestermangels? Ein Lösungsmodell“, Ostfildern 2019 Zulehner war in der katholischen Kirche immer schon ein Vorausdenker oder man kann auch sagen „Revolutionär“. Ich traf ihn bei einer Abendessenseinladung und er schenkte mir nachher dieses Buch. Es geht hier um zwei Ereignisse: Einerseits um die Vorgangsweise von Papst Franziskus zum Thema „verheiratete Priester“ und seiner Amazonaskonferenz und andererseits um ein Modell, wie man neben den traditionellen Priestern Laienpriester installieren könnte. Ein Modell, das sich „Lobinger-Modell“ nennt. Lobinger war ein Bischof in Südafrika. Zulehner hat an diesem Modell mitgearbeitet und sieht – so schreibt er im Buch – eine Überschneidung zwischen den Ideen des Papstes und diesem Modell. Letzterer sagte in einem Interview, dass er sich Laienpriester in entlegenen Gegenden (far far away) vorstellen kann. Die Konservativen in der Kirche riechen da aber bereits die generelle Änderung, denn wenn etwas in der Ferne funktioniert, kann man es auch im Kernland Europa einsetzen. Der Papst hatte die Teilnehmer der Amazonas-Konferenz aber aufgefordert „mutige Vorschläge“ zu machen Lobinger und seine Mitstreiter haben so ein Modell erarbeitet. Sie sehen eine grundlegende Veränderung von der „Dienstleistungskirche“ zu einer, die von den Pfarrteilnehmern selbst organisiert und gestaltet wird. Ein gesellschaftlicher Trend, wie wir ihn heute in vielen Bereichen haben. Man baut Möbel selbst zusammen (IKEA), bucht sein Ticket selbst und zahlt im Supermarkt an einer automatischen Kassa. So wird sich auch die Kirche selbst verwalten und organisieren müssen, wozu aber eine gute Gemeinschaft notwendig ist. Ein weiterer Aspekt, der gesellschaftlich im Kommen ist: Teamarbeit. Die Funktion eines heutigen Priesters soll auf mehrere Personen aufgeteilt werden und freiwillig gemacht werden. Auch Mobilität wird gefragt sein. Solche „Laienpriester“ sollen aus der Gemeinde selbst hervorgehen und vom Volk gewählt sein und nur für eine gewisse Periode das Amt innehaben. Das heißt aber nicht, dass es die traditionellen Priester nicht mehr geben wird. Diese werden weiter bestehen, aber anders organisiert sein. Sie werden in Gemeinschaften leben und größere Gebiete betreuen. Sie unterstehen dem Bischof (Laienpriester nicht). Neben pfarrlichen Aufgaben werden sie auch für die Evaluierung der Laienpriester zuständig sein. Diesen neuen Priestertyp nennt Lobinger „Team of Elders“. Sie sind von einer Gemeinde gewählt und werden praxisorientiert ausgebildet, um den Priesterdienst ausüben zu können. Sie werden geweiht sein und können verheiratet sein. Diese beiden Typen sind ähnlich der orthodoxen Kirche, wo Pfarrer verheiratet sind und Familie haben, aber Bischöfe und Mönche zölibat leben. Interessant auch, dass bei der Definition der „Team of Elders“ keine Geschlechtsangabe steht. Das können demnach Frauen oder Männer sein, wobei Frauen in der heutigen Kirche auch stärker engagiert sind. Ein schöner Spruch zum Schluss: „Wir sind nicht auf Erden, um in den Himmel zu kommen, sondern dass der Himmel jetzt zu uns kommt.“ (Seite 40/41) Verwalten werden wir Menschen diesen Himmel aber zunehmend selbst müssen. }, keywords = {Laienpriester, Lobinger-Modell, Priestermangel, verheiratete Priester}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{TOKARCZUK2019, title = {Spiel auf vielen Trommeln}, author = {TOKARCZUK, Olga}, year = {2019}, date = {2019-11-28}, abstract = {TOKARCZUK, Olga: „Spiel auf vielen Trommeln – Erzählungen“, Berlin 2006 Die frischgebackene Nobelpreisträgerin stellt sich in diesem 2006 erschienen Buch mit Geschichten vor und stellt damit unter Beweis, dass sie eine ausgezeichnete Erzählerin ist. Sechs werden in diesem Buch vorgestellt. Jede ist ein Lesevergnügen. In der Geschichte „Das Subjekt“ wird ein Dichter vorgestellt, dem ein Spiegelbild gegenübersteht. Ein Double, das anders ist als er selbst und doch viele eigene Eigenschaften widerspiegelt. In der „Eroberung von Jerusalem, Raten 1675“ lässt ein reicher Adeliger in seinem Schloss von Bauern als Schauspieler die Eroberung Jerusalems während der Kreuzzüge nachspielen. Dazu lädt er Gäste ein, die das Schauspiel verfolgen. In „Brado. Die Weihnachtskrippe“ wird einerseits eine kleine Stadt im Sudentenland vorgestellt und andererseits eine riesige Weihnachtskrippe, die über mehrere Jahrhunderte hinweg ergänzt, geändert und modernisiert wurde, beschrieben, obwohl diese bei einem Unwetter durch Einsturz des Dachs umgekommen war. Sie war schon zu einem riesigen Ungetüm geworden, das zu pflegen und in Betrieb zu halten schwierig wurde. Eine Frau, die im Zuge des Zweiten Weltkriegs ihren Mann und dann auch ihr Kind verloren hatte, widmete den Rest ihres Lebens dieser Krippe. Sie baut selbst Krippenteile und scheut auch nicht davor zurück in die 2000 Jahre alte Szene der Geburt Jesu zeitgenössische Szenen hinzuzufügen. So kamen auch Kriegsszenen und moderne Begebenheiten in die Krippe. Sie existiert nicht mehr, aber die Dichterin lässt sie in dieser Geschichte wiederaufleben. „Spiel auf vielen Trommeln“ gab diesem Buch den Titel. Eine Frau – sie stellt sich zu Beginn der Geschichte selbst vor und beschreibt ihre Person – zieht in eine Stadt und beschreibt diese. Sie beruft sich auf die Behauptung, dass zwischen Menschen und Orten ein Zusammenhang besteht; dass Städte Menschen beeinflussen. Als Beispiele nennt sie Paris, wo man raffinierter wird und New York, wo Menschen konkreter werden. Sie dürfte aus einem anderssprachigen Land in diese Stadt gezogen sein, denn sie besucht einen Sprachkurs und beschäftigt sich bei dieser Schilderung in einem Diskurs mit dem „Jetzt“. „Daß „jetzt“ nämlich „nie wieder“ heißt. „Jetzt“ heißt, daß das, was ist, in genau demselben Moment aufhört zu existieren, zerbröckelt wie eine morsche Treppenstufe. Es ist ein furchtbarer, erschreckender Begriff, der die ganze grausame Wahrheit enthüllt.“ (Seite 91) Das „Jetzt“ sei ein Privileg des Menschen. „Deshalb habe man die Sprache ersonnen – um die Übertragung von Ereignissen aus der Vergangenheit in die Zukunft zu kontrollieren und damit Macht über die Zeit zu haben, um die Zeit anzuhalten, und sei es auch nur für einen kurzen Augenblick, in dem man in der vollen Bedeutung sagen kann „ich bin“.“ Die Proponentin dieser Geschichte dürfte vom Land in die Stadt gezogen sein, denn die Verschiedenheit der Menschen beeindruckt sie und verführt sie dazu sich selbst immer wieder unterschiedlich der Stadt zu präsentieren. Einmal als Junge mit einer Baseball Kappe. Ein anderes Mal bucht sie eine Nacht in einem Hotel und gibt sich als Businessman aus. Aber auch als Landstreicherin zieht sie durch die Stadt. Den Titel bekam die Geschichte von einer Romagruppe, die Sommer und Winter in Wägen in der Nähe ihrer Wohnung lebt und speziell am Abend und in den Nächten trommelt. Als Leser werden einem auch die verschiedensten Arten von Trommeln vorgestellt. Man kann sie nicht hören, aber die Erzählerin beschreibt die unterschiedlichen Töne, weil sie letztlich auch selbst zu einer Trommlerin mit dieser Gruppe wird. Hinter dem Titel der Geschichte „Die Glyzinie“ verbirgt sich die Liebschaft der Mutter in den Schwiegersohn. „Ich begehre ihn, seit ich ihn das erste Mal gesehen habe. Ist daran etwas Schlimmes? Töchter sind doch ein Teil ihrer Mütter und Mütter ein Teil ihrer Töchter – da ist es nicht verwunderlich, wenn das Begehren sie überschwemmt wie ein Fluss bei Hochwasser und jeden Winkel der unteren Regionen ausfüllt.“ (Seite 116) Ein Ausflug in die Politik ist „Die Bohnenweissagung“, in der ein hoher Politiker einen Weissager aufsucht, um seine Zukunft (und deren Gefahren) kennen zu lernen. Alle sechs Geschichten lesen sich sehr gut. Die Autorin zeigt jeweils ein Stück ihres Landes. Jene mit der Großstadt stammt aus der Zeit, in der sie ein Stipendium in Berlin hatte. Berlin ist ihre Vorlage für die beschriebene Stadt. }, keywords = {Erzählungen, Nobelpreis, Olga, Polen, TOKARCZUK}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{STÖCKL2019, title = {Wofür soll ich dankbar sein?}, author = {STÖCKL, Barbara}, year = {2019}, date = {2019-11-22}, abstract = {STÖCKL, Barbara: „Wofür soll ich dankbar sein?“, Salzburg 2012 Woher ich dieses Buch habe weiß ich gar nicht. Es lag am Stoß meiner ungelesenen Bücher. Ich habe es in den Urlaub nach Ägypten mitgenommen und so begann ich zu lesen. Ohne viel Erwartungen. Umso überraschter und interessierter habe ich dann gelesen. Weisheiten, die man eigentlich selbst erkennen und wissen müsste werden einem als Leser hier vorgeführt. Das tut ganz gut. Die Autorin macht das auch sehr sympathisch und persönlich. So beginnt sie im Prolog damit, wie ihr stets aktive Vater in der Intensivstation liegt, aber sich bald über kleine Dinge freut. Sie geht mit der ersten Geschichte in ihrer persönlichen Geschichte bis zum Urgroßvater zurück und stellt diesen in ein anderes Licht, als es bisherige Überlieferungen taten. „Wir können das Leben nur vorwärts leben und nur rückwärts verstehen. Heiter weiter nach vorne schauen, und die Sinne schärfen für alles Schöne.“ (Seite 17) Man bekommt eine Einschulung zum Dankbarsein. Sie bringt Erlebnisse als Pflegerin in einem Altersheim und ein Gespräch mit dem als überheblich geltenden André Heller, der es eigentlich gar nicht ist. Er spricht von „bedingungsloser Liebe“ und meint damit den Anderen/die Andere so zu lassen und so zu achten und zu lieben wie er/sie ist. Wenn man den Anderen verändern möchte, so wie man es gerne hätte, dann darf man nicht von „Liebe“ sprechen. Auch stellt Heller Danken vor das Bitten. Besser zu sagen „Danke, dass mir mit Sicherheit geholfen wird.“ (Seite 45) Barbara Stöckl zitiert viele Experten und packt damit viel Wissen und Weisheiten in dieses Buch. „Der Theologe Clemens Sedmak meint dazu: „Ich glaube, undankbare Menschen sehen nicht, dass es ziemlich viele Wunder gibt. Jeden Tag.“ (Seite 61) Man solle dankbar sein, dass man mit dem eigenen PartnerIn verheiratet ist. Freude darüber entwickeln, dass der Andere da ist, Teil des eigenen Lebens ist. Von einer ihrer Afrikareisen nahm ich den Satz „Europäer haben eine Uhr, Afrikaner haben Zeit“ mit. Jeden Abend soll man sich die Frage stellen „Was war heute gut?“ Ein interessanter Versuch: „Mit wem würde ich mein Leben tauschen? Wessen Leben würde mir besser gefallen als meines?“ In der Schule habe ich ein Gedicht gelernt, das auf dasselbe abzielte. Ein Mann kam in den Himmel und beschwerte sich über das „Kreuz“, das er da auf Erden tragen muss. Man bot ihm andere Kreuze an. Das goldene war ihm zu schwer, das gläserne zu riskant, dass es bricht usw. Letztlich nahm er wieder sein eigenes. Eine Empfehlung ist es auch, dass man jeden Tag so leben solle, als wäre es der letzte. Letztlich liegt man eines Tages damit richtig. Wie gesagt: die Autorin stellt viele Theorien und Methoden vor. So auch Naikan, bei der geben und nehmen buchhalterisch verwaltet wird. Aber vor allem schaut man auf sich selbst. Normal sehen wir, was die Anderen falsch machen. Hier muss man zuerst bei sich beginnen. Das Thema „Dankbarkeit“ zieht sich durch das ganze Buch. Fakten lösen Erlebnisse ab. Am besten fand ich aber die persönlichen Erzählungen. Es ist doch mehr als ein üblicher Ratgeber für seelische Schmerzen. }, keywords = {Dank, Psychologie, Religion, Seele}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HESSE2019, title = {Der Steppenwolf}, author = {HESSE, Hermann}, year = {2019}, date = {2019-11-20}, abstract = {HESSE, Hermann: „Der Steppenwolf“, Berlin 2018 Ein Klassiker. Ich, als Leser, bin ein Late Follower. Meine Kinder hatten es schon in der Schule gelesen. Bald wird es auch von den Enkelkindern gelesen werden. Naiv ging ich ans Lesen. Unter dem Titel „Steppenwolf“ erwartete ich eine Geschichte aus dem Wilden Westen oder einen Naturkunderoman. Dass der Steppenwolf ein Mensch, eigentlich ein normaler Mensch ist, in dessen Seele und Denken neben dem Menschsein auch etwas Tierisches wohnt war dann die große Überraschung. Der Autor tut so, als sei die Geschichte nicht (ganz) von ihm geschrieben. In seinem Vorwort meint er, er habe den Text von einem Untermieter seiner Tante gefunden. Sie werden „Harry Hallers Aufzeichnungen“ genannt. Harry Haller ist die Hauptfigur, der Steppenwolf, wie er sich auch selbst bezeichnet. Wie die Mischung von Wolf und Mensch aussieht wird dann in einem „Tractat vom Steppenwolf“ beschrieben. Eine Broschüre, die der Steppenwolf selbst von einem nächtlichen Straßenverkäufer erwirbt. Hierin wird dann sein eigener Charakter beschrieben und erst nach diesem geht es dann auf Seite 87 in den eigentlichen Roman hinein. Obwohl auch hier noch ein kurzer Schwenk: in Gedichtform kommt nochmals eine Beschreibung dieser Mensch-Tier-Kreuzung. Der Roman endet in einem „Magischen Theater“, in dem der Proponent noch verschiedene Szenarien durchleben kann. Allein vom Aufbau her ist dieser Roman schon etwas Besonderes. Der Steppenwolf ist ein einsamer Mensch. Er zieht von einer Unterkunft zur nächsten. Seine Frau hat ihn verlassen. Seine Freundin trifft er nur in großen Abständen. Meist ist er alleine. Der Steppenwolf ist das in „eine ihm fremde und unverständliche Welt verirrte Tier, das seine Heimat, Luft und Nahrung nicht mehr findet.“ (Seite 41) Zusätzlich ist er noch ein Abendmensch, der oft bis tief in den Tag hinein schläft, um dann in der Nacht aktiv zu werden. „Der Morgen war für ihn eine schlimme Tageszeit, die er fürchtete und die ihm niemals Gutes gebracht hat. Nie ist er an irgendeinem Morgen seines Lebens richtig froh gewesen, nie hat er in den Stunden vor Mittag Gutes getan, gute Einfälle gehabt, sich und anderen Freude bereiten können.“ (Seite 60) Essen ist ihm nicht wichtig. „Und alsdann fraß ich ein gutes Stück von der Leber, die man aus dem Leib eines totgeschlagenen Kalbes geschnitten hatte.“ (Seite 45) Der Selbstmordgedanke quält ihn, obwohl er weiß, dass es nicht nur ein Ausweg ist. „Jeder weiß, in irgendeinem Winkel seiner Seel, recht wohl, dass Selbstmord zwar ein Ausweg, aber doch nur ein etwas schäbiger und illegitimer Notausgang ist, dass es im Grunde edler und schöner ist, sich vom Leben selbst besiegen zu lassen und hinstrecken zu lassen als von der eigenen Wand.“ (Seite 65) Mit diesem inneren Zwiespalt kämpft der Steppenwolf. Er weiß es dann schon fast sicher, dass er mit der Rasierklinge seinem Leben ein Ende machen wird. Er streunt noch durch die Nacht und wie es das Schicksal will trifft er in einem Gasthaus auf eine junge Frau, die sein Problem erkennt und ihn auf andere Gedanken bringt, ja, die ihn berät und unterstützt, seine Freundin wird. Viele Dinge haben auch heute noch Tagesaktualität, wie etwa die Meinung über die Medien: „Zwei Drittel meiner Landsleute lesen diese Art von Zeitungen, lesen jeden Morgen und Abend diese Töne, werden jeden Tag bearbeitet, ermahn, verhetzt, unzufrieden und böse gemacht …“ (Seite 152) Im Traum erscheint dem Steppenwolf auch Goethe und er erklärt ihm, was er falsch macht. Es kommt zu einer Diskussion. Ebenso kommt es mit einem Musiker zu einem Diskurs über Musik. Der intellektuelle und gebildete Steppenwolf will unterscheiden zwischen guter und schlechter Musik. Er will klassifizieren und etwa klassische Musik höherstellen als Schlagermusik. Sein Gesprächspartner meint aber, dass jede Art von Musik ihre Berechtigung hat. Dass zwar Mozart auch in den nächsten Generationen noch gespielt wird und so mancher Schlager schon nach kurzer Zeit vergessen sein wird, „aber das können wir ruhig dem lieben Gott überlassen, er ist gerecht und hat unser aller Lebensdauer in der Hand, auch die jedes Walzers und jedes Foxtrott, er wird sicher das richtige tun.“ (Seite 172) So steckt dieses Buch neben der Handlung um die Leiden des Steppenwolfs auch voll mit Lebensweisheiten. Den Höhepunkt erreicht das Buch im Finale im „Magischen Theater“, das aber „nicht für jedermann“ ist. Seine Freundin Hermine und deren Freund, der Musiker bringen ihn zu diesem außergewöhnlichen Erlebnis, in dem es in verschiedenen Logen unterschiedliche Szenarien zu erleben gibt. In der „Auf zum Fröhlichen Jagen!“ geht es um Krieg. Mit einem Jugendfreund, einem Theologieprofessor, gelangt er in eine Kriegsszene, wo es nur darum geht andere Menschen zu erschießen. Hesse macht damit bewusst, wie manipulierbar der Mensch ist, auch wenn es unmenschliche Handlungen sind. Das Angebot weiterer Erlebnisszenen ist groß. Der Steppenwolf entscheidet sich für „Anleitung zum Aufbau einer Persönlichkeit“, in der er lernt mit schachfigurenähnlichen Figuren ein persönliches Szenarium aufzustellen. In der Sektion „Wunder der Steppenwolfdressur“ werden ihm zwei Szenarien vorgeführt: einerseits wie sich der Wolf dem Menschen gefügig macht, aber auch, wie sich der Mensch dem Wolf unterordnet. Bei „Alle Mädchen sind dein“ werden ihm alle Liebschaften seines Lebens bewusst gemacht. Und dann der Höhepunkt „Wie man durch Liebe tötet“. Hier findet er seine Henriette mit dem Jazzmusiker nackt nebeneinander liegen. Henriettes Wunsch war es, dass der Steppenwolf sie tötet; ihr Leben beendet, was er an dieser Stelle tut. In einer Diskussion mit dem Musiker beschuldigt ihn der, sein Theater, das sich in der irrealen Welt bewegt mit dem Mord ins Reale geholt zu haben. Mozart tritt als eine Art Richter auf und stellt den Steppenwolf zur Verantwortung. Die letzte Loge heißt „Harrys Hinrichtung“. Hier wird der Steppenwolf vor ein Gericht gebracht und verurteilt. Wird es vollstreckt? Das bleibt offen, den zu Beginn des Theaterbesuchs reichte der Musiker Rauschgift und erst das eröffnet die Vorstellungskraft für die einzelnen Szenarien. Mit Hesses „Steppenwolf“ liegt ein Klassiker der Dichtung vor, der auch noch von vielen kommenden Generationen gelesen wird und an Aktualität nicht verlieren wird. }, keywords = {Charaktrer, Märchen, Selbstmörder}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SIMMEL2019, title = {Meine Mutter darf es nie erfahren!}, author = {SIMMEL, Johannes Mario}, year = {2019}, date = {2019-11-13}, abstract = {SIMMEL, Johannes Mario: „Meine Mutter darf es nie erfahren!“, Wien 1952 Als Erwachsener ein Jugendbuch zu lesen ist schon interessant. Wenn es dann noch aus einer früheren Zeit ist – in dem Fall nach dem Zweiten Weltkrieg“ – wird es doppelt interessant. Es stammt aus einer anderen Zeit. In der die Menschen noch andere Sorgen hatten. Vom Luxus noch entfernt wird das Schicksal eines Schulbuben erzählt, der ein schlechtes Zeugnis bekommen hatte und sich nicht heimgehen getraut. Seine kranke Mutter würde sich über den negativen Abschluss zu sehr aufregen, und wie ihm erst kurz vorher der behandelte Arzt erklärt hatte, würde das ein Rückfall in ihrer Krankheit bedeuten. Er beschließt daher nicht nach Hause zu gehen. Ein Schulfreund hilft ihm. Es wird zu einer Verfolgungsjagd. Er versteckt sich in einem Kino, wo er am Ende des Films gestellt wird. Ein junger Mann springt für ihn in die Presche und lädt ihn zum Essen ein. Er verhilft ihm zu einer Arbeit, bei der er Geld verdienen kann. Ohne es zu wissen ist er Räubern in die Hände gefallen und wird in einen Einbruch verwickelt. Aber wie man es sich eben nach dem Weltkrieg wünschte, gibt es ein Happy End. Stilistisch könnte man aus heutiger Perspektive sagen „kitschig“. In die Zeit gestellt ist es Leseunterhaltung. Auch vom Stil, der Systematik und Aufmachung. Vor jedem Kapitel stehen kurze Sätze und Schlagwörter, die das anschließende Kapitel vorauseilend definieren. Dies wirkt wie eine Arbeitsskizze des Autors. Tuschzeichnungen illustrieren die Geschehnisse. }, keywords = {Räuber, Schulabschluss, Zeugnis}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @booklet{Fian2019, title = {"Der Gefängnisdirektor im Rauchersalon. Begegnungen mit Werner Kofler" und "Acht Gedichte"}, author = {Fian, Antonio Kreidl, Margret Gahse, Zsuzsanna}, year = {2019}, date = {2019-11-08}, abstract = {Fian, Antonio; Kreidl, Margret; Gahse, Zsuzsanna: "Der Gefängnisdirektor im Rauchersalon. Begegnungen mit Werner Kofler" und "Acht Gedichte", Wien 2016 Der Kärntner Dichter Fian schreibt über seine schriftstellerischen Arbeiten und Aktivitäten und wie er Kontakt zu Werner Kofler bekam. Oft kam es zur Zusammenarbeit, ja sogar über den Tod Koflers hinaus. In der Erzählung bringt er noch eine Stange Zigaretten für den Verstorbenen in dessen Lieblingsgasthaus. Die Österreicherin Margret Kreidl und die Ungarin Zsuzsanna Gahse stellen vier Gedichte gegenüber. Es beginnt mit einem Wortspiel, das Kreidl "Gemischter Satz" nennt und Gahse "Ein Ansatz?" Ein schönes Wortspiel, das aufzeigt wie wir Redewendungen verwenden ohne mehr darüber nachzudenken, die beiden Dichterinnen wecken den Leser auf. Ähnlich geht es dann weiter mit "Ein gelber Satz" versus "Fortsetzung", "Sätze im Fluss" versus "Gegensatz" und "Krempelsatz" versus "Nachsatz". Eine Broschüre, derEn Inhalt beim Kulturfestival "literatur&wein" im Stift Göttweig 2016 entstanden ist. }, month = {11}, keywords = {Dichter, Kofler, Wachau}, pubstate = {published}, tppubtype = {booklet} } @book{BROWDER2019, title = {Red Notice. Wie ich Putins Staatsfeind Nr.1 wurde}, author = {Bill BROWDER}, year = {2019}, date = {2019-11-07}, abstract = {BROWDER, Bill: „Red Notice. Wie ich Putins Staatsfeind Nr.1 wurde“, München 2016 Was ist dieses Buch? Ein Roman? Eine Lebensgeschichte? Ein Wirtschaftsbuch? Was auch immer: es ist spannend wie ein Kriminalroman zu lesen. Ein Amerikaner, der mit jungen Jahren große Geschäfte in Russland macht und in Bedrängnis kommt. Sein Großvater war ein führender amerikanischer kommunistischer Politiker. Bill hatte die Eliteuniversität Stanford im Bereich Business abgeschlossen. Einiges probierte er nach seinem Studium. Letztlich entsann er sich seines Großvaters und wollte nach der politischen Wende im kommunistischen Osten dort aktiv werden. Seine ersten Sporen verdiente er sich in Polen und sah, dass die kommunistischen Betriebe zu günstigen Konditionen privatisiert wurden. Oligarchen bereicherten sich. Er machte sich selbstständig und wurde zum führenden Investor in Russland. Er machte den eingesessenen Oligarchen Konkurrenz. Das konnte auf Dauer nicht gut gehen. Er wurde behindert und letztlich verfolgt. Hausdurchsuchungen und Verhaftungen folgten. Er musste das Land verlassen und brachte auch die wichtigsten und gefährdetsten Mitarbeiter nach England in Sicherheit. Einer blieb aus Überzeugung in Russland zurück: sein Anwalt Sergej Magnitski. Er wurde verhaftet und kam in verschiedene Gefängnisse. Man wollte ihm eine Aussage gegen seinen Klienten Browder abpressen. Er fühlte sich als unbescholtener Anwalt sicher und blieb standhaft bei der Wahrheit. Er bezahlte seine Ehrlichkeit mit dem Leben. Grauenvoll kam er in russischen Gefängnissen um. Alles wurde verschwiegen und beschönigt. Letztlich wurden der tote Anwalt und Browder selbst von einem russischen Gericht in Abwesenheit (der eine war ja schon tot) zu langen Kerkerstrafen verurteilt. Da wurde der Millionär Browder zum Menschenrechtsaktivisten. Er kämpfte um die Gerechtigkeit und den Imagegewinn seines ermordeten Anwalts. Er rechtfertig das im Buch so: „Wenn man mich damals an der Stanford Business School gefragt hätte, ob ich mir vorstellen könnte, ein Leben als Hedgefonds-Manager aufzugeben und Menschenrechtsaktivist zu werden, hätte ich den Fragesteller für verrückt erklärt.“ (Seite 399) Browder ließ keine Gelegenheit ungenützt. Beschäftigte die amerikanische und britische Regierung; machte die Öffentlichkeit mit YouTube Videos auf die Sache aufmerksam. Er riskierte dabei sein Leben, aber er gab nicht auf, bis es zu einer Unterstützung kam. Oft hatte man ihm abgeraten sein Leben zu riskieren. Er aber kämpfte weiter um Gerechtigkeit: „Ich tue das alles zweifellos nicht aus Tapferkeit; ich bin nicht tapferer als andere. Ich empfinde die Angst ebenso quälend, wie es jeder andere Mensch unter diesen Umständen tun würde, aber ich habe festgestellt, dass dieses Gefühl, wie sehr ich mich in bestimmten Situationen auch ängstigen mag, nicht von Dauer ist. Nach einer gewissen Zeit schwächt es sich ab. Wie jeder bestätigen wird, der eine Weile in einem Kriegsgebiet gelebt hat oder einen gefährlichen Job verrichten musste, ist der menschliche Körper nicht in der Lage, über einen längeren Zeitraum Angst zu empfinden. Je mehr Ereignisse dieser Art man erlebt, umso besser kommt man damit zurecht.“ (Seite 397) Seinen Wechsel vom Wirtschaftsbereich zum Menschenrechtsaktivisten verglich er mit einem Schwarzweiß-Fernsehapparat (=Business) und einem Breitband-Farbfernseher (=kämpfen um Menschenrechte). Er sieht als Hauptdrahtzieher Präsident Putin. Wie es auch immer gewesen sein mag: mit der Publizierung dieses Falls haben sich sicher viele in Russland und auch anderen Ländern in ihrer Vorgehensweise geändert. Wie schon gesagt: das Buch liest sich wie ein spannender Kriminalroman, obwohl es um Realitäten geht. Die detaillierte Schilderung des Autors sind wahrscheinlich nur durch kontinuierliche Aufzeichnung entstanden. Tagebucheintragungen (?) oder ähnliches. An ein eigenes Buch war zu Beginn der Geschäfte in Russland sicher nicht zu denken. Unter dem Titel „Red Notice“ können sich viele Leser nicht wirklich vorstellen, was da dahintersteckt. Dass es ein Auslieferungsbegehren eines Landes über die INTERPOL ist habe ich auch nicht vermutet. Nach dem Autor dieses Buches wurde also international gefahndet. Generell möchte ich festhalten, dass in all diesen Aufzeichnungen das politische, juristische und Menschenrechts-System Russlands angeprangert wird. Wenn alles so war, wie beschrieben ist alles zurecht. Aber darüber hinaus denke ich, dass dieses Buch auch stellvertretend für viele Länder stehen kann. Ob sie sich Diktaturen oder Demokratien nennen. Ob ein ganzes Land oder eine Region. Ungerechtigkeiten rund um den Globus. Und trotzdem muss man optimistisch bleiben und Vorfälle mutig – so wie Browder – aufzeigen. }, keywords = {Menschenrechte, Russland, Wirtschaft}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{KEPLINGER2019, title = {Zisterzienser in Österreich}, author = {KEPLINGER, Ludwig}, year = {2019}, date = {2019-11-03}, abstract = {KEPLINGER, Ludwig: „Zisterzienser in Österreich“, Salzburg 2004 Ein sehr informatives und schön illustriertes Buch über die österreichischen Zisterzienserklöster. 9 Männerklöster - Heiligenkreuz, Lilienfeld, Rein, Schlierbach, Wilhering, Zwettl, Wettingen-Mehrerau, Stams, Engelszell – und 3 Frauenklöster – Mariastern-Gwiggen, Marienfeld und Marienkron. Aber auch die ehemaligen und aufgelassenen Zisterzienserklöster werden vorgestellt. Nach einer allgemeinen Einleitung über die Entstehung, Spiritualität und Geschichte der Zisterzienser im Allgemeinen wird auf die Entwicklung und Eigenart der österreichischen Klöster eingegangen. Bild Bildern und ausführlichen Texten wird dann jedes Kloster vorgestellt; dessen Geschichte, aktuelle Situation und künstlerische Betrachtung. Einmal mehr wird hier aufgezeigt, welche schöne Kulturdenkmäler Österreich hat }, keywords = {Österreich, Zisterzienser}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{GRANSKY2019, title = {ERIKA PLUHAR. Ein Bilderbuch}, author = {GRANSKY, Christine de; DOUER, Alisa; FRERK, Evelin}, year = {2019}, date = {2019-10-27}, abstract = {GRANSKY, Christine de; DOUER, Alisa; FRERK, Evelin: „ERIKA PLUHAR. Ein Bilderbuch“, Hamburg 2004 Ich bin ja nicht nur ein Leser von Büchern, sondern auch ein Sammler. Von bestimmten Autoren will ich alle Bücher besitzen, wenngleich ich sie nach meinem Tod einer Universität vererben werde. Aber vollständige Sammlungen haben doch mehr Wert. Wert hat auch dieses Buch und seine frühen Texte von Erika Pluhar. Die am Cover angeführten Autoren sind Fotografinnen. Es ist ja ein Bildband. Dazwischen aber Texte der jüngeren Autorin Pluhar. Etwa Tagebuchaufzeichnungen aus dem Jahr 1983 und „Frühe Texte“ aus dem Jahr 1998. Wunderbar auch die vielen schönen Bilder Erika Pluhars, die ihre Wandlungsfähigkeit zeigen. }, keywords = {Bildband, Erika Pluhar, Fotos, frühe Texte}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HANDKE2019, title = {Wunschloses Unglück}, author = {HANDKE, Peter}, year = {2019}, date = {2019-10-19}, abstract = {HANDKE, Peter: „Wunschloses Unglück“, Salzburg 1972 Alle Bücher von ihm habe ich gelesen. Jetzt, wo er 2019 den Nobelpreis bekam begann ich wieder. Ich nahm mir zuerst das „Wunschlose Unglück“ vor. So wie viele Dichter handelt er seine Beziehung zur verstorbenen Mutter ab. Wohl für jeden Menschen ist die Mutter eine wichtige Figur im Leben. Will man diese noch beschreiben, dann stößt man auch als ausgezeichneter Dichter und Erzähler an Grenzen. „“Etwas Unnennbares“, heißt es oft in Geschichten, oder: „Etwas Unbeschreibliches“, und ich halte das meistens für faule Ausreden; doch diese Geschichte hat es nun wirklich mit Namenlosem zu tun, mit sprachlosen Schrecksekunden.“ (Seite 47) Die Mutter hatte Selbstmord begangen. Vorher hat sie dem Sohn noch einen Brief geschrieben. Das schmerzt im Herzen und Handke lässt es auch dem Leser dieser Erzählung spüren. Der Titel „Wunschloses Unglück“ wird auf Seite 19 so definiert: „Selten wunschlos und irgendwie glücklich, meistens wunschlos und ein bisschen unglücklich.“ Am Grab entschied er über die Mutter zu schreiben „Auf einmal hatte ich in meiner ohnmächtigen Wut das Bedürfnis, etwas über meine Mutter zu schreiben.“ (Seite 98) Er sieht das Schreiben über seine Mutter als Therapie. „Das Schreiben war nicht, wie ich am Anfang noch glaubte, eine Erinnerung an eine abgeschlossene Periode meines Lebens, sondern nur ein ständiges Gehabe von Erinnerungen in Form von Sätzen, die ein Abstandnehmen bloß behaupteten.“ (Seite 99) Und das ist auch die Stärke Handkes: formen von Sätzen. Ein großartiges Buch, mit dem er selbst aber nicht so zufrieden war, wenn er am Ende sagt „Später werde ich über das alles Genaueres schreiben.“ (Seite 105) }, keywords = {Bewältigung, Mutter, Tod}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Wolfgang2019, title = {Elephant to India. Die Geschichte einer weiten Reise ins Herz Asiens. 3 Abenteurer, 2 Vespas und 1 Ziel: Goa}, author = {PRÖHL Wolfgang}, year = {2019}, date = {2019-10-18}, abstract = {PRÖHL, Wolfgang: „Elephant to India. Die Geschichte einer weiten Reise ins Herz Asiens. 3 Abenteurer, 2 Vespas und 1 Ziel: Goa“, Wien 2019“ Normal sagt man „Das Buch war besser als der Film“, wenn man zuerst ein Buch gelesen hat und später dessen Verfilmung sieht. In diesem Fall ist es umgekehrt. Wir sahen zuerst den Film und im Nachhinein las ich das – vom Autor selbst (noch im Kino) – verkaufte Buch Das Buch war gut, aber der Film war besser. Ein großartiger Film. Da ich aber an solchen Abenteuerreisen interessiert bin, sind mir auch die detaillierten Beschreibungen dieser Reise von Berlin über Wien, Istanbul, Georgien, Aserbaidschan, Tibet, China nach Indien nicht langweilig. Für einen „Normalsterblichen Leser“ wäre dies aber zu langatmig. Ich jedenfalls genieße die 300 Seiten und so manche Fotos erinnern mich wieder an den Film. Es ist ein großformatiges Buch und nur schwer im Bett lesend zu halten. Aber man nimmt das Gewicht in Kauf, um den 3 Österreichern bei ihrer Abenteuerreise zu folgen. Seite für Seite fährt man geistig mit, auch wenn man den Film schon gesehen hat. In den gedruckten 300 Seiten geht es noch mehr in die Tiefe als in 120 Minuten Film. Es ist auch köstlich, wie der Autor und Filmregisseur manche Sachen ausdrückt. Etwa, wenn sie eine vergorene Stutenmilch angeboten bekommen und sie aus Höflichkeit gegenüber den Gastgebern trinken müssen: „Irgendwie würgen wir das Zeug hinunter. Ich stelle mir bei jedem Schluck vor, es ist kalter Kakao – mit dem Erfolg, dass ich seither kalten Kakao überhaupt nicht mehr mag.“ (Seite 198) Glücklich kommt man auch als Leser im Ziel Goa an, um vorher alle Leiden und Freuden durch die asiatischen Länder durchzustehen. Die negativen Erfahrungen mit China kann ich als Leser nicht teilen. Wir sind eben die Gäste eines Landes und haben deren Kultur zu akzeptieren. Ob die besser oder schlechter als unsere in Westeuropa ist? Schwer zu beurteilen. Jedenfalls sind wir nicht der Weltmittelpunkt. Aber ein interessantes und schönes Projekt, in dem man sowohl im Film, als auch im Buch mit leben kann. }, keywords = {Asien, Indien, Reise, Vespa}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{ROTH2019, title = {Die Rebellion}, author = {ROTH, Joseph}, year = {2019}, date = {2019-10-06}, abstract = {ROTH, Joseph: „Die Rebellion“, Berlin 2015 Das Original ist 1924, also vor bald 100 Jahren erschienen. Trotzdem hat es Nichts an Literarischem eingebüßt. Roth beschreibt einen überzeugten Patrioten. Er verherrlicht die Regierung und sieht als Optimist in allem nur Gutes. Selbst als er im Krieg ein Bein verliert und mit Krücken gehen muss sieht er es positiv. Er bekommt „von der Regierung“ einen Job in Form einer Lizenz zum Spielen mit einer Drehorgel. Auch wurde er mit einem Orden ausgezeichnet, ein Kreuz, das er stolz trägt und dass ihm auch hilft Respekt von Passanten zu bekommen und im Drehorgelgeschäft viele Spenden. Er kann ganz gut leben. Als ihm dann noch das Glück wiederfährt eine Frau, eine Witwe zu finden wird sein Leben noch kompletter. Sie hat ihn erwählt, weil „ein Mann gesetzten Alters, mit einem körperlichen Mangel“ wie ein „Vogel mit bereits gestutztem Gefieder, der leicht zu halten war und keiner aufregenden Disziplin mehr bedurfte.“ (Seite 27) Schlagartig ändert sich das durch eine Konfrontation in der Straßenbahn und ab da geht es bergab. Es kommt zum Streit und zu Handgreiflichkeiten. Die Lizenz wird ihm entzogen. Seine Ehefrau wirft ihn hinaus. Er kommt ins Gefängnis. Wieder frei verschafft ihm ein ehemaliger Zimmerkollege einen Job als Toilettenbetreuer. Er wird krank, verkommt und stirbt letztlich in seiner Toilette. Dabei träumt er ein Rebell zu sein. Er hadert auch mit Gott: „Gegen dich rebelliere ich. Nicht gegen jene. Du bist schuldig, nicht seine Schergen. Hast du Millionen Welten und weißt dir keinen Rat? Wie ohnmächtig ist deine Allmacht! Hast du Milliarden Geschäfte und irrst dich in den einzelnen? Was bist du für ein Gott? Ist deine Grausamkeit Weisheit, die wir nicht verstehen – wie mangelhaft hast du uns geschaffen!“ (Seite 100) Seine Lebenseinstellung hat sich grundlegend geändert. Roth versteht es ausgezeichnet diesen Veränderungsprozess aufzuzeigen. Er lässt im Zuge seines Wandels dem Proponenten sagen „Oder ich war krank im schlafenden Herzen. … Das Herz hält einen langen Schlaf, es tickt und tackt, aber es ist wie tot. Eigene Gedanken dachte mein armer Kopf nicht.“ (Seite 82) }, keywords = {Invalide, Kriegsgeschädigter, Ungerechtigkeit}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{ROSEI2019, title = {Die große Straße. Reiseaufzeichnungen}, author = {ROSEI, Peter}, year = {2019}, date = {2019-10-04}, abstract = {ROSEI, Peter: „Die große Straße. Reiseaufzeichnungen“, Salzburg Wien 2019 Peter Rosei ist und war ein Vielreisender. Die meisten Reisen hat er auch dokumentiert. Das vorliegende Buch gibt diese Reisebeschreibungen aus mehreren Jahrzehnten wieder. Durch die Zeitachse ist es auch ein Historienbuch. Viele Länder sind anders beschrieben, als sie heute sind. Auch wenn der Abstand nur kurz ist, wie etwa bei der ersten Geschichte „China zu verstehen“ aus dem Jahre 2012. Ein Land, das sich schnell verändert und 7 Jahre sind da eine lange Zeit. Das Buch gliedert sich in drei Teile: Im ersten Teil, der sich „Weiter, weiter“ nennt kommt es zu Reisebeschreibungen der letzten Jahre. Der zweite Teil ist Amerika gewidmet und der dritte Teil führt wieder nach Europa. Man könnte das Buch auch als eine „Resteverwertung“ bezeichnen. Alte Geschichten werden wieder aufgewärmt und veröffentlicht. Es ist teilweise schon historisch. In 100, 200 oder mehr Jahren kann es aber eine wichtige historische Dokumentation sein. Es ist ein Buch, das man vielleicht nicht sequentiell von der ersten bis zur letzten Seite liest, sondern einzelne Kapitel herausgreift, für die man als Leser Interesse hat oder selbst dort gewesen ist und wissen möchte, wie das Erlebte ein anderer, in dem Fall ein Dichter, gesehen hat. }, keywords = {International, Reiseberichte}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Michael2019, title = {Wenn ich Wir sage}, author = {KÖHLMEIER Michael}, year = {2019}, date = {2019-10-03}, abstract = {KÖHLMEIER, Michael: „Wenn ich wir sage“, Wien Salzburg 2019 Der Dichter Köhlmeier betätigt sich als Philosoph, obwohl er es nicht ist. Andererseits formuliert er gut und vielleicht besser als ein wahrer Philosoph und so verständlicher für normale, nichtphilosophische Leser. Immer wieder nimmt er Bezug auf Ralph Waldo Emerson. Da kommt man schon in Versuchung nicht weiterzulesen, sondern sich diesen Emerson zu besorgen und im „Original“ zu lesen. Es wäre nicht der Dichter Köhlmeier, wenn er nicht persönliche Erlebnisse und Erkenntnisse einfließen lassen würde. So etwa, wie er als kleines Kind wegen einer schweren Krankheit der Mutter ein Jahr von zu Hause weg bei der Großmutter wohnte. Als er dann seinen Vater wiedersah, war der für ein Fremder und gehörte nicht zum „Wir“. Ein gemeinsames „Wir“ erlebte er auch als junger Musiker in einer Band. Vor allem, wenn improvisiert wurde. Orchestermusiker sind für ihn weniger ein „Wir“. Sie spielen die vorgeschriebenen Noten und sind dabei einsam mit dem eigenen „Ich“. Zum „Wir“ zählt er die Familie und Freunde, aber auch Feinde, weil sie in unserem Wir leben. Obwohl wir die positiven Freundschaften lieben: „Wir lassen uns gerne von Freundschaften erzählen, die in Brüderschaft münden und damit quasi-familiär werden.“ (Seite 61) }, keywords = {Familie, Feinde, Freunde, Philosophie, Wir}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Erika2019, title = {Die Stimme erheben}, author = {PLUHAR Erika}, year = {2019}, date = {2019-09-30}, abstract = {PLUHAR, Erika: „Die Stimme erheben. Über Kultur, Politik und Leben“, Salzburg Wien 2019 Reden und Zeitungsbeiträge, Essays und Kurzgeschichten aus den Jahren 2002 bis 2019. So etwas kann nur eine anerkannte und berühmte Schriftstellerin herausgeben. Von unbekannten Personen würde man so eine Zusammenstellung nicht lesen wollen. In diesem speziellen Fall ist die Hauptzielgruppe bei den Fans von Erika Pluhar zu suchen. Sie wollen mehr von ihr wissen (obwohl sie es ohnehin wissen). Die in diesem Buch abgedruckten Texte bestätigen nur das Menschenbild, das man von Erika Pluhar, der ehemaligen Schauspielerin, die dann zum Schriftstellertum wechselte und als Sängerin auf der Bühne steht. Politisch ist sie ihrer Einstellung zum Sozialismus treu geblieben, auch wenn die dafür zuständige Partei den Sozialismus verlassen hat. Sie ist eine der wenigen Künstlerinnen, die sich politisch auch outet und zu ihrer Ansicht steht, ja diese im praktischen Leben auch anwendet und umsetzt. Das kommt auch bei den vorliegenden Texten zum Ausdruck. Da geht es um „starke Frauen“, um „das Gesehen werden“ und das Offenlegen des eigenen Lebensstils. In einem ihrer Bücher nennt sie sich auch „öffentliche Frau“. Sie hat zwar nie ein traditionell geregeltes Familienleben geführt, ihre Definition im Kapitel „Männergesundheit“ trifft aber ins Schwarze. Sehr schön, wie sie sagt „Männer leben mit ihrem Körper, Frauen in ihrem Körper.“ (Seite 32) Arbeitstiere, Workaholics nennt sie Menschen ohne Gefühle, die vergessen haben, was leben bedeutet. Gefühle gehen mit ihr einher mit Lebensqualität. „Die Macht der Gefühle“ ist nicht nur das tiefgehendste Kapitel des Buches, es ist auch das längste und beruht auf einem Vortrag vor einer pädagogischen Gesellschaft. Sehr persönlich wird sie, wenn sie zum Tod der Schauspielerin Susi Nicoletti oder über Altkanzler Vranitzky, ihrem Studienkollegen und späteren Chef Archim Benning oder dem Dichter John Irving spricht. Sie schreibt auch über die afrikanische Minderheit der Saharauis, die um Selbstständigkeit kämpfen, aber für den Großteil der Welt in Vergessenheit geraten ist. Viele, teilweise tiefgreifende Themen werden angesprochen. Das Buch endet mit einer Dankrede beim Erhalt der ROMY-Auszeichnung für ihr Lebenswerk, wo sie eine persönliche Beziehung zu Romy Schneider herstellt. Kurze Geschichten mit viel Einblick in eine, thematisch sehr breit aufgestellte Schriftstellerin. }, keywords = {Essays, Pluhar, Reden}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Ursula2019, title = {Cello, stromabwärts}, author = {WIEGELE Ursula}, year = {2019}, date = {2019-09-27}, abstract = {WIEGELE, Ursula: „Cello, stromabwärts“, Klagenfurt Wien 2011 Es ist ihr Debütroman. Die Themen Migration und Kunst werden darin vermischt. Die Geschichte handelt in Rumänien, Österreich und Italien. Die Autorin lässt ihre Kenntnisse im Musikwesen durchklingen. So auch der Titel mit „Cello“. Eine der Hauptpersonen spielt Cello. Auch der Sohn beginnt schon früh mit diesem Instrument. Das Wort „stromabwärts“, das im Titel noch vorkommt bezieht sich auf Rumänien und Migranten, die als handelnde Personen im Roman auftreten. Einerseits während des Ceausescu Regimes geflüchtet, andererseits nach der politischen Wende. In einem Wohnhaus kommen sie alle unter ein Dach. Musiker, die von der Hausbesitzerin gefördert werden. Bogdan, ein rumänischer Schauspieler versucht in seinem Beruf Fuß zu fassen, aber der Akzent im Deutschen macht es ihm unmöglich. Er versucht wieder nach Rumänien zurück zu gehen. Ob er dort erfolgreich wird lässt der Roman offen. }, keywords = {Cellop, Kunst, Migration, Musik}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Walter2019, title = {„Hinterbrühler Geschichten. Informationen, Raritäten & Kuriositäten“}, author = {GLECKNER Walter}, year = {2019}, date = {2019-09-27}, abstract = {GLECKNER, Walter: „Hinterbrühler Geschichten. Informationen, Raritäten & Kuriositäten“, Hinterbrühl 2018 Die Chronik eines Dorfs südlich von Wien. Sie gibt die Veränderungen der Zeit im ländlichen Raum und auch generell wieder. Der Autor beginnt – so wie es sich für eine Geschichtsdarstellung gehört – in frühen Zeiten. In diesem Fall mit der Hallstattzeit (800 v.Chr.) und springt dann zur Türkenbelagerung und ersten Ansiedlungen. Im kleinen Dorf mit wenigen hundert Einwohnern müssen im napoleonischen Krieg Söldner untergebracht werden. Genauso viel wie es Einwohner gibt. Die Aufzeichnungen aus der früheren Zeit existieren praktisch nicht. Daher die großen Sprünge in der Zeit. Im 19. Jahrhundert beginnt dann die Blütezeit des Dorfs mit Fremdenverkehr. Wiener, Großstädter, die hier Urlaub machen. Noch 1940 ist es ein anderes Dorf als heute. Der Autor zählt die Betriebe auf: 15 Greißler, mehrere Fleischhauer, mehr als ein Dutzend Gasthäuser, zwei Bäcker, 6 Schuster bis hin zum Malermeister, Radiomechaniker, Mechaniker und Hufschmied. 2019 gibt es keine 15 Kaufhäuser, sondern nur mehr zwei. Wie in großen Städten sind sie am Ortsrand angesiedelt. Einer im Westen und einer im Osten. Beides Filialen großer Konzerne. Sie bestimmen die Nahrungsmittelpreise für den Ort. Ein Schicksal, wie es allen Orten in Mitteleuropa widerfuhr. Ortsspezifisch dann die Sehenswürdigkeiten. Auf die beiden Weltkriege und ihre Auswirkungen auf das Dorf wird eingegangen und hier im Speziellen auf das Außenlager des Konzentrationslagers Mauthausen. Die Häftlinge produzierten hier in den Stollen des Gipsbergwerks Flugzeuge. 16 Persönlichkeiten hat nach Angaben des Chronisten der Ort hervorgebracht. Eine subjektive Darstellung. Es zählt – so wie es in der heutigen Zeit üblich ist – die Popularität. Einem Journalisten wird mehr Text gewidmet als einem anerkannten Musiker und ein berühmter ortsansässiger Mathematiker hat es ins Buch gar nicht geschafft. Auf alle Fälle ein sehr gut aufgearbeitetes Geschichtsbuch der Marktgemeinde Hinterbrühl bei Wien, das in vielen Kapiteln stellvertretend für andere Dörfer und die generelle Entwicklung stehen kann. }, keywords = {Chronik, Dorfentwicklung, Hinterbrühl}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Saint-Exupéry2019, title = {Wind Sand und Sterne}, author = {Saint-Exupéry, Antoine}, year = {2019}, date = {2019-09-19}, abstract = {Saint-Exupéry, Antoine: „Wind Sand und Sterne“, Düsseldorf 1956 Manchmal ist es gut wieder ein älteres Buch zu lesen. Da haben Autoren – wie Exupéry – Aussagen getätigt, die auch heute noch Gültigkeit haben: „Wir denken, dass die Maschine den Menschen erdrückt und zerstört – wohl nur, weil wir noch zu wenig abstand haben, um die Wirkungen einer so plötzlichen Umstellung zu überblicken. Was sind die hundert Jahre des Zeitalters der Maschine gemessen an den zweihunderttausend Jahren der Menschheitsgeschichte? Wir sind erst noch dabei, in dem Lande der tiefen Schächte und der riesigen Kraftwerke heimisch zu werden. Wir sind eben erst in das noch unvollendete Haus eingezogen. Alles hat sich um uns so schnell geändert, die Beziehungen von Mensch zu Mensch wie die Gesetze von Arbeit und Sitte. Sogar unsere geistigen Wertmaßstäbe sind in ihren tiefsten Tiefen erschüttert. Noch bedeuten Worte Trennung, Fernsein, Entfernung, Heimkehr dasselbe wie früher und enthalten doch nicht mehr dieselben Gegebenheiten. Um die Welt von heute zu deuten, gebrauchen wir eine Sprache, die für die Welt von gestern geschaffen wurde. Darum scheint uns auch das Leben der Vergangenheit naturgemäßer zu sein, nur weil es unserer Sprache gemäßer ist. Wir sind junge Wilde und staunen über unsere neuen Spielsachen. Die Wettflüge haben keinen anderen Sinn. Einer steigt am höchsten, einer saust am schnellsten, wir aber wissen schon nicht mehr, warum wir sie steigen und sausen lassen. Für den Augenblick ist das Wettrennen wichtiger als sein Gegenstand. … So haben auch wir im Fortschrittsrausch die Menschen dazu gezwungen, an Eisenbahnen, Werkbauten und Tiefbohrungen Dienst zu tun, und haben darüber ziemlich vergessen, dass alle diese Anlagen nur geschaffen wurden, um den Menschen zu dienen.“ Der Autor war Pionier in der Luftfahrt und darum handelt es sich in diesem Buch, obwohl viel Lebensweisheit hineinverpackt ist. Er beschreibt wie sie früher gefährlich Strecken geflogen sind, wie der Zusammenhalt der Piloten war und wie sie oft den Naturgewalten trotzen mussten. Speziell beeindruckt hatte ihn – und das nimmt einen prominenten Platz im Buch ein – die Wüste und die Oasen. Ein Schlüsselerlebnis für ihn war eine Bruchlandung in der Wüste, ohne zu wissen wo sie waren. Fast wäre er dabei mit seinem Mechaniker gestorben. Er ging an die Grenzen des Menschlichen und wurde – wie durch ein Wunder gerettet. Bei aller Hingabe zur Technik sieht er in seinem Flugzeug keinen „Zweck, sondern ein Werkzeug, ein Gerät nicht anders als der Pflug.“ (Seite 47) In all seiner Technikgläubigkeit stellt der Mensch eine wichtige Rolle dar. Man sollte öfter auf ältere Bücher zurückgreifen um zu erkennen, dass sich der Kern des Denkens nicht verändert hat. }, keywords = {Abenteuer, Flugzeug, Pilot}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{GSTREIN2019, title = {Als ich jung war}, author = {Norbert GSTREIN}, year = {2019}, date = {2019-09-14}, abstract = {GSTREIN, Norbert: „Als ich jung war“, München 2019 Vorne im Buch steht „A lot remained to be explaines. Louis L´Amour“ Dieses Motto zieht sich dann durch das Buch. Im ersten Kapitel „Diese Freuden“ geht es – ganz gegen den Titel – um zwei Selbstmorde. Als junger Mann fotografierte der Icherzähler im elterlichen Hotel bei Hochzeiten. Eine Braut stürzte sich noch in der Hochzeitsnacht über eine Felswand in den Tod. War der Fotograf beteiligt? Viele waren an einer Aufklärung interessiert und ebenso viele Meinungen und Verdächtigungen gab es. Auch aus dem benachbarten Nonnenkloster. Der junge Fotograf brach sein Studium ab und ging als Schilehrer nach Amerika. Viele Jahre war er dort. Manche meinten er sei geflüchtet nach dem Selbstmord, der vielleicht keiner war. Der zweite Selbstmord dann in Amerika. Ein Physiker nahm immer wieder Unterrichtsstunden bei ihm und wurde so mit dem Schilehrer freund. Auch er stürzte sich in den Tod. Auf Schiern fuhr er gegen einen Baum. Vorher nahm er den Helm ab und fuhr mit dem vorgestreckten Kopf gegen sein Lebensende. Der Schilehrer wird zum Teilerben und es kam wieder zu Verdächtigungen. Im Kapitel „Die nicht erzählte Geschichte“ greift er auf alte Erfahrungen zurück. Als Schilehrer besuchte er regelmäßig eine Bar in der auch ein Mädchen arbeitete, mit der er eine Beziehung aufbauen wollte. Sie verschwindet eines Tages. War er schuld? Das fragte auch der Bruder des Mädchens. Noch weiter geht der zweite Fall zurück: Wie er als Hochzeitsfotograf eine junge Musikerin in der Nacht geküsst hatte. Nach Jahren will ihm ein Kriminalbeamter daraus ein Delikt drehen, weil das Mädchen nicht 17, sondern erst 13 Jahre alt war. Sie wird später eine berühmte Geigerin und er fährt ihr nach um sie zu sehen. Dieses ist das letzte Kapitel: Sarah Flarer. Das Mädchen hatte ihren Namen geändert. Er sieht sie und fährt dann ziellos nach Süden, wo er in eine Schlägerei kommt und im Spital landet. Dort endet auch das Buch. Etwas wirr und doch geradlinig geschrieben. Ist es wirklich ein Thema für ein Buch? Ist es eine Aufarbeitung der eigenen Jugend. Frauenbeziehungen. Auf alle Fälle zeigt das Buch Ängste, die ein Mann ausstehen kann, wenn er eine vielleicht unerlaubte Beziehung mit einer Frau eingeht. }, keywords = {Jugendliebe, Schilehrer, Selbstmord}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{EDELBAUER2019, title = {Das flüssige Land}, author = {EDELBAUER, Raphaela}, year = {2019}, date = {2019-09-08}, abstract = {EDELBAUER, Raphaela: „Das flüssige Land“, Stuttgart 2019 Der erste Roman der Bachmann-Preisträgerin. Die Hauptfigur Ruth des vorliegenden Romans berichtet in der Ich-Form. Ihr wird mitgeteilt, dass ihre Eltern bei einem Unfall umgekommen sind. Sie begibt sich auf die Suche nach dem Geburtstort der Eltern. Sie fährt mit dem Auto los und nächtigt in verschiedenen Orten in einfachen Pensionen oder Gasthäusern. Einmal sogar auf einer öffentlichen Toilette. Systematisch schreibt sie auf, was ihre Eltern von dem Ort, aus dem sie kamen, erzählt hatten. Mit diesen Erinnerungen grenzt sie die Möglichkeiten ein und beginnt ihre Suche, die sie in verschiedenste Gebiete um Wien führt. In den Süden, Westen und Norden. Wobei die Orte selbst egal sind. Das interessante ist es, wie sie diese Suche beschreibt. Letztlich findet sie die kleine Stadt, die nur über einen Waldweg, bei dem ihr Auto kaputt geht erreichbar ist. Eine Stadt mit eigenen Regeln. Eine Baronin wohnt im Schloss über dem Ort und beherrscht alles. Fast alle Häuser gehören ihr. Die Stadt ist von Bergwerksgängen unterminiert und immer wieder bricht etwas ein. Die Gräfin nützt dies und erwirbt viele Bauten. Die Proponentin Ruth hat somit den Ort ihrer Eltern gefunden und muss feststellen, dass diese tief in die Ortgeschehnisse eingebunden waren. Sie bleibt drei Jahre und wird selbst eng mit allem vertraut. Sie forscht über ihre Vorfahren. Dabei stößt sie auf Ungereimtheiten aus der Zeit des Dritten Reichs und will diese aufklären. Viele Menschen sind in den Gängen des sich senkenden Bergwerks verschwunden. Heimlich sammelt sie Dokumente. Offiziell ist sie, die Forscherin von der Gräfin beauftragt ein Mittel zu erfinden, mit dem das Versinken der Stadt aufgehalten werden kann, was ihr auch gelingt. Sie wendet es bei ihrem eigenen Haus – jenem, in dem ihre Eltern und Großeltern gewohnt hatten – an, hält aber die Rezeptur lange geheim, weil auch die Natur damit abstirbt. Dadurch wird aber der Erfolg sichtbar und sie muss ihr Mittel freigeben. Der erste Einsatz dieses „Wundermittels“ soll im Rahmen eines großen touristischen Festes passieren. Ruth steht als Rednerin im Programm und will diese Gelegenheit nützen vor Medien und vielen Besuchern die Missetaten aufzuzeigen. Letztlich entscheidet sie sich aber anders und kehrt in ihr normales Leben an der Universität in die Hauptstadt zurück. Am Ende entsteht starke Dramatik, die dann abrupt mit Ruths Umzug abbricht. Solange es solch gute Nachwuchsautorinnen in Österreich gibt, braucht dem Land nicht bange zu sein um die Literatur. Wobei „Nachwuchs“ bei Raphaela Edelbauer schon nicht mehr zutrifft, denn sie ist da und hat einen großen und klaren Akzent in Österreichs Literaturlandschaft gesetzt. }, keywords = {Bergwerk, versinkende Stadt}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{CRONIN2019, title = {Kinderarzt Dr. Carroll}, author = {CRONIN, Archibald Joseph}, year = {2019}, date = {2019-08-30}, abstract = {CRONIN, Archibald Joseph.: „Kinderarzt Dr. Caroll“, Wien Hamburg 1969 Der schottische Arzt und Schriftsteller Archibald Joseph Cronin war einer der erfolgreichsten Autoren Englands im 20. Jahrhundert. Er schrieb in einem speziellen Romanrealismus. Als Arzt und Schriftsteller verband er beide Disziplinen. So auch im Roman „Kinderarzt Dr. Carroll“. Ein aus einfachen Verhältnissen stammender Arzt arbeitet sich nach vielen einfachen Jobs durch Fälschungen zu einem Klinikum Arzt in der Schweiz hoch. Aber seine Vergangenheit holt ihn in Form einer ehemaligen Geliebten ein, die ihn erpressen will. Er ist aber ein Frauenverehrer und will keine fixe Bindung eingehen. Letztlich bekehrt er sich aber und kehrt zur ehemaligen Geliebten nach England zurück und kehrt seinem großartigen Job in der Schweiz den Rücken. Cronin schreibt in einem heute nicht mehr üblichen Stil. Das Buch ist aber leicht zu lesen. Die Geschehnisse werden auf der Zeitachse chronologisch aufgehängt und es ist leicht dem Fortgang zu folgen. Seine Formulierungen sind klar, leicht lesbar und schön. }, keywords = {Kinderarzt, Medizin, Schottland, Schweiz}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SCHOLL2019, title = {Die Damen des Hauses}, author = {SCHOLL, Susanne}, year = {2019}, date = {2019-08-24}, abstract = {SCHOLL, Susanne: „Die Damen des Hauses“, Salzburg Wien 2019 Vier Frauen in einer Wohngemeinschaft. Alle vier in fortgeschrittenem Alter auf deren Leben die Autorin zurückblickt. Ein nettes Buch. Angenehm zum Lesen. Es beginnt mit Ella, der Wohnungsbesitzerin, die verwitwet alleine in einer großen Wohnung lebt. Langsam ziehen drei andere Frauen in der zu großen Wohnung zu. Ella ist das erste Kapitel gewidmet. Da hageln viele Namen auf den Leser herein, deren Hintergrund sich aber im Laufe der weiteren Seiten aufklärt. Aber die Autorin hat wohlüberlegte Systematik in ihrer Erzählung. Zuerst werden die vier Damen vorgestellt. Ella, die Hauptfigur mit der großen Wohnung, Rada eine rumänische Fremdarbeiterin, die in die Runde aufgenommen wurde und diese auch servisiert, Maggie die jüngere Schwester und Luise, die von ihrem Mann verlassen wurde. Nach dieser „Vorstellungsrunde“ kommt das Kapitel „Zusammenleben“ und als Leser erfährt man, wie unterschiedlich diese vier Frauen sind. Diese Unterschiedlichkeit wird im folgenden Kapitel „Diskutieren“ noch vertieft. Hier werden von der Autorin – durch ihre Proponenten – aktuelle Themen wie Migration, Flüchtlinge, Rechtspopulismus und anderes angesprochen. Natürlich schlagen die Meinung und das Engagement der Autorin durch. Letztlich ist es ja auch das Recht und die Pflicht von Schreibenden sich zur öffentlichen Situation zu äußern. Scholl tut es mit den Stimmen ihrer Romanfiguren. Menschen, Frauen im fortgeschrittenen Alter, die sich auch mit dem Sinn des Lebens und letztlich, wie sie es mit Ella, der Hauptperson macht, mit dem Tod, Vergesslichkeit, der Demenz auseinandersetzt. Natürlich wollen alle alt und älter werden, aber Ella sagt „Wenn du nicht alt werden wolltest, hättest du jung sterben müssen.“ (Seite 193) Dies war die Antwort zum Spruch einer Mitbewohnerin, die meinte „Ich will einfach nicht mehr Geburtstag feiern. Wer braucht das schon, sich jedes Jahr daran erinnern, dass man alt wird. Das ist doch nur traurig.“ Aber es bleibt nicht dabei. Mit „Weiterleben“ kommt die nachfolgende Generation zu Wort, die letztlich zeigt, dass die Welt sich weiterdreht. }, keywords = {Alter, Damen, Wohngemeinschaft}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{TASCHLER2019, title = {Das Geburtstagsfest}, author = {TASCHLER, W. Judith}, year = {2019}, date = {2019-08-06}, abstract = {TASCHLER, Judith W.: „Das Geburtstagsfest“, München 2019 Um ein Geburtstagsfest eines Architekten rankt sich die Geschichte. Sie führt nach Kambodscha und ist eng mit Österreich verwoben. Verwoben sind auch die einzelnen Kapitel. Sie springen in der Zeitachse und den Orten. Ich sehe solche Strukturen als Erschwerung für den Leser. Es ist oft schwierig den Lesefaden nicht zu verlieren. Warum machen das heutige Dichter? Ich glaube irgendwie ist es eine Modeerscheinung. Zu Beginn empfand ich die Schreibweise etwas holprig. Ich empfehle aber allen Lesern weiterzumachen. Die Geschichte wird zunehmend spannend und am Ende kann man gar nicht aufhören. Das anfangs negativ gesehene Wechseln auf der Zeitachse stellte sich als Erhöhung der Spannung heraus und fesselt; lässt nicht los vom Lesen. Obwohl ich aus den Nachrichten die damaligen Kämpfe in Kambodscha gehört habe, wusste ich doch zu wenig. Das Buch klärt auf … und vor allem gibt es die Gräuel wieder, die dort passierten. Unvorstellbar. Geschickt webt Taschler in die einfache Geschichte einer Geburtstagsparty des 50-jährigen Vaters, der in Österreich verheiratet ist und eine intakte Familie hat, dessen Vergangenheit bei den Roten Khmer ein. Am Ende des Krieges ist er nach Thailand geflüchtet und hat ein ihm bekanntes Mädchen, das schwer krank war mitgetragen und in die Freiheit gebracht. Über seine Zeit in Kambodscha hat er mit der Familie nie geredet. Ein Sohn fand im Internet den Kontakt zu dieser Frau, die er gerettet hatte. Sie lebt in Amerika und der Sohn lädt sie als Überraschung zum Geburtstagsfest des Vaters ein. Daraus wird ein Destaster. Er hat Angst seine negative Vergangenheit als Kindersoldat bei den Roten Khmer wird bekannt. Es kommt zum Streit. Die Autorin vermischt in diesem Buch verschiedene Geschichten: • des kambodschanischen Flüchtlings, der in Österreich eine Familie gründet und erfolgreich wird mit jener • des Soldaten der kommunistischen Roten Khmer, • seiner Kindheit als Sohn eines Fischers, • der Familie der „Schwester“, die der oberen Klasse der kambodschanischen Gesellschaft angehörte und • der Familie, die den Flüchtling mit seiner „Schwester“ (= das von ihm gerettete Mädchen) in Österreich aufgenommen hat. Viel Unheil, viel Leid, viel Gräuel parallel zu einer heilen Welt in Österreich. Im Epilog, der einen eMail Verkehr wiedergibt kommt es letztlich noch zu einem Happy End, in dem der Familienfrieden einkehrt und der Vater seine Vergangenheit aufarbeitet. Mehr sei hier nicht gesagt, nur das eine: Es ist ein großartiges Buch! }, keywords = {Assyl, Kambodscha, Österreich, Rote Khmer}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Hans2019, title = {Wer einmal aus dem Blechnapf frißt}, author = {FALLADA Hans}, year = {2019}, date = {2019-07-29}, abstract = {FALLADA, Hans: „Wer einmal aus dem Blechnapf frißt“, Berlin 2018 Fallada entführt den Leser in eine unbekannte Welt, in einer für heutige Menschen unbekannte Zeit. Er erzählt detailgenau das Leben von Strafgefangenen und wie es ihnen während und nach der Entlassung geht. Ein für „normale“ Menschen unvorstellbares Milieu. In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts geschrieben war das Buch während des NS-Regimes verboten. Gleich nach dem Krieg wurde es unverändert wieder aufgelegt. Heute fast 100 Jahre später ist es immer noch interessant zu lesen. Für die Strafentlassenen ist es schwierig wieder in ein normales Leben zurückzufinden. Die Hauptperson Kufalt ist ein vorbildlicher Strafgefangener. Als er in Freiheit ist will er ein ordentliches Leben führen. Viele Ansätze und Bemühungen hat er, aber die Umwelt wirft ihn immer wieder zurück, bis er aufgibt, kleine Verbrechen begeht und wieder im Kitchen landet. Seine erste Nacht in der Zelle: „Kufalt hat die Decke schön hoch über die Schultern gezogen, im Kittchen ist es angenehm still, er wird großartig schlafen. Fein, wenn man wieder zu Hause ist. Keine Sorgen mehr. Fast, wie man früher nach Hause kam, mit Vater zur Mutter“. Ja, im übernächsten Satz legt er noch eins drauf, wenn es da heißt „Eigentlich noch besser. Hier hat man ganz seine Ruhe. … Schön, so ´ne Ordnung. Wirklich ganz zu Hause.“ Beim Lesen fragt man sich „Woher hat der Autor all die Informationen und die vielen Details, wie es im Zuchthaus zugeht?“ Er ist selbst 5 Monate Sträfling gewesen und im Zuchthaus gesessen. Aber das Dichten und die Formulierungen sind doch von ihm und erlauben es, diese Welt in einem Buch festzuhalten. Auf alle Fälle sind es fast 600 Seiten Spannung. }, keywords = {Gefangener, Strafhaus, Sträfling}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{KARAHASAN2019, title = {Tagebuch der Aussiedlung}, author = {KARAHASAN, Dzevad}, year = {2019}, date = {2019-07-06}, abstract = {KARAHASAN, Dzevad: "Tagebuch der Aussiedlung". Klagenfurt Salzburg 1993 Der Bosnier Karahasan hat in diesem Buch Eindrücke aus der Belagerung Sarajevos durch die jugoslawische Armee in den 90er Jahren festgehalten. In vier Teilen: Mit dem Kapitel "Sarajevo - Porträt der inneren Stadt" gibt er einen historischen Abriss. In "Marindvorer Fragmente" wird die Situation der Kriegszeit in Eindrücken aus einem Stadtteil Sarajevos heraus beschrieben. Erste Beschießungen der Stadt, die zwar nicht überraschend aber doch überfallsartig kamen. Als Professor schildert er, wie er mit Studierenden auch während des Kriegszustands arbeitete. Seine Frau hat für eine Hilfsorganisation gearbeitet und da haben Menschen die Hilfe der UNO Organisation UNICEF abgelehnt, weil sie Kleider in serbischen Fabriken kaufte und in Bosnien verteilte. Als ein Mann beim Wasserholen eines natürliche. Todes stirbt wird er beneidet, weil er eben nicht kriegerisch umgekommen ist. Ein Gespräch mit einem Franzosen wird im Kapitel "De la methode" festgehalten. Journalist erwartete ein negatives Gespräch mit dem eingeschlossenen Autor, dieser sah aber vieles vom Leid positiv. Das Hotel Europa (Kapitel " Hotel Europa") wird vom Autor als Zentrum der Stadt angesehen, weil es n der Grenze zwischen dem türkisch muslimischen Teil und dem von der Österreichisch-Ungarischen Monarchie erbaute. Stadtteil liegt. In seiner Interpretation hat es von beiden Kulturen etwas in sich. Den Juden, die vor 500 Jahren erstmals in die Stadt kamen und die während der Belagerung fast alle die Stadt verließen wird ebenfalls ein Abschnitt gewidmet. In der Nachbemerkung erfährt man, warum und wie dieses Buch entstand. }, keywords = {Krieg, Sarajevo}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{MAILÄNDER2019, title = {Er ging voraus nach Lhasa. Peter Aufschnaiter. Die Biographie}, author = {MAILÄNDER, Nicholas}, year = {2019}, date = {2019-06-03}, abstract = {MAILÄNDER, Nicholas: „Er ging voraus nach Lhasa. Peter Aufschnaiter. Die Biographie“, Innsbruck Wien 2019 Heinrich Harrer wurde mit seinem Buch „Sieben Jahre Tibet“ weltbekannt. Ohne den bescheidenen und zurückgezogen wirkenden Kollegen (Freunde waren sie nie) Peter Aufschnaiter, wäre die Flucht aus einem britischen Gefängnis in Indien nach Tibet und in die Hauptstadt Lhasa nie gelungen. Diese Biografie nimmt Bezug auf die Lebensgeschichte Aufschnaiters und seine vielen Tagebuchaufzeichnungen. Es ist wissenschaftlich geschrieben und vor allem für Bergsteiger eine tolle Beschreibung von Bergtouren, Gipfelbesteigungen und Wanderungen im Himalaya. Aber es geht auch eine gewisse Spannung beim Lesen nicht verloren. Vor allem die Flucht ist ebenso spannend beschrieben, wie in Harrers Buch. Aufschnaiter hatte immer gearbeitet und kam nie dazu selbst ein Buch zu schreiben. Jetzt nach seinem Tod haben es andere – Mailänder und Kompatscher – gemacht. Aufschnaiter sagte selbst in einem Brief: „Ich weiss, dass es bei früheren Reiseberichten vorgekommen ist, dass zwei Teilnehmer je ein Buch schrieben. In diesem Fall ist es anders, seit Jahren ist das Publikum in verschiedenen Ländern darauf vorbereitet, und was immer für ein Buch als erstes herauskommt, so wird dieses Absatz finden und keine weitere Variante zu dem Thema mehr.“ (Seite 311) Negativ hat sich Aufschnaiter über Harrer aber nur in engstem Kreis geäußert, obwohl dieser bereits auf der Flucht immer wieder egoistisch vorgegangen war. Dieses Buch ist mehr als nur eine Fluchtbeschreibung. Es erzählt den gesamten Werdegang Aufschnaiters, der in Tirol geboren wurde (1899) und dann in München Agraringenieurwesen studierte. Diese Ausbildung half ihm dann später in Tibet, wo er Wasser- und Brückenprojekte realisierte. Als Harrer dann heimkehrte und seiner Berühmtheit als Buchautor nachging blieb Aufschnaiter im Gebiet. Zuerst in Nepal und dann in Indien. Er hat zahlreiche Karten über das Himalaygebiet verfasst und für verschiedene Organisationen Wasser- und Straßenprojekte realisiert. Aufschnaiter war angestellt in Nepal und in Indien und verbrachte so sein ganzes Leben in dieser Region und ging dort auch in Pension. Seine danach gewonnene Zeit verwendete er zu ausgedehnten Wanderungen und Erforschungen und erst jetzt kehrte er jedes Jahr für einige Monate nach Europa zurück. Manchmal absolvierte er eine unruhige und kraftraubende Reisetätigkeit: von Delhi nach Beirut – Damaskus – Jerusalem – Haifa – Athen – Rom – München – Kitzbühl - Zürich – München – Kitzbühl – Hamburg – London – New York – San Francisco – Los Angeles – Las Vegas – Los Angelos – Hawaii – Tokyo – Hongkong – Kalkutta – Kathmandu. So wie bei seinen Bergtouren reizte er auch diese internationalen Reisen aus. In Nepal hat er die nepalesische Staatsbürgerschaft angenommen und die österreichische zurückgegeben. Im Alter bemühte er sich wieder um die österreichische, verwendete seinen Pass aber nie. Alle Visaanträge liefen auf den nepalesischen Pass. Der jahrelange Fluchtweg durch die Eiswelt des Himalayas von Indien bis Lhasa ist für heutige Verhältnisse unvorstellbar. Aufschnaiter ist dann fast sein ganzes Leben „auf der Flucht“ geblieben und kehrte erst ganz am Ende seines Lebens in seine Heimat Tirol – leider nur ins Krankenhaus nach Innsbruck - zum Sterben zurück. Dort besuchte ihn auch Heinrich Harrer. Er brachte dem Kranken Blumen, die dieser in eine Ecke schmiss und sich vom Besucher wegdrehte. „Vielleicht saß der Stachel noch immer tief, dass Harrer ihm beim Veröffentlichen der gemeinsamen Tibet-Erlebnisse den Rang abgelaufen hatte.“ (Seite 374) Bis zu seinem Tod arbeitete Aufschneider an einem eigenen Buch, aber er erlebte es nicht mehr. Mit der vorliegenden Biografie wird dem jetzt Rechnung getragen. Von Kitzbühl ist er ausgezogen in die weite Welt. Als Toter kam er wieder nach Kitzbühl, wo er begraben ist. }, keywords = {Aufschnaiter, Bergsteiger, Heinrich Harrer, Himalaya, NS, Tirol}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{GAUß2019, title = {Abenteuerliche Reise durch mein Zimmer}, author = {GAUß, Karl-Markus}, year = {2019}, date = {2019-05-29}, abstract = {GAUß, Karl-Markus: „Abenteuerliche Reise durch mein Zimmer“, Wien 2019 Was kann das schon sein? Die Beschreibung eines Zimmers in einem Buch auf 222 Seiten? Nach dem Titel hätte ich das Buch nie gekauft. Während der Literaturtage „literatur & wein“ im Stift Göttweig las Gauß daraus und es gefiel uns. Nachher sprach ich mit dem Dichter und wir fanden unsere beiden Interessen Bücher zu sammeln. Das machte ihn mir sympathisch. So ging ich also beim Lesen mit Gauß auf Reisen durch sein Haus. Immer wieder schweift er ab. Bei einfachen Gegenständen erklärt er, woher sie kommen und warum er sie hat. Aber gerade die Hintergrundgeschichten bringen oft Neues und Interessantes. Die Beschreibung des Hauses bleibt nur der Rahmen (sonst wäre es ja die Geschichte für einen Architekten). Manches – wie Briefe – werden aufgehoben, um sie wieder einmal zu lesen. Der Augenblick kommt aber oft nicht. Was aber sicher kommt ist der Tod: „Das Warten ist die unmerkliche Bewegung des Todes. Immer warten wir auf etwas, auf die Mittagspause, das Wochenende, den Besuch der Kinder, die Beförderung, den Urlaub, das Ende des Urlaubs, die Pensionierung, und darüber werden wir alt und sterben wir.“ (Seite 28) So wandert man als Leser durch das Haus des Autors und „spricht“ mit ihm über viele Dinge, die man vom Titel des Buches nicht erwartet. Gauß ist ein netter und freundlicher Gastgeber und es ist schön von ihm eingeladen zu werden. }, keywords = {Hausbesichtigung, Reisen, Salzburg}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Joachim2019, title = {Krems & Stein, Verborgene Schätze einer Stadt}, author = {RÖSSL Joachim}, editor = {RÖSSL Joachim}, year = {2019}, date = {2019-05-22}, abstract = {RÖSSL, Joachim (Hg): „Krems & Stein. Verborgene Schätze einer Stadt“, Wien 2019 Viele Bücher wurden schon über die mittelalterliche Stadt Krems geschrieben. Alleine meine private Bibliothek zählt mehrere Dutzende. Trotzdem ist es dem Herausgeber gelungen Neues aufzuzeigen. Die Stadt bietet nicht enden wollenden Stoff. Das vorliegende Buch beweist es und öffnet private Räume, zu denen man normal keinen Zugang hat. Es werden aber nicht nur die Gebäude gezeigt, sondern auch ihre derzeitigen Bewohner. Ein neuer Zugang. Eine Fachärztin stellt ihre Ordinationsräume mit einer Holzbalkendecke aus dem 16. Jahrhundert vor. Sie sagt zum Standort in der Altstadt: „Ich genieße es täglich, über den Pfarrplatz hierher zur Ordination in der Althangasse zu spazieren. Das fühlt sich jedes Mal ein bisschen wie Urlaub an.“ Ja, in Krems zu wohnen ist wie Urlaub, das kann ich als in der Stadt Aufgewachsener nur bestätigen. Wie gesagt: neben den Gebäuden werden in diesem Buch auch die darin Wohnenden oder Arbeitenden vorgestellt. So zwei starke Frauen: • die Haubenköchin Ulli Amon und • die Geschäftsführerin der Fachhochschule Ulrike Prommer, die das alte Piaristenkloster für ihre Bildungseinrichtung verwendet. Studierende in barocken Hörsälen und alten Kellergewölben. Nicht so schnell, kann eine andere Stadt solche Infrastruktur den Studierenden bieten. Auch Plätze und Geschichte von Verstorbenen werden beschrieben; wie Ludwig von Köchel. Es wird dem Leser nicht nur gezeigt wo er wohnte, sondern auch was er tat. Neben seiner Nummerierung der Mozart-Werke war er ein Universalgelehrter, der sich mit Naturwissenschaften und Musikforschung beschäftigte. Ja selbst als Komponist machte er sich einen Namen. Auch zwei Künstler aus der Jetztzeit zeigen ihre Häuser: • Günter Wolfsberger sein Atelier in der Steiner Altstadt und • Leo Zogmayer sein Wohnhaus unterhalb des Pulverturms. Mit Musik hat Jo Aichinger der Stadt ein neues Image gegeben. Die gotische Minoriten Kirche wurde zum Klangraum, weil er meinte: „Woher kam denn früher die gute Musik? Immer aus sakralen Räumen.“ Viele, im Buch vorgestellte Räume sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Andere wieder nehmen viele beim Besuch nicht wahr, wie etwa das Schuhgeschäft mit einem spätgotischen Gewölbe im Verkaufsraum oder das Fresko von Martin Johann Schmidt in einer Apotheke. Auch der Bürgermeister zeigte sein Büro in einer Renaissance Gewölbehalle. Aber auch die Moderne kommt zu Wort mit einer modernen Villa oberhalb der Altstadt und den Bauten der Donau-Universität und Medizin-Universität. Die Struktur des Buches richtet sich nach den vier Himmelrichtungen und „Norden“, „Süden“, „Osten“ und „Westen“ heißen die Kapitel. Obwohl man sich gleich zu Beginn über diese Einteilung hinwegsetzt und die neue Landesgalerie vorstellt. Aber umgehend kehrt man ins andere Extrem zurück: zum ältesten Gebäude der Stadt, der Gozzo Burg. Es ist ein Buch, das auch jenen, die glauben schon alles über die Stadt zu wissen Neues bietet. Speziell den Einheimischen und jenen – wie Studierenden – die nur kurzfristig hier wohnten, kann es Erinnerungen wecken. Bei all diesen sollte dieses Buch stehen. Dem Verlag würde dies eine Auflage von mehreren Zehntausend bringen. }, keywords = {Krems, Kunst, Menschen, Stein}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{FRISCHMUTH2019, title = {Verschüttete Milch}, author = {FRISCHMUTH, Barbara}, year = {2019}, date = {2019-05-19}, abstract = {FRISCHMUTH, Barbara: „Verschüttete Milch“, Berlin 2019 Frischmuth steckte ihre eigene Kindheitsgeschichten in diesen Roman. Eine Aufarbeitung persönlicher Erinnerungen? Ja, aber auch eine Geschichte, wie sie viele Gleichaltrige auch erlebten und so ein historisches Zeitdokument vorfinden. Eine Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Fakten wie etwa, dass von sechs Onkeln drei im Krieg gefallen sind. Die Basis ist einzelne Fotos, um die herum eine Story erzählt wird. Das Buch ist professionell geschrieben, wie es eben von einer erfahrenen und routinierten Schriftstellerin zu erwarten ist. Zwar ist die Geschichte nicht mehr so revolutionär wie ihre „Klosterschule“, aber historisch wertvoll. Zeitweise sind die Geschichten dann doch langatmig. Der Roman ist in drei Abschnitte gegliedert. In allen ist das Mädchen die Hauptfigur. Im ersten Abschnitt – er tituliert „Die Kleine“ – geht es um das Kleinkind und seine ersten Lebenserfahrungen. Die Zeit vom Schulbeginn weg wird ebenfalls in einem Romanabschnitt zusammengefasst. Der dritte und letzte Teil heißt „Juliane“ und er handelt von der Schulzeit des Mädchens. Dieser Abschnitt erinnert an den ersten Roman von Barbara Frischmuth, an die Klosterschule. }, keywords = {Kindheitserzählung, Nachkriegszeit, Salzkammergut}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Dzevad2019, title = {Sara und Serafina}, author = {KARAHASAN Dzevad}, year = {2019}, date = {2019-05-14}, abstract = {KARAHASAN, Dzevad: „Sara und Serafina“, Berlin 2000 Die Geschichte spielt in der Zeit der Belagerung Sarajevos und schildert die Lage der Einwohner zu dieser Zeit. Es geht um die Auswanderung eines Liebespaars aus dem Ghetto Sarajevos nach Kroatien. Die Erzählung rankt sich um einen Mann, einem Hochschullehrer, der vielleicht der Autor selbst ist. Karahasan schildert in sehr schöner Sprache die Ereignisse, die mit vielen Details geschmückt sind. Man wird mit Eigenschaften und Gepflogenheiten Sarajevos während des Krieges vertraut gemacht. Etwa, was ein „Dundjer“ ist: ein „Meister“, der alles reparieren kann und für alle Geräte Ersatzteile lagernd hat. Ein „Kuferalsi“ ist ein Koffermensch; Leute die für einen Job in die Stadt ziehen und etwas aufbauen, um dann wieder weiter zu ziehen. Beim Lesen erfährt man auch, dass Brot für Bosnier sehr wichtig ist. „Demnach behaupte er, ein echter Bosnier zu sein, weil für einen Bosnier das Gefühl satt zu sein, unzertrennlich mit Brot verbunden sei.“ (Seite 151) Der Proponent erzählt von einem Studienaufenthalt in Deutschland, wo es zum Essen kein Brot gab und er daher nie satt wurde. Die handelnden Personen der Geschichte werden dem Leser durch sehr detailgenaue Beschreibung nähergebracht. Wie etwa die Mutter der auswandernden Tochter: „Schon nach drei Minuten wusste ich, dass Sara zu den mutigen Leuten gehörte, die nichts verbergen können, oder mehr noch zu den seltenen, die etwas zu geben haben und gerne geben, sie geben alles Erdenkliche preis, sogar die eigenen Geheimnisse und Ängste, weil sie nichts verschweigen können.“ (Seite 72) Dem Priester, der gefälschte Papiere zur Ausreise besorgt lässt er sagen: „Wenn du etwas tust oder gibst und dabei sündigst, bist du vielleicht ein Trottel, aber doch auch ein Mensch, wenn du hingegen unterlässt, wozu du berufen bist, dann bist du nicht nur ein Sünder, sondern ein Schuft.“ (Seite 115) Obwohl sich das Thema um die Auswanderung eines Liebespaares legt wird doch die Mutter der jungen Frau zur zentralen Figur. Nach der Auswanderung der Tochter nach Kroatien zur Tante und dann weiter nach Neuseeland wird die alleingebliebene Mutter mit ihrer Lebenssituation nicht fertig. Zuerst baut sie in ihrer Schule, wo sie Lehrerin ist ein zentrales Versorgungszentrum für Wasser und Kleidung im Stadtviertel auf. Zwei Öfen lässt sie aufstellen, wo die Einwohner der Umgebung backen und kochen können. Sie steigert ihr soziales Engagement – letztlich wohnt sie auch in der Schule – bis zum Brief der Tochter, in dem diese mitteilt nach Neuseeland zu übersiedeln, was für sie als Mutter ein unerreichbarer Ort wird. Noch am Heimweg entscheidet sie sich, ihrem Leben ein Ende zu nehmen. Sie überlegt, wo sie sich am besten das Leben nehmen könne. Zu Hause? In der Schule? An einem öffentlichen Platz? „Sara hatte immer schon gewusst, dass der Tod ein Höhepunkt der Intimität war, ein Erlebnis und Ereignis, das man nur mit denen teilt, vor denen man nichts verbergen muss. Aber das gab es heute nicht mehr…“ (Seite 175) Deshalb entscheidet sie sich für die öffentliche Austragung und sie spaziert auf einen Platz, an dem Scharfschützen aus den Bergen die Menschen erschießen. Obwohl sie sich in deren Visier begibt wird sie nicht getötet. Sie scheint kein erstrebenswertes Ziel für diese Rebellen zu sein. Letztlich verhaftet sie die Polizei. Der mit der Hauptperson (der Dichter selbst?) befreundete Polizist holt ihn zu Hilfe. Er ist mit Sara, der festgenommenen Frau bekannt und als Hochschullehrer und Psychologe soll er helfen die Frau wieder zu normalisieren und zum Lebenswillen zurück zu bringen. In einem psychologischen Gespräch gelingt es dem Professor auch, die Frau zum Reden zu bringen und sie erklärt, dass eben zwei Menschen in ihr wohnen: Sara und Serafina. Mit Serafina hatte sie immer Probleme. Sie könne die zwei verschiedenen Naturen in ihr nicht vereinen. Der herbeigeholte Hochschullehrer kann sie nicht bekehren. Letztlich wird der Polizist selbst aktiv und fordert sie auf wieder einer Arbeit nachzugehen. Er bietet ihr an, für die 50 Polizisten der Station zu kochen, was sie annimmt und glücklich ist über die neue Herausforderung. Zufrieden verlässt sie die Polizeistation. Der Polizist und sein Freund freuen sich. Wenige Minuten später schlägt in der Nähe eine Granate ein. Sie eilen hinaus. „Direkt vor der Tür ... lag Saras kopfloser Körper. Ich weiß nicht, wo die Granate eingeschlagen hatte und wie es geschehen konnte, dass Kopf und Hals von einem fast unverletzten Körper abgerissen und einfach verschwunden waren, aber genau das war geschehen.“ (Seite 184) Viele Gräuel sind in der Zeit passiert. Wie soll ein Volk wieder zu normalem Leben wieder zurückkehren? Wie sollen einst gegeneinander Kämpfende wieder friedlich zusammenleben? Für den Dichter gibt es kein VERGESSEN: „Man kann noch so viel Mühe und Geld investieren, man kann aus der ganzen Kultur eine Industrie des Vergessens machen, wie es heute geschieht, man kann versuchen, die Erinnerung gering zu schätzen oder zu löschen – ein Vergessen gibt es nicht. Alles, was einmal war, bleibt in Erinnerung. Ich weiß nicht wie und wo, aber irgendwo bleibt es.“ (Seite 30) Sehr schön dann auch der Vergleich zum Vergessen: „Ich bin sicher, dass ein Apfelbaum sich an sein vorjähriges Laub erinnert, jedes Blatt an jedem Zweig. All diese Blätter existieren weiter, und sei es als Mineralien oder als Feuchtigkeit, als Baumaterial für die diesjährigen Blätter oder als Früchte an einem anderen Baum, ich weiß nicht, in welcher Gestalt jetzt die vorjährigen und vorvorjährigen Blätter existieren, ich weiß es nicht, denn ich bin nur ein Mensch, aber ich weiß mit Sicherheit, dass sie existieren, denn ein Aufhören der Existenz ist logisch nicht möglich. Und das heißt, dass auch Vergessen nicht möglich ist, die Erinnerung ist ein Grundattribut des Daseins.“ (Seite 30) }, keywords = {Auswanderung, Krieg, Sarajevo}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Peter2019, title = {Codename Brooklyn. Jüdische Agenten im Feindesland. Die Operation Greenup 1945}, author = {PIRKER Peter}, year = {2019}, date = {2019-04-28}, abstract = {PIRKER, Peter: „Codename Brooklyn. Jüdische Agenten im Feindesland. Die Operation Greenup 1945“, Innsbruck 2019 Ich habe das Buch durch ein Irrtum bekommen. Eigentlich lag es nicht auf meinem derzeitigen Interesse und so legte ich es zu dem Stoß der ungelesenen. Dann gab es aber eine Knappheit an Lesestoff und ich nahm es mir vor und das war gut so. Eine ausgezeichnete Dokumentation einer Zeit, von der wir, die nachkommende Generation zu wenig wissen. Als unsere Eltern darüber redeten, interessierte uns Kinder das nicht und heute, wo es uns interessieren würde leben die Eltern nicht mehr. Der Autor Peter Pirker – ein Experte, ein Historiker – hat für mich in akribischer Genauigkeit das Thema aufgearbeitet. Im Grund fokussiert er sich auf Tirol, ohne aber die Gesamtsituation aus dem Auge zu verlieren und auch in seine Dokumentation einzubeziehen. Wie die Alliierten – und hier vor allem die Amerikaner – mit speziell ausgebildeten Soldaten Einfluss und Informationen aus dem Deutschen Reich bekommen wollen wird in diesem Buch an Hand von drei Proponenten aufgezeigt. Es sind nach Amerika Geflüchtete. Juden und Desserteure der Deutschen Wehrmacht. Peter Pirker beschreibt deren Werdegang von der Jugend, dem Elternhaus bis hin zu ihrer Flucht und dem gefährlichen Einsatz für die Amerikaner. Der transnationale Widerstand wird an Hand von drei Männern beschrieben, deren Interesse es war gegen den militanten Kampf des Nationalsozialismus aufzutreten. Fred Mayer, Hans Wijnberg und Dyno Loewenstein „wuchsen in den 1920-er Jahren in jüdischen Familien in Freiburg, Amsterdam und Berlin auf.“ (Seite 309) Zum Erfolg verhalf ihnen der vom Nationalsozialismus kommende Kriegsgefangene Franz Weber, mit dessen lokalen Wissen sich die Truppe in Tirol zurechtfinden konnte. Der Autor des vorliegenden Buches geht auch nicht (nur) mit vernichtender Kritik gegen ehemalige Nationalsozialisten vor, weil „persönliche Erwartungshaltungen auch Menschen aus oppositionellen Kulturellen und ideologischen Milieus für politische Maßnahmen des NS-Regimes öffneten, diese aber nicht als genuin nationalsozialistische Maßnahmen verstanden wurden, auch wenn sie erst von den Nationalsozialisten durchgeführt wurden.“ (Seite 112) Eine Betrachtungsweise, wie sie vielleicht erst nachkommenden Generationen möglich ist. Kritisiert werden auch so manche Verherrlichungen über die Befreiung Österreichs, wie es etwa Hugo Portisch mit seiner Serie „Österreich II“ machte. Er verschwieg die Verdienste der Einsätze von außen, von Menschen, die sich im Untergrund – wie die drei im Buch beschriebenen Männer – bewegten und ihr Leben für die Befreiung riskierten. Journalisten werden durch ihren Beruf bekannt und populär. Viele von ihnen nützen dann diese Bekanntheit um sich auch auf Fachgebieten zu Wort zu melden, die nicht ihre sind, wie etwa in diesem Fall, in dem der Journalist Portisch Historiker spielt. „Hugo Portisch bevorzugt eine österreichische Version der Befreiung, wahrscheinlich in seiner von den ersten Nachkriegsjahren geprägten Denkweise, die Österreicher mit einer eigenen positiven Geschichte versorgen zu müssen.“ (Seite 119) Es ist aber gut, dass sich auch Experten, wie der Autor des vorliegenden Buches zu Wort melden und professionell Situationen aufzeigen. Durch den Einsatz dieser drei, von außen eingeschleppten Widerstandskämpfern, die Stadt Innsbruck wehrlos den anrückenden amerikanischen Truppen übergeben. „Im Vergleich zu ähnlichen Situationen in anderen Städten in den Resten des Deutschen Reiches war die Anwesenheit des Greenup-Teams in Innsbruck ein entscheidender Faktor der kampflosen Übergabe.“ (Seite 312) Pirker liefert mit dem Buch „Codename Brooklyn“ eine wichtige historische Dokumentation. Hinter dem Titel mit Brooklyn vermutet man ja nicht eine historische Beschreibung Tirols. Das Wort „Brooklyn“ wurde im Funkverkehr der drei Widerstandskämpfer mit den amerikanischen Truppen für „Innsbruck“ verwendet. }, keywords = {Alliierte, Tirol, Widerstand, Zweiter Weltkrieg}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{STEINDL-RAST2019, title = {Ein guter Tag für dich}, author = {STEINDL-RAST, David}, year = {2019}, date = {2019-04-09}, abstract = {STEINDL-RAST, David: „Ein guter Tag für dich“, Innsbruck Wien Ein Buch mit schönen Fotos und weisen Sprüchen von Pater Steindl-Rast. Es ist aber auch eine Profilierung des Fotografen Peter Umfahrer, der David Steindl-Rast als Zugpferd für seine Bilder macht. Die Texte stammen aus dem Jahre 12006, als die gesprochenen Worte des Benediktiners vom Musiker Gary Malkin untermalt wurden. Dies wurde im Internet millionenfach abgerufen: www.gratfulness.org Das vorliegende Buch ist eine gedruckte Version des erfolgreichen Videos. }, keywords = {Dankbar, guter Tag}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{MOLDAN2019, title = {Griechische Spuren in und um Wien}, author = {Bernd MOLDAN}, year = {2019}, date = {2019-04-07}, abstract = {MOLDAN, Bernd: „Griechische Spuren in und um Wien“, Horn Wien 2019 Der Griechenlandliebhaber Moldan erforschte Häuser und Einrichtungen, die mit Griechen zu tun haben, oder die von Griechen geschaffen wurden. Als Fotograf macht er dazu auch eine bildliche Dokumentation. Interessant, dass auch Karajan aus einer griechischen Familie stammt und früher Karagianis hieß. Ein Buch für Insider und Wiener Griechen. Es ist auch dreisprachig – deutsch, griechisch und englisch - umso den Griechen die Wiener Situation näher zu bringen. }, keywords = {Griechenland, Wien}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{SCHLINK2019, title = {Liebesfluchten}, author = {SCHLINK, Bernhard}, year = {2019}, date = {2019-03-31}, abstract = {SCHLINK, Bernhard: „Liebesfluchten“, Zürich 2001 Sieben Geschichten, die entweder mit Flucht aus der Liebe oder in die Liebe handeln. „Das Mädchen mit der Eidechse“ – Das Bild zeigt ein Mädchen mit einer Eidechse. Als es der kleine Bub für eine Bildbeschreibung für die Schule verwenden will bringt ihn der Vater davon ab. Das Bild verfolgt ihn sein ganzes Leben. Er nimmt es in seine Studentenwohnung mit. Er forscht nach und muss feststellen, wie sein Vater im Hitlerregime als Richter agiert hat. Wie er Menschen an den Galgen und ins Gefängnis gebracht hat, nur weil sie Juden waren. Ob er sich mit dem Bild dieses jüdischen bekannten Malers bereichert hat? Das Bild und seine Geschichte belasten ihn. Er kann sich von diesem Bann erst befreien, als der das Bild verbrannte. „Der Seitensprung“ – Schlink verwendet das Wort „Liebesfluchten“ anders als man es als Leser erwartet. In dieser Geschichte gibt es zwar einen Seitensprung, aber seine Entstehung und seine Durchführung ist anders als es normal ein Seitensprung ist. Primär geht es um Menschen, die in Ost- und Westdeutschland leben. Ein junger Jurist fährt öfter von West- nach Ost-Berlin und freundet sich dabei mit einem Schachspieler an. Er wird auch eingeladen und lernt die Verhältnisse kennen. Nach dem Fall der Mauer übersiedelt die Familie in den Westen und wird reich und gut situiert. Der Kontakt bleibt bestehen. Bei einem der Besuche des Juristen wurde es spät und er nächtigte bei den Freunden, weil auch viel getrunken wurde. Das Ehepaar stritt im Nebenzimmer. Plötzlich kam die Frau ins Bett des Juristen und verführte ihn. Es war ihm peinlich. War es doch die Frau des Freundes. Als sie zu ihrem Mann zurückgekehrt war ging der Streit weiter und wurde heftiger. Letztlich kam heraus, dass der Ehemann für die ostdeutsche Geheimpolizei gearbeitet hatte und seine Frau und auch den Freund verraten hatte. Er hatte einen „politischen Seitensprung“ gemacht. Die Frau revanchierte sich mit einem „sexuellen Seitensprung“. „Der Andere“ – Die Frau ist gestorben. Er hatte sie geliebt und am Schluss – bis zu ihrem Tod – gepflegt. Eines Tages kam ein Brief an sie. Sie, die gestorben war bekam einen Brief von einem ehemaligen Liebhaber. Er wird eifersüchtig. Er forscht nach und bricht ein Geheimfach im Schreibtisch seiner Frau auf, wo er Liebesbriefe findet. Er beantwortet den letzten Brief und beginnt eine Korrespondenz mit „dem Anderen“. Er tut so, als würde die Frau noch leben. Von der Tochter, die der Mutter am nächsten stand konnte er Nichts in Erfahrung bringen. Sie war und ist ihrem Vater gegenüber abweisend. So fährt er in die Stadt des „Anderen“. Lauert ihm auf. Trifft ihn anonym im Café. Spielt mit ihm Schach. Kommt ihm näher. Parallel schreibt er weiter Briefe und vereinbart ein Treffen. Der „Andere“ will ein Fest zu Ehren seiner Freundin ausrichten. Er hat zu wenig Geld und pumpt den Mann der Freundin – den er aber nicht als solchen erkannt hat – an. Vor dem Fest reist er aber ab. Der „Andere“ entpuppte sich als Hochstapler. Wieder zu Hause ist er unzufrieden und fährt dann doch zum Fest. Ein Fest, das mit seinem Geld ausgerichtet wurde. Der „Andere“ ist ein gewandter Hochstapler. Er hält eine wunderbare Rede auf seine verstorbene Frau. So kann er letztlich zufrieden am Morgen mit dem ersten Zug heimfahren. Er hatte seinen Frieden gefunden. „Zuckererbsen“ – Eine berührende Geschichte. Ein erfolgreicher Architekt führt drei Parallelleben. Einerseits mit seiner Frau, mit der er die klassische Familie mit Kindern in Berlin hat. Sie war ursprünglich seine Mitarbeiterin und er beteiligte sie an seinem Architekturbüro und letztlich heirateten sie. Als ihm das reine Ingenieurwesen, wo er Dachausbauten und Brücken baute, zu langweilig wurde wendete er sich seinem Hobby, dem Malen zu. Auch da wurde er erfolgreich und eine erste Ausstellung fand in Hamburg statt. Letztlich entsteht mit der Galeristin ein Verhältnis und sie bekommt ein Kind von ihm. Mit ihr führt er eine Parallelehe. Dem noch nicht genug beginnt er mit einer Zahnmedizinstudentin ein Verhältnis und lebt zeitweise auch mit der zusammen. Der Stress wird unerträglich groß und er bricht aus. Kauft sich eine Mönchkutte, schmeißt sein nobles Gewand weg und lebt auf Reisen in Klöstern und einfachen Unterkünften. Er fand wieder zu sich selbst. Vor einer Zugfahrt in Italien verfing sich seine Kutte in der Tür des abfahrenden Zuges. Er wurde mitgerissen und blieb schwer verletzt am Bahngleis liegen. Nach langem Krankenhausaufenthalt und Operationen kommt er in ein Rehabilitationsheim nach Deutschland zurück. Er weiß nicht wer dies organisiert hatte. Letztlich wird er nach Monaten entlassen und man bringt ihn in seine Wohnung. Die inzwischen fertige Zahnärztin chauffiert ihn. Seine Wohnung ist behindertengerecht umgebaut – er ist ja zum Rollstuhlfahrer geworden. In der Wohnung erwarten ihn die anderen beiden Frauen: die Ehefrau und die Galeristin. Sie haben ihn inzwischen enteignet und haben eine eigene Firma gegründet, in der sie seine Arbeiten vermarkten. Die drei Frauen revanchieren sich. Er ist praktisch ihr Gefangener und Sklave. „Die Beschneidung“ – In dieser Erzählung werden die Probleme bei Partnerschaften, die aus unterschiedlichen Kulturen und Religionen zusammengesetzt sind aufgezeigt. Ein deutscher Student verliebt sich in New York in eine junge jüdische Frau. Er wird in die Familie der Freundin eingeführt und bekommt sein Deutschtum und die im Naziregime durchgeführten Judenverfolgungen vorgehalten. Letztlich fährt er mit seiner Freundin nach Hause und zeigt ihr seine Heimat Deutschland. Sie aber sieht in vielem die Handlungsweise der Nazis. Dass Deutschland nach dem Krieg alles wieder aufgebaut hat sieht die junge Frau negativ: „Warum muss alles schon morgen fertig werden und aussehen, als hätte die Stadt keine Geschichte? Als hätte sie keine Wunden und Narben? Warum muss auch noch gleich der Holocaust unter einem Denkmal entsorgt werden?“ (Seite 229) Die Liebe kittet. Der junge Mann lässt sich sogar beschneiden, um so seiner Freundin näher zu sein. Aber alles hilft nicht. Die Unterschiede sind zu groß und er verlässt sie trotz Liebe. Schlink beschäftigt sich hier mit dem heiklen Thema des Verhältnisses der Juden zu den Deutschen. Wie jüdische Amerikaner einen jungen Deutschen, der schon in der zweiten Generation nach dem Krieg lebt Schuldzuweisungen für das Hitlerregime geben. So meint die Freundin etwa „Was du mit dem Holocaust zu tun hast? Du bist Deutscher, das hast du mit dem Holocaust zu tun.“ (Seite 241) „Der Sohn“ – Zwei internationale Beobachter aus Kanada und Deutschland besuchen ein, im Bürgerkrieg befindliches Land. Sie fahren mit Militärbegleitung in eine entlegene Provinz und werden von Rebellen angegriffen. Die Hauptfigur der Geschichte ist der Deutsche. Er denkt in diesen brenzlichen Minuten an seinen Sohn, um den er sich zu wenig gekümmert hat. Bedingt durch Beruf und Scheidung. Vor der Abreise in die Provinz telefoniert er noch aus der Hauptstadt mit dem Sohn, der Arzt in einem Krankenhaus ist. Er wird aus seiner Arbeit gerissen und ans Telefon geholt. Der Vater sagt ihm nur, dass er ihn liebt. Eine wichtige Aussage, weil er einen Tag später beim Angriff der Rebellen stirbt. „Die Frau an der Tankstelle“ – Der Protagonist träumt von einer Frau an einer Tankstelle, bei der er bleibt und sie verführt. Im realen Leben führt er schon eine lange Ehe. Er war in seine Frau sehr verliebt. Die Liebe verlor aber im Laufe der Jahre an Intensität. Das Paar versucht einen neuen Anfang. Die Kinder sind flügge und sie buchen eine längere Amerikareise. Bei einer Tankstelle kommt sein Traum zur Wirklichkeit. Hier beschließt er nicht mehr weiterzufahren und steigt aus; lässt seine Frau alleine weiterfahren. In einem billigen Motel quartiert er sich ein und wartet ein Monat ob die Frau vielleicht doch zurückkehrt. }, keywords = {Deutsche, Juden, Konflikt, Unterschiede}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{KÖHLER2019, title = {Und dann diese Stille}, author = {KÖHLER, Harriet}, year = {2019}, date = {2019-03-26}, abstract = {KÖHLER, Harriet: „Und dann diese Stille“, München 2012 Eine Warnung vorab: sollten nach einigen Seiten nicht zufrieden sein und das Buch ungelesen weglegen wollen; tun sie es nicht. Es wird mit zunehmender Seitenanzahl besser. Am Anfang geht es um das Sterben einer alten Frau. Der Ehemann sitzt bei ihr am Sterbebett im Krankenhaus. Später kommt der Sohn dazu und der Enkel kommt zu spät. Nur mehr am Begräbnis kann er teilnehmen. Das Verhältnis der drei Männer ist ein angespanntes. Der alte Mann war lange in russischer Kriegsgefangenschaft. Der Sohn – auch schon Pensionist – ist in den Kriegsjahren mit der eben verstorbenen Mutter alleine gewesen. Zu seinem Sohn hatte er, ein kühler Techniker, wenig Bezug. Der Sohn litt darunter, obwohl auch er ein Techniker, wenig Emotionen hat. Alles will und wollte er technisch erklären. Auch Liebe wurde wie eine chemische Formel zerlegt. Erst als er, nach vielen Beziehungen, seine Ruth kennenlernte wusste er was Liebe ist. Sie versucht den Sohn und Vater näher zu bringen. Erst sehr spät zieht bei allen der Friede ein: der Vater pflegt bis zu dessen Tod den Großvater und der Sohn schließt nach dem Tod des Großvaters mit dem eigenen Vater Frieden. }, keywords = {Sterben, Vaterbeziehung, Weltkrieg}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Zdenka2019, title = {Ein fesches Dirndl}, author = {BECKER Zdenka}, year = {2019}, date = {2019-03-17}, abstract = {BECKER, Zdenka: „Ein fesches Dirndl“, Meßkirch 2019 Eigentlich hat sie diesen Roman für ihre Enkelkinder geschrieben. Sie hat sich ausgerechnet, dass sie ihnen vielleicht nicht mehr aus ihrem Leben erzählen kann, wenn sie älter sind und dafür Interesse haben. Deswegen hat sie es aufgeschrieben. Ihre Kindheit als Slowakin in Bratislava und am Land bei ihrer Großmutter und dann die Heirat mit ihrem österreichischen Mann und die Übersiedlung nach Österreich. Heute ist Migration ein aktuelles Thema. Sie beschreibt es aus ihrem Blickwinkel, denn auch sie ist migriert. Zwar nicht als Flüchtling und mit einer gefährlichen Reise aber sie war doch eine Fremde hier. Obwohl sich die slowakische und österreichische Kultur näher sind als etwa die, der jetzt ankommenden arabischen Menschen. Auch kam sie auf friedlichem Weg durch Heirat. Damit bekam sie auch sofort die österreichische Staatsbürgerschaft. Sie konnte zwar nicht die Landessprache deutsch sprechen, hatte aber sofort einen österreichischen Pass. Bei diesen Passagen beginnt man nachzudenken. Von heutigen Migranten verlangt man den Nachweis der deutschen Sprache. Erst dann bekommen sie finanzielle Unterstützung und Arbeit und später dann einen österreichischen Pass. Aber die Sprache ist Voraussetzung. Zdenka Becker hatte es da leichter. Sie hat auch hart an sich gearbeitet um die Sprache nicht nur zu sprechen, sondern sie auch akzentfrei zu sprechen. Sie ärgerte sich, wenn sie gefragt wurde „Woher kommen sie?“ Das wies sie schon als Andere aus. Selbst die Antwort „Sie sprechen aber sehr gut deutsch“ half da nicht hinweg. Sie fühlte sich als zweitklassig. So ist das Buch auch eine Abrechnung und Aufarbeitung ihrer Minderwertigkeitsgefühle aus der Zeit der Integration. Sie fühlte sich immer schlechter behandelt. Ob es in einem Job als Journalistin war, den sie angenommen hatte und wieder verließ, weil sie von den Kollegen nicht akzeptiert wurde oder von der Nachbarschaft, die eben Dialekt und nicht das Hochdeutsch sprachen. Ob es da nicht auch an ihr lag? Solche Gedanken kommen beim Lesen durch. Andererseits ist es ein Buch, das das Leben jener Generation von Österreichern beschreibt, die nach dem Krieg geboren sind, in den 70er Jahren eine Familie gegründet haben und heute auf ihr Leben als Pensionisten zurückschauen. An die Zeit der Hippiegeneration, als man einen alten, bunt bemalten VW-Bus fuhr, wenig Geld hatte, viel Musik hörte, Freundschaften schloss und letztlich ein Heim für die Familie aufbaute und Karriere machte. Ein Spiegelbild für einen Großteil der Österreicher, die in dieser Zeit gelebt haben. Ein Zeitzeugnis. Das macht aber keinen Unterschied für Migranten und immer Dagewesene. Thematisch gibt es im Buch ein Buch mit einem anderen und doch verwandten Thema: das Schicksal von Migranten der heutigen Zeit. Die Autorin arbeitete als Deutschlehrerin für Migranten. Viele ihrer Schüler erzählten ihr ihr persönliches Schicksal. Woher sie kommen. Von ihrer Flucht. Wie es ihnen hier im Westen geht. Einige dieser Geschichten hat sie in diesem Buch integriert und niedergeschrieben. Sie sind ergreifend und ebenso wichtige Zeitzeugnise. Zdenka Becker hat das Manuskript für ihre Kinder geschrieben. Die Lektorin des Verlags wollte es lesen und schlug anschließend vor es als Buch herauszugeben. Zdenka Becker hat damit ein Stück ihres persönlichen Lebens freigegeben für die Öffentlichkeit. Es ist also mehr als ein Roman. Es ist eine Lebensbeichte. Mutig, dass sie sich dazu entschlossen hat. }, keywords = {}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{Zdenka2019b, title = {Ein fesches Dirndl}, author = {BECKER Zdenka}, year = {2019}, date = {2019-03-17}, abstract = {BECKER, Zdenka: „Ein fesches Dirndl“, Meßkirch 2019 Eigentlich hat sie diesen Roman für ihre Enkelkinder geschrieben. Sie hat sich ausgerechnet, dass sie ihnen vielleicht nicht mehr aus ihrem Leben erzählen kann, wenn sie älter sind und dafür Interesse haben. Deswegen hat sie es aufgeschrieben. Ihre Kindheit als Slowakin in Bratislava und am Land bei ihrer Großmutter und dann die Heirat mit ihrem österreichischen Mann und die Übersiedlung nach Österreich. Heute ist Migration ein aktuelles Thema. Sie beschreibt es aus ihrem Blickwinkel, denn auch sie ist migriert. Zwar nicht als Flüchtling und mit einer gefährlichen Reise aber sie war doch eine Fremde hier. Obwohl sich die slowakische und österreichische Kultur näher sind als etwa die, der jetzt ankommenden arabischen Menschen. Auch kam sie auf friedlichem Weg durch Heirat. Damit bekam sie auch sofort die österreichische Staatsbürgerschaft. Sie konnte zwar nicht die Landessprache deutsch sprechen, hatte aber sofort einen österreichischen Pass. Bei diesen Passagen beginnt man nachzudenken. Von heutigen Migranten verlangt man den Nachweis der deutschen Sprache. Erst dann bekommen sie finanzielle Unterstützung und Arbeit und später dann einen österreichischen Pass. Aber die Sprache ist Voraussetzung. Zdenka Becker hatte es da leichter. Sie hat auch hart an sich gearbeitet um die Sprache nicht nur zu sprechen, sondern sie auch akzentfrei zu sprechen. Sie ärgerte sich, wenn sie gefragt wurde „Woher kommen sie?“ Das wies sie schon als Andere aus. Selbst die Antwort „Sie sprechen aber sehr gut deutsch“ half da nicht hinweg. Sie fühlte sich als zweitklassig. So ist das Buch auch eine Abrechnung und Aufarbeitung ihrer Minderwertigkeitsgefühle aus der Zeit der Integration. Sie fühlte sich immer schlechter behandelt. Ob es in einem Job als Journalistin war, den sie angenommen hatte und wieder verließ, weil sie von den Kollegen nicht akzeptiert wurde oder von der Nachbarschaft, die eben Dialekt und nicht das Hochdeutsch sprachen. Ob es da nicht auch an ihr lag? Solche Gedanken kommen beim Lesen durch. Andererseits ist es ein Buch, das das Leben jener Generation von Österreichern beschreibt, die nach dem Krieg geboren sind, in den 70er Jahren eine Familie gegründet haben und heute auf ihr Leben als Pensionisten zurückschauen. An die Zeit der Hippiegeneration, als man einen alten, bunt bemalten VW-Bus fuhr, wenig Geld hatte, viel Musik hörte, Freundschaften schloss und letztlich ein Heim für die Familie aufbaute und Karriere machte. Ein Spiegelbild für einen Großteil der Österreicher, die in dieser Zeit gelebt haben. Ein Zeitzeugnis. Das macht aber keinen Unterschied für Migranten und immer Dagewesene. Thematisch gibt es im Buch ein Buch mit einem anderen und doch verwandten Thema: das Schicksal von Migranten der heutigen Zeit. Die Autorin arbeitete als Deutschlehrerin für Migranten. Viele ihrer Schüler erzählten ihr ihr persönliches Schicksal. Woher sie kommen. Von ihrer Flucht. Wie es ihnen hier im Westen geht. Einige dieser Geschichten hat sie in diesem Buch integriert und niedergeschrieben. Sie sind ergreifend und ebenso wichtige Zeitzeugnise. Zdenka Becker hat das Manuskript für ihre Kinder geschrieben. Die Lektorin des Verlags wollte es lesen und schlug anschließend vor es als Buch herauszugeben. Zdenka Becker hat damit ein Stück ihres persönlichen Lebens freigegeben für die Öffentlichkeit. Es ist also mehr als ein Roman. Es ist eine Lebensbeichte. Mutig, dass sie sich dazu entschlossen hat. }, keywords = {Migration Integration Slowakei Österreich}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{FLASAR2019, title = {Herr Kato spielt Familie}, author = {FLASAR, Milena Michiko}, year = {2019}, date = {2019-03-13}, abstract = {FLASAR, Milena Michiko: „Herr Kato spielt Familie“, Berlin 2019 Es ist beeindruckend, wie eine junge Frau – die Autorin – einen älteren Mann, der eben in Pension gegangen ist beschreibt. Seine Probleme und wie er sich um seine Gesundheit sorgt und diverse Ärzte aufsucht, um letztlich enttäuscht zu sein diagnostiziert zu bekommen, dass er gesund ist. Er weiß mit der im Ruhestand gewonnen Zeit noch Nichts anzufangen, bis er auf einem Friedhof eine Schauspielerin kennenlernt, die auf Bestellung verschiedene Rollen für eine andere Menschen spielt. Menschen bestellen sich bei einer Agentur Schauspieler, um für sie die Rolle einer (fehlenden) Familie zu spielen. Etwa eine Hochzeit, bei der nur das Hochzeitspaar echt ist und alle Gäste Schauspieler sind. Herr Kato, die Hauptfigur des Romans, übernimmt die Rolle des Chefs des Bräutigams und muss auch eine Rede halten. Ein anderes Mal muss er sich mit einer geschiedenen Frau treffen, die bedingt durch die Scheidung unter krankhaftem Stress leidet. Herr Kato spielt den geschiedenen Mann, der Erleichterung für die Krankheit bringen soll. Eine Mutter engagiert ihn, um den Großvater für ihre Tochter zu spielen. Der echte Großvater lehnte den Jungen ab. Herr Kato sollte ihn für einige Stunden ersetzen. Aber auch privat wird gespielt. Das Ehepaar Kato hatte sich im Laufe der Jahre auseinandergelebt. Sie haben sich nicht mehr viel zu sagen. Die Kinder sind ausgezogen und flügge; haben selbst Familie. Das ältere Ehepaar ist sich selbst überlassen. Das Haus ist zu groß. Erst ein Herzinfarkt des Mannes lässt sie das Haus gegen eine bequemere Wohnung wechseln. Ich hatte das Gefühl beim Lesen älter geworden zu sein, so sehr hat mich der Text in den alternden Mann hineingezogen. }, keywords = {Pensionist Schauspieler}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{FALLADA2019, title = {Jeder stirbt für sich allein}, author = {FALLADA, Hans}, year = {2019}, date = {2019-03-08}, abstract = {FALLADA, Hans: „Jeder stirbt für sich alleine“, Berlin 2016 Fallada war während des Naziregimes ein „unerwünschter Autor“ und lebte zurückgezogen. Gleich nach Kriegsende, im Jahr 1946 schrieb er diesen 700seitigen Roman in nur vier Wochen. Eine großartige Erzählung, die auch zeigt, wieviel die Leute damals wussten und wie viele leugneten etwas von KZ oder Misshandlung und Judenverfolgung gewusst zu haben. Fallada schrieb ja unmittelbar nach dem Ende des NS-Regimes alles nieder. Es war noch nicht verklärt. Man kann von einer sachlichen Berichterstattung in Romanform ausgehen. Großartig, wie sich Fallada in die Rolle der handelnden Personen hineindenkt. Wie er die letzten Tage des zum Tode verurteilten Mannes beschreibt. Was dieser denkt, empfindet, wahrnimmt. Stilistisch könnte man es heute vielleicht kitschig nennen, aber der Effekt ist eine, über 700 Seiten nicht abreißende Spannung. Dabei ist das Thema selbst harmlos. Ein Ehepaar, das mit dem Hitlerregime nicht einverstanden ist und ihren Widerstand mit dem Schreiben von Karten kundtut. Karten, die sie heimlich öffentlich ablegen … bis sie erwischt werden. Enttäuschend dann das Ergebnis: die Karten wurden nicht im Untergrund weitergegeben, sondern aus Angst fast alle bei der Polizei abgegeben. Für den Kartenschreiber ist die Erkenntnis, dass er Angst verbreitete neu und er ist froh verurteilt zu werden. Der Kommissar, der ihn „gejagt“ hatte meinte nach der Verhaftung „Haben sie einmal darüber nachgedacht, wieviel Angst und Not sie mit diesen Karten über die Menschen gebracht haben? Die Leute sind ja vor Angst vergangen, manche sind verhaftet worden, und von einem weiß ich bestimmt, dass er wegen dieser Karten Selbstmord verübt hat …“ (Seite 499) Obwohl der Fall gelöst war, war der Kommissar nicht zufrieden. Der Kartenschreiber hatte ihm die Augen geöffnet und er, der Jäger erschoss sich auf seinem Arbeitsplatz. Der Kartenschreiber und seine Frau nehmen die Prozesse heldenhaft entgegen. Sie erklären sich in allem schuldig. Die Ankläger und der Richter sind enttäuscht. Trotzdem versuchen sie die zu Verurteilenden noch zu schikanieren. Ihr Eingeständnis nimmt ihnen vieles an Show in der Verhandlungstaktik. Dramatisch dann auch der Abschnitt des Buches, in dem das Ehepaar – getrennt – auf ihre Hinrichtung wartet. Sie sehen dem tapfer entgegen, obwohl ihnen eine Giftampulle von einem ehemaligen Nachbarn zugespielt wurde, mit der sie ihrem Leben ein Ende setzten hätten können und vielen noch folgenden Schikanen entgehen hätten können. Sie aber gehen tapfer den Weg bis zum Ende. Großartig, wie sich Fallada in die Rolle der dem Tod geweihten Menschen hineinversetzt und diese mit ihren Gedanken zu Papier bringt. Das vorliegende Buch ist eine Originalfassung aus dem Jahr 1946, wie es ursprünglich nicht veröffentlicht wurde. So ist es daher zeitnäher und härter. }, keywords = {Berlin, NS-Regime, zum Tod Verurteilte}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{LÜSCHER2019, title = {Frühling der Barbaren}, author = {LÜSCHER, Jonas}, year = {2019}, date = {2019-02-20}, abstract = {LÜSCHER, Jonas: „Frühling der Barbaren“, München 2015 Der Autor beschreibt eine reiche englische Gesellschaft mit erfolgreichen jungen Managern. Es wird eine Hochzeit gefeiert. In einem luxuriösen Zelt Camp in der Wüste Tunesien. Einzig die Eltern passen nicht ganz zu dieser jungen ausgeflippten Runde. Sehr gut ist die Gesellschaft mit dem engagierten Koch beschrieben: „Der Koch, ein junger, wilder Kärntner, in Tokyo und Sydney ausgebildet … in einem tunesischen Wüstenresort zu einer englischen Hochzeit, bei der Geld keine Rolle spielte – oder die allergrößte -, auftischen würde. Louisiana-Flusskrebse in Grünteegelee an Dattelcouscous; Baklava von Akazienhonig, Alba-Trüffeln, Stopfleber und tasmanischen Macadamianüssen oder Tafelspitz vom Wagyu-Rind in Süßkartoffelgröstl und ähnliche internationalisierte Späße.“ (Seite 80 und 81) Da bricht plötzlich über Nacht in England das Bankgeschäft zusammen und das britische Pfund verfällt. Die englische Regierung musste den Staatsbankrott ausrufen. Um die Hochzeitstafel in Tunesien zahlen zu können müsste das Paar ihr Haus in England verkaufen. Die Krise schwappt auch auf Tunesien über und alternative Kräfte übernehmen das Ruder. Der reiche Besitzer der Hotelanlage wird eingesperrt und die Tochter versucht den Schaden irgendwie zu überbrücken. Letztlich wird aber auch sie von den Häschern gefasst. Im Titel „Frühling der Barbaren“ wird Bezug genommen auf eine Neuauflage des arabischen Frühlings und dem barbarischen Verhalten der Engländer, die plötzlich ihr ganzes Hab und Gut verloren haben und sich barbarisch gegenüber ihrer Umwelt verhalten: ein Kamel schlachten, Kühltruhen plündern … Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht eines jungen Schweizer Geschäftsmanns, der sich aus beruflichen Gründen in diesem Camp befindet. Und es ist eine wirkliche Erzählung, denn der Autor wählt die Form der Erzählung so, dass der Schweizer Geschäftsmann, der eben in Tunesien war und das alles miterlebt hatte einem Freund erzählt. Der Mitschnitt dieses Gesprächs ist das Buch. }, keywords = {arabischer Frühling, England, Staatsbankrott, Tunesien}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{PLUHAR2018b, title = {Gegenüber}, author = {PLUHAR, Erika}, year = {2019}, date = {2019-02-16}, abstract = {PLUHAR, Erika: „Gegenüber“, MP3-CD, Gelesen von Erika Pluhar und Anna Dangel, Residenz Verlag Salzburg-Wien 2019 Ich bin kein Experte für Hörbücher. Die CD mit dem Buch „Gegenüber“ von Erika Pluhar war eine kleine Novität für mich. Ich hörte es beim Autofahren. Man braucht auch viel Zeit, um diese 11 Kapiteln mit insgesamt 7 ½ Stunden Spielzeit anzuhören. Das Buch hatte ich schon gelesen (wie übrigens alle Bücher von Pluhar). Das vorgelesene Buch war eine Novität für mich und ich hörte wieder neue Dinge heraus. Besonders toll fand ich es, dass die Autorin auf Grund ihrer Professionalität als Schauspielerin das Buch selbst las. Da bekommt man einen noch größeren Tiefgang beim Empfang der Texte. Es geht um eine 80-jährige, alleinlebende Frau, um die sich eine halb so alte Nachbarin liebevoll kümmert. Pluhar zeigt dabei die Diskrepanz der beiden Frauen. Die Alleinlebende will auch lieber alleine sein und fühlt sich bei den Besuchen der Nachbarin zu Beginn in ihrer Freiheit eingeschränkt. Zunehmend genießt sie aber die Obsorge der Jungen. Als dritte Person kommt der angenommen Sohn aus Afrika ins Spiel. Er lebt in Westsahara und arbeitet für die dortige, nicht freie Minderheit. Ein Thema, das auch im Privatleben für Erika Pluhar ein Anliegen ist. }, keywords = {Alt und Jung, einsame Frau, Hör CD}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{ALM2019, title = {Ohne Bekenntnis. Wie mit Religion Politik gemacht wird}, author = {ALM, Niko}, year = {2019}, date = {2019-02-13}, abstract = {ALM, Niko: „Ohne Bekenntnis. Wie mit Religion Politik gemacht wird“, Salzburg-Wien 2019 Der Autor outet sich gleich zu Beginn des Buches, dass er ein Atheist ist. Ja in der Einleitung meint er, dass jeder Mensch als Atheist geboren wird und ihm von anderen – wie den Eltern - eine Religion auferlegt wird. Als Achtjähriger habe er am Beispiel Abrahams, der seinen Sohn opfern wollte, erkannt, dass das kein gütiger Gott sein kann und keiner, den er braucht. Warum es Religionen gibt begründet der Autor damit, dass „die Götter alles regeln. Es regnet? Gott weint. Eine Krankheit? Gott straft.“ (Seite 25) Die Menschen halten an Religionen fest, weil sie Trost, Erklärung und Kooperation geben. Trost für Leiden aller Art und auch einer Reduzierung der Angst vor dem Tod. Erklärung all jener Dinge, die nicht erklärbar sind. Sehr nüchtern wird die Situation der Kirchen aufgezeigt: all ihre negativen Aktionen von den Kreuzzügen bis zur Kindermisshandlung und dass die Kirche längst verweltlicht sei. Auch sei es „keine Voraussetzung, an Gott zu glauben, um Mitglied der Kirche zu sein.“ (Seite 37) Natürlich darf in so einem Buch auch nicht das aktuelle Kopftuchverbot der Regierung fehlen, dass er als Einschränkung der menschlichen Freiheit sieht. Auch sei es nur eine Stellvertreterdebatte. Den Religionsunterricht will er ebenfalls abgeschafft wissen, so wie auch in den öffentlichen Gebäuden und Schulen keine Kreuze hängen dürften. Ja selbst auf den Berggipfeln sollten die meisten weg, weil die meisten Berge der Österreichischen Bundesforste gehören und somit dem Staat, der aber neutral agieren solle. Bei der Verquickung von Staat und Religion rechnet er sogar vor, dass der Staat die kirchlichen Organisationen mit Steuergeldern unterstützt. Eine Rechnung die stimmt? Umwegrentabilitäten unberücksichtigt lassend. Auch die Unterstützung von Klosterschulen wird hier mitgerechnet. Und so kommt er auf 4 Milliarden Euro, die der Staat der katholischen Kirche zuschisst. Der Staat dürfe generell keine Religionen ablehnen, das stehe ihm nicht zu. Er müsse neutral sein. Er, der Nicht-Theologe – scheucht auch nicht davor zurück Jesus „potemkinsche“ zu nennen, weil alles an ihm nicht stimme: das Geburtsdatum, viele der in der Bibel aufgezeichneten Punkte, Kreuzigung, Auferstehung und vieles andere in der Biografie von Jesus. Die Aufklärung sei noch nicht zu Ende geführt, solange Religionen im Staat eine Rolle spielen. Es müsse Laizität Einzug halten. Der Staat „verpflichtet sich keinen Religionsgesetzen und Konkordaten, sondern kündigt diese auf. … Nur so kann er Gewissensfreiheit und Weltanschauungsfreiheit garantieren. … Die Menschen haben die Freiheit und das Recht, zu glauben, was sie wollen und das auch frei zu äußern.“ (Seite 242) Bei der Beurteilung dieses Buches versuchte ich so vorzugehen, wie ich eine Diplomarbeit oder Masterthese bewerte: Es ist nicht wichtig, ob man an die aufgestellte These, Behauptung glaubt; sie gut oder schlecht empfindet. Es ist wichtig zu bewerten, ob der Autor das Thema und seine These richtig und gut argumentiert hat. Und so ist es hier. Ich bin kein bekennender Atheist, aber Niko Alm hat zum Nachdenken angeregt, indem er Schwachstellen der religiösen Systeme aufgezeigt hat. }, keywords = {Atheismus, Kirche, Religion, Staat}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{KLING2019, title = {Qualityland}, author = {KLING, Marc-Uwe}, year = {2019}, date = {2019-02-03}, abstract = {KLING, Marc-Uwe: „Qualityland“, Berlin 2018 Es ist in neuem Stil eine erneuerte und angepasste Fassung von Georg Orwells 1984. Ich würde den Roman „“2084“ nennen. Oder sind wir schon näher dran. Es ist eine interessante Aufmachung, wie unsere Welt volldigitalisiert aussehen könnte. Einige Szenen: • Ein Mann sitzt mit seiner schwangeren Frau beim Gynäkologen und der fragt, ob sie die Zukunft des Kindes wissen wollen. Nach unserer heutigen Termi9nologie meint das „Welches Geschlecht wird das Baby haben?“ Die Antwort des Arztes im Qualityland: „Es wird wahrscheinlich eine drogensüchtige Sexarbeiterin ohne Kontakt zu ihrer Familie, mit gelegentlich wiederkehrenden Depressionen und einer besonders ausgeprägten Freude an alten romantischen Komödien mit Jennifer Aniston.“ (Seite 195) Der Arzt bot aber gleichzeitig an, viele dieser Fehler gentechnisch reparieren zu können. • Es wird auch zwischen einer schwachen und einer Starken K.I. (Künstlichen Intelligenz) unterschieden. Die starke würde sich selbst immer weiter entwickeln und so allgegenwärtig, allwissend und allmächtig werden. Also gottähnlich. Der kann dann bös- oder gutartig sein. Der Autor zeigt auf, welche Auswirkungen ein gütiger „Gott“ haben könnte: „Stell dir vor, du wärst Architekt, aber jedes Gebäude, das du bauen möchtest, könnte Gott viel schneller, viel billiger und viel besser bauen. Stell dir vor, du bist Dichter, aber jedes Gedicht, das du schreiben möchtest, könnte Gott viel schneller, viel schöner und viel kunstfertiger schreiben. Stell dir vor, du bist Arzt, aber jeden Menschen, den du heilen möchtest, könnte Gott viel schneller, viel schmerzfreier und viel nachhaltiger heilen. …“ (Seite 188) Die Geschichte wird aus zwei Sichtwinkeln beschrieben: Einerseits ein nicht sehr befähigter Sohn eines reichen und erfolgreichen Vaters, der Parlamentarier wurde und der mit einer ebenso wenig intellektuellen Frau verheiratet ist. Andererseits von einem kritischen „Aussteiger“, einem Maschinenvernichter, der gegen die Auswirkungen des vernetzten Systems ankämpft. So werden zwei Sichtweisen auf das verrückte Zukunft Szenario gebracht. Vieles davon kann man sich heute schon vorstellen oder in Ansätzen registrieren. Da der Tod jedes Menschen vorausberechnet werden kann, wusste man, wann die Präsidenten von Qualityland sterben wird und hat für diesen Tag Neuwahlen angesetzt. Die Wahl gewann ein Android, ein Roboter, der aber unmittelbar nachdem er das Amt angetreten hatte von einem Maschinenstürmer zerstört. Nicht nur die grafische Aufmachung des Buches ist alternativ, auch der Schreibstil des Autors ist etwas Neues und Interessantes. Sehr gut zu lesen. }, keywords = {Vernetzte Welt, ZUkunftszenario}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HAUSHOFER2019, title = {Schreckliche Treue, Gesammelte Erzählungen}, author = {HAUSHOFER, Marlene}, year = {2019}, date = {2019-01-27}, abstract = {HAUSHOFER, Marlene: „Schreckliche Treue, Gesammelte Erzählungen“, Berlin 2015 Spät erst kam sie zu Ruhm. Ihre Bücher wurden erst nachgefragt als sie schon gestorben war. Die vorliegende Erzählsammlung zeigt die Größe dieser Dichterin. Detailgenau beschreibt sie Situationen und als Leser folgt man ihr zufrieden. Alles wirkt friedlich, auch nicht so schöne Situationen. Sie ist nicht nur detailverliebt, sondern auch voller Fantasien. Sei es, wenn sie vom Besucher toter Menschen spricht oder einem Mann, der sich einen Hund nimmt, um an ihm seine Wutauszulassen. Voll Phantasie auch die Aufarbeitung einer abgelehnten Liebe und ein Widerfinden in der Sterbestunde. Auch wenn es um den Tod geht wirkt es nicht traurig, ist einfach emotionell und schön. Manche Geschichten sind Zeitzeugen, wenn sie etwa auf die Kriegszeit zurück gehen oder den Umgang eines diktatorischen Vaters mit seiner Familie aufzeigt. Haushofer wird als eine der ersten Feministinnen verehrt. In ihren Geschichten versteht sie es, den dominierenden Ehemann und die unterwürfige Ehefrau sehr gut darzustellen, ohne kämpferisch aufdringlich zu wirken. Der Leser muss sich seinen Reim daraus selbst machen. So auch bei jener Frau, wo der Ehemann gönnerisch einen Geldschein über den Frühstückstisch schiebt und meint, sie solle sich neue Pantoffel kaufen. Sie aber ersteht ein Myrtenbäumchen, das ihr wichtiger erschien als neue Hausschuhe. In vielen Geschichten geht es um Träume der Proponenten. Wirklich außergewöhnliche Erfindungen, die nur in der Nacht entstehen können. Das kann dann soweit führen – und hier verbindet sie ihre zwei Hauptthemen „Traum“ mit „feministischer Aufklärung“ – dass sich der Ehemann von der, Gruselgeschichten erzählenden Frau scheiden lassen will. Jede Erzählung ist anders und steht für sich. In dem vorliegenden Buch wurden sie zusammengetragen. Zu Lebzeiten der Autorin in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht ergeben sie hier ein Gesamtbild. Im Kapitel „Die Geschichte“ gibt die Autorin auch Einblick mit welchen Schwierigkeiten so manche Erzählung entstand. „Seit vielen Wochen trage ich mich mit der Absicht, eine seriöse Geschichte zu schreiben. Aber immer wieder kommt mir etwas dazwischen …“ (Seite 181) Es ist die fehlende Zeit neben der Hausfrauenarbeit und die Störungen durch die eigenen Kinder. Mit diesen Einflüssen entsteht dann aus einer „seriösen“ Geschichte eine Kriminalerzählung. Die Erzählung „Schreckliche Treue“ gab dem Buch den Titel. Es ist aber eine traurige Geschichte, in der eine Frau in den Kriegswirren ihr Baby verliert und mit einem Mann ein neues Leben mit einer neuen Familie beginnt, ohne aber von den Gedanken des verlorenen Kindes loszukommen. In einer Nachbemerkung erklärt Haushofer, warum sie diese Erzählungen geschrieben hat. „Um mir selber einmal eine Freude zu bereiten.“ (Seite 453) Nach zwei Romanen fühlte sie sich erschöpft und meinte, dass es keine mühsamere Arbeit als Romaneschreiben gäbe. Erzählungen zu schreiben sei dagegen eine Erholung. Aus Sicht des Lesers vermitteln die Erzählungen Erholungen, wenngleich man – bedingt durch die Verschiedenhaftigkeit und Vielfalt – das Buch nicht wie einen Roman durchlesen kann, weil man zwischen den einzelnen Geschichten eine Nachdenkpause braucht, um für das nächste Ereignis aufnahmebereit ist und gegen Verwechslungen aus dem Vorangegangenen gefeit ist. }, keywords = {Erzählungen}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HACKL2019, title = {Am Seil – Eine Heldengeschichte}, author = {HACKL, Erich}, year = {2019}, date = {2019-01-13}, abstract = {HACKL, Erich: „Am Seil – Eine Heldengeschichte“, Zürich 2018 Der Autor Erich Hackl ist ja ein Experte im Aufarbeiten der Zeit des Naziregimes. Im vorliegenden Buch begleitet er das Leben einer Mutter und Tochter, die untergetaucht sind. Es ist interessant, beim Lesen mitzuerleben, wie es solchen Menschen ergangen ist. Wie sie mit Angst und Entbehrungen leben mussten. Man bekommt aber auch ein Gefühl, welches Risiko jene eingegangen sind, die Leute versteckt haben und damit ihr Leben riskiert haben. Mehr Bezug verschafft es den später Geborenen, indem Hackl die Lebensgeschichten bis in die heutige Zeit herauf beschreibt. Wie der „Beschützer“ bis in die 90er Jahre gelebt hat und was für ein Menschentyp er in der heutigen Zeit war. Ein schöner und wichtiger Beitrag der Zeitgeschichte. }, keywords = {Nationalsozialismus, Wien, Zeitgeschichte, Zeitzeugen}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HERRMAN2019, title = {Der Wein des Vergessens}, author = {HERRMAN, Bernhard STREIBEL, Robert}, year = {2019}, date = {2019-01-10}, abstract = {HERRMAN, Bernhard; STREIBEL, Robert: „Der Wein des Vergessens“, Salzburg Wien 2018 Es ist ein großartiges Buch. Die Beschreibung eines Zeitabschnitts über die NS Zeit in Österreich mit Vor- und Nachwirkungen auf Basis von konkreten Personen. Ein Roman – so nennt sich das Buch – wie man ihn nur schwer erfinden könnte. Die Basis lieferte der Nachlass einer Verwandten des Autors Herrman. Einen schalen Beigeschmack hat das Buch aber, auf den ich am Ende dieser Rezension zurückkommen möchte. Nun zum Inhalt: Ein wohlhabender Weinhändler mit Besitzungen in Wien Heiligenstadt, Krems und im Süden Österreichs ist homosexuell und hat einen gesellschaftlich sehr aktiven Freund, der selbst aber wenig vom Geschäft versteht und von ihm abhängig ist. Dafür hat er ausgezeichnete Beziehungen zur gehobenen Gesellschaftsschicht. Der Weinhändler ist Jude und bekommt mit der Übernahme der Nationalsozialisten Probleme. Sein Freund hilft aus. Die Güter werden an ihn verkauft umso vorm Zugriff durch die Nazis gesichert zu sein. Dem war dann nicht so. In Krems wurde von Nationalsozialisten eine Winzergenossenschaft gegründet, die das Kremser Weingut übernehmen wollte und nach langen gerichtlichen Streitigkeiten auch tat. Politisch war die Sache klar, aber rechtlich doch nicht. Obwohl letztlich die Nationalsozialisten gegen den Freund des Juden, der inzwischen ausgewandert war gewonnen hatten. Der Weinhändler selbst schlägt sich über Triest, Frankreich nach Venezuela durch, wo er wieder ein Geschäft aufbaut und erfolgreich wird. Mit Österreich und seinem Freund hat er über viele Jahre jeden Kontakt abgebrochen. Bei Kriegsende flüchtet auch der zurückgebliebene Freund in die amerikanische Zone. Der Verwalter und inzwischen enge Freund führte die Geschäfte weiter. Die Familie des Verwalters – Frau und Tochter - wurde „seine Familie“ und sie nannten ihn auch Vati. Die Enteignung der Weingüter wurde nach dem Krieg wieder gerichtlich aufgenommen. Aber an der Gesinnung hatte sich Nichts geändert. Der jüdische Besitzer hatte zwei Mal Geld für seine Besitzung bekommen. Schätzungen gerichtlicher Gutachter sahen die Zahlungen als realistisch an und der Akt wurde geschlossen. Der Weinhändler kam noch einmal nach Wien, um seinem Freund aus finanzieller Not zu helfen. Er starb reich und alleine in Venezuela. Seine Wiener Besitzungen vererbte er dem Freund, der aber verarmt starb. Ein wirklich gut recherchiertes Buch. Obwohl die Erzählung auf der Zeitachse läuft verliert es nicht an Spannung beim Lesen. Warum man im Vorwort und im Nachsatz negativ über das derzeitige Management der Winzergenossenschaft, einem gut organisierten Betrieb, schreibt ist nicht zu verstehen. Erbsünde gibt es doch nicht mehr? Es sind inzwischen schon zwei Generationen vergangen. Was bezweckten die Autoren mit diesen negativen Statements? Soll das Buch Bestandteil eines gerichtlichen Wiederaufrollens der Übernahme durch die Winzer werden? Müssen Menschen, die achtzig Jahre später leben dafür einstehen was ihre Urgroßeltern gemacht haben? Dieses Buch wäre auch ohne diese Schmutzkübelaktion ein gutes Buch geworden. }, keywords = {Nationalsozialismus, Weinhandel, Winzer Krems}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{GLATTAUER2018, title = {Vier Stern Stunden}, author = {GLATTAUER, Daniel}, year = {2018}, date = {2018-12-29}, abstract = {GLATTAUER, Daniel: „Vier Stern stunden (Eine Komödie)“, Wien 2018 Glattauers Bücher waren noch nie sehr voluminös. Dieses ist aber noch schmäler als die vorangegangenen. Durch großzügigen Satz erreicht es etwas über 100 Seiten. Von der Anzahl der Buchstaben und Wörtern sind es aber nur einige Dutzend Seiten. Dementsprechend schnell ist es auch gelesen. Es spielt in einem (ehemaligen) Nobelhotel. Der Juniorchef führt die Tradition des Vaters fort. Die Gäste überaltern. Im Rahmen eines Kulturabends wird ein bekannter Schriftsteller vorgestellt, der mit seiner jungen Freundin angereist war. Eine Verehrerin des Dichters ist die Moderatorin. Nach Ausfall der Lautsprecheranlage, einer Unterbrechung und schwacher Moderatorenleistung wird die Veranstaltung je abgebrochen. Eine ehemalige Freundin des Dichters trat in Burka gekleidet als Störfaktor auf. Letztlich endet es teilweise in betrunkenem Zustand der handelnden Personen in einer Bar und die Paare formieren sich neu. Für den jungen Hotelier steht eine Neuausrichtung seines Betriebes bevor. }, keywords = {Komödie, Schriftsteller}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{HAWKING2018, title = {Kurze Antworten auf grosse Fragen}, author = {HAWKING, Stephen}, year = {2018}, date = {2018-12-28}, abstract = {HAWKING, Stephen: „Kurze Antworten auf große Fragen“, Stuttgart 2018 Das Buch entstand am Ende seines Lebens. Im Kapitel „Warum wir die großen Fragen stellen“ versteckt sich seine eigene Biografie, wo er bereits auf der ersten Seite meint „Woher kommen wir? Was ist der Sinn und Plan hinter allem? Gibt es jemanden da draußen?“ (Seite 27) und gleichzeitig widerspricht er bereits hier allen bestehenden Anschauungen „Die Schöpfungsgeschichte der Vergangenheit erscheint heute als wenig brauchbar und glaubhaft“ (Seite 27) Der Autor, ein Mensch, der den Tod vor sich sieht resümiert: • „Mein Leben habe ich damit verbracht, in meinem Denken kreuz und quer durch das Universum zu reisen.“ (Seite 27) • „Es war eine wunderbare Zeit, zu leben und in der Theoretischen Physik zu forschen. In den vergangenen 50 Jahren hat sich unser Bild vom Universum erheblich verändert, und ich bin glücklich, wenn ich dazu einen Beitrag geleistet habe.“ (Seite 28) • Dem Tod ins Auge blickend sagt er „Ich weiß nur zu gut, wie kostbar die Zeit ist. Nutzt den Augenblick! Handelt jetzt!“ (Seite 29) „Jetzt wurde jeder neue Tag zum Geschenk, nachdem meine Erwartungen auf null gesunken waren. Ich begann, mich über alles zu freuen, was ich hatte. Wo Leben ist, da ist auch Hoffnung.“ (Seite 35) In einzelnen Kapiteln stellt er zehn große Fragen und versucht darauf eine Antwort zu geben. Seine zentrale Fragestellung war „Hat das Universum einen Anfang?“ Mit seiner Forschung über die schwarzen Löcher versuchte Hawking Antworten zu finden. Er kritisiert auch, dass Naturwissenschaftler Fragen der Religion beantworten. Er bezweifelt einen Schöpfer und Gott. Im besten Fall kann er akzeptieren, dass GOTT die Verkörperung der Naturgesetze ist. Er prognostiziert auch, dass wir „am Ende dieses Jahrhunderts wissen, was Gott denkt.“ (Seite 53) Gott hat die Gesetze geschaffen, aber die Natur ist selbst entstanden. Er erklärt, dass es vor dem Urknall keine ZEIT gab. Da es keine Zeit gab, kann es auch keinen Gott gegeben haben. „Es gibt wahrscheinlich keinen Himmel und kein Leben nach dem Tod. Ich nehme an, der Glaube an ein Jenseits ist lediglich Wunschdenken“. (Seite 62) „Aber es gibt eine Form, in der wir weiterleben: in unserem Einfluss und in den Genen, die wir an unsere Kinder weitergeben.“ (Seite 63) Hawking verweist auf Aristarch von Samos, einen Philosophen, der 300 v. Chr. schon Mondfinsternis und Sonne als naturwissenschaftliche Erscheinungen erklärte. Neben Einstein war er für Hawking der wichtigste Wissenschaftler. Eine der Fragen lautet „Wie hat alles angefangen?“. Er versucht den Schöpfungsmythos mit naturwissenschaftlichen Fakten zu begegnen und so die Fragen „Warum sind wir hier?“ und „Woher kommen wir?“ zu beantworten. Historisch – und im Buch wird immer wieder Historisches aufgearbeitet – verweist er auf das Buch Mose, wo es heißt, dass der Anfang der Zeit am Abend des 22. Oktober 4004 v.Chr. um 18 Uhr stattfand. Für viele Wissenschaftler und Philosophen war es unvorstellbar, dass das Universum einen Anfang hatte. Auch Aristoteles war „der festen Überzeugung, das Universum gebe es seit aller Ewigkeit“ (Seite 67) Die Größe des Universums sei für den Menschen unvorstellbar – so Hawking. Es gebe Milliarden und Abermilliarden von Galaxien und jede von ihnen enthalte wieder Milliarden und Abermilliarden von Sternen. Und noch heute wächst es weiter. Aber: „Irgendwann beginnt dann die Materie in sich zusammenzustürzen und in einem Big Crunch zu verschmelzen.“ (Seite 88). Ein mögliches Ende des Universums könnte in 20 Milliarden Jahren sein. Alle Sterne werden einmal ausbrennen. Mit der Frage, ob es intelligentes Leben im Universum gebe, wird vor allem der Begriff „intelligentes Leben“ definiert und da beginnt er bereits beim Menschen selbst und seinem „ziemlich dummen“ Benehmen zu zweifeln. Er findet Computerviren durchaus als Lebewesen. Darüber hinaus hat jeder fünfte Stern „einen erdähnlichen Planeten“. Diese sind aber zu weit entfernt für uns. Um sie erreichen zu können, muss man Maschinen ins Universum zur Erforschung schicken. Kein Mensch kann sie lebend erreichen. Aber die Menschheit wird zunehmend auf externes Wissen zugreifen. Im18. Jahrhundert konnte ein Mensch noch die gesamte Literatur lesen. Heute bräuchte ein Mensch zum Lesen aller existierenden Bücher zehntausend Jahre. Der Mensch muss sich demnach spezialisieren. Leider stecken aber immer noch aggressive Triebe in ihm, wie sie die Höhlenmenschen brauchten. Im Zusammenhang mit Atomwaffen nicht ungefährlich. Gentechnische Veränderungen werden Übermenschen entstehen lassen, die mit den „normalen Erdenbürgern“ einen Konflikt entstehen lassen werden. Früher waren die Menschen Katastrophen willkürlich ausgesetzt. Heute kann man zunehmend Vorhersagen treffen. Die Grundsätze der Naturwissenschaft lassen die Zukunft berechenbar machen, aber in der heutigen Praxis sind diese Berechnungen oft noch zu schwierig. Die schwarzen Löcher sind Hawkings Spezialität und dem widmet er sich auch in einem Kapitel mit dem Titel „Was befindet sich in einem schwarzen Loch?“. Schwarze Löcher können Unmengen an Informationen enthalten. Sie können von uns nicht gesehen werden, weil sie, auf Grund ihrer Masse kein Licht austreten lassen. Man kann sie auch nicht erreichen. Von den kleinen schwarzen Löchern würden wir beim Eintritt zu Spaghetti verarbeitet werden und in den großen zu Tode gequetscht. Bei der Frage, ob die Menschheit auf der Erde überleben wird ist Hawking nicht so optimistisch. „Unsere Welt ist politisch offensichtlich instabiler als je zuvor in meiner Erinnerung. Viele Menschen haben das Gefühl, wirtschaftlich und gesellschaftlich abgehängt zu sein. Das hat zur Folge, dass sie sich Populisten – oder zumindest populären Politikern – anschließen, die nur begrenzte Regierungserfahrung haben …die Wahrscheinlichkeit nimmt zu, dass leichtfertige oder böswillige Kräfte eine weltweite Katastrophe auslösen.“ (Seite 173) Beim Phänomen der Erderwärmung geht er sogar so weit, dass er prognostiziert, dass die Erde ein Klima wie jenes auf der Venus bekommen könnte und die Temperatur weit über 250 Grad liegen könnte. Hawking sieht nur einen Ausweg: die Menschheit muss den Weltraum erobern und Menschen müssen die Erde verlassen, sonst werden sie ausgelöscht. Vom Verbot der Genmanipulation hält er weniger. Alleine aus ökonomischen Gründen muss dies erlaubt sein. Diese Verbesserung der geistigen und körperlichen Qualitäten des Menschen wird eine neue Herausforderung werden. Auch in der künstlichen Intelligenz sieht er eine Chance für die Menschen. Schon heute wird jede Generation besser und schlauer als die vorangegangene. Mit Maschinenintelligenz wird das weiter gesteigert. Die Gefahr sieht er darin, dass der Mensch mit seiner Langsamkeit von der Geschwindigkeit der Rechner überholt wird. Dies kann aber mittelfristig mehr Wohlstand und Gleichheit erzeugen. Mit KI könnten Armut und Krankheit endgültig beseitigt werden. Die Versorgung der Megastädte kann nur mit Robotern und deren Logistik bewältigt werden. Bereits 2025 wird es 30 Städte mit mehr als zehn Millionen Einwohnern geben. Die Zukunft der Kommunikation wird in Gehirn-Computer-Schnittstellen liegen. Das menschliche Gehirn wird mit dem gesamten Internetwissen erweitert. Im zehnten Kapitel, wie wir unsere Zukunft gestalten sollen, verweist er auf die Notwendigkeit des verstärkten naturwissenschaftlichen und technischen Wissens. Dies sei die Basis für zwei Möglichkeiten die Zukunft zu gestalten: • Erkundung des Weltraums und Auffinden alternativer Planeten zum Leben der Menschen • Einsatz der Künstlichen Intelligenz zur Verbesserung der Welt Stephen Hawking hat es nicht mehr erlebt, dass dieses Buch erschienen ist, wenngleich es das letzte war, das er geschrieben hat. So ist es auch als sein Nachlass zu sehen. Viel alternatives Denken, das auch jeden Leser zum Nachdenken bringen sollte. }, keywords = {Astrologie, Universum, ZUkunft}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{ROSA2018, title = {Unverfügbarkeit}, author = {ROSA, Hartmut}, year = {2018}, date = {2018-12-15}, abstract = {ROSA, Hartmut: „Unverfügbarkeit“, Wien Salzburg 2018 Das Buch entstand im Rahmen einer Frühjahrsvorlesung zum Thema „Die Welt in Reichweite. Kritische Reflexionen zum Verhältnis von Resonanz und Verfügbarkeit“ des Literaturhauses Graz. Schon in der Einleitung wird sehr anschaulich mit dem Beispiel eines frühen Schneefalls veranschaulicht, was wir uns untertan machen können und was nicht; was verfügbar und was unverfügbar ist. Speziell durch die im 21. Jahrhundert verstärkten „technischen Möglichkeiten der Digitalisierung und durch die polit-ökonomischen Steigerungs- und Qualitätszwänge des Finanzmarktkapitals und des entfesselten Wettbewerbs“ (Seite 12) glauben wir zunehmend alles verfügbar machen zu können. Diese Steigerungen werden nicht durch den Glauben an Lebensverbesserung, sondern durch die Angst des Verlustes des bereits Erreichten erzeugt. „Es ist nicht die Gier nach mehr, sondern die Angst vor dem Immer-weniger, die das Steigerungsspiel aufrechterhält.“ (Seite 15) Das „Mehr“ interpretiert Rosa als Reichweitenerweiterung. Um etwas Verfügbar zu machen sind vier Elemente notwendig: • Sichtbar Machen • Erreichbar und zugänglich machen • Beherrschbar machen, unter Kontrolle bringen • Nutzbarmachen Verfügbarmachung kehrt aber – so der Autor – ins Gegenteil. Die verfügbar gemachte Welt entzieht sich uns, ja sie bedroht uns. Das Verfügbare erscheint unverfügbar. Ein wesentliches Werk von Hartmut Rosa ist sein Buch über die Resonanz. Im Kapitel IV dieses Buches ist diese, seine Theorie sehr gut zusammengefasst. Resonanz ist ein Beziehungsmodus, der vier Merkmale hat: 1. Moment der Berührung – etwas bewegt, berührt uns 2. Moment der Selbstwirksamkeit – nach der Berührung erfolgt eine Antwort, wie etwa Gänsehaut bei schöner Musik 3. Moment der Anverwandlung – Begegnungen, die uns „zu einem anderen Menschen machen“ 4. Moment der Unverfügbarkeit – etwas lässt uns kalt – berührt uns nicht In weiteren fünf Thesen wird die Verfügbarkeit von Dingen und die Unverfügbarkeit der Erfahrung definiert und letztlich wird das Verfügbarmachen an sechs Stationen des Lebenslaufs aufgezeigt. Von der Geburt, dem Eintritt ins Leben über die Phase der Erziehung, der Lebensplanung und dem Beruf bis hin zum Alter und dem Tod. Im Kapitel VIII wird das Begehren nach dem Unverfügbaren beschrieben und da ringt sich Rosa zu der Aussage hin, „dass es nicht nur nicht gelingt, sondern meines Erachtens auch kaum vorstellbar ist, dass künstliche Intelligenz, dass Roboter begehren können.“ (Seite 118) „Eine komplett verfügbar gemachte Welt wäre nicht nur reizlos, sie wäre auch resonanzlos: Es gäbe in ihr nichts mehr zu begehren.“ (Seite 121) }, keywords = {Unverfügbarkeit, Verfügbarkeit, Weltreicheweite}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{DICKENS2018, title = {Weihnachtserzählungen. Die schönsten Geschichten}, author = {DICKENS, Charles}, year = {2018}, date = {2018-12-13}, abstract = {DICKENS, Charles: „Weihnachtserzählungen. Die schönsten Geschichten“, Wiesbaden 2018 Drei ungewöhnliche Weihnachtsgeschichten wurden in diesem Buch zusammengefasst. Aber nur die erste Geschichte verdient den Übertitel „Weihnachtserzählung“. Die zweite handelt dann vom Jahreswechsel und der dritten fehlt beides. Stilistisch wird man ins 19. Jahrhundert zurückgeführt und genießt die schöne Sprache von Dickens. „Ein Weihnachtslied in Prosa“: Darin wird dem Leser ein alter geiziger Kaufmann vorgestellt, der mit Weihnachten Nichts zu tun haben will. Er, ein alleinstehender Mann, lehnt die Einladung seines einzigen Neffen ab und bleibt auch am Heiligen Abend alleine. Dickens lässt ihm einen Geist erscheinen, der ihn zuerst in tiefen Schlaf versetzt und dann in die Vergangenheit entführt. In eine Zeit, wo er ein armer Bub in einem Internat war, aus dem ihn seine kleine Schwester herausholte. Wie er mehrmals schöne Weihnachten gefeiert hatte, sich aber zunehmend sein Herz verhärtete und er ein geiziger Mensch wurde. Die Rückkehr in die Vergangenheit zeigte ihm, was er falsch gemacht hatte. In der zweiten Geschichte verirrt sich ein alter, armer Mann auf den Kirchturm und er verbringt eine eisige Nacht unter den Glocken. Er sieht Gespenster und träumt Dinge, die in der Geschichte erzählt werden. In der dritten sieht man das Leben einer Familie aus der Sicht eines Heimchens und die Geschichte heißt auch „Das Heimchen am Herd“. Das Heimchen ist eine Grille, die als Haustier gehalten wird. Alle drei Erzählungen haben eigenartige Unterteilungen: die erste – „Ein Weihnachtslied in Prosa“ ist in fünf Strophen gegliedert. Die Geschichte der Glocken in vier Viertel und jene des Heimchens in drei Gezirpe. Es ist zwar einerseits interessant, Literatur aus vergangener Zeit zu lesen, aber vieles können wir uns heute gar nicht mehr vorstellen. Der Herausgeber hat die drei Geschichten eben unter „Weihnachten“ vermarktet. Es ist aber ein Etikettenschwindel. }, keywords = {19. Jahrhundert, Weihnachten}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{ROSLING2018, title = {Fact Fulness, Wie wir lernen die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist}, author = {ROSLING, Hans}, year = {2018}, date = {2018-12-01}, abstract = {ROSLING, Hans: „Fact Fulness, Wie wir lernen die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist“, Berlin 2018 „Zum ersten Mal in der Geschichte liegen Daten zu fast jedem Aspekt der globalen Entwicklung vor. Und dennoch lassen wir uns von unseren dramatischen Instinkten und den Medien, die uns mit diesen ködern, weiterhin zu einer fast hysterischen Weltsicht verleiten.“ (Seite 131) Es werden 10 Instinkte angesprochen, die uns Menschen zu Missinterpretationen verleiten. Die Weltbevölkerung hat das natürliche Gleichgewicht erreicht. Die Zahl der Eltern steigt nicht mehr und diese haben durchschnittlich nur zwei Kinder. Um 1900 hatte die Welt 1 Milliarde Bewohner und im Jahr 2000 6 Milliarden. Die Welt hat bevölkerungstechnisch ihr Gleichgewicht erreicht. Die weitere Steigerung ist nur noch ein Nachklingen. Durch die bessere gesundheitliche Versorgung werden Menschen älter. Im Kapitel "Der Instinkt Angst" wird ausgeführt, dass Angst ein natürlicher Instinkt in einfachen Verhältnissen ist. In der entwickelten Welt ist er aber nicht mehr angebracht. Aber: „Die Medien können der Versuchung nicht widerstehen, unseren Instinkt der Angst zu befeuern. Die größten Schlagzeilen sind oft die, die mehr als eine Art von Angst auslösen." (Seite 133) Die Zahl der, bei Naturkatastrophen Umgekommenen hat sich in den letzten 100 Jahren um das Vierfache reduziert. Die Medien spiegeln aber ein Bild wider, als nehme das zu. Das ist nur eines der vielen Beispiele in diesem Buch, das zeigt, dass wir anders urteilen, als es in der Realität der Fall ist. Das wirtschaftliche Gewicht in Europa und den USA wird nur mehr 20 Prozent ausmachen. Der Schwerpunkt verlagert sich nach Asien, wo auch die höchsten Zuwachsraten sind. Nicht wie intuitiv angenommen in Afrika. Eine mit Zahlen unterlegte Vision ist es auch, dass in 50 Jahren Afrikaner in Europa als Touristen und nicht als Migranten ankommen werden. Von Frauenaktivisten wird nicht zur Kenntnis genommen, dass 50 Prozent der Mädchen einen Zugang zum Schulwesen haben. Genauso viele (in manchen Ländern sogar mehr Mädchen) als Buben. Rosling rechnet mit falschen Statistiken und deren Verwendung ab. Amerika hat international als betrachtet hohe Ausgaben im Gesundheitsbereich, aber keine wirklich hohe Lebenserwartung. Dies liegt am fehlenden Sozialversicherungssystem. Die Reichen leisten sich zu viele Arztbesuche und die Armen zu wenige. CO2 Emissionen sind anders als wir aus den Medien erfahren: Kanada hat doppelt so viele als China. 80% der Menschheit hat Zugang zur Elektrizität. Der Autor sieht aber auch die Probleme der Welt und fasst sie in fünf globalen Risken zusammen: * globale Pandemie - der Ausbruch von sich rasch verbreitenden Seuchen wie es die Spanische Grippe war. * Finanzkollaps - in unserer stark vernetzten Welt viel umfassender * Dritter Weltkrieg - gerade in der heutigen Politik wieder mit viel Risiko behaftet * Klimawandel - trotz Besserungen immer noch eine drohende Gefahr * extreme Armut - sie hat sich zwar von 85% der Weltbevölkerung im Jahre 1800 auf 50% 1966 und 9% 2017 reduziert, aber in manchen Gebieten ist sie noch intensiv Es gäbe - so der Autor - noch eine sechste, die wir noch nicht kennen. Die Anzahl der älteren Menschen nimmt in den hoch entwickelten Ländern nicht mehr zu. Es wird Schweden genannt, wo 20% der Einwohner älter als 65 Jahre sind und in 50 Jahren weiterhin 20% sein werden. Im Anhang werden viele Beispiele von relevanter Entwicklung aufgezeigt. In einem Nachwort erfährt man als Leser, dass der Autor nach Fertigstellung des Manuskripts zu diesem Buch an Krebs gestorben ist. Es war sein zusammengefasstes Lebenswerk, das sein Sohn und dessen Frau weiterführen. }, keywords = {Optimismus, Statistiken, Weltprobleme}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{PAUSCH2018, title = {Die Engel bauen schon. 25 Jahre Europakloster Gut Aich}, author = {PAUSCH, Johannes}, editor = {PAUSCH, Johannes}, year = {2018}, date = {2018-11-26}, abstract = {PAUSCH, Johannes: „Die Engel bauen schon. 25 Jahre Europakloster Gut Aich“, Salzburg 2018 Der Abt und Gründer des Europaklosters in Aich bei Sankt Gilgen im Salzkammergut hat dieses Buch – in dem er den größten Teil selbst geschrieben hat – herausgegeben. Die Historikerin Irene Friedrich gibt einen sehr guten geschichtlichen Überblick des ehemaligen Gutshofs Au. Sehr genau wird über die Vorgänge der Jahre vor der Klostergründung eingegangen. Schon vor 5000 Jahren gab es Pilgerwege, die an diesem „starken Platz“ vorbeiführten. Johannes Pausch geht dann im Abschnitt „Geschichten in der Geschichte von Gut Aich“ auf die Gründung, den Aufbau und das Leben im Kloster selbst ein. Viele Wunder waren notwendig, um diese Klostergründung zu ermöglichen. Aber: „Wunder ereignen sich vor allem dann nicht, wenn mein Ich (Ego) nur mein persönliches Anliegen und meine Bedürfnisbefriedigung in den Vordergrund stellt und nicht mein Anliegen unser aller Anliegen ist. Die vielen Wunder im Zusammenhang mit unserer Kirche haben sich nach meiner Meinung deshalb ereignet, weil dies ein heiliger Raum für alle Menschen und nicht nur ein schöner Raum für einen Mönch oder die Mönchsgemeinschaft sein sollte.“ (Seite 54) Da war das Beten zum heiligen Antonius, dass einige Spenden und Beiträge zur Finanzierung des Aufbaus kamen. Pater Johannes, der Benediktiner hatte die Idee einer Klostergründung. Er fand auch Mitstreiter und sie suchten einen geeigneten Platz. Sie dachten ihn nach dem Ende des Kommunismus im Osten zu finden. Angeboten wurde ihnen dann von Franziskanerinnen ein Gutshof in Österreich. Der Abt des bayrischen Klosters, zu dem Johannes gehörte genehmigte ihm die Gründung, gab aber kein Geld und keine Mönche zum Aufbau mit. Er dachte „Johannes werde resigniert ins Mutterkloster zurückkommen.“ Der aber gab nicht auf und ging durch Höhen und Tiefen. Immer wieder halfen ihm Menschen: • Zuerst waren es die Franziskanerinnen, die dieses Gut den engagierten Mönchen schenkten. • Viele Frauen – Pausch nennt sie „nährende Mütter von Gut Aich“ – brachten Beiträge. Seit 5000 Jahren war das Matriarchat in dieser Gegend nicht ausgestorben. Viele Frauen halfen. • Eine Frau war für die Gestaltung der Kirche verantwortlich. • Die Frau einer Baumaterialfirma lieferte alle Materialien zum Aufbau. • Die Ehefrau des deutschen Kanzlers Kohl spendete einen Apostelluster und ihr Mann brachte eine Ikone, die er vom Papst erhielt. • Ein Teppichhändler half bei der Lieferung von Teppichen. • Ein Mann, dem Johannes mit Edelsteinen Hildegards half auf einem blinden Auge wieder sehend zu werden baute die Kirchenorgel. • Männer im Gasthaus spendeten ein altes Turmkreuz. Pater Johannes beschreibt sehr schön „die Geschichten der Geschichte des Klosters „und zeigt auf, was man alles erreichen kann, wenn man ein Ziel und einen Glauben hat. Der Gedanke der „Dankbarkeit“, wie in der Mönch Steindl-Rast in seinen Büchern vertritt lebt in diesem Kloster. Der letzte Beitrag stammt von einem Gast, der aus dieser Sicht das Leben im Kloster beschreibt. Obwohl es sich beim vorliegenden Buch um eine Geschichte der ersten 25 Jahre des Klosters handelt meint dieser Autor „Die Vergangenheit können wir nicht mehr ändern, wohl aber grundsätzlich die Gegenwart. Das Europakloster ist deswegen heute … eine der zahlreichen Oasen in der Wüste eines gegenwärtigen allgemeinen Verfalls moralischer Werte und unseres von Intoleranz und Hass, von Gewalt und Kriegen verseuchten Erdballs.“ (Seite 124/125) Nach dem Lesen dieses Buches wusste ich, dass ich nochmals hinfahren muss, um jene Plätze, die ich hier beschrieben bekam selbst zu besichtigen und zu erleben. }, keywords = {Europakloster, Geschichte, Kloster}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{STEINDL-RAST2018, title = {Und ich mag mich nicht bewahren. Vom Älterwerden und Reifen}, author = {STEINDL-RAST, David}, year = {2018}, date = {2018-11-22}, abstract = {STEINDL-RAST, David: „Und ich mag mich nicht bewahren. Vom Älterwerden und Reifen“, Innsbruck 2018 Fragen bewegen uns. Fragen machen uns Angst. Eine davon ist die Erkenntnis des Älterwerdens und was danach kommt. Der Mönch Steindl-Rast versucht dazu Antworten und Hilfestellungen zu geben. Eine davon ist es, im JETZT zu leben. „Dieses Jetzt ist uns in jedem Augenblick geschenkt.“ (Seite 6) Leider, so meint er, beschäftigen wir uns meistens mit der Vergangenheit und der Zukunft. Mit dem JETZT könnten wir durch unser ganzes Leben gehen. Der Autor stellt dem Leser dieses Büchleins vier Fragen: • Wonach sehnen wir uns? • Wie kann ich das überstehen? • Woran reifen wir? • Was kann uns trösten? Mit Gedichten seiner zwei Lieblingsdichter – Rainer Maria Rilke und Eichendorff – gibt er Ansätze von Antworten. Das Buch basiert auf der Mitschrift eines Vortrags von David Steindl-Rast in Vorarlberg. }, keywords = {Älterwerden, Angst, Reifen}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{LEVY2018, title = {Heim schwimmen}, author = {LEVY, Deborah}, year = {2018}, date = {2018-10-31}, abstract = {LEVY, Deborath: „Heim schwimmen“, München 2016 Ein sehr makabrer Titel, wenn man den Ausgang des Romans, den Tod einer Hauptfigur im Schwimmbecken als „heim schwimmen“ bezeichnet; also ein Wegge hen vom Leben im Wasser. Die Geschichte spielt an der Cote d´Azur in der Nähe von Nizza. Eine Familie – er ein anerkannter und erfolgreicher Dichter, sie eine Kriegsberichterstatterin und die Tochter, die mehr am Vater orientiert ist – mieten ein Ferienhaus. Die Tochter einer Putzfrau macht ebenfalls Ferien. Sie wohnte im Haus und müsste nach dem Einziehen der englischen Dichter-Journalistin-Familie ausziehen. Diese tritt ihr aber ein Zimmer ab. Es kommt zu einer Affäre zwischen der jungen Frau und dem Dichter. Sie – Kitty Finch – ist nur wegen ihm an die Cote d´ Azur gekommen. Sie verehrt ihn und es kommt auch zu einer Beziehung. Letztlich wird sie aber durch den Tod des Liebhabers, des Dichters beendet. }, keywords = {Beziehungen, Cote d´Azur, Dichter, Nizza}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{LÖW2018, title = {Weltmacht China. Mit einem Vorwort von Hugo Portisch}, author = {LÖW, Raimund, WITT-LÖW, Kerstin}, year = {2018}, date = {2018-10-24}, abstract = {LÖW, Raimund; WITT-LÖW, Kerstin: „Weltmacht China. Mit einem Vorwort von Hugo Portisch“, Salzburg Wien 2018 Seit fast 40 Jahren fahre ich regelmäßig nach China. Nicht zum Urlauben, sondern zum Arbeiten. Dabei – so dachte ich – lernt man ein Land besser kennen. Das vorliegende Buch zeigt mir, dass man immer noch Wissenslücken hat, die die beiden Autoren auffüllen. Zwar besitzen sie keine langjährige Erfahrung; lediglich drei Jahre haben sie in Beijing gewohnt (und die Hauptstadt ist anders als das Land China), aber sie berichten dadurch sehr aktuell und so wie es heute ist. Das Vorwort von Hugo Portisch wirkt aufs Erste als marketingtechnische Aktion um dem Buch mehr Attraktivität zu verleihen. Portisch gibt aber in seinem Vorwort sehr gute Informationen. Er, der schon vor 40 Jahren China bereiste und beschrieb stellt Vergleiche mit heute her und ist aktuell, wie man es von einem 90-jährigen nicht erwarten würde. Löw analysiert die aktuelle Lage aus eigenen Erfahrungen heraus. Dadurch bekommt es Aktualität. Viele Menschen, die vor zehn Jahren in China waren glauben China zu kennen. China aber ändert sich in sehr kurzer Zeit. Kommt man nach einigen Monaten wieder stehen schon wieder neue Wolkenkratzer und man hat Probleme sich zurecht zu finden. Löw bringt Neues aus China. Das macht das Buch auch für „China-Kenner“ interessant. Dem Projekt „Seiden Straße“ gibt er Zahlen und Fakten, aber auch die Hintergründe. Länder bekommen für den Ausbau Kredite. Diese müssen aber zurückgezahlt werden. Die Finanzierung ist kein Marshal Plan, bei der es um Geschenke geht. Können die kreditnehmenden Länder nicht mehr zurückzahlen müssen sie Naturalien geben. Lieferungen von Rohstoffen, Lebensmitteln oder Geräten. Auch kann es zur Enteignung kommen, wie vor Kurzem als ein Land einen Hafen in chinesisches Eigentum übertragen musste. Dass China den Anspruch auf die Weltmachtführung erhebt zeigt sich in fast allen Kapiteln des Buches. Dies führt auch zu einem Konflikt mit den USA, was speziell unter einem Präsidenten wie Donald Trump zu Extremen werden kann. Gebietsansprüche, wie unbewohnte Inseln im Chinesischen Meer sind nur Vorbehalte. In Wahrheit steht die Kontrolle der Seewege dahinter. Auch Themen wie die Behandlung der Minderheiten – Tibeter und Uiguren – werden sehr sachlich analysiert und mögliche Szenarien dargestellt. Die technologische Führerschaft wird mit Zahlen festgemacht: 770 Millionen Internetnutzer; alleine das Werk von Foxconn in Zhengzhou produziert jeden Tag 500.000 iPhones; Leihräder mit eingebautem GPS können via Apps bezogen werden – alleine in der Hauptstadt Beijing sind es über 2 Millionen; zwei von drei Bürgern benützen WeChat – eine Plattform die mehr kann als das im Westen verwendete WhatsApp: man kann damit zahlen wie mit einer Kreditkarte, Taxi bestellen, Fotos tauschen, Nachrichten verschicken, Geld überweisen und vieles mehr. All diese neue Technik wird auch angenommen. „Chinesen überweisen über ihre Smartphones elfmal mehr Geldbeträge als die Amerikaner. Das Online-Geschäftsvolumen in China ist doppelt so groß wie in den USA.“ (Seite 139) Vieles ist nur möglich mit den billiger arbeitenden Wanderarbeitern. Alleine in Beijing mit seinen 23 Millionen Einwohnern sind 8 Millionen Wanderarbeiter. Nicht nur bestehende Städte wachsen und werden ausgebaut. Südlich von Beijing wurde eine neue Stadt nach neuesten Gesichtspunkten gegründet die 2035 (also in 15 Jahren) 5 Millionen Einwohner zählen soll. Aber auch der reichen Chinesen wird gedacht. Sie sind von der kommunistischen Regierung erwünscht und gebraucht. 70% der Wirtschaftsbetriebe sind privat. Nur strategische Unternehmen wie Energie, Telekommunikation und Luftfahrt sind im Staatsbesitz. Sogar in der Vertretung im Volkskongress sitzen sie: „…die 153 Superreichen im Volkskongress“ verfügen „2018 über ein Vermögen von 650 Milliarden Dollar.“ (Seite 33) Einer von ihnen – der Gründer des Internet-Riesen Tencent - ist mit 47 Milliarden Dollar der reichste Chinese. Das vorliegende Buch hat nicht nur ein Vorwort von Hugo Portisch, es ist auch im Stil von Portisch geschrieben: Informativ, interessant, aktuell und leicht lesbar. Rainhard Löw endet mit der These, dass Chinesen demnächst so viel „Gewicht bekommen. Die Welt muss sich darauf einstellen, dass nicht alles so bleiben kann, wie es ist.“ (Seite 251) Die Auszüge aus dem Tagebuch seiner Frau Kerstin sind ergänzend zu den einzelnen Kapitel des Buches. Sie wirken persönlich und hautnah am Geschehen. Sie haben auch das letzte Wort im Buch und beschreiben das Übersiedeln von Beijing in die Heimat Wien. }, keywords = {China, Weltmacht}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{JELCIC2018, title = {14 Tage 1918. Die Anfänge der Republik in Tirol in 53 Zeitungsausschnitten}, author = {JELCIC, Ivona; BREIT, Matthias:}, year = {2018}, date = {2018-10-19}, abstract = {JELCIC, Ivona; BREIT, Matthias: „14 Tage 1918. Die Anfänge der Republik in Tirol in 53 Zeitungsausschnitten“, Innsbruck Wien 2018 Wie schon der Titel sagt, wird an Hand von Zeitungsartikeln mit erklärenden Texten ein Situationsbild nach dem Ersten Weltkrieg gezeigt. Tirol steht stellvertretend für andere Gebiete der ehemaligen Österreichisch-Ungarischen Monarchie. Es sind 18 Tage des Monats November. Über Inserate und Zeitungsmeldungen werden die Probleme der damaligen Zeit kurz nach Ende des Krieges und des Zusammenbruchs der Monarchie gezeigt. Da wird etwa an Hand eines Inserats dargestellt, dass es an Rohstoffen für Zahnprothesen fehlte und eine Firma Geld für abgebrochene Zähne und nicht mehr benötigte Zahnprothesen gibt. Amerika war in den Krieg eingetreten und es gab einen Engpass an Kautschuk. Ersatz wird in alten Gummiwaren wie Autoreifen und Gartenschläuchen gesucht. Die Zeitungsausschnitte zeigen aber auch den gesellschaftlichen Unterschied dieser Zeit auf. So bietet ein Inserent für guten Tabak Lebensmittel, an denen es in der Bevölkerung mangelt. Der Krieg war aus und viele heimkehrende Soldaten ziehen von Italien kommend in ihre Heimat. Die Züge sind voll. Manche sitzen außen auf dem Dach der Waggone oder auf der Lokomotive. Viele verunglücken dabei. Etwa jene am Dach bei Tunneldurchfahrten. Frauen die sich mit italienischen Soldaten eingelassen hatten wurden verspottet und beschimpft. Sogar Namen wurden plakatiert. Zeitungsartikel, die mit ergänzenden und erklärenden Texten versehen sind. Das ist eine interessante Darstellung eines Zeitabschnittes. Inwieweit allerdings Zeitungen das wahre Bild der damaligen Zeit liefern weiß man nicht. Nicht alle und jedes kam in die Zeitung. Aber trotzdem ein interessanter Zugang. }, keywords = {Erster Weltkrieg, Tirol, Zeitungsartikel}, pubstate = {published}, tppubtype = {book} } @book{BRANDSTETTER2018, title = {Lebenszeichen}, author = {BRANDSTETTER, Alois}, year = {2018}, date = {2018-10-17}, abstract = {BRANDSTETTER, Alois: „Lebenszeichen“, Salzburg Wien 2018 Nach den ersten Seiten Lesens habe ich gedacht „Da sinniert ein alter Mann über sein Leben“. Ist das wert als Buch gedruckt zu werden? Mit zunehmendem Lesen wurde ich aber positiver und fand viel Schönes in den Erzählungen eines, in der Vergangenheit schwelgenden Dichters. Dinge werden so dokumentiert und nicht vergessen. Wie etwa, dass die Mutter von Kardinal König unverheiratet Kaiser hieß und dann einen Mann mit Namen Herzog heiratete. Erst in zweiter Ehe hieß sie König und gab diesen Namen ihrem Sohn, dem späteren Kardinal. In allen 24 Kapiteln nähert sich Brandstetter mit Erkenntnissen seines Berufes als Germanist und Leser verschiedenster Wörterbücher und Lexika. So wie der griechische Krimiautor Markaris sein Lexikon als Ideenbringer beim Lösen von Mordfällen heranzieht.